Rainer Maria Rilke - Rainer Maria Rilke - E-Book

Rainer Maria Rilke E-Book

Rainer Maria Rilke

3,8

Beschreibung

Rainer Maria Rilke zählt zu den deutschsprachigen Meisterdichtern. Melodische, durchaus gefällige Stimmungslyrik und sprachlich gewagte, bilderreiche Elegien und Sonette wechseln sich ab. Immer jedoch verspürt man in den Werken des Dichters die Sehnsucht nach der Verbundenheit mit einem höheren Wesen, die aus einer neuen Form der Innerlichkeit entstand. Diese Sammlung seiner bekanntesten Werke sollte in keiner Sammlung fehlen.

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Seitenzahl: 423

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Rainer Maria Rilke

GESAMMELTEWERKE

EDITION LEMPERTZ

Impressum

Umwelthinweis:Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.Die Einschrumpffolie – zum Schutz vor Verschmutzung –ist aus umweltverträglichem und recyclingfähigem PE-Material.

© 2006 Edition Lempertz GmbH

Umschlagentwurf: ART WORK, Olaf Schumacher, Königswinter

Printed and bound in Germany

ISBN: 978-3-933070-67-8

Vorwort

Rainer Maria Rilke wurde am 04.02.1875 in Prag geboren und starb am 29.12.1926 in der Schweiz.

Nach einer nicht gerade sorglosen Kindheit besuchte er die Kadettenschule und studierte Kunst- und Literaturgeschichte. Er lebte als freier Schriftsteller, ging viel auf Reisen, u.a. nach Italien, Russland, Ägypten und Frankreich und hatte bedeutungsvolle Begegnungen mit Tolstoj, Andreas-Salomé und Rodin. Von Rilke liegen meisterhafte Übersetzungen von Verlaine, Mallarmé, Valéry und Labé vor.

Seine melodische Lyrik ist geprägt von der Sehnsucht nach einer mystischen Verbindung mit Gott, bleibt dabei aber immer gefällig und hat nahezu durchgehend autobiografische Züge. Vor allem in seinen späteren Werken wurde die weiche Klangfülle um kühne, freirhythmische Fügungen ergänzt.

In diesem Sammelband finden Sie alle frühen Gedichte Rilkes, sowie einige der späteren Werke. Auf Grund des sehr umfangreichen Lebenswerks haben wir eine Auswahl zu Gunsten der bekannten, gefälligen Lyrik getroffen. Wir verwenden die von Rilke zu Lebzeiten veröffentlichten Fassungen und haben diese zur besseren Lesbarkeit vorsichtig hinsichtlich der Rechtschreibung und der Ortografie überarbeitet.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Ihre Redaktion

Die frühen Gedichte

Ich bin so jung. Ich möchte jedem Klange,der mir vorüberrauscht, mich schauernd schenken,und willig in des Windes liebem Zwänge,wie Windendes über dem Gartengonge,will meine Sehnsucht ihre Ranken schwenken,

Und jeder Rüstung bar will ich mich brüsten,so lang ich fühle, wie die Brust sich breitet.Denn es ist Zeit, sich reisig auszurüsten,wenn aus der frühen Kühle dieser Küstender Tag mich in die Binnenlande leitet.

Ich will ein Garten sein, an dessen Bronnendie vielen Träume neue Blumen brächen,die einen abgesondert und versonnen,und die geeint in schweigsamen Gesprächen.

Und wo sie schreiten, über ihren Häuptenwill ich mit Worten wie mit Wipfeln rauschen,und wo sie ruhen, will ich den Betäubtenmit meinem Schweigen in den Schlummer lauschen.

Ich will nicht langen nach dem lauten Lebenund keinen fragen nach dem fremden Tage:Ich fühle, wie ich weiße Blüten trage,die in der Kühle ihre Kelche heben.

Es drängen Viele aus den Frühlingserden,darinnen ihre Wurzeln Tiefen trinken,um nicht mehr könnend in die Knie zu sinkenvor Sommern, die sie niemals segnen werden.

