Quellwasser - Pia Roth - E-Book

Quellwasser E-Book

Pia Roth

4,0

Beschreibung

Der kleine Ort Zinzendorf in der Oberpfalz besitzt eine eigene Quelle. Die Zinzendorfer sind stolz auf ihr Wasser. Eines Tages erkranken die Bürger, ein alter Mann stirbt, im Brunnen werden todbringende Bakterien gefunden. Die Quelle wurde offenbar vergiftet. Ein Erpresserbrief erreicht die Polizei in Wörth und zur gleichen Zeit wird bei Kiefenholz ein junger Mann tot aus der Donau geborgen. Hat der Leichenfund mit dem Fall zu tun? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Wasserkrieg, der Ende des vorigen Jahrhunderts zwischen Zinzendorf und der Stadt Wörth tobte? Die Regensburger Kommissare Kurt Weinzierl und Benedikt Oberhauser ermitteln in diesem seltsamen Fall.

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©2013 SPIELBERG VERLAG, Regensburg
Umschlaggestaltung: Spielberg Verlag Umschlagfoto: ©isoga - Fotolia.com
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Pia Roth

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 1

Kurt Weinzierl saß an seinem Schreibtisch und starrte an die Wand. Die Wand war nicht mehr reinweiß, sie war über die Jahre hinweg mehr als etwas angegraut, wie eigentlich alles im Kriminalkommissariat Regensburg. Weinzierl, als Hauptkommissar in diesen Gemäuern tätig, sollte sich konzentrieren, sich in die Akten einarbeiten. Sein Blick glitt aber über die Wand mit dem Regal, das Bild – Chiemsee an einem Regentag –, das ihm noch nie gefallen hat, den Schrank, die Ordner, ohne das eine oder andere wahrzunehmen. Er ignorierte das Klingeln des Telefons und das Klopfen an der Tür. Hätte man ihn nach dem Wetter gefragt, er hätte es nicht sagen können. Er starrte vor sich hin.

Er dachte an den gestrigen Abend, an Luise, an Franz.

»Schlafst du? Mir ham an Mord. Und du schlafst!« Hauptkommissar Benedikt Oberhauser, genannt Hausl, war mit Schwung ins Zimmer gestürzt und hatte den Tagträumen seines Kollegen ein Ende gesetzt. Weinzierl blätterte pflichtschuldig in den Akten, die Gott sei Dank aufgeschlagen auf dem Schreibtisch lagen.

»Spinnst du, hast du mich jemals im Dienst schlafen gsehn?«

»Ja. Scho.« Aber Oberhauser besaß Anstand und vertiefte das Thema Büroschlaf nicht weiter.

»Nach Kiefenholz raus müssen wir, da hams an junga Mo aus da Donau zong.« Darauf wechselte er in verständliches Deutsch: »Junger Mann, circa dreißig Jahre« – Oberhauser war wie Weinzierl weit jenseits der dreißig – »gefesselt mit Kabelbinder. Jetz kum, s Auto wart scho.« Weinzierl zog seine Strickjacke, dunkelblau und ebenfalls angejahrt, von der Stuhllehne und warf sie sich über die Schulter. Es war Mitte März und bereits ungewöhnlich warm in diesem Jahr. Das war selten, denn meist machte der »Böhmische«, der kalte Wind aus dem Osten, die Anstrengungen der Sonne zunichte.

»Gibt’s a Vermisstenmeldung?« wollte Weinzierl wissen.

»Bis jetzt liegt nix vor.« Oberhauser schnäuzte sich. »Jetz hab i bei dem schönen Wetter an Katarrh!«

»Steck mich bloß nicht an! Des dad mir jetzt noch fehln.« Kurt trat sicherheitshalber einen Schritt zur Seite. Im Auto setzte er sich schnell neben den Fahrer, so dass Oberhauser nur der Platz auf dem Rücksitz blieb.

Der Kandler Fritz, Polizeimeister-Anwärter, in der Blüte seiner Jugend, ihr diensthabender Chauffeur, steuerte den BMW von der Bahnhofstraße über die viel befahrene Landshuter Straße zur A 3 Richtung Passau.

Es ging ohne Blaulicht, erstens war nicht übermäßig viel Verkehr auf der Autobahn und zweitens war der »junge Mann«, den man aus der Donau gezogen hatte, ja eh bereits tot. Allzu große Eile war also nicht mehr geboten. Eigentlich wäre es eine schöne Fahrt gewesen. Eine weite Ebene, im leichten, sonnendurchfluteten Dunst, breitete sich südlich der Autobahn aus. Gegen Nordosten waren die Ausläufer des Bayerischen Waldes, ebenfalls in Dunst gehüllt, zu ahnen. Ein Tag zum Durchatmen. Doch im Auto herrschte Schweigen. Die Idylle der Welt draußen drang nicht ins Wageninnere. Jeder hing seinen trüben Gedanken nach, eine Unterhaltung kam nicht zustande. Außer: »Jetz nies mir doch ned ins Gnack« und »halt dir halt d’ Hand vor, wennst niast«, wurde kaum geredet.

Oberhauser ärgerte sich noch immer darüber, dass seine Frau, die Magda, entschieden gegen seinen Willen doch das Fahrrad für den Enkel gekauft hatte. Kurt Weinzierl war sauer auf Luise, die gestern ganz offensichtlich mit dem Franz geflirtet hatte, obwohl sie wusste, dass er den Franz absolut nicht leiden konnte. So hatte keiner der beiden ein Auge für die überaus reizvolle Landschaft und den vorsichtig nahenden Frühling.

Nur Kandler pfiff vor sich hin – er hatte offenbar keine renitenten Angehörigen. Wahrscheinlich war er wieder verliebt.

 

Kurz vor der Ausfahrt Wörth West, Richtung Wiesent, erkundigte sich Weinzierl, ob Oberhauser wisse, wer von der Inspektion Wörth am Fundort Dienst tat. Der nuschelte unverständliche Worte in sein Taschentuch. »Jetzt weiß ich mehr, danke«, grunzte Weinzierl, wiederholte aber die Frage nicht.

Kandler parkte neben den Polizeifahrzeugen, die bereits eingetroffen waren, auch ein Krankenwagen war schon da. Die Wörther Polizei hatte alles großräumig mit Bändern abgesperrt. Weinzierl und Oberhauser betraten die nasse Wiese hinter der Absperrung; Kandler blieb im Wagen und griff nach der Zigarettenschachtel. Weinzierl verachtete ihn dafür. Er war seit sechs Wochen Nichtraucher. Oberhauser war nicht betroffen. Er hatte nie geraucht.

Polizeiobermeister Richard Remser von der Polizeiinspektion Wörth kam den Hang herunterrutschend auf sie zu, grüßte geschäftsmäßig, wie es seine Art war, und führte die Regensburger Kollegen auf den Damm. Remser war ein junger, dynamischer Beamter. Groß, sportlich, dunkelhaarig und gutaussehend, ein Frauentyp. Aber das wurde von den beiden Regensburgern wenig beachtet, man kannte sich seit Jahren. Er deutete auf einen älteren Mann, der in einem der Streifenwagen auf dem Rücksitz saß und sagte zu Weinzierl: »Des ist der Herr Unterhuber, der hatn gfundn.«

Herr Unterhuber war ein rüstiger, älterer Herr, dem das Unbehagen, im Polizeiauto zu sitzen und abwarten zu müssen, welche Unannehmlichkeiten heute noch auf ihn zukommen würden, anzusehen war. Dem Mann zu Füßen saß sein Dackel. Den Zeugen würden sie später befragen.

»Das ist gewiss ein Rentner, der hat es sicher nicht so eilig und kann noch ein bisschen warten«, meinte er zu Remser gewandt. Sie stapften den Hang hinauf durch das nasse Gras in Richtung Uferbefestigung. Oberhauser schniefend hinterher. Weinzierl kannte die Gegend, er war hier zuhause. Doch jedes Mal, wenn er sie sah, so wie heute, wenn Dunst über dem Fluss lag und die Sonnenstrahlen um ihr Durchkommen kämpften, sich das Blau der Donau in immer neuen Schattierungen zeigte, dann empfand er die Schönheit körperlich. Es war, als würde sich seine Brust weiten und er mit diesem Anblick verschmelzen. Ein Flussdampfer fuhr nach Süden, schwer beladen, man sah, wie tief er im Wasser lag. Darüber kreisten Vögel. Er rief sich den Grund ihres Hierseins ins Bewusstsein. Kein Grund zum Träumen. Es war schwer vereinbar, dort soviel Schönheit und zu seinen Füßen der Tod. Er war kein Philosoph, doch er wusste, das Eine war ohne das Andere nicht möglich. Leben und Tod. Gut und Böse.

Oberhausers Gedanken waren weitaus banaler. Er dachte an seinen Schnupfen und die Auswirkungen nasser Füße auf diesen. Eine Lungenentzündung könnte das geben! Weiter kam er nicht mit seinen hypochondrischen Ahnungen, denn der Pathologe Doktor Anton Späth, der neben dem am Boden liegenden Toten kniete, drehte sich zu ihnen und gab kurzen Bericht. »Mann, Ende 20, Anfang 30, äußerlich keine Anwendung von Gewalt sichtbar. Auf einen unnatürlichen Tod deuten die Handfesseln mittels Kabelbinder. Er ist seit circa zehn bis zwölf Stunden tot. Im Wasser hat er nicht lange gelegen. Mehr erfahrts dann morgen, wenn ich ihn mir genau angeschaut habe.« Das waren sie gewohnt vom Anton und hatten es nicht anders erwartet. Der Doktor war ein Mann weniger Worte. Das lag sicher am täglichen Umgang mit seinen schweigsamen Patienten. Am Stammtisch aber, abends, nach ein paar Bier, da konnte er Reden schwingen. Dafür war er berühmt und berüchtigt; besonders in politischen Belangen war er eine Kapazität. Er informierte, gefragt oder ungefragt. Weinzierl drang also nicht weiter in ihn. Er würde geduldig auf den Bericht warten.