Professionelle Studiofotografie - Dennis Savini - E-Book

Professionelle Studiofotografie E-Book

Dennis Savini

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Beschreibung

Die Meisterklasse für anspruchsvolle Studiofotografie. Ein Workshopbuch für die Studiofotografie, das sich an angehende Profis und ambitionierte Amateurfotografen richtet. Reich illustriert und in zahlreichen, großzügig bebilderten Beispielen werden die Bereiche Sachfotografie, Still Life, Industrie, Technik, Kosmetik, Food, Schmuck, Uhren und Porträt erläutert. Das Buch erklärt im einleitenden Teil die wesentlichen Aspekte des fotografischen Prozesses im Studio, von der Ideenfindung über die Studioplanung, Licht, Beleuchtung, Sicht, Perspektive, Kamera und Objektivwahl. Der Workshopteil zeigt ganzseitig Meisterleistungen der Studiofotografie und ihre Entstehung mit Aufbaulayout, technischen Daten und allen notwendigen Schritten, die zum Endresultat führten – ohne Geheimnisse. "Professionelle Studiofotografie" ist ein Rezeptbuch für alle angehenden Studiofotografen und ein Nachschlagewerk für den erfahrenen Profi. Kurz: ein Masterclass- Workshopbuch für die Studiofotografie, das es in dieser Ausführlichkeit und Professionalität noch nicht gegeben hat und das trotzdem einfach und verständlich geschrieben ist.

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Dennis Savini

ProfessionelleStudiofotografie

Masterclass Workshop

Dennis Savini · [email protected]

Lektorat: Gerhard Rossbach

Projektmanagement: Miriam Metsch

Copy-Editing: Alexander Reischert, Redaktion ALUAN, Köln; Claudia Lötschert, www.richtiger-text.de

Buchgestaltung: Beat Rohrer, Visuelle Gestaltung (sic!), Zürich

Bildnachweis: alle Bilder und Illustrationen ©2011 bei Dennis Savini

ausgenommen Seite 25: Christian Küenzi

Assistenz: Oliver Loch, Alan Maag, Fabio Gloor, Urs Gisler, Markus Bühler, Stefan Minder, Andreas Eggenberger

Illustrationen der Aufbauten: Mit Lightning Set-up von Kevin Kertz erstellt

Satzüberarbeitung: Birgit Bäuerlein

Herstellung: Susanne Bröckelmann

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, 39240 Calbe (Saale)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print978-3-86490-475-2

PDF978-3-96088-485-9

ePub978-3-96088-486-6

mobi978-3-96088-487-3

2. Auflage 2018

dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Erstauflage erschien 2011 im Verlag Photographie

ISBN: 978-3-943125-04-7

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden von den Autoren mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Herausgeber noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buchs stehen.

In diesem Buch werden eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet. Auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Dank

Studiofotografie

Licht und Beleuchtung

Studiolicht

Lichtquellen und Lichtformer

Sicht und Perspektive

Kamera und Objektive

Studioorganisation

Die kreative Seite des Berufs

Der Kundenkontakt

Sachaufnahmen

Der Weg zur perfekten Sachaufnahme

Origami

MBT-Schuh

Vespa-Oldie

Weinglas

Bordeaux-Flasche

Topf aus Chromstahl

Zwei scharfe Gesellen

Nikon-Objektive

Gläser und Flasche

High Priestess

Still Life

Ein Still Life erzählt Geschichten

Bleisatz-Buchstaben

Alessi-Geschirr

Altsaxofon

Rendezvous

Hommage à Matisse

Business-Meeting

Industrie & Technik

Die rationale Herausforderung

Aluminiumprofile

DOW Automobil-Kunststoffteil

Pharmaprodukte

Sinar P2

Harley Davidson Night Rod

Kosmetik & Accessoires

Die Welt der Farben und Düfte

Lumière

Tocadilly

Die duftende Iris

Lingerie

Die Welle

Uhren & Schmuck

Raffinesse und Präzision

Schwarzer Chronograf

„Le Mans“ von Maurice de Mauriac

Der Flieger-Chronograf

Beat Haldimanns H1-Uhr

Cartier-Damenuhren

Drei Ringe mit Edelsteinen

Gruppenbild in Titan

Silhouettenfrau mit Collier

Getränke

Die Inszenierung von Frische

Mineralwasser

Amber-Bier

Disaronno on …

Dalmore-Whisky

Italienische Weinszene

Food

Appetit anregen

Frisch vom Markt

Roastbeef-Toast-Sandwich

Rustikales Ofengratin

Rindsfilet mit blauem Kartoffelpüree

Grillierte Birnen mit Meringue und Trüffeln

Aprikosenkuchen

Porträts

Der Star steht vor der Kamera

Leonie, die sphärische Schönheit

Kim, ein Porträt im klassischen Stil

Porträt Lisa

Polatransfer Ottilia

Italienische Frau mit Schmuck

Miss Fifties

Black Queen

Junges Paar mit Zahnbürste

Der Gärtner im Traumland

Testimonial-Porträt

Anhang

Materialverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Einleitung

Dennis Savini, 1955 geboren, hat nach der Schule die Lehre als Fotograf gemacht und ist seither der visuellen Welt verpflichtet. Er ist ein unbedingter Ästhet und innerhalb der Werbewelt ein in vielen Bereichen erfahrener Profi der Spitzenklasse. Mit seinem bekannten Fotostudio in Zürich ist er ein sehr gefragter Spezialist für Schmuck, Uhren, Food, Porträts und Geschäftsberichte. Diverse Veröffentlichungen in Büchern und Publikationen zur Fachfotografie sowie zahllose Artikel in vielen Ländern, machten ihn zum Begriff für eine stilvolle, klare und kreative Bildsprache. Als Gründungs- und jahrelanges Vorstandsmitglied der vfg (vereinigung fotografischer gestalterInnen) half er mit, den Beruf neu zu definieren und kreativ auszurichten. Seit nunmehr 10 Jahren ist er an der cap-fotoschule beteiligt, an der er auch unterrichtet.

Ich freue mich sehr, Ihnen hier die zweite, ergänzte und korrigierte Auflage meines Masterclass-Workshop-Buchs zu präsentieren. Die erste Auflage erreichte bereits über 12 000 Fotografen und wurde in zwei weitere Sprachen übersetzt. Viele direkte Kommentare und E-Mails haben mir bestätigt, dass der Sinn und Zweck des Buchs erreicht wurde. Das hat mich ermutigt, die zweite, noch etwas erweiterte Auflage in Angriff zu nehmen.

Warum schrieb ich dieses Buch? Bei den Workshops, die ich vor allem zusammen mit Sinar in der Schweiz und einigen Ländern in Europa und Asien gegeben habe, ist mir ein Umstand immer wieder aufgefallen: In vielen Ländern fehlt eine handwerkliche Grundausbildung zum Fotografen, wie sie beispielsweise in der Schweiz oder in Deutschland angeboten wird. Fotografie wird zwar vielerorts an Kunsthochschulen gelehrt, aber der handwerkliche Teil des Berufs bleibt dabei mehr oder weniger unberücksichtigt. Oft müssen sich die jungen Fotografen diesen Teil selbst beibringen oder durch Assistenzen bei anderen Fotografen erwerben. Sie sind in ihrem Fachgebiet zum Teil sehr gute Fotografen, es fehlt ihnen aber das breite Grundwissen, das ihnen ermöglichen würde, auch in anderen Gebieten ihres Berufs erfolgreich zu sein.

Den Grundmauern eines Hauses vergleichbar, bildet die handwerkliche Grundausbildung die Basis des Fotografenberufs. Ein solides, handwerkliches Können ist zudem eine der Voraussetzungen erfolgreicher selbstständiger Tätigkeit. Sie ermöglicht es, Aufträge professionell abzuwickeln und die verschiedenen Ansprüche der Kunden zufriedenzustellen. Ebenfalls nicht ganz unwichtig ist die dadurch geschaffene berufliche Souveränität und Sicherheit, die zu besserer Arbeitseffizienz und damit direkt zu besserer Rentabilität führt.

Last, not least bietet gutes Handwerk die Basis für Kreativität. Erst der sichere Umgang mit den Arbeitsmitteln schafft nämlich die Freiheit, sie kreativ einzusetzen. Und je mehr Sie wissen, desto größer wird Ihr Repertoire werden und umso ungebundener Ihre Möglichkeiten. Ein solides Basiswissen ist also die beste Investition, die Sie machen können!

Bei der Vorbereitung der Workshops habe ich mich immer wieder gefragt, wie ich die Inhalte noch besser vermitteln und nach den Workshops etwas Bleibendes zurücklassen könnte. Einen Workshop in Buchform zu verfassen, war eine naheliegende Idee. Aber wie?

Da ich neben dem Fotografieren auch sehr gerne koche und mich dabei häufig von Kochbüchern inspirieren lasse, war die Form bald klar. Wenn es Spitzenköchen gelingt, ihre oft aufwendigen Rezepte für Hobbyköche nachvollziehbar darzustellen, sollte Ähnliches auch Fotografen gelingen. Ich übernahm also deren Methode und zerlegte den Prozess in die Vorbereitung (Props), die Arbeitsschritte (Steps) und die Bildbearbeitung (Post Produktion). Das Ganze ergänzte ich mit Aufbauskizzen und den technischen Daten, alles ausführlich genug, damit der Leser die „Rezepte nachkochen“ kann. Die Beispiele sind dabei als Basisrezepte zu verstehen, die Sie natürlich variieren und an Ihre Ideen anpassen können, so wie ich das bei den Kochrezepten auch immer wieder mache. Ebenfalls sind alle im Buch aufgeführten Geräte natürlich nicht zwingend und maßgebend: Fühlen Sie sich frei, sie durch andere zu ersetzen, mit denen Sie lieber arbeiten.

Ich hoffe sehr, dass es Ihnen damit gelingt, Ihre fotografischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern und damit mehr Erfolg in Ihrem Beruf zu haben.

PS: Der Lesbarkeit zuliebe spreche ich im Text nur in einer, der männlichen Person. Mit Fotograf ist aber immer auch die Fotografin gemeint. Ich hoffe, das Gleichstellungsbüro verzeiht mir.

Dank

Bedanken möchte ich mich bei allen Fotografenlehrlingen, Praktikanten des Fotodesign-Studiums, Studenten der cap fotoschule und Freelance-Assistenten, die mir in den vergangenen 30 Jahren nicht nur geholfen haben, meine Ideen umzusetzen und Aufträge zu erfüllen, sondern mir vor allem auch Inspirationen und Ideen gegeben haben.

Im Speziellen danken möchte ich:

meinem Lehrmeister Hans Humm, einem Handwerker alter Schule, der nicht viel sprach und wenig erklärte und mich so zwang, selbst auf die Lösung zu kommen, wenn ich einer Frage auf den Grund gehen wollte.

meiner langjährigen Lebens- und Studiopartnerin Irene Rüfenacht, die mit mir zusammen das Studio aufbaute und in der Zeit, als es sich stürmisch entwickelte, mir den Rücken freihielt mit der ganzen Administration, der Kundenbetreuung und dem Labor. Der psychologische Faktor, jemand Gleichgesinntes an seiner Seite zu haben, um Ideen zu diskutieren, war mir in dieser Zeit eine große Hilfe. Ohne sie wäre ich mit Sicherheit nicht da, wo ich bin.

meinem russischen Freund und Fotografen Boris Loginov, der mich unermüdlich aufmunterte, aus meinen Hunderten von Arbeitsblättern ein Buch zu machen. Er nannte die Ordner mit all meinen abgelegten Arbeitsbeispielen eine Schatztruhe. So hatte ich meine Arbeitsordner bisher nicht betrachtet. Er ist eigentlich verantwortlich dafür, dass ich vor Jahren mit diesem Projekt begann, das jetzt in Ihrer Hand liegt und Ihnen hoffentlich dient. Zumindest aber würde es mich sehr freuen, wenn das Buch einige seiner 1000 Fragen beantwortet.

Angel Penchev, meinem Fotografenfreund aus Bulgarien, der begeistert vom Projekt seine Beziehungen in China spielen ließ und die chinesische Ausgabe dieses Buchs ermöglichte und so den ruhenden Stein wieder ins Rollen brachte.

dem Circle 24, der Vereinigung von 24 Fotografen aus allen Ländern, die mir tolle Freundschaften ermöglichte und Austausch über kulturelle Grenzen hinweg. Vor allem Robert Schilder, dem Gründer des Circle 24, Tetsuro Takai, Emmo Italiiander und Sandor Benkó.

meinen Eltern, die an mich glaubten und mir den ersten wichtigen Studiokredit gaben. Ich bin ihnen, nicht nur deswegen, in Liebe verbunden. Meine Mutter gab mir das vielleicht wichtigste Lebenselement mit auf den Weg, den kritischen Blick für die Selbstanalyse und trotzdem den festen Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Mein Vater kam Ende der 50er-Jahre mittellos in die Schweiz und schaffte hier, entgegen dem damals vorherrschenden negativen Vorurteil der Schweizer Bevölkerung Fremden aus dem Süden gegenüber, einen beachtenswerten Aufstieg. Er war mir immer ein Vorbild und Beispiel.

Guy Jost vom SBF und Dominic Schneider von der cap fotoschule sowie den vielen FotografenFreunden, die ich im Lauf des Engagements für diesen schönen Beruf kennenlernen durfte und mit denen die eine und andere Veränderung möglich wurde, die den Berufsstand hoffentlich weiterbringen wird. Wir sitzen alle im gleichen Boot, und es war und ist für mich selbstverständlich, mich für gemeinsame Ziele einzusetzen. Nur so überlebt ein Berufsstand, indem er sich entwickelt und anpasst.

„last, not least“ meiner jetzigen Lebenspartnerin Monique Rüsch. Sie gibt mir die Kraft und Ruhe, meine Energie positiv einsetzen zu können, und ermöglichte es mir so, mich neu zu orientieren, mein Studio und meine Arbeitsgebiete zu verändern. Es ist einfach unglaublich, was Glück an Energie freisetzen kann.

Ganz herzlichen Dank für eure Inspirationen!

Studiofotografie

Einführung in die Technik und Organisation eines eigenen Studios mit besonderer Beachtung der Aspekte der Lichttechnik

Licht und Beleuchtung

Licht ist das essenzielle Medium der Fotografie. Machen wir uns also mit dem unverzichtbaren Medium vertraut, nicht nur mit dem Ziel, es technisch zu beherrschen, sondern es darüber hinaus als Gestaltungsmittel zu verstehen.

Einerseits entsteht Fotografie rein physikalisch durch Licht. Der lichtempfindliche Sensor, beziehungsweise die lichtempfindliche Schicht, wird durch das darauffallende Licht „geladen“ und zeichnet so ein Bild auf. Andererseits ist Licht das wichtigste Gestaltungsmittel in der Fotografie. Es erzeugt Hell und Dunkel und schafft so die notwendigen Kontraste, es gibt der Fotografie Farbe und Stimmung, es gibt Räumen Tiefe und moduliert Objekte und lässt sie plastisch erscheinen. Kurz: Licht ist unverzichtbar und essenziell für die Fotografie, nicht nur physikalisch.

Es braucht allerdings das sehende Auge des Fotografen und die gestalterische Kraft des Künstlers, um aus den vielfältigen Erscheinungsformen des Lichts eindrückliche Bilder zu schöpfen. Zunächst einmal ist die uns umgebende Realität überbordend reich und ungeordnet. Erst der künstlerische Mensch versteht es, auszuwählen und zu ordnen. Die enorm vielfältigen Möglichkeiten, mit Licht zu gestalten, zeigt uns schon die Geschichte der Malerei eindrucksvoll auf. Von den alten holländischen Szene- und Landschaftsmalern über die Renaissancemaler in Italien und England bis zu den französischen Impressionisten lässt sich die darstellende Kraft des Lichts wunderbar studieren. Ich möchte jedoch hier keine Exkurse in Kunstgeschichte durchführen, sondern mich in den nachfolgenden Abschnitten ausschließlich dem kreativen Umgang mit Licht in der Fotografie zuwenden.

Die Notwendigkeit der Gestaltung

Der Name sagt’s: Photographie wurde aus dem griechischen „Phos“ für Licht, und „graphis“ für ritzen, zeichnen gebildet. Fotografieren heisst mit Licht zeichnen!

Warum ist ein kreativer, gestaltender Umgang notwendig? Warum greifen Fotografen in die unbeeinflusste dokumentarische Wiedergabe ein?

Um die Wahrnehmung unseres visuellen Systems zu verstehen, müssen wir uns den Ablauf der visuellen Wahrnehmung vor Augen führen: Das Auge mit seiner Pupille, seiner Retina und den Stäbchen und Zäpfchen, die für das Schwarz-Weiß-Sehen und das Farbsehen zuständig sind, zeichnet zunächst ein wenig präzises Abbild auf. Es ist nur auf einem kleinen Fleck scharf und hat eine sphärische Perspektive. Diese Signale werden an den visuellen Cortex weitergeleitet. Dort sind verschiedene Hirnzentren damit beschäftigt, dieses noch ungenaue Bild zu vervollständigen, zu prüfen und einzuordnen. Zum Beispiel werden Erinnerungen wachgerufen, Vergleiche angestellt, der Geruchssinn zurate gezogen, kurz: Unser ganzes Wissen wird abgefragt, um das zunächst unscharfe Bild zu analysieren. Daraufhin erst entsteht die Bildempfindung als Resultat von Auge und Gehirn. Die visuelle Wahrnehmung ist ein zwar ultraschnell ablaufender, aber unglaublich komplexer Prozess, den wir zudem kaum exakt kontrollieren und voraussagen können. Natürlich spielen die unterschiedlichen Erfahrungen im Leben und die kulturellen Unterschiede mit eine Rolle, wie etwas wahrgenommen wird. Darum sind die Bildempfindungen der Menschen so unterschiedlich. Hilfreich sind die einfachen, allgemein gültigen Muster, auf die wir uns abstützen können. Welche Lichtfarbe wir beipielsweise als kühl und welche wir als warm empfinden, ist wohl kulturübergreifend gleich.

Die darstellende Kunst und damit auch die Fotografie müssen also die visuellen Wahrnehmungsmuster kennen und darauf eingehen. Die Bildsprache ist in erster Linie eine Sprache und soll auf Verständigung abzielen. Der Einsatz der Gestaltungsmittel, die uns zur Verfügung stehen, dient denn auch vorrangig der Verständlichkeit der Bildinhalte und erst in zweiter Linie der Stimmungsvermittlung. Die Kenntnis des Wahrnehmungsprozesses bildet die unverzichtbare Voraussetzung, um die Gestaltungsmittel zielgerichtet einsetzen zu können. Neben der Wahl des Ausschnitts, der Perspektive und des Moments der Aufnahme ist das Licht beziehungsweise die Beleuchtung das wesentliche Mittel, das wir zur Hand haben, um aussagekräftige Bilder zu schaffen.

Natürliches Licht

Die stärkste und universellste Lichtquelle ist zweifellos die Sonne. Sie versorgt unseren Planeten nicht nur mit Licht und Wärme und ermöglicht Leben, sie bietet darüber hinaus ein gewaltiges Potenzial an Beleuchtungsvarianten. Das Schauspiel unterschiedlichster Lichtgebungen, das unsere Sonne Tag für Tag von Neuem aufführt, entlässt uns nie aus dem Staunen.

Rein farbmetrisch handelt es sich um weißes Licht mit allen Farbanteilen, also ein kontinuierliches Spektrum. Zusätzlich zum fürs menschliche Auge sichtbaren Licht strahlt die Sonne auch ultraviolettes und infrarotes Licht aus. Beim Sonnenlicht haben wir es nicht mit einer konstanten Lichtquelle zu tun. Während eines Tags verändert sich die Farbtemperatur ständig. Vom Morgenrot zum Mittagsblau, bis es abends wieder rötlich wird, durchläuft das Tageslicht ein großes Spektrum von Farbtemperaturen. Wetterbedingungen und Luftverschmutzung sind weitere Einflussfaktoren, die für abweichende Lichtfarben sorgen. Die resultierenden Farbtemperaturschwankungen gleicht das Auge mithilfe des Gehirns in für uns nicht spürbarer Weise aus, während die Kamera darauf mit „Farbstichen“ reagiert, da sie in der Regel auf Tageslicht von 5600 Grad Kelvin eingestellt ist. (Der automatische Weißabgleich reagiert ähnlich dem menschlichen Auge und passt sich den unterschiedlichen Bedingungen laufend an).

Man kann sich nun aber fragen, wer „richtig“ sieht: das Auge oder die Kamera? Welchen Realitätsbezug hat „mittleres“ Tageslicht von 5600 Grad Kelvin? Ist es nicht vielmehr eine Hypothese, die in der Realität gar nicht so oft eintrifft?

Wenn wir uns von der hypothetischen Vorstellung des „neutralen“ Lichts lösen, ergibt sich eine Vielzahl von Stimmungen und Lichtfarben und damit Gestaltungsspielraum. Oft sind es gerade die von der neutralen Darstellung abweichenden Farben des Lichts, die für Lebendigkeit und Natürlichkeit einer Szenerie sorgen. Können Sie sich einen „neutralen“ Sonnenuntergang vorstellen oder die Kühle eines Wintertags in den Bergen ohne den leichten Blauschimmer auf dem Schnee?

Es sind also die Lichtfarben, die dem Tagesablauf Ausdruck und Farbe schenken, die uns Kälte und Hitze spüren lassen und uns so helfen, auf emotionaler Ebene Dinge wahrzunehmen, die nicht sichtbar sind. Das Schauspiel mit wachen Augen zu beobachten und zu interpretieren, ist die dankbare Aufgabe des Fotografen. Daraus schöpfen wir bildgeprägten Studiofotografen auch die Inspiration für unsere Lichtkreationen – eine Inspirationsquelle, die nie versiegt. Manchmal erlebe ich staunend ein Lichtschauspiel, das mich fasziniert. Ich versuche, solche Momente der Betrachtung in mein visuelles Gedächtnis zu übernehmen, um sie im gegebenen Fall abrufen und einsetzen zu können.

Drei Aufnahmen von Schanghai, China, illustrieren gut, wie sich die Farbstimmung während eines Tagesablaufs wandeln kann. Ganz unterschiedliche Farbstimmungen sind das Resultat. Schanghai ist eine Großstadt mit sehr viel Smog, und dieser nimmt viel Streulicht auf, was zusätzlich zu Farbstichen führt. Wahrscheinlich ist es fast unmöglich, dort eine neutrale Farbaufnahme zu machen … Die Aufnahmeserie entstand am 2. Januar 2009 von morgens bis abends mit einer Nikon D3 und einem Weißabgleich auf Tageslicht.

Künstliches Licht

Als Alternative oder Ergänzung zur Sonne gibt es eine Vielzahl künstlicher Lichtquellen. Farbfotografisch gut einsetzbar sind dabei alle Lichtquellen, die ein kontinuierliches Spektrum aufweisen. Leuchten mit diskontinuierlichen Spektren wie die meisten Leuchtstoffröhren bilden nicht alle Farben gleich ab. Das heißt, es entstehen Löcher im Farbspektrum, sodass gewisse Farbanteile gar nicht vorhanden sind, und es ergeben sich unkorrigierbare Farbstiche. Auch Lampen mit einem reinen Linienspektrum wie Natriumdampf- oder Quecksilberdampflampen, die in Industriehallen und als Straßenbeleuchtung eingesetzt werden, eignen sich wenig für Farbfotografie, da sie nur monochromes Licht ausstrahlen. Zu beachten ist ferner die unterschiedliche Farbtemperatur der verschiedenen Leuchten. Sie reicht von der Kerze (ca. 800 Grad Kelvin) über das Glühlicht (ca. 2800 Grad Kelvin), Blitzlicht (5500 Grad Kelvin) bis zum HMI-Licht (6000 Grad Kelvin). All dies lässt sich mit einem Farbtemperaturmessgerät ermitteln und mit entprechender Erfahrung in der Wirkung vorhersehen. Mit unterschiedlichen Farbtemperatureinstellungen an der Kamera und mit Farbtemperaturfiltern ist es möglich, diese unterschiedlichen Lichtfarben anzugleichen. Wie schon erwähnt, hilft der automatische Weißabgleich der Digitalkameras hier entscheidend, indem er automatisch den Mittelwert findet, was die Farbstiche möglichst an den Neutralwert angleicht.

Aus der Mischung von Tageslicht und Kunstlicht ergeben sich Kalt-Warm-Kontraste und damit Farbstimmungen, die wir in der Regel als natürlich empfinden und die selten stören.

Licht als Stimmungsvermittler

Die Verschiedenartigkeit der Lichtquellen ist unser Potenzial, aus dem wir schöpfen können. Durch Kenntnis der verschiedenen Lichtquellen können wir aktiv und gezielt die Stimmung einer Szene beeinflussen, wie es unserer Vorstellung entspricht.

Einige Beispiele wurden schon erwähnt, ich möchte hier aber vertiefter darauf eingehen. Neben der Lichtfarbe kann auch die Beleuchtungsart als Stimmungsvermittler eingesetzt werden. Auch hier spielen unsere kollektiven Wahrnehmungseigenheiten eine zentrale Rolle und sprechen gezielt Erkennungsmuster an.

Ganz allgemein gesprochen: Möchten wir zum Beispiel eine klare, hart formulierte Botschaft übermitteln, so wählen wir eine ebenso klare und harte Lichtführung. Wollen wir eine reine, positive Aussage erzielen, eignet sich eine lichtvolle, umhüllende Darstellung eher. Helligkeit und helle Farben vermitteln nun mal positive, optimistische Gefühle, während Dunkelheit und Kontrast für Dramatik und Spannung sorgen.

Die Aufnahme einer vollen Kaffeetasse kann durchaus etwas warmtonig sein, um uns den Geschmack gerösteter Kaffeebohnen auf die Zunge zu rufen. Die Aufnahme von Stahlobjekten in leichtem Blauton lässt uns das kalte Metall förmlich auf der Haut spüren.

Der Fotografie einer rustikal-gemütlichen Interieurszene werden wir die warme, dunkle Farbtönung abnehmen, während der gläserne Büropalast hell und kühl natürlich wirkt.

Strikte Farbneutralität ist hingegen bei Sachaufnahmen von Produkten für Kataloge, Produktelisten, bei Reproduktionen von Kunstgegenständen und dokumentarischen Aufnahmen gefragt. Da wollen wir keine Aussage machen, die über die reine Abbildung hinausgeht. Bei Sachaufnahmen wollen wir eine realitätsnahe Farbgebung und Materialität erzielen. Hier werden wir also den Weißabgleich genau auf das verwendete Licht abstimmen.

Licht als plastisches Medium

Für unser räumliches Sehen erscheint, mit Ausnahme der Stereofotografie, die zweidimensionale, flache Fotografie ungeeignet. Hier hilft uns aber wieder das „wissende“ Sehen unseres Gehirns, das aus perspektivischer Information die dritte Dimension dazuerfindet. Es ist trotzdem nützlich, die Tiefenausdehnung fotografisch zu erfassen, bei unbekannten Objekten sogar notwendig. Licht- und Schattenformen helfen dabei enorm, auch wenn durch die Perspektive und die dadurch entstehenden unterschiedlichen Größenverhältnisse und Überschneidungen eine wesentliche Informationsquelle gegeben ist. Kurz: Weil der Fotografie die dritte Dimension fehlt, ist es erforderlich, sie zu simulieren.

Von der Naturbetrachtung übernehmen wir das Bild der zunehmenden Helligkeit und des Verblassens der Farben zum Horizont hin. Das ist besonders gut bei Fernsichten in den Bergen zu sehen, wenn eine Panoramakette sich hinter die andere reiht, die eine Staffelung mit zunehmender Helligkeit bilden und so ein Bild unendlicher Tiefe entstehen lassen.

Diese räumliche Darstellung wird auch gerne bei Still-Life-Kompositionen angewendet. Die zunehmende Helligkeit öffnet den Raum in die Tiefe, und die Objekte wirken nah und greifbar. Wird ein Hintergrund verwendet, werden wir ihn zum Vorteil farblich etwas zurücknehmen und verblassen, damit er sich räumlich absetzt und nicht in Konkurrenz zum Vordergrund steht.

Im Gegensatz dazu steht der abgedunkelte Hintergrund; er schließt den Raum und wirkt daher nah. Solche Kompositionen wirken gesamthaft räumlich kompakter, konzentrierter. Dunkle Flächen haben den Vorteil, das Auge zum (beleuchteten) Objekt zu führen, und halten den Blick in der Komposition. (Siehe auch die Bildbeispiele auf Seite 25 und 94.)

Eine Fernsicht mit Bergketten. Gut zu sehen ist, wie sich durch die zunehmende Entfernung eine Abstufung zu helleren Tonwerten ergibt. An solchen Erscheinungen der Natur schulen wir unbewusst unsere bildliche Wahrnehmung der Tiefe.

Ein Foodstillleben im weichen Gegenlicht fotografiert, das auf dieser Tiefenerscheinung aufbaut. Nach hinten hin öffnet sich der Raum, und es entsteht eine Staffelung mit zunehmender Helligkeit. Dadurch erhält der Betrachter den Eindruck der Tiefenausdehnung, verstärkt durch Elemente, die am vorderen Bildrand angeschnitten sind und so ins Bild hineinführen.

Licht und Schatten als formgebende Elemente

Formale Gestaltung kann durch akzentuierte Lichtgebung erheblich beeinflusst werden. Es lassen sich Formen herausarbeiten und gliedern. Wir können gestalten, indem wir Unwichtiges im Schatten versinken lassen und Wichtiges ins Licht rücken.

So lässt sich das Auge lenken und aus einer zuerst komplizierten formalen Vielfalt eine einfache, lesbare Komposition schaffen. Schatten lassen das Auge ruhen, während es vom Licht angezogen und geleitet wird.

Die Größe und Entfernung der Lichtquelle spielen natürlich auch eine wichtige Rolle. Je kleiner die Lichtquelle und je weiter die Entfernung zum Objekt, desto härter werden Licht- und Schattenkonturen getrennt. Und umgekehrt: Je größer die Lichtquelle und je näher am Objekt, desto weicher wird die Beleuchtung.

Die Schattenposition und -größe sind immer eine Folge der Lichtrichtung. Je mehr seitlich oder weiter hinten die Lichtquelle aufgestellt ist, desto größer der Schattenbereich. Je mehr frontal, desto kleiner die Schattenbereiche und umso flacher wirkt das Bild.

Die Schattenart, ob weich oder hart, hängt mit der Größe und Art der Lichtquelle zusammen. Eine weiche Beleuchtung hat auch weiche Schatten zur Folge, und umgekehrt erzeugt eine harte Beleuchtung harte Schatten.

Zwei Aufnahmen, die nur mit der Wirkung von Licht und Schatten arbeiten.

Ein Fresnel-Scheinwerfer aus etwa 2 Metern Entfernung erzeugte ein hartes, gerichtetes Licht mit Schlagschatten. Es wurde durch ein Kalkpapier, in das Löcher geschnitten wurden, partiell gesoftet und etwas abgedunkelt. Daher die „fleckige“ Beleuchtung mit Licht- und Schattenbereichen.

Kameraseitig kam die Sinar P2 4 × 5" mit einem 300 mm Sironar-N zum Einsatz.

Als Aufnahmematerial nahm ich den Polaroid Typ55 P/N-Planfilm, von dem ich das Negativ verwendete. Ich ließ es, ohne es zu fixieren, etwas liegen, trocknete es mit dem Föhn und scannte es gleich ein. Durch die eingetrocknete Entwicklerpaste ergaben sich die Strukturen auf dem Negativ.

Licht für Material und Struktur

Ein weiteres fehlendes Element in der Fotografie ist die Haptik. Wir können das dargestellte Objekt nicht berühren und daher seine materiellen Eigenarten nicht auf diesem Weg erfahren. Hier erfüllt das Licht eine wichtige Aufgabe.

Material und Struktur, also die Oberfläche eines Objekts, können durch geeignete Beleuchtung eindrücklich und erfahrbar hervorgehoben werden. Hier benutzen wir die Beleuchtung, um dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln, etwas zum Greifen vor sich zu haben, obwohl es sich nur um einen Fotoabzug oder bedrucktes Papier handelt.

Strukturen verlangen in der Regel nach einem mehr oder weniger definierten Seitenlicht, aber auch der frontal eingesetzte Ringblitz kann bei Stoffen Details hervorbringen. Weiche Materialien wie Wolle oder Stoff verlangen generell eher nach etwas härterer Beleuchtung, während harte Materialien wie Metall und Glas in eher weicher Beleuchtung am besten zur Geltung kommen.

Dieser Stein aus der irakischen Frühzeit enthält Texte in Zeichenschrift. Mit der stark seitlichen Beleuchtung versuchte ich, die Konturen der Zeichen hervorzuheben und die Steinstruktur zu zeigen.

Sechs eingetrocknete Peperoncini-Schoten, im Durchlicht fotografiert. Dadurch bekam die durchscheinende Hülle Farbe, und die Strukturen der Haut erschienen gut konturiert.

Ich arbeite bei Schmuckaufnahmen fast immer mit opalen Folien wie der White Diffusion von LEE oder der etwas weicheren Translum von Foba, die ich aufspanne und durchleuchte.

Im Kapitel „Schmuck und Uhren“ ist der Aufbau detailliert dargestellt.

Die wichtigste Lichtregel

Oft verwende ich Opalfolien, die ich aufspanne und durchleuchte, oder den Himmel, eine große weiße Fläche, die ich anleuchte und deren Licht ich indirekt anwende. Natürlich befinden sich diese weich abstrahlenden, indirekten Lichter genau im Reflexionswinkel des Objekts beziehungsweise der Fläche, die ich beleuchten möchte, und erzeugen so Reflexe und Lichtverläufe. Mit Softboxen werden die Reflexe gleichmäßig, und es entstehen keine Lichtverläufe, da das Licht in einer Softbox üblicherweise gleichmäßig verteilt ist.

Studiolicht

Blitzlicht oder Kunstlicht, Tageslicht oder Blitzlicht, schwarzes oder weißes Studio? Fragen, die sich nicht einfach beantworten lassen und nach vertiefenden Überlegungen verlangen.

Das Tageslichtstudio

Tageslicht ist sicher das natürlichste Licht, das es gibt. Sein Nachteil ist einzig, dass es uns nicht immer zur Verfügung steht und dass es nicht immer in gleicher Qualität, Helligkeit und Farbtemperatur vorhanden ist. Wenn Tageslicht in geeigneter Form zur Verfügung steht, kann es natürlich genutzt werden. Geeignet heißt nicht direktes Sonnenlicht, sondern weiches, durch große Fenster einfallendes Tageslicht in indirekter Form. Ein solches Fensterlicht wirkt gerade für Food und Porträts sehr natürlich. Je größer die Fenster sind, desto besser; je höher der Raum und damit auch die Fenster, umso mehr sind neben dem Seitenlicht auch Oberlichtanteile vorhanden, was natürlicher wirkt. Wegen der sich stetig verändernden Farbtemperatur des Tageslichts wird es nie ganz neutral sein. Dies verleiht ihm aber gerade einen reizvollen Charakter, der mit dem neutralen, sterilen Charakter des Studiolichts nicht zu vergleichen ist.

Tageslicht kann auch sehr gut mit Studiolicht gemischt werden, indem es als Haupt- oder als Aufhelllicht verwendet wird und das Studiolicht, vorzugsweise Blitzlicht wegen der TageslichtFarbtemperatur, für den jeweils anderen Part eingesetzt wird. So entstehen durch die leichten Verschiebungen in der Farbtemperatur sehr natürlich wirkende Lichtstimmungen, die denen on Location nicht nachstehen. Es gibt sogar reine Tageslichtstudios, was allerdings sehr große Fensterflächen und ebenso große Diffusorstoffe voraussetzt, um das Licht weicher zu gestalten. Natürlich sind Sie dann an die Tageszeiten gebunden; bis in die Abendstunden dauernde Shootings sind nicht möglich, was ein großer Nachteil, aber sicher familienfreundlich ist.

Das Tageslichtstudio von Otto Kasper in Rielasingen, Deutschland, ist speziell gebaut worden, um mit natürlichem Licht arbeiten zu können. Die Tageslichtfenster an der Nordseite des Gebäudes nehmen die ganze Raumhöhe und zusätzlich noch einen Teil des Dachs ein. Im Innern des Studios sorgen große Diffusorstoffe, auf Rahmen gespannt, dafür, dass das einfallende Tageslicht gesoftet werden kann. Schwarze Vorhänge dienen dazu, das einfallende Tageslicht einzuschränken und zu führen. So kann mit Tageslicht gestaltet werden. Eine Lichtquelle in dieser Größe dürfte sonst schwer zu finden sein. Bei großen Szenen, wie diesem Aufbau rechts, werden noch zusätzlich Lichter mit Blitzlampen gesetzt.

Das schwarze Studio. Mein jetziges Studio ist das vierte, das ich bezogen habe, und als Erstes ganz in Schwarz. Es handelt sich um einen Raum von 10,5 × 8,5 m mit einer Raumhöhe von 5,5 m.

Das 4 × 6 m große Reflexionspanel, Himmel genannt, ist zentral aufgehängt. Über eine Laufkatze lässt es sich absenken und frei im ganzen Studio bewegen. Es besteht aus einem mit weiß gestrichener Leinwand bespannten Aluminiumrahmen.

An der Decke kann in regelmäßigen Abständen eine eigens konstruierte Säule befestigt werden, die mittels Neigekopf die verschiedenen Kameras aufnehmen kann.

Auf einer mechanisch bedienbaren Rolle ist ein Novilon-Kunststoff-Bodenbelag mit 5 m Breite und 16 m Länge befestigt, der weiß gestrichen bei Bedarf als Hinter- und Untergrund dient. Das Studio verfügt über kein Tageslicht, sodass alles Licht bewusst gesetzt werden muss. Der Vorteil ist, dass sich keine Studioteile unschön spiegeln können und dass kein unerwünschtes Streulicht entsteht.

Das schwarze Studio

Öfter werde ich gefragt, ob ich ein weißes oder schwarzes Studio bevorzuge. Ich habe während 20 Jahren in drei Studios gearbeitet, die viel Tageslicht hatten. Natürlich mussten alle Fenster mit schwarzen, lichtundurchlässigen Vorhängen versehen werden, damit auch Langzeitbelichtungen oder Aufnahmen auf dunklen Untergründen mit knappem Licht (sogenannte Low-Key-Aufnahmen) möglich wurden. Ich habe in dieser Zeit das Tageslicht für vielleicht 10–20 Prozent der Jobs nutzen können, vor allem im Food- und Interieurbereich. Meist jedoch hatte ich Vorgaben, die nach spezifischen, für den jeweiligen Job maßgeschneiderten Aufbauten verlangten, die das Tageslicht nicht liefern konnte.

Während in einem Tageslichtstudio Licht bereits vorhanden ist und eingesetzt werden kann, brauchen Sie in einem schwarzen Studio eine gute Vorstellung des zu erzeugenden Lichts, da Sie alles Licht selbst erschaffen müssen.

Der Hauptvorteil eines Tageslichtstudios ist die Raumhelligkeit, wenn das Studio einmal nicht für Aufnahmen genutzt wird. Tageslicht ist sicher angenehmer zum Arbeiten als Kunstlicht in einem geschlossenen Raum. Einzig in der Bildbearbeitung muss das Licht gedämpft sein.

2006 bin ich in ein Studio umgezogen, das ganz schwarz gestrichen ist und kein Tageslicht aufweist. Beide Möglichkeiten haben für die Fotografie ihre Vor- und Nachteile. Der Hauptunterschied ist, dass ich im neuen Studio sämtliches Licht bis ins Detail selbst machen muss und nichts schon vorhanden ist. Das setzt voraus, vor Beginn der Arbeit eine gute Vorstellung vom Licht zu haben. Es gibt kein im Raum vorhandenes Streulicht, das für Aufhellung sorgt, und kein Fensterlicht, das man einbeziehen könnte, es muss alles gesetzt werden. Auf der anderen Seite ist aber auch alles unter präziser Kontrolle.

Der Aufwand ist in einem schwarzen Studio größer. Auch sollte ein schwarzes Studio höher sein, damit das Licht großflächiger geführt werden kann, wenn man eine weiche Lichtstimmung erzielen möchte. Am besten gelingt dies mittels weiß gestrichener Leinwände, die auf Rahmen gespannt und indirekt angestrahlt werden können. Wird ein solcher Rahmen an die Decke gehängt, spricht man von einem Reflektorpanel oder, einfacher, von einem Himmel. Er muss natürlich beweglich sein und wird deshalb am besten an einem Punkt aufgehängt, der sich genau mittig befindet. Die Aufhängung sollte so sein, dass der Himmel in der Höhe verstellbar ist. Mit Seilen an den vier Eckpunkten kann er um seine Achse gedreht und in jede Schräglage gebracht werden. Dieser Himmel wird der Grundfläche des Studios entsprechend möglichst großflächig konstruiert. Er sollte rechteckig und etwas kleiner als die Arbeitsfläche im Studio sein, damit er sich noch drehen lässt. Der Himmel in meinem Studio misst 4 × 6 m bei einer Grundfläche des Studios von 8,5 × 10,5 m. Die Studiohöhe sollte sicher über 3,5 m betragen. Mit einer Höhe von 5,5 m, wie in meinem Studio, lässt er sich ideal bewegen, und auch großflächige Oberlichter oder Seitenlichter sind so möglich.