Meine früh verliehnenLieder oft in der Ruhüberrankter Ruinensang ich dem Abend sie zu.

Hätte sie gerne zu Rondenaneinander gereiht,einer erwachsenen Blondenals Geschenk und Geschmeid.

Aber unter allenwar ich einzig allein;und so ließ ich sie fallen:sie verrollten wie lose Korallenweit in den Abend hinein.

Die armen Worte, die im Alltag darben,die unscheinbaren Worte, lieb ich so.Aus meinen Festen schenk ich ihnen Farben,da lächeln sie und werden langsam froh.

Ihr Wesen, das sie Bang in sich bezwangen,erneut sich deutlich, dass es jeder sieht;sie sind noch niemals im Gesang gegangenund schauernd schreiten sie in meinem Lied.

Arme Heilige aus Holzkam meine Mutter beschenken;und sie staunten stumm und stolzhinter den harten Bänken.

Haben ihrem heißen Mühnsicher den Dank vergessen,kannten nur das Kerzenglühnihrer kalten Messen.

Aber meine Mutter kamihnen Blumen geben.Meine Mutter die Blumen nahmalle aus meinem Leben.

Ich geh jetzt immer den gleichen Pfad:am Garten entlang, wo die Rosen gradEinem sich vorbereiten;aber ich fühle: noch lang, noch langist das alles nicht mein Empfang,und ich muss ohne Dank und Klangihnen vorüberschreiten.

Ich bin nur der, der den Zug beginnt,dem die Gaben nicht galten;bis die kommen, die seliger sind,Echte, stille Gestalten,werden sich alle Rosen im Windwie rote Fahnen entfalten.

Das ist der Tag, in dem ich traurig throne,das ist die Nacht, die mich ins Knien warf;da bet ich: dass ich einmal meine Kronevon meinem Haupte heben darf.

Lang muss ich ihrem dumpfen Drucke dienen,darf ich zum Dank nicht einmal ihren blaunTürkisen, ihren Rauten und Rubinenerschauernd in die Augen schaun?

Vielleicht erstarb schon lang der Strahl der Steine,es stahl sie mir vielleicht mein Gast, der Gram,vielleicht auch waren in der Krone keine,die ich bekam?.

Weiße Seelen mit den Silberschwingen,Kinderseelen, die noch niemals sangen,die nur leis in immer weitern Ringenzu dem Leben ziehn, vor dem sie bangen,werdet ihr nicht euren Traum enttäuschen,wenn die Stimmen draußen euch erwachen,und ihr könnt aus tausend Taggeräuschennicht mehr lösen euer Liederlachen?

Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.Dort wo die Kinder schläfern, heiß vom Hetzen,dort wo die Alten sich zu Abend setzen,und Herde glühn und hellen ihren Raum.

Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.Dort wo die Abendglocken klar verklangenund Mädchen, vom Verhallenden befangen,sich müde stützen auf den Brunnensaum.

Und eine Linde ist mein Lieblingsbaum;und alle Sommer, welche in ihr schweigen,rühren sich wieder in den tausend Zweigenund wachen wieder zwischen Tag und Traum.

Und einmal lös ich in der Dämmerungder Pinien von Schulter und vom Schoßmein dunkles Kleid wie eine Lüge losund tauche in die Sonne bleich und bloßund zeige meinem Meere: ich bin jung.

Dann wird die Brandung sein wie ein Empfang,den mir die Wogen festlich vorbereiten.Und eine jede zittert nach der Zweiten,wie soll ich ganz allein entgegenschreiten:das macht mich bang.Ich weiß: die hell gesellten Wellen webenmir einen Wind;und wenn der erst beginnt,so wird er wieder meine Arme heben.

Du, den wir alle sangen,du einziger und echter Christ,du Kinderkönig, der du bist,ich bin allein: mein Alles istentgegen dir gegangen.

Du Mai, vor deinen Mienensieh mich bereit, die Arme weit:dein Unmut, deine Zögerzeit,dein Mut und deine Müdigkeithat alles Raum in ihnen.

Du wacher Wald, inmitten wehen Winternhast du ein Frühlingsfühl dir erkühnt,und leise lässest du dein Silber sintern,damit ich seh, wie deine Sehnsucht grünt.

Und wie mich weiter deine Wege führen,erkenn ich kein Wohin und kein Woherund weiß: vor deinen Tiefen waren Türenund sind nicht mehr.

Du musst das Leben nicht verstehen,dann wird es werden wie ein Fest.Und lass dir jeden Tag geschehenso wie ein Kind im Weitergehenvon jedem Wehensich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,das kommt dem Kind nicht in den Sinn.Es löst sie leise aus den Haaren,drin sie so gern gefangen waren,und hält den lieben jungen Jahrennach neuen seine Hände hin.

Ich möchte werden wie die ganz Geheimen:Nicht auf der Stime die Gedanken denken,nur eine Sehnsucht reichen in den Reimen,mit allen Blicken nur ein leises Keimen,mit meinem Schweigen nur ein Schauern schenken.

Nicht mehr verraten und mich ganz verschanzenund einsam bleiben; denn so tun die Ganzen:Erst wenn, wie hingefällt von lichten Lanzen,die laute Menge tief ins Knien glitt,dann heben sie die Herzen wie Monstranzenaus ihrer Brust und segnen sie damit.

Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,du mein tieftiefes Leben;dass du weißt, was der Wind dir will,eh noch die Birken beben.

Und wenn dir einmal das Schweigen sprach,Lass deine Sinne besiegen.Jedem Hauche gib dich, gib nach,er wird dich lieben und wiegen.

Und dann meine Seele sei weit, sei weit,dass dir das Leben gelinge,breite dich wie ein Feierkleidüber die sinnenden Dinge.

Träume, die in deinen Tiefen wallen,aus dem Dunkel lass sie alle los.Wie Fontänen sind sie, und sie fallenlichter und in Liederintervallenihren Schalen wieder in den Schoß.

Und ich weiß jetzt: wie die Kinder werde.Alle Angst ist nur ein Anbeginn;aber ohne Ende ist die Erde,und das Bangen ist nur die Gebärde,und die Sehnsucht ist ihr Sinn.

Engellieder

Ich ließ meinen Engel lange nicht los,und er verarmte mir in den Armenund wurde klein, und ich wurde groß:und auf einmal war ich das Erbarmen,und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben,und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,und wir haben langsam einander erkannt.

Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,kann er frei seine Flügel entfaltenund die Stille der Sterne durchspalten,denn er muss meiner einsamen Nachtnicht mehr die ängstlichen Hände haltenseit mich mein Engel nicht mehr bewacht.

Hat auch mein Engel keine Pflicht mehr,seit ihn mein strenger Tag vertrieb,oft senkt er sehnend sein Gesicht herund hat die Himmel nicht mehr lieb.

Er möchte wieder aus armen Tagenüber der Wälder rauschendem Ragenmeine blassen Gebete tragenin die Heimat der Cherubim.

Dorthin trug er mein frühes Weinenund Bedanken, und meine kleinenLeiden wuchsen dorten zu Hainen,welche flüstern über ihm.

Wenn ich einmal im Lebensland,im Gelärme von Markt und Messemeiner Kindheit erblühte Blässemeinen ernsten Engel vergesseseine Güte und sein Gewand,die betenden Hände, die segnende Hand,in meinen heimlichsten Träumen behaltenwerde ich immer das Flügelfalten,das wie eine weiße Zypressehinter ihm stand.

Seine Hände blieben wie blindeVögel, die, um Sonne betrogen,wenn die andern über die Wogenzu den währenden Lenzen zogen,in der leeren, entlaubten Lindewehren müssen dem Winterwinde.

Auf seinen Wangen war die Schamder Bräute, die über der Seele Schreckendunkle Purpurdeckenbreiten dem Bräutigam.

Und in den Augen lagGlanz von dem ersten Tag,aber weit über allem warragend das tragende Flügelpaar.

Um die vielen Madonnen sindviele ewige Engelknaben,die Verheißung und Heimat habenin dem Garten, wo Gott beginnt.Und sie ragen alle nach Rang,und sie tragen die goldenen Geigen,und die Schönsten dürfen nie schweigenihre Seelen sind aus Gesang.Immer wieder müssen sieklingen alle die dunkeln Chorale,die sie klangen vieltausend Male;Gott stieg nieder aus seinem Strahleund du warst die schönste SchaleSeiner Sehnsucht, Madonna Marie.

Aber oft in der Dämmerungwird die Mutter müder und müderund dann flüstern die Engelbrüder,und sie jubeln sie wieder jung.Und sie winken mit den weißenFlügeln festlich im Hallenhofe,und sie heben aus den heißenHerzen höher die eine Strophe:Alle, die in Schönheit gehn,werden in Schönheit auferstehn.

GEBET

Ernster Engel aus Ebenholz:Du riesige Ruh.Dein Schweigen schmolznoch nie in den Brändenvon Büßerhänden.Flammenumflehter!Deine Betersind stolzwie du.

Der du versteinst,du über den Blicken beginnenderKönig, erkiesedir ein Geschlecht,dem du gerechterscheinst,saumsinnenderRiese.

Du, aller MattenFurchteinflößer,Einer ist größerals du: dein Schatten.

Lauschende Wolke über dem Wald.Wie wir sie lieben lernten,seit wir wissen, wie wunderbaldsie als weckender Regen pralltan die träumenden Ernten.

Und ich ahne: in dem Abendschweigenist ein einstiger Opferbrauch;tiefer atmend hebt sich jeder Hauch:ein Erfüllen will sich niederneigenzu dem schwarzen hingeknieten Strauch.Und die Sterne trennen sich und steigen,und die Dunkelheiten steigen auch.

Gehst du außen die Mauern entlang,kannst du die vielen Rosen nicht schauenin dem fremden Gartengang;aber in deinem tiefen Vertrauendarfst du sie fühlen wie nahende Frauen.

Sicher schreiten sie zwei zu zwein,und sie halten sich um die Hüften,und die Roten singen allein;und dann fallen mit ihren Düftenleise, leise die Weißen ein.

Ist ein Schloss. Das vergehendeWappen über dem Tor.Wipfel wachsen wie flehendeHände höher davor.

In das langsam versinkendeFenster stieg eine blinkendeblaue Blume zur Schau.

Keine weinende Frausie ist die letzte Winkendein dem gebrochenen Bau.

Zur kleinen Kirche musst du aufwärts steigen,auf einen Hügel hat man sie gebaut;denn dieses arme Dorf ist ihr vertrautund schützend soll sie schauen auf sein Schweigen.

Der Frühling aber kann noch höher bauen;sie lächelt licht wie eine weiße Brautund kann schon nicht mehr ihre Hütten schauenund schaut nur ihn und läutet nicht mehr laut.

Das sind die Gärten, an die ich glaube:Wenn das Blühn in den Beeten bleicht,und im Kies unterm löschenden LaubeSchweigen hinrinnt, durch Linden geseigt.

Auf dem Teich aus den glänzenden Ringenschwimmt ein Schwan dann von Rand zu Rand.Und er wird auf den schimmernden Schwingenals erster Milde des Mondes bringenan den nicht mehr deutlichen Strand.

Schau, wie die Zypressen schwärzer werdenin den Wiesengründen, und auf wenin den unbetretbaren Alleendie Gestalten mit den Steingebärdenweiterwarten, die uns übersehn.

Solchen stillen Bildern will ich gleichenund gelassen aus den Rosen reichen,welche wiederkommen und vergehn;immerzu wie einer von den Teichendunkle Spiegel immergrüner Eichenin mir halten, und die großen Zeichenungezählter Nächte näher sehn.

Erste Rosen erwachen,und ihr Duften ist zagwie ein leisleises Lachen,flüchtig mit schwalbenflachenFlügeln streift es den Tag;

und wohin du langst,da ist alles noch Angst.

Jeder Schimmer ist scheu,und kein Klang ist noch zahm,und die Nacht ist zu neu,und die Schönheit ist Scham.

Blendender Weg, der sich vor Licht verlor,Sonnengewicht auf allem Weingelände.Und dann auf einmal, wie im Traum: ein Tor,breit eingebaut in unsichtbare Wände.

Der Türen Holz ist lang im Tag verbrannt;doch trotzig dauert auf dem Bogenranddas Wappen und das Fürstendiadem.Und wenn du eintrittst, bist du Gast. - Bei wemUnd schauernd schaust du in das wilde Land.

Da steht er gestützt am Turm.Nur die Wipfel und Fahnenkönnen sein Warten ahnen,und sie flüstern sich furchtsam: der Sturm.

Das hören die Birken, zart,und stemmen sich Stamm zum Stamme;wie eine farblose Flammeflattert sein Bart.

Und dann wissens die Kinder schon,suchen der Mutter Mienen.Wie von wilden Bienenist in der Luft ein Ton.

Im flachen Land war ein Erwartennach einem Gast, der niemals kam;noch einmal fragt der bange Garten,dann wird sein Lächeln langsam lahm.

Und in den müßigen Morästenverarmt im Abend die Allee,die Äpfel ärgsten an den Ästen,und jeder Wind tut ihnen weh.

Wer einst das einsame Haus erbaut,ich konnte es nirgends erlauschen.Auch die Wipfel wagen nicht, lautum sein Ragen zu rauschen.

Im Parke: Tot ist jeder Tonund alle Farben sind entflohn,nur rotrote Blüten baten.als müsste alten Mord der Mohnimmer wieder von Sohn zu Sohnverraten.

Das ist dort, wo die letzten Hütten sindund neue Häuser, die mit engen Brüstensich drängen aus den bangen Baugerüstenund wissen wollen, wo das Feld beginnt.

Dort bleibt der Frühling immer halb und blass,der Sommer fiebert hinter diesen Planken;die Kirschbäume und die Kinder kranken,und nur der Herbst hat dorten irgendwas

Versöhnliches und Fernes; manchesmalsind seine Abende von sanftem Schmelze:die Schafe schlummern, und der Hirt im Pelzelehnt dunkel an dem letzten Lampenpfahl.

Manchmal geschieht es in tiefer Nacht,dass der Wind wie ein Kind erwacht,und er kommt die Allee alleinleise, leise ins Dorf herein.

Und er tastet bis an den Teich,und dann horcht er herum:Und die Häuser sind alle bleich,und die Eichen sind stumm.

Wir wollen, wenn es wieder Mondnacht wird,die Traurigkeit zu großer Stadt vergessenund hingehn und uns an das Gitter pressen,das uns von dem versagten Garten trennt.

Wer kennt ihn jetzt, der ihn am Tage traf:mit Kindern, lichten Kleidern, Sommerhüten,wer kennt ihn so: allein mit seinen Blüten,die Teiche offen, liegend ohne Schlaf.

Figuren, welche stumm im Dunkel stehn,scheinen sich leise aufzurichten,und steinerner und stiller sind die lichtenGestalten an dem Eingang der Alleen.

Die Wege liegen gleich entwirrten Strähnennebeneinander, ruhig, eines Zieles.Der Mond ist zu den Wiesen unterwegs;den Blumen fließt der Duft herab wie Tränen.Über den heimgefallenen Fontänenstehn noch die kühlen Spuren ihres Spielesin nächtiger Luft.

Mädchen-Gestalten

Als du mich einst gefunden hast,da war ich klein, so klein,und blühte wie ein Lindenastnur still in dich hinein.

Vor Kleinheit war ich namenlosund sehnte mich so hin,bis du mir sagst, dass ich zu großfür jeden Namen bin.

Da fühl ich, dass ich eines binmit Mythe, Mai und Meer,und wie der Duft des Weines binich deiner Seele schwer.

Viel Fähren sind auf den Flüssen,und eine bringt sicher ihn;aber ich kann nicht küssen,so wird er vorüberziehn.

Draußen war Mai.

Auf unserer alten Kommodebrannten der Kerzen zwei;die Mutter sprach mit dem Tode,da brach ihr die Stimme entzwei.

Und wie ich klein in der Stille stand,reichte ich nicht in das fremde Land,das meine Mutter bange erkannt,ragte nur bis zum Bettesrand,fand allein ihre blasse Hand,von der ich Segen bekam.

Aber der Vater, von Wahnsinn wund,riss mich hoch an der Mutter Mund,der mir den Segen nahm.

Ich bin eine Waise. Niehat jemand um meinetwillendie Geschichten berichtet, diedie Kinder bestärken und stillen.

Wo kommt mir das plötzlich her?Wer hat es mir zugetragen?Für ihn weiß ich alle Sagenund was man erzählt am Meer.

Ich war ein Kind und träumte vielund hatte noch nicht Mai;da trug ein Mann sein Saitenspielan unserm Hof vorbei.

Da hab ich bange aufgeschaut:“O Mutter, lass mich frei.”Bei seiner Laute erstem Lautbrach etwas mir entzwei.

Ich wusste, eh sein Sang begann:Es wird mein Leben sein.Sing nicht, sing nicht, du fremder Mann:Es wird mein Leben sein.Du singst mein Glück und meine Müh,mein Lied singst du und dann:Mein Schicksal singst du viel zu früh,sodass ich, wie ich blüh und blüh,es nie mehr leben kann.

Er sang. Und dann verklang sein Schritt,er musste weiterziehn;und sang mein Leid, das ich nie litt,und sang mein Glück, das mir entglitt,und nahm mich mit und nahm mich mitund keiner weiß wohin.

Lieder der Mädchen

Ihr Mädchen seid wie die Gärtenam Abend im April:Frühling auf vielen Fährten,aber noch nirgends ein Ziel.

Jetzt sind sie alle schon selber Frauen.Haben Kinder und Träume verloren,und Kinder geborenund Kinder geboren,und sie wissen: in diesen Torenwerden wir alle in Gram ergrauen.

Alles ihre hat Raum im Haus.Nur das Avemarialäutenhat ihren Herzen noch ein Bedeuten,und dann kommen sie müd heraus.

Wenn die Wege zu wachsen beginnen,kühl aus der blassen Campagna zieht’s;ihres alten Lächelns entsinnensie sich wie eines alten Lieds.

Geh ich die Gassen entlang,da sitzen alle die braunenMädchen und schauen und staunenhinter meinem Gang.

Bis eine zu singen beginntund alle aus ihrem Schweigensich lächelnd niederneigen:Schwestern, wir müssen ihm zeigenwer wir sind.

Königinnen seid ihr und reich.Um die Lieder noch reicherals blühende Bäume.

Nicht wahr, der Fremdling ist bleich?Aber noch viel, viel bleichersind seine Lieblingsträume,sind wie Rosen im Teich.

Das empfandet ihr gleich:Königinnen seid ihr und reich.

Die Welle schwieg euch nie,so seid auch ihr nie stillund singt wie sie;und was tief innen euer Wesen will,wird Melodie.

Und ließ den Klang in euch der Schönheit Scham erstehn?Erweckte ihn ein junger Mädchengram; um wen?

Die Lieder kamen, wie das Sehnen kam,und werden langsam mit dem Bräutigamvergehn.

Die Mädchen sehn: der Kähne Fahrtkehrt fernher hafenein,und schauen scheu und dicht gepaart,wie schwer das weiße Wasser ward:denn das ist so des Abends Art,wie eine Angst zu sein.

Und so ist keine Wiederkehr:Es kommen von dem müden Meerdie Schiffe schwarz und groß und leer,kein Wimpel oben fliegt:als hätte alle irgendwerbesiegt.

Ihr Mädchen seid wie die Kähne;an die Ufer der Stundenseid ihr immer gebunden,darum bleibt ihr so bleich;ohne hinzudenken,wollt ihr den Winden euch schenken:euer Traum ist der Teich.Manchmal nimmt euch der Strandwindmit, bis die Ketten gespannt sindund dann liebt ihr ihn:Schwestern, jetzt sind wir Schwäne,die am Goldgesträhnedie Märchenmuschel ziehn.

Die blonden Schwestