Prinz der verlorenen Herzen - Tara Lain - E-Book

Prinz der verlorenen Herzen E-Book

Tara Lain

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Beschreibung

Ru Maitland arbeitet seit Jahren daran, sich als Modedesigner einen Namen zu machen. Als das Theater in Laguna ihn bittet, Kostüme für eine besondere Inszenierung von Hamlet zu entwerfen, und die Hauptrolle von niemand anderem als dem Traum seiner schlaflosen Nächte Gray Anson gespielt wird, kollidieren für Ru Fantasie und Wirklichkeit. Obwohl Gray vermeintlich hetero ist, kommen sich die beiden während der Proben überraschend näher. Doch Grays Leben wird beherrscht von Verpflichtungen und den allgegenwärtigen Paparazzi, die ihm wenig Privatsphäre lassen. Und Ru hütet ein dunkles Geheimnis, das ihre Beziehung und Grays Karriere in Gefahr bringen könnte... Buch 3 der "Laguna Love"-Serie. Entspricht 310 Romanseiten.

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Seitenzahl: 420

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Deutsche Erstausgabe (ePub) November 2016

Für die Originalausgabe:

© 2016 by Tara Lain

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Prince of the Playhouse«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

ISBN ePub: 978-3-95823-616-5

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Jilan Greyfould

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

Klappentext:

Ru Maitland arbeitet seit Jahren daran, sich als Modedesigner einen Namen zu machen. Als das Theater in Laguna ihn bittet, Kostüme für eine besondere Inszenierung von Hamlet zu entwerfen, und die Hauptrolle von niemand anderem als dem Traum seiner schlaflosen Nächte Gray Anson gespielt wird, kollidieren für Ru Fantasie und Wirklichkeit. Obwohl Gray vermeintlich hetero ist, kommen sich die beiden während der Proben überraschend näher. Doch Grays Leben wird beherrscht von Verpflichtungen und den allgegenwärtigen Paparazzi, die ihm wenig Privatsphäre lassen. Und Ru hütet ein dunkles Geheimnis, das ihre Beziehung und Grays Karriere in Gefahr bringen könnte...

Für all meine Professoren an der American University, die meine Liebe zum Theater entfacht und mir Stücke nahegebracht haben, die ich vielleicht nie gelesen hätte und die jetzt zu meinen Favoriten gehören.

Danksagung

Meinen innigsten Dank an Anne Regan

und all meine Lektoren bei Dreamspinner,

die meine Bücher so viel besser machen.

Kapitel 1

Ru starrte auf die riesige Kinoleinwand und presste unter der Jacke eine Hand auf seinen erigierten Penis. Im Hintergrund der Szene lag eine Frau auf einem großen Bett. Das blonde Haar fiel ihr über die nackten Schultern und nur ein dünnes Laken verbarg ihre gewaltigen Brüste vor den neugierigen Blicken der Zuschauer. Aber wer zum Teufel interessierte sich schon für sie? Ru hielt den Atem an. Im Vordergrund des Bildes tauchten die perfektesten knackigen Arschbacken auf, die jemals von einem wohlwollenden Universum erschaffen worden waren. Muskeln spannten sich an und entspannten sich wieder, während der Hintern Richtung Bett schlenderte und dabei Zentimeter um Zentimeter von einem geschmeidigen Rücken, einer schmalen Taille und schließlich unglaublich breite Schultern enthüllt wurden; alles in der Farbe von flüssigem Honig.

Der Mann sagte: »Ist es das, wonach du gesucht hast?«

Der Blick der Frau fiel auf den Schritt des Mannes, ihre Augen wurden groß und sie kicherte.

Ende.

Ein Pärchen stand sofort auf und drängte sich an Ru vorbei, doch er rührte sich nicht. Normalerweise brauchte er den gesamten Abspann, um seinen Ständer wieder in den Griff zu bekommen. Man sollte doch meinen, dass du nach dem zwölften Mal besser mit dem Arsch umgehen kannst. Aber keine Chance. Wenn überhaupt, wurde es jedes Mal schlimmer… oder besser, je nachdem aus welcher Perspektive man es betrachtete. Seltsamerweise konnte er nach drei Jahren schierer Besessenheit immer noch nicht genau sagen, warum er Gray Anson liebte. Der Arsch, die Haare, die Augen… alles war perfekt. Aber irgendwie zog eine Aura von – was? Einsamkeit? – Ru am meisten an. Langsam atmete er aus. Ein Gefühl, von dem er ein Lied singen konnte.

Trotzdem, wie standen die Chancen, dass der größte Filmstar der Welt etwas Ähnliches fühlte wie er?

Er zog seine Hand unter der Jacke hervor, griff nach dem Handy in seiner Tasche und warf einen Blick auf die Uhr. Verflixt. Beweg dich, Maitland.

Erneut atmete er tief durch, dann stand er auf, schlüpfte in seine Jacke, um den Rest seines Ständers zu verdecken, und verließ eilig das Kino.

Draußen blinzelte er in das Licht der frühen Nachmittagssonne, das vom Ozean reflektiert wurde. Die paar Blocks bis zu seinem Haus brachte er zügig hinter sich, warf sich in seinen besten Anzug und machte sich dann den Hügel hinab auf den Weg zum Playhouse.

Du kannst Gray Anson morgen nachschmachten, Schätzchen. Heute geht es um Mode.

Das Banner an der Fassade des Playhouse verkündete Spendengala und Modenschau zugunsten der AIDS-Forschung.

Es wäre schön gewesen, wenn sie seinen Namen genannt hätten, aber wer zum Teufel hatte schon einmal von Ru Maitland gehört? Niemand. Noch nicht. Er öffnete die Tür zum Foyer und drängte sich dann in den Zuschauerraum. Pures Chaos! Die Setdesigner verpassten dem langen Laufsteg, der sich von der Theaterbühne bis in die Mitte des Publikums erstreckte, den letzten Schliff. Drei von Rus Models standen zusammen und kicherten, während einige viel zu gut aussehende Männer sie von ihren Leitern aus begafften.

Der Hauptkoordinator der Veranstaltung entdeckte Ru, seine Augen wurden groß und er trottete mit einem kaum merklichen Stirnrunzeln zu ihm herüber. »Ich dachte, wir hätten Sie verloren. Könnten Sie Ihre Models nach hinten bringen? Mein Team ist so abgelenkt davon, dass sie hier herumlaufen, dass die verdammte Beleuchtung noch immer nicht steht.«

»Kein Problem, Schätzchen.« Ru winkte den Models zu, während er zu ihnen hinüberging. »Ladys, ab an die Arbeit.«

Molly, sein Lieblingsmodel, wandte sich in all ihrer 1,85 m großen Pracht zu ihm um und grinste ihn an. Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Wange.

Was die Macho-Bewunderer auf den Leitern wohl denken würden, wenn sie wüssten, dass Molly als Mortimer McKee geboren wurde?

Vier hektische Stunden später strich er sich das dunkle Haar aus der Stirn und atmete hörbar aus. Die Mädchen waren in verschiedenen Stadien des Unbekleidet-Seins im Backstagebereich versammelt und das Publikum war bereit, zum Staunen gebracht zu werden. Gut, dass der Brandschutzbeauftragte heute ein Auge zudrückte, denn der Saal war brechend voll.

Musik ertönte und er vernahm die Stimme von Mrs. Atchison, der Vorsitzenden der Theaterstiftung, die die Zuschauer willkommen hieß und ihnen für ihre großzügigen Spenden dankte. Ein Platz bei dieser Veranstaltung hatte knappe fünftausend Dollar gekostet.

Ru warf einen Blick über seine Schulter in den provisorischen Ankleidebereich, wo zwei von Shaz' Haar- und Make-up-Stylisten damit beschäftigt waren, den Look eines der Models zu perfektionieren. Molly trat in ihrem Eröffnungsoutfit vor. Clarisse schloss sich an und dann kamen die anderen Models, die Shaz für die Veranstaltung gebucht hatte. Ru kannte die Mädchen, jedoch nicht so gut wie seine beiden Lieblinge.

Er rückte den steifen Kragen von Mollys Jacke zurecht und bedachte sie mit einem Lächeln. »Bereit, sie zu begeistern?«

»Darauf kannst du wetten, Süßer.« Sie grinste. Das war nicht gerade ein Anblick, den viele von ihr kannten, da ihr ernstes Modelgesicht das große Geld verdiente.

»Mach dir keinen Druck. Schließlich entscheidet sich hier nur, ob wir zur Fashion Week gehen dürfen.« Er lächelte und sie küsste ihn auf die Wange.

»Was für ein Drama. Du weißt, dass du großartig bist.«

»Danke, meine Liebe. Hau sie um.« Er gab ihr einen Klaps auf den schmalen Hintern und sie stolzierte auf ihren langen Beinen um die Ecke zur Bühne und aus seinem Blickfeld.

Die Stille im Publikum wurde zu einem Summen, als die Zuschauer miteinander flüsterten, und das Blitzlicht der Kameras erhellte die Bühne. Es gefällt ihnen.

Eine Hand ergriff seine Schulter und wirbelte ihn herum. »Wie läuft's, Schatz?«

Ru zog Shaz, seinen besten Freund und Boss, in eine Umarmung. »Sag du's mir. Du warst doch mittendrin, während ich hier hinten abgefallene Knöpfe wieder annähen musste.«

Shaz warf seine leuchtend rote Mähne zurück. »Die AIDS-Forschung verdient hier eine ganze Menge. Die Leute spenden sogar noch über ihre Eintrittskarten hinaus.«

»Das ist wunderbar.«

»Hoffentlich landen ein paar Scheinchen davon in der Kasse von Ru Maitland Designs.«

»Dein Wort in Gottes Ohr.«

Molly verließ den Laufsteg und eilte mit wallenden Kleidern an ihm vorbei. Ru sah nach, ob die Ankleidehilfe mit dem nächsten Outfit bereitstand. Nicht alle Kleider waren von ihm. Einige kamen von anderen Designern aus der Gegend, die das Styling ebenfalls beaufsichtigten.

»Jetzt, wo diese verrückte Sache vorbei ist, kannst du dich endlich auf deine Kollektion konzentrieren.«

»Ja, Gott sei Dank. Ich habe vor, ein paar dieser Sachen auf der Fashion Week zu zeigen, es war also keine komplette Ablenkung.«

»Gut. Welche?«

»Das Outfit, das Molly getragen hat.«

»Fantastisch.«

»Und das Kleid für's Finale.« Er grinste. »Du wirst schon sehen.«

Er sah hinüber zu Molly, die spindeldürr in einem Bikinihöschen bereitstand, um in das Glanzstück seiner bisherigen Arbeit zu schlüpfen.

Clarisse eilte in ihrem zweiten Outfit vorbei. Shaz sagte: »Willst du später mit Billy und mir was trinken gehen?«

Ru schüttelte den Kopf. »Ich bin ziemlich fertig. Ich glaube, ich werde nach Hause gehen und eine Runde schlafen.«

Shaz verschränkte die Arme vor der Brust. »Genau.«

»Ich bin müde.« Ru blickte auf seine Manschetten hinab und rückte seine Fliege zurecht.

»Ist Ich bin müde der Code für einen weiteren Abend mit Gray Anson auf der Kinoleinwand? Komm schon, Schätzchen, lass mich dir einen echten Mann suchen.«

Er runzelte die Stirn und schob die Brille auf seiner Nase nach oben. »Echte Männer sind kompliziert. Filme entspannen mich.«

Shaz lachte. »Nicht, wenn du die ganze Zeit mit einem Ständer dasitzt.«

Molly rauschte heran und Shaz schlug eine Hand vor seinen Mund. »Oh mein Gott, das ist umwerfend. Ein Meisterwerk. Meinen Glückwunsch.«

Ru grinste. »Was? Das alte Ding?« Er richtete die Kaskaden aus Rüschen, die den Hauptteil des Abschlusskleids ausmachten – ein Hochzeitskleid in reinem Weiß, dessen Taille ein gewagtes Band aus roten Seidenblumen zierte. Mollys Schleier bauschte sich auf ihrem Kopf, eine Flut aus Seide mit floralem Muster, die ihr bis zur Hüfte hinabfiel. »Alles klar, Schatz. Los geht's.«

Er hielt den Atem an und lauschte. Shaz ergriff seine Hand. Stille herrschte im Publikum, bis sich ein Getöse aus Bravo-Rufen, Applaus, dann Pfiffen und schließlich sogar Stampfen erhob. Wie eine Liebkosung breitete sich das Lächeln auf seinem Gesicht aus. Ja!

Von hinten zog Shaz ihn in eine bärenhafte Umarmung und hob ihn von den Füßen, obwohl Ru ihn um knappe acht Zentimeter überragte. »Umwerfend, brillant, unglaublich! Schau dir so viele Filme an, wie du willst. Achte bloß darauf, dass du dir Popcorn gönnst.« Er küsste Ru auf die Wange. »Lieb dich. Tschüsschen.«

»Lieb dich auch, Schatz.«

Während er ihm über die Schulter zuwinkte, machte Shaz sich auf den Weg – zurück zu seinem erfolgreichen Unternehmen, seinem Ehemann und seinem Leben. Manche Menschen würden sagen, er hatte Glück gehabt, doch Glück hatte wenig damit zu tun. Es war Talent, harte Arbeit und ein freundliches und liebevolles Wesen. Die Tatsache, dass Shaz ihn liebte und an ihn glaubte, gab Ru Hoffnung für die Zukunft. Natürlich zog Shaz' grundlegende Güte das Gute auch an. Ich? Ich bin nicht so gut.

Eine halbe Stunde später hingen alle Kleider wieder an ihren Kleiderständern und Shaz' Helfer luden sie in Lieferwagen, um sie zu ihrem Gebäude an der Ocean Avenue zurückzubringen. Ru schlürfte mit ein paar wichtigen Spendern Champagner.

Eine schlanke Dame mit sonnengebleichtem blondem Haar in teurer Kleidung, die viel zu altmodisch für sie wirkte, drückte ihm ihre Visitenkarte in die Hand. »Ihre Kleider waren großartig, Ru. Ihre habe ich sofort erkannt. Und dieses Hochzeitskleid? Mein Gott. Ich habe darüber nachgedacht, noch einmal zu heiraten, nur um es tragen zu können.«

Helena Atchison, die Vorsitzende der PlayhouseFoundation, trat an seine Seite. »Verzeihen Sie, meine Damen. Darf ich Sie kurz entführen, Ru?«

Er entschuldigte sich und entfernte sich mit ihr ein paar Schritte von der Gruppe. »Wie ist es Ihrer Meinung nach gelaufen?«

»Prächtig. Es ist so viel Geld für die Forschung zusammengekommen.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Champagner und bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick. »Ich habe ein Angebot für Sie, von dem ich hoffe, dass es Sie interessieren wird.«

»Ich bin bereits fasziniert.« Er grinste.

»In drei Monaten feiern wir das Jubiläum des Playhouse. Dafür werden wir eine besondere Vorstellung von Hamlet aufführen. Und wir haben uns gefragt, ob Sie es in Betracht ziehen würden, die Kostüme zu entwerfen.«

Er atmete hörbar aus. »Historische Kleidung. Ich fürchte, das ist nicht gerade meine Stärke.«

»Ah, aber sehen Sie, wir haben vor, das Stück in ein modernes Fantasy-Setting einzubetten. In der echten Welt, aber abgedrehter. Sie hätten freie Hand, alles zu entwerfen, was Sie wollen.«

Er stemmte eine Hand auf die Hüfte und legte die andere hinter seinen Kopf. »Und Sie wissen, dass ich der Meister in abgedreht bin.« Sie lachte. Er wurde wieder ernst. »Es ist sehr verlockend und klingt nach einer Menge Spaß, aber es würde einen großen Zeitaufwand für mich bedeuten. Ich entwerfe gerade meine erste Kollektion für die Fashion Week und viele Leute haben in mich investiert. Ich kann sie nicht im Stich lassen.«

»Ja, ich verstehe. Das muss ein riesiges Unterfangen sein.« Erneut nippte sie an ihrem Wein und warf ihm einen Seitenblick zu. »Doch das Stück wird im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Ich bin sicher, es wird Journalisten und Kritiker aus ganz Kalifornien anziehen. Wahrscheinlich wird es sogar landesweit Aufmerksamkeit bekommen. Es wäre großartige Publicity.«

Er lächelte und versuchte, nicht allzu skeptisch auszusehen. Das Playhouse war berühmt und hatte einen guten Ruf, spielte jedoch nicht in der Broadway-Kategorie. »Ich bin sicher, dass es ein wunderbares Ereignis wird.«

Und da schlug sie zu. »Das ist eine Untertreibung. Sehen Sie, schließlich haben wir eine Zusage von Gray Anson für unseren Hamlet.«

Rus gesamte Brust erstarrte. Sein Herz versagte ihm den Dienst. In seinen Hoden bildete sich ein Knoten. »Ich, äh, ich verstehe.«

»Überraschung! Ist das nicht unglaublich?« Sie schlug die Hände vor die Brust. »Der größte Action-Held der Welt tritt in Hamlet auf. Mein Gott, wer würde nicht kommen, um ihn zu sehen?«

»Ja.« Sag etwas Intelligentes. »Ich will ihn auf jeden Fall sehen.« Nein, du Idiot, nicht das. »Ich meine, ich freue mich auf die Vorstellung.«

Sie schaute in ihr Weinglas und fuhr mit einem Finger über den Rand. »Natürlich dürften Sie, wenn Sie die Kostüme zur Verfügung stellen, bei jeder Probe anwesend sein und hätten VIP-Plätze bei der Aufführung.«

Oh du lieber Himmel, das sollte er nicht tun. Das konnte er nicht tun. Aber was für eine erstaunliche Enthüllung. Er entspannte seine Gesichtsmuskeln und strahlte. »Sie müssen wissen, dass ich eine andere Raute trage.«

Sie lachte bei der Anspielung auf die berühmte Zeile von Ophelia.

Ein seltsames Rauschen erfüllte seine Ohren. Die Worte stolperten in einem langen Atemzug heraus. »Ah, ich fürchte, Sie haben mich umgestimmt. Es wäre mir eine Ehre, die Kostüme zu entwerfen.«

»Bravo! Ich kann es kaum erwarten, den Vorstand davon in Kenntnis zu setzen. Ich habe Ihre E-Mail-Adresse. Ich werde mich mit Ihnen wegen eines passenden Termins für ein Planungstreffen in Verbindung setzen.«

»Uh, wann soll die Aufführung stattfinden?«

»Am elften Juli beginnt die einwöchige Auftrittsreihe. Das ist alles, wofür wir Gray verpflichten konnten – obwohl wir die Laufzeit des Stückes möglicherweise mit einem anderen Schauspieler in der Hauptrolle verlängern, um einen Ausgleich für die Sommersaison zu haben. Es wäre schade, wenn man die ganze Arbeit für nur eine Woche aufwenden würde.«

»Wann darf ich die, äh, Schauspieler treffen? Sie wissen schon, um Maß zu nehmen und…«, er wedelte mit der Hand, »… mich inspirieren zu lassen.«

Sie grinste. Vielleicht verstand sie mehr, als ihm lieb war. »Die meisten von ihnen können Sie sich jederzeit zur Seite nehmen. Ein oder zwei werden schwieriger zu erreichen sein, da sie Anstellungen außerhalb der Stadt haben. Gray wird während der gesamten Zeit ab und zu vorbeischauen, was eigentlich schon mehr ist als erwartet, wenn man bedenkt, dass er zig Millionen Dollar am Tag wert ist. Ehrlich gesagt glaube ich, dass es ihn etwas nervös macht, so eine Kultrolle zu übernehmen. Jedenfalls werden Sie größtenteils mit Maßangaben und Fotos arbeiten müssen, doch ich bin mir sicher, dass Sie – wie die meisten von uns – genau wissen, wie er aussieht.« Sie seufzte hörbar und Ru versuchte, nicht mit einzustimmen. »Klingt das machbar?«

Er wusste bis auf das kleinste Härchen an seinem Hintern genau, wie Gray aussah. Sogar im Dunkeln. Er nickte und versuchte durchzuatmen.

Sie umarmte ihn. »Ich schätze, dann sehen wir uns im Playhouse.« Damit kehrte sie zu ihren Gästen zurück.

Die Hälfte seines Gehirns wollte es in die ganze Welt herausschreien, die andere wollte es für sich behalten. Shaz würde ihn innerhalb von Sekunden durchschauen und er und Billy hatten eine Menge in Rus Kollektion für die Fashion Week investiert. Das Stück mochte zwar gewaltige Publicity mit sich bringen, war jedoch auch eine gewaltige Ablenkung. Eine Ablenkung in der Größe von Gray Anson. Ru schauderte. Nein. Besser, er hielt noch eine Weile den Mund – bis er herausgefunden hatte, wie er die Neuigkeiten verpacken sollte.

Nachdem er viele weitere Hände geschüttelt hatte, verließ es das Playhouse und ging den Broadway in Richtung Ozean hinunter. Der Mond hing tief am Frühlingshimmel. Er liebte diesen Weg, besonders in Art Walk-Nächten. Und besonders, wenn er von Gray Anson träumen wollte. Die Vorstellung, diesen Mann zu treffen, ihn berühren zu können, packte sein Hirn irgendwo zwischen Verzückung und Schrecken. Sein Schwanz allerdings war nicht so verwirrt.

Vor ihm funkelten die Lichter der Geschäfte und vor den Türen drängten sich Menschen mit Weingläsern in den Händen. Er schlenderte die Forest Avenue hinunter, wo die Leute wirklich zum Einkaufen hingingen, und schaute bei seinem Lieblingsladen für Herrenmode vorbei. Ja, es war, als würde man Eulen nach Athen tragen, aber er liebte Kleidung nun mal in all ihren Ausprägungen. Ru schnappte sich einen Sauvignon Blancund stöberte durch die wundervolle Kollektion aus Anzughemden – blaugestreift mit weißem Kragen und Manschetten, petrolfarben mit goldenen Streifen, sogar eins mit pinken Tupfen und schwarzem Kragen und ebenso dunklen Manschetten. Brillant. Als Herman, der Besitzer, schließlich zu ihm hinüberschlenderte, schob Ru ihm drei der Hemden zu; auch das mit den Tupfen. »Die gehören mir, Schätzchen. Pack sie bitte ein.«

Herman trat einen Schritt zurück. »Schau dich nur an. Was für ein Meisterwerk. Dieser Anzug ist himmlisch. Hast du ihn entworfen?«

»Ja.« Ru strich mit den Händen über den Anzug aus tiefpetrolfarbenem Gabardinestoff mit dem engen Jackett und der weit geschnittenen Hose. »Behalt es für dich. Mir fehlt die Zeit für Männermode, daher habe ich einfach ein Modell abgewandelt, das ich eigentlich für Frauen entworfen habe.«

»Wer außer dir könnte das tragen? Und die Hosenträger fügen einen Hauch dieser Zoot-Suits aus den Vierzigern hinzu. Einfach großartig.« Behutsam faltete er die Hemden in Seidenpapier und schob sie in eine Tasche. »Ist die Veranstaltung gut gelaufen?«

»Wie ich gehört habe, war sie fabelhaft. Es ist viel Geld für die AIDS-Forschung zusammengekommen.«

»Und hoffentlich eine Menge guter Publicity für dich.«

Ru lächelte. Was Herman wohl sagen würde, wenn er das mit Gray Anson wüsste?

Er bezahlte und trug seine Tasche hinaus auf den Bürgersteig, wandte sich dann wieder nach rechts in Richtung Ozean und machte sich auf den Weg nach Hause. Der Art Walk war beinahe zu Ende und einige Geschäfte hatten bereits geschlossen.

Er ließ die Tasche neben sich hin- und herschwingen und seine Gedanken schweiften ab, als er den Gehweg zu seinem Cottage hinaufschlenderte. Gray Anson. Gray. Wie seine Augen. Normalerweise tendierte Ru weiß Gott nicht zu Hirngespinsten. Anfangs hatte er weniger als nichts besessen und sich den Arsch aufgerissen, um an den Punkt zu kommen, wo er jetzt war, doch Gray… Das war ein Traum, dem er nicht widerstehen konnte. Er erschauderte. Ihn zu berühren, selbst wenn es nur für eine Sekunde wäre. Ich habe Angst, mir das zu wünschen. Wenn ich mich beeile und das Auto nehme, könnte ich es zur Spätvorstellung schaffen.

Wieder überquerte er den Pacific Coast Highway an einer Ampel und erklomm den Hügel zu seinem Viertel. Hier war niemand mehr unterwegs. In den Seitenstraßen glommen nur wenige Straßenlampen in der Dunkelheit und der Kontrast zur geschäftigen Innenstadt wirkte unheimlich auf ihn. Er warf einen Blick über die Schulter – und erstarrte. Seine sorgfältig verfeinerten Instinkte schlugen lautstark Alarm.

Bleib nicht stehen. Er zwang sich selbst dazu, nicht schneller zu werden. Der Schatten des Mannes auf der anderen Straßenseite streifte ihn eine Sekunde lang, dann war er verschwunden. War wahrscheinlich nichts. Nur jemand, der nach Hause geht, so wie ich. Das hier ist Laguna Beach. Du bist Ru Maitland. Werd nicht nervös.

»Hey, Kumpel, was hast du da in der Tasche?« Der Klang der flüsternden Stimme ließ ihm die Haare zu Berge stehen.

Junge, tu das nicht. Tu’s nicht. Du wirst es bereuen.

Kapitel 2

»Sieht aus, als wärst du shoppen gewesen. Hast du mir was mitgebracht?« Der Mann trat näher. Dünn, blass, wahrscheinlich auf Drogen.

Ru hielt inne und wandte sich dem Mann zu. Er war nicht viel älter als er selbst. Vierundzwanzig? Fünfundzwanzig? Doch er schien ein hartes Leben zu haben. Das kenne ich zu gut. »Nein, habe ich nicht. Warum? Hast du Hunger? Brauchst du was zu essen?«

Der Mann runzelte die Stirn. »Nein, Arschloch. Ich brauch deine Kohle, also warum greifst du nicht in diese schicke Schwuchtel-Hose und wirfst mir deine Geldbörse zu?«

Eisige Ruhe. Gott, er erinnerte sich so gut an dieses Gefühl. Zu gut. Lauf weg. Du musst hier raus. »Nein, ich glaube nicht, dass ich das tun werde.« Mit einer Kopfbewegung warf er sich die Haare aus dem Gesicht. »Du solltest wissen, dass ich nicht so wehrlos bin, wie du erwartest, also tätest du gut daran, einfach zu gehen, okay?«

»Ach ja? Und warum zum Teufel sollte ich das tun, mein hübsches Schwuchtelchen?« Er holte weit aus und das Mondlicht glänzte auf der Klinge eines Messers.

Autopilot. Eine Welle aus Adrenalin schoss Rus Wirbelsäule hinauf. Er ließ die Tüte fallen, während er die andere Hand tief in seiner Tasche versenkte. Die Augen des Mannes wurden groß, als er das unangenehme Geräusch des sich öffnenden Schnappmessers in Rus Hand vernahm. In einer einzigen Bewegung trat Ru vorwärts, schlang einen Arm um den Hals des Mannes und presste die Klinge gegen seine Kehle. »Lass es fallen oder du wirst bluten, esé.«

»Scheiße.« Der Körper des Mannes bebte und wand sich. Er roch nach Schweiß und Abfall. Ru verstärkte den Druck des Messers. Die Finger des Jugendlichen lösten ihren Griff um seine Waffe und sie landete klappernd auf dem Asphalt.

Ru atmete durch. Ich könnte ihn töten. Das wäre einfacher, als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was zum Teufel ich mit ihm machen soll. Denk nach. Du bist Ru Maitland. Denk nach. »Setz dich auf den Bordstein. Wenn du wegrennst, werde ich dich jagen und die Folgen werden dir nicht gefallen. Zweifelst du daran, dass ich schneller bin als du?«

Kaum merklich bewegte sich der Kopf des Mannes von einer Seite zur anderen.

Ru nahm die Klinge von seinem Hals und drückte den Mann nach unten, sodass er schließlich auf dem Bordstein zu seinen Füßen saß. Dann nahm er das andere Messer an sich. Er klemmte die Oberschenkel des Jugendlichen zwischen seinen teuren Schuhen ein und holte sein Handy hervor. Scheiße, Cops. Will ich das wirklich?

Du bist Ru Maitland. Tu es einfach.

911.

»Notrufzentrale.«

»Ja, ich habe einen bewaffneten Mann auf der Hightower Street in Laguna Beach festgesetzt, der versucht hat mich auszurauben.«

»Festgesetzt?«

»Ja. Aber kommen Sie schnell. Er ruiniert meinen Anzug.«

»Sir, soll das ein Scherz sein?«

Der Jugendliche warf sich nach vorne. Ru schlang ein Bein um seinen Hals und brachte ihn damit zu Fall, sodass er mit dem Rücken flach auf dem Boden lag. Dann drückte er seinen Schuh hart gegen die Kehle des jungen Mannes. Er fühlte sich wie eine verdammte Brezel. »Meine Dame, er hat ein Messer. Wenn ich ihn gehen lasse, wird er sich ein neues klauen und es bei jemand anderem versuchen. Kommen Sie her. Ich kann ihn ja wohl kaum mit nach Hause nehmen.«

»Vielen Dank, Sir. Ein Officer wird in zwei Minuten bei Ihnen sein.«

»Er soll sich beeilen.« Er legte auf, schob das Handy in seine Tasche zurück und ging neben dem Möchtegern-Verbrecher in die Knie, während er das Schnappmesser in der einen und die Klinge des Mannes in der anderen Hand balancierte. »Entschuldige. Ich hätte dich gehen lassen, wenn du das Messer nicht benutzt hättest, aber du bist ein echter Dreckskerl.«

»Scheiße. Und was bist du dann, Mann?«

Das war die Frage. »Böser und fieser als du, Schätzchen. Noch ein Fluchtversuch und du bist tot.«

Die Augen des Mannes wurden so groß, dass sie sein gesamtes mageres Gesicht einnahmen. Er glaubte, dass Ru es tun würde, und Himmel, er mochte sogar recht haben.

»Komm von den Drogen weg, vielleicht kannst du dann deine gewalttätige Ader in den Griff bekommen. Andernfalls gibt es für dich kaum Hoffnung in dieser Welt.«

Die Sirene heulte, als der Polizeiwagen die Straße hinaufraste. Ru schauderte. Szenen aus Compton tauchten in seinen Gedanken auf. Bernardo und seine Brüder, die ein paar Gangmitglieder verprügelten. Die dem kleinen Roberto beibrachten, wie man kämpft. Die ihm die wichtigste Regel zuschrien – Keine verdammten Cops. Er schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen. Vergiss es. Du bist Ru Maitland. Sein eigenes Messer ließ er wieder in der Tasche verschwinden, behielt das des Jugendlichen jedoch in der Hand. Bei dem Anblick von Streifenwagen wurde ihm immer noch übel. »Nicht bewegen. Ich bin echt schnell.«

Der junge Mann seufzte, nickte, setzte sich auf und starrte auf seine abgetragenen Sneaker. Offensichtlich war er kein sehr erfolgreicher Dieb. Trotzdem presste er zwischen den Zähnen hervor: »Das wird dir noch leidtun. Ich hab Verbindungen.«

Mit gezogener Waffe stieg der Polizist aus seinem Wagen. Rus Griff um das Heft des Messers verstärkte sich. Eine kleine Bewegung und es heißt Bye-bye. »Guten Abend, Officer.«

Der Polizist war klein, stämmig und wahrscheinlich genauso gemein wie der Verbrecher; allerdings hatte er eine Lizenz dafür. »Was ist hier passiert?«

»Ich ging gerade nach Hause, als dieser Mann mich belästigte und verlangt hat, dass ich ihm meine Brieftasche aushändige. Er hat mich mit diesem Messer bedroht. Ich habe mich geweigert, ihm die Waffe abgenommen und das Ergebnis des Ganzen sehen Sie ja. Würden Sie ihn bitte festnehmen?«

»Wer sind Sie, Sir?«

»Rupert Maitland. Ich wohne die Straße hinauf in Haus 426. Wenn Sie mir dieses Arschloch abnehmen würden, könnte ich Ihnen meinen Ausweis zeigen.«

Der Polizist zog den gescheiterten Verbrecher auf seine Füße, zwang ihm die Hände auf den Rücken und begann, ihm seine Rechte verlesen, während er ihm Handschellen anlegte. Trotzdem musterte der Cop Ru immer noch, so als müsste auch er in irgendeiner Weise schuldig sein. Gute Insinkte. Ru nestelte seinen Geldbeutel aus der weit geschnittenen Hose und strich sich den Pony aus der Stirn, der ihm in die Augen hing. Dann hielt er dem Polizisten die Geldbörse hin.

»Nehmen Sie bitte den Ausweis aus dem Portemonnaie.«

Daran hätte ich denken müssen. Er zog die Karte heraus und der Cop inspizierte sie, während er die Handschellen des Diebs festhielt. »Ich muss Sie bitten, mit mir aufs Revier zu kommen, um die Anzeige aufzunehmen.«

»Ich könnte den Hügel hinaufgehen und mein Auto holen.« Er warf einen Blick auf das Namensschild des Polizisten. »Officer Johns.«

»Nein, Sir, Sie kommen am besten gleich mit mir mit.«

Verdammt. Da gingen seine Chancen dahin, es noch zur Spätvorstellung zu schaffen.

Der Täter wurde unsanft auf den Rücksitz befördert und Ru stieg auf der Beifahrerseite ein. Gott, der Geruch des Typen hing noch in seinen Klamotten. Vielleicht sollte ich diesen Anzug verbrennen.

Als der Cop zu seiner Tür hinüberging, erklang die schmierige Stimme des Verbrechers von der Rückbank. »Das hier ist noch nicht vorbei, Schwuchtel.«

Lass dich nicht provozieren. »Soll mir recht sein.« Die Worte glitten wie Säure über seine Zunge.

Zwei elendige Stunden später, in denen ihm Fragen gestellt worden waren, die er nicht beantworten wollte, brachte der Polizist den Streifenwagen vor Rus Cottage zum Stehen. »Da sind wir, Mr. Maitland. Vielen Dank für Ihre Kooperation.«

Sein Tonfall hatte etwas von der ausgeprägten Arschloch-Missmutigkeit verloren, da die Polizeichefin, die gerade von der Spendengala der AIDS-Forschung gekommen war, Rus Namen wiedererkannt hatte.

Ru nickte. »Natürlich. Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen solche Umstände bereitet habe.«

»Ich konnte Sie doch nicht zu Fuß gehen lassen.« Officer Johns lächelte, aber es erreichte seine Augen nicht. »So sind Sie doch erst in dieses Schlamassel geraten.«

Ru erwiderte das Lächeln. Die Geschichte, an der die Polizei festhalten wollte, lautete, dass der Verbrecher bloß unter Drogen gestanden hatte und gestolpert und hingefallen war, als Ru ihn mit seinem schwulen Atem angehaucht hatte. Gut. Dagegen hatte er nichts einzuwenden. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«

»Sie sollten weiterhin vorsichtig sein.«

»Oh?« Ru hob eine Augenbraue.

»Politisch mögen die Dinge zwar gut für Sie stehen, doch es gibt noch eine Menge Menschen da draußen, die Sie hassen.«

»Gut für mich? Ich verstehe. Heißt das nicht, dass Sie lieber diese Menschen festnehmen sollten, anstatt mich aufzufordern, in meinem eigenen Wohnviertel vorsichtig zu sein?«

Eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen. »Vielleicht sollten Sie ein wenig unauffälligere Kleidung tragen.«

»Meinen Sie, weil eine Frau, die ein tiefgeschnittenes Kleid trägt, es ja auch provoziert?«

Er hob die Schultern. »Ich sag ja bloß…«

Ru lachte. »Ich bin in der Modebranche tätig, Officer Johns. Das hier ist unauffällig. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.« Er wandte sich zur Tür und öffnete sie.

»Haben Sie viel Zeit in Los Angeles verbracht, Mr. Maitland?«

Ru erstarrte. »Nicht sehr viel.« Atme durch. »Ab und zu bin ich für Modeveranstaltungen dort.« Scheiße, wo kam das denn jetzt her? Johns hatte etwas Zeit mit dem Arschloch verbracht, das er festgenommen hatte. Was hatte der Kerl gesagt?

»Wie lange wohnen Sie schon in Laguna?«

»Eine ganze Weile. Vielen Dank noch mal für Ihre Hilfe.« Er glitt aus dem Wagen, schlug die Tür zu und ging zu seinem Haus. Schau nicht zurück. Nicht schneller werden.

Mrs. O'Grady, in einen glänzenden Kimono mit floralem Muster gehüllt und mit leuchtend grünem Haar, kam aus dem Nachbarhaus gestürmt. Ihre zwei riesigen Pudel Flopsy und Mopsy folgten ihr auf dem Fuß. »Ru, ist alles okay?«

»Alles in Ordnung, Mrs. O. So ein Kerl hat mich angegriffen und ich musste Anzeige erstatten.«

»Angegriffen? Was zur Hölle? Ist er davongekommen?«

»Nein.«

»Die Polizei hat ihn geschnappt?«

»Äh, so ähnlich. Jedenfalls sitzt er jetzt im Gefängnis.« Er beugte sich vor und tätschelte Flopsy und Mopsy.

»Du wirkst nicht einmal zerzaust, Süßer.«

»Es geht mir gut.« Wenn man übermäßig neugierige Cops nicht mitzählt. Mopsy, das weiße Pudelweibchen, streckte ihm das Kinn zum Kraulen hin. »Hey, Mädchen, wie geht's dir?« Flopsy, der nach seinen sehr markanten Klöten benannt worden war, stieß ihn mit seinem flauschigen schwarzen Kopf an. »Okay, du kriegst auch ein bisschen Liebe.« Er kraulte ihn am Schwanzansatz, was ihn ebenso entspannte wie den Hund. Weiteratmen. Der Hund bekam einen Gesichtsausdruck, der eigentlich für Pornos reserviert war. Obwohl der Pudel sich wahrscheinlich wünschte, er würde vor dem Morgengrauen nicht mit dem Kraulen aufhören, richtete Ru sich auf. »Entschuldigt, meine haarigen Freunde, aber ich bin fertig. Ich muss ins Bett.«

»Du armer Liebling. Du musst ganz erschöpft sein.«

»Ja. Aber die Spendengala lief wirklich gut.«

»Das ist schön zu hören, mein Lieber. Ich bin nur froh, dass du nicht verletzt bist.«

»Ich auch.« Er beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann hob er die etwas schmutzig gewordene Einkaufstüte auf und betrat sein Haus.

Er seufzte, als er das Licht anschaltete. Zuhause. Ein Ort, den er liebte; voll von Dingen, die sein Leben bestimmen sollten, und ohne die Dinge – und die Menschen –, die er bewusst aus seinem Leben ausgeschlossen hatte. Allein Bernardo wusste, wo er war. Der Rest? Nada. Er ließ die Rollläden herunter, da Mrs. O zwar eine großartige, aber auch sehr neugierige Freundin war.

In seinem Schlafzimmer packte er die Hemden aus und legte sie beiseite, um sie später anzuprobieren. Dann zog er seine Stiefeletten und den Anzug aus. Er starrte ihn an. Würde er ihn von nun an immer an das Arschloch mit dem Messer erinnern? Oh komm schon, Schatz, du kannst es dir nicht leisten, Anzüge wegzuwerfen, die an die tausend Dollar wert sind. Er warf ihn in den Wäschekorb, der in seinem begehbaren Kleiderschrank stand – ein Luxus, für den er ein kleines Schlafzimmer des alten Hauses umfunktioniert hatte –, und entledigte sich seiner Unterhose. Das Badezimmer lag auf der anderen Seite des Flurs, so nah wie möglich an seinem Schlafzimmer, wie es in einem Bauwerk aus den 50ern eben ging. Er stellte sich kurz unter die Dusche, bevor er sich in einen blassgoldenen Morgenmantel aus Chenille hüllte. Er lächelte. Jetzt sollte der Cop ihn mal sehen. Tuntigkeit bestätigt. Warum er wohl nach L.A. gefragt hat? Soll ich Bernardo anrufen? Er schauderte. Scheiße, dreh jetzt nicht durch.

Im Wohnzimmer ließ er sich auf das gelbe Sofa fallen. Ja, es war spät, aber morgen konnte er ausschlafen. Er hatte seinen Film verpasst. Jetzt brauchte er eine Belohnung auf Video.

Mit einem kurzen Druck auf die Fernbedienung war er bereits mitten in seiner Sammlung aus aufgenommenen Filmen. Glücklicherweise wohnte er hier allein, denn jeder Mitbewohner hätte ihn wegen Besessenheit wegsperren lassen. Er besaß jeden Film, in dem Gray Anson während seiner bislang sechsjährigen Karriere mitgespielt hatte. Ru hatte einige Jahre gebraucht, um Gray zu entdecken, doch dann war er zur puren Sucht geworden. Wie Popcorn hatte Ru seine Filme gekauft. Es war ihm nicht genug, sie nur zu downloaden. Er hatte nach den DVDs gesucht. Wie nur bei wenigen anderen Schauspielern war keiner von Grays Filmen unter dem Radar geblieben. Sein Debüt hatte große Wellen geschlagen und seitdem war jeder Film ein Blockbuster geworden. Die meisten von ihnen hatte Ru bereits über ein Dutzend Mal gesehen – ja, vielen Dank, er war verrückt –, zu welchem also wollte er sich heute Abend einen runterholen? Oh ja. Misty Madness.

Er drückte die Play-Taste und spulte durch den kurzen Vorspann. Das hier war Grays einziger seriöser Film, bei dem die Credits zu Beginn liefen und die erste Szene weder eine Explosion noch eine Verfolgungsjagd im Auto enthielt. Sein weiblicher Gegenpart war hübsch, jedoch androgyner als die meisten der Actionfilmfrauen. Gray spielte ebenfalls gut und zeigte sich verletzlicher als in seinen actionbasierten Rollen. Er hatte teilweise etwas Süßes an sich, was ab und zu zum Vorschein kam.

Doch genau jetzt brauchte Ru die Handlung nicht. Nur eine Szene, zu der man es sich gut besorgen konnte. Als der Film sich der Stelle näherte, die ihm am besten gefiel, griff er in die Schublade des Beistelltisches und zog das Gleitgel hervor. Unter dem Überwurf seines Sofas versteckte er ein Handtuch, das er benutzen konnte, um das Wildleder der Couchgarnitur sauber zu halten.

Ja, das ist es. Auf dem Bildschirm lag Gray im Bett und war unter der Decke offensichtlich nackt. Die Einstellung wurde im Vordergrund von dem Anblick einer seiner perfekten knackigen Arschbacken dominiert. Ich kann definitiv dafür sorgen, dass ich seinen Hintern berühren kann, während ich bei ihm Maß nehme. Darauf wette ich. Lieber Himmel, das brachte seinen Schwanz in Fahrt.

Er verteilte Gleitgel auf seinen Händen, öffnete seinen Morgenmantel mit dem Zeigefinger und nahm seinen Anson-Fan-Penis in beide Hände. Dann lehnte er den Kopf zurück und begann, sich selbst zu streicheln, während die junge Frau mit den sehr kurz geschnittenen Haaren durch Grays Schlafzimmerfenster kletterte. Zwischen ihren Zähnen trug sie ein Messer. Leise schlich sie durch den Raum und brachte die Klinge in Angriffsposition, bereit, um zuzuschlagen. Als sie das Bett erreichte, ergriff Gray ihre Hand, brachte sie dazu, das Messer fallen zu lassen, zwang sie in einem Bogen herum, sodass sie über seinen Körper rollte, und nagelte sie auf die Matratze. Bevor sie schreien konnte, küsste er sie. Rus Hände bewegten sich schneller.

Sekundenlang wehrte sie sich gegen ihn, bis sie – ja, vorhersehbar – ihre Arme um ihn schlang und den Kuss erwiderte. Oh ja. Ru behielt eine Hand an seinem Schwanz, während er seinen anderen Zeigefinger anfeuchtete und in seinen Eingang gleiten ließ. Hier kam seine Lieblingsstelle.

Die junge Frau entzog sich seinen Armen und rutschte an ihm herunter, wobei sie die Decke mit sich nahm. Oh Mann, mehrere Zentimeter nackter Unterleib. Dann richtete sie sich auf die Knie auf und ihr Kopf begann, sich über Grays Hüfte auf und ab zu bewegen. Ihr kurzes, lässig gestyltes Haar passte genau zu Rus Fantasie. Da war er und besorgte es Gray Anson, gab ihm einen Blowjob, wie er ihn noch nie bekommen hatte. Die Kamera zoomte auf Gray und fing die Ekstase ein, die sich auf seinem Gesicht widerspiegelte, dann fokussierte sie sich wieder auf den wippenden Kopf der Frau. Ru schob den Finger tiefer in sein Loch und passte den Rhythmus dem der Hand an seinem Schwanz an. Er spürte, wie sich die Spannung in ihm aufbaute, und biss die Zähne zusammen, um sich vom Kommen abzuhalten, bis der Moment kam, als – oh Scheiße! Dank jahrelanger Übung griff er gerade rechtzeitig nach dem Handtuch, als ein Schub Sperma nach dem anderen aus seinem Penis schoss. Blendend weiße Hitze zuckte durch seine Hoden und loderte dann wie ein Blitz in seinem Kopf auf. Seine Hüften zuckten auf dem Sofa, während sie versuchten, die Wellen der Lust zu kontrollieren. Als die Schockwellen abebbten, fuhr er mit einer Ecke des Handtuchs über seinen überempfindlichen Schwanz, um den letzten Rest seines Spermas abzuwischen.

Der Film lief weiter, doch er kannte ihn auswendig, also sah er nicht mehr hin. Langsam setzte er sich auf und schloss seinen Morgenmantel. Die klebrige Sauerei in dem Handtuch passte zu denen, die bereits in seinem Wäschekorb lagen. Meist wusch er sie, bevor seine Reinigungskraft einmal pro Woche bei ihm vorbeischaute. Es war dumm, aber er hasste es, dass sie denken könnte, er würde keinen Mann bekommen können, der das für ihn erledigte. Das könnte er – wahrscheinlich. Aber kein echter Mann konnte seiner Fantasiewelt das Wasser reichen. Ja, er war vierundzwanzig und sollte erwachsen werden. Na ja, vielleicht sollte er auch einfach weniger erwachsen werden. Als er vier war, musste er erwachsen werden. Wenn er es genießen wollte, sich jetzt wie ein dummer Jugendlicher zu benehmen, dann konnte er das verdammt noch mal auch tun. Bernardo hatte für Rus Recht auf eine Kindheit bezahlt.

Er stand auf, schaltete alles inklusive der Lichter aus, ging in sein Schlafzimmer und warf das Handtuch zu den anderen in den Wäschekorb. Dann lief er hinüber ins Bad, pinkelte, wusch sich die Hände, putzte sich die Zähne und machte sich bettfertig. Nur die Lampe auf dem Nachttisch brannte noch, als er sich den Morgenmantel von den Schultern zog und ihn über die Bank am Fußende des Bettes legte. Als er sich nach dem Lichtschalter streckte, sah er die Bewegung in seinem großen Spiegel. Schau nicht hin. Er seufzte.

Dann richtete er sich auf und warf einen Blick über die Schulter auf seinen Rücken – den Rücken, den er nie jemandem zeigte, was den Sex mit echten Menschen ein wenig verkomplizierte. Über seine Schulterblätter erstreckten sich zwei in Schwarz tätowierte Schwingen und dort, wo sie sich trafen, prangte der Schriftzug Angel del Diablo. Einer der Flügel war an der äußersten Spitze verwischt, wo er versucht hatte, sie entfernen zu lassen, und schließlich verzweifelt hatte aufgeben müssen. Die Narben sahen schlimmer aus als das Tattoo selbst. Bei ihm gab es keine schöne, glatte Haut, wie man sie bei schwulen Jungs normalerweise fand.

Stattdessen würde er sein gesamtes Leben lang T-Shirts unter seiner Kleidung tragen müssen, niemals mit freiem Oberkörper schwimmen gehen und niemals mit anderen nach dem Sport zusammen duschen gehen können, damit niemand – nicht einmal sein bester Freund – wissen würde, dass sein Rücken den Namen seiner Gang trug.

Kapitel 3

Das Wasser plätscherte im Springbrunnen auf dem Innenhof des Shazam, während Ru die Seite seines Skizzenbuchs umblätterte, an seinem Eistee nippte und Kostüme für das Stück entwarf. Okay, Königin Gertrude brauchte genau die richtige Menge an abgedreht. Sie hatte definitiv ihre sexy Seite, sonst hätte sie niemals diesen Idioten geheiratet. Also ein Kleid mit hohem Kragen, das jedoch bis zur Hüfte geschlitzt war. Er skizzierte kühne Umrisse auf seinem Block.

»Hey, Schatz, seit wann liest du denn Shakespeare in der Mittagspause?«

Ru lehnte sich zurück und sah zu Shaz auf. Irgendwann muss ich es ihm ja erzählen. »Ich habe eine Art, äh, Überraschung.«

»Schieß los, schieß los.« Shaz warf sein Haar zurück, klatschte in die Hände und hockte sich auf den Rand des Stuhls neben Ru.

»Der Vorstand des Theaters hat mich gebeten, die Kostüme für eine besondere, moderne Inszenierung von Hamlet zu entwerfen. Ich hab so ziemlich freie Hand. Und kann so ausgefallen sein, wie ich will.«

»Wow.« Die Andeutung einer Falte entstand zwischen seinen Augenbrauen, verschwand dann jedoch wieder. »Das ist fabelhaft – und eine Menge Arbeit. Wird das die Zeit für die Designs deiner Kollektion beeinflussen?«

Shaz wirkte besorgt. Ja. Er hatte Haus und Hof – nun ja, zumindest einen Teil davon – auf Rus erste große Kollektion gesetzt. Ru nickte. »Ich werde einfach doppelt so hart arbeiten müssen. Das ist eine seltene Gelegenheit. Die Besetzung ist, äh, sehr berühmt, also sollte die Inszenierung viel Aufmerksamkeit erregen.«

»Das schadet nie. Wer spielt denn mit?«

Ru sah hinab auf die riesige Sammlung aus Shakespeare-Werken, die er sich aus der Bibliothek ausgeliehen hatte. »Gray Anson.«

»Was?«

Ru runzelte die Stirn. »Gray Anson. Gray Anson ist der Star der verdammten Inszenierung und nein, ich habe mir das nicht durch meine verflixten Träume eingebildet. Mach mich deswegen jetzt nicht fertig.«

»Du verarschst mich doch.« Shaz ließ sich zurück in seinen Stuhl fallen.

»Nein, tu ich nicht. Die Vorstandsvorsitzende vom Playhouse hat mich bei der Spendengala gefragt.«

Shaz sah ihn durchdringend an. »Das ist schon Tage her. Wann genau wolltest du mich davon in Kenntnis setzen?«

Ru versuchte es mit seinem besten schiefen Grinsen. »Wenn ich den Mut dazu aufgebracht hätte, dir zu gestehen, dass ich Gray Anson berühren werden darf.«

»Alles klar, mein Lieblingsgroupie.« Er nickte und kniff die Augen zusammen. »Du hast recht. Jeder Kritiker in Kalifornien und vielleicht auch in New York wird kommen, um den hübschen Kerl auf die Nase fallen zu sehen.«

»Solange er nicht auf die Kostüme fällt.«

»Okay, wenn man mal vom Offensichtlichen absieht, verstehe ich, warum du das tun willst. Aber ernsthaft, Schatz, schaffst du beides?«

Ru atmete tief ein. »Tatsächlich habe ich beschlossen, das eine vom anderen inspirieren zu lassen. Ich habe schon lange nach dem perfekten Thema für die Kollektion gesucht. Ich glaube, das könnte es sein. Daraus könnten ein paar moderne Fantasy-Looks entstehen.«

»Was ist mit diesem Hosenoutfit und dem Hochzeitskleid, die du schon fertig hast?«

»Ich bin mir nicht sicher, aber ich werde sie schon irgendwie thematisch einarbeiten können. Die Königin soll in meiner Version wirklich sexy sein und Ophelia wird von Anfang an ein bisschen verrückt aussehen. Hamlet – der wird am meisten Spaß machen. Der absolute Gangsterlook, aber in wirklich teuren Stoffen; wie der Prinz, der ein Rebell sein will.«

Begeistert klatschte Shaz in die Hände. »Ich liebe deine Ideen und so etwas habe ich noch nie gesehen. Das Hochzeitskleid könnte eine Art Traum von Ophelia sein. In dem sie sich vorstellt, Hamlet zu heiraten.«

»Wow. Ein großartiger Einfall.«

Shaz' Gesichtsausdruck hellte sich auf. »Was hältst du davon, einen Presseempfang hier im Shazam abzuhalten? Wir können die Besetzung, die VIPs und die Presse einladen. Und wir kleiden Models in Designs deiner Kollektion. Um ihnen einen Vorgeschmack darauf zu geben, was sie auf der Fashion Week erwartet.«

Ru lachte. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie großartig das wird. Danke, dass du daran gedacht hast.«

Shaz schlang einen Arm um Rus Hals. »Du musst mal anfangen, dir mehr großartiges Zeug für dein Leben vorzustellen. Also, wann wirst du deinen Inbegriff der Vollkommenheit treffen dürfen?«

»Allem Anschein nach kann man das nicht sagen. Er wird ab und zu da sein, wenn sein Terminkalender es zulässt, aber den Rest der Besetzung lerne ich am kommenden Wochenende kennen.«

»Du solltest besser anfangen, an den Designs der Kollektion zu arbeiten, damit wir rechtzeitig zum Presseempfang ein paar Sachen fertig bekommen.«

»Stimmt.« Ru schlug das Herz bis zum Hals. Er hatte gerade alles auf eine Karte gesetzt. Hoffentlich zog sie ihm keiner unter den Füßen weg.

»Ru, das ist unser Regisseur, Arthur Clemson. Artie, darf ich Ihnen Ru Maitland vorstellen, unseren Kostümdesigner. Ich habe Ru versichert, dass er freie Hand bei seinen Entwürfen hat.« Helena Atchison grinste. »Natürlich in einem Rahmen, mit dem unser Regisseur zufrieden ist.«

Artie Clemson war ein drahtiger Mann im mittleren Alter, der einen vernünftigen Eindruck machte und von dem Ru nur Gutes gehört hatte. Er war verantwortlich für einen Haufen Fernsehserien, ein paar erfolgreiche Theaterstücke und ein oder zwei von Rus Lieblingsfilmen. »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Clemson.« Ru streckte seine Hand aus.

Clemson schüttelte sie, musterte Ru dabei jedoch unverhohlen von Kopf bis Fuß. »Ich habe eine Menge guter Dinge über Sie gehört, Maitland, aber niemand hat mir gesagt, dass Sie nicht mal alt genug für den Führerschein sind.«

»Nein, Schätzchen, bloß alt genug fürs Designen.«

Clemson lachte auf. »Okay, weisen Sie den alten Mann ruhig in seine Schranken. Schön, Sie an Bord zu haben. Bei diesem Projekt suche ich nach etwas Ausgefallenem und Helena hat mir versichert, dass Sie der Richtige dafür sind. Jedes Mal, wenn ein Schauspieler die Bühne betritt, will ich ein Aufkeuchen im Publikum hören. Zur Hölle, ich will, dass die Leute sich das Stück ein zweites Mal anschauen, nur um die Kostüme noch einmal zu sehen.«

Ru wollte sich auf den Rücken rollen und kichern. »Dann haben wir die gleiche Vision.«

»Ausgezeichnet.«

Helena ergriff seinen Arm. »Kommen Sie mit und lernen Sie die Besetzung kennen.« Sie führte ihn zu einer Gruppe von Schauspielern, die an einem Holztisch saßen, Kaffee tranken und sich auf einen ersten Durchlauf vorbereiteten. »Alle hergehört, das ist Ihr Kostümdesigner, Ru Maitland. Ru ist eigentlich ein Modedesigner und wird dieser Inszenierung ihren eigenen Look verpassen, ich bitte also um Ihre Zusammenarbeit.«

Ru lächelte. »Ich bin gespannt darauf, Ihre Gedanken zu Ihren Charakteren zu hören. Ich will, dass die Kleidung die wahre Natur der Rollen entweder enthüllt oder kunstvoll verschleiert. Je mehr ich also weiß, desto besser.«

Helena deutete auf die ältere der beiden Frauen am Tisch. »Sie kennen sicherlich die großartige Beverly Howard, die unsere Königin spielen wird.«

Eigentlich hatte er noch nie etwas von einer Beverly Howard gehört, doch sie strahlte mit jeder Faser die Aura einer sexy Monarchin aus. Es würde spaßig sein sie einzukleiden. Ru lächelte und verbeugte sich. »Eure Majestät.«

Beverly nickte hoheitsvoll und lachte dann. Helena zeigte auf die jüngere Frau, die hübsch, düster und ernst war. »Das ist Tilda Fern, unsere Ophelia.«

Ru bedachte sie mit einem Lächeln und hoffte auf eine Erwiderung, doch anscheinend arbeitete sie bereits an der Szene, in der sie verrückt wurde.

»Und diese beiden Gentlemen sind unser König, Phillip Fellstone…«, als sie sich die Hände schüttelten, zischte Ru, was Gelächter verursachte, »… und das ist Merle Justice. Horatio.«

Ru grinste. »Ich kannte ihn gut.« Merle zuckte zusammen und Ru sagte: »Ich nehme an, dass ich nicht der Erste bin, der diesen Witz heute gemacht hat.«

Merle lachte und das ließ sein blondes Haar und sein jungenhaftes Gesicht noch attraktiver wirken. Mit diesem Aussehen bekam er einen Haufen Fernsehauftritte. »Vermutung bestätigt.« Er schüttelte Rus Hand. Eindeutiges Interesse flackerte in seinen blauen Augen auf.

Ru räusperte sich. »Heute werde ich damit anfangen, ein paar Maße zu nehmen. Ich halte mich hinten im Kostümbereich auf. Wenn Sie ein paar Minuten erübrigen können, wo Sie nicht im Durchlauf gebraucht werden, kommen Sie bitte bei mir vorbei, damit ich Sie sozusagen abchecken kann.«

Bis zum Mittag hatte er bei Beverly und Phillip Maß genommen und saß an Entwürfen für ihre Kostüme. Phillip war ein gut aussehender Mann, allerdings schon etwas älter, mit einem kleinen Bäuchlein und langem Haar, das am Ansatz dünner wurde. Gut. Er würde seine Kleidung so entwerfen, dass er wirkte wie ein Mann, der versuchte jünger auszusehen – und dabei scheiterte.

Eine Hintertür, die auf die Gasse hinter dem Theater führte, öffnete sich. Ru sah auf. Ein groß gewachsener Mann mit langem grauem Haar, der eine Brille mit dunklen Gläsern und einen Schlapphut trug, betrat die Kostümwerkstatt. Nervös blickte er sich um und schloss hektisch die Tür hinter sich. »Uh, hallo.«

»Hi, kann ich Ihnen helfen?« Ru starrte den Mann an. Die Wangenknochen, das Kinn. Ru erhob sich. »Gibt es jemanden, den Sie sprechen möchten?« Sein Herz schlug so schnell, dass es aussehen musste, als wäre ein Kolibri in seinem Hals gefangen.

»Äh, möglicherweise Sie?«

»Sicher. Was kann ich für Sie tun?« Durchatmen. Dieser Mann musste Gray Anson sein. Die Verkleidung war vollkommen egal, Ru kannte dieses Gesicht so gut wie sein eigenes – besser sogar.

»Sie sind für die Kostüme zuständig?«

»Ja.«

»Ich glaube, Sie sollen meine Maße nehmen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

»Es wäre mir eine Freude.« Ru zog das Maßband, mit dem er den ganzen Morgen über gearbeitet hatte, aus der Tasche seiner Jeans. Irgendwie ergab nichts hier einen Sinn. Dachte Anson, Ru würde ihn nicht kennen? Sollte er so tun, als würde er ihn nicht erkennen? »Würden Sie bitte Ihre Jacke ausziehen?« Und Ihre Perücke und die Brille und die Hose und… Er unterdrückte ein nervöses Kichern. Der Mann entledigte sich seiner dünnen Jacke, was ein lässiges Flanellhemd zum Vorschein brachte. Ernsthaft? »Entschuldigung, das müssten Sie auch ausziehen, wenn ich die richtigen Maße bekommen soll.«

»Oh, okay.« Seltsam. Nichts an der respektvollen Art dieses Mannes passte zu dem Gray Anson, den Ru kannte. Und dann – zog er das Hemd aus.

Heilige Mutter Gottes.

Seine breiten Schultern dehnten den Stoff des dünnen Baumwoll-T-Shirts fast genauso wie die Wölbung seines Bizeps. Auf der Leinwand wirkte sein Körper riesig und muskulös. In der Wirklichkeit war er schlanker, vielleicht war das richtige Wort geschmeidiger, jedoch genauso beeindruckend – und sogar noch schöner. Die Haut seiner Arme leuchtete und die vereinzelten braunen Haare verschwanden fast auf seinem gebräunten Teint.

Ru räusperte sich. »Einfach entspannt dastehen.« Diesen Rat solltest du selbst befolgen. Er trat hinter ihn. Gray überragte Rus 1,80 m um ein ganzes Stück. Der Mann musste ganze 1,90 m oder 95 groß sein, wie man hörte. Ru zog sein Maßband in die Länge, um die Breite dieser Schultern auszumessen. Ich muss das tun. Er legte eine Hand auf Grays Arm und ließ die Wärme in seine Knochen sickern – und in seinen Ständer. »Tragen Sie normalerweise eine vierundvierzig?«

»Ähm, ja, ich denke schon. Es wird für meine, äh, Taille angepasst.«

»Um-hm.« Ru schlang das Band um Ansons Taille und versuchte, dabei nicht ohnmächtig zu werden. »Vierundachtzig.«

»Ja.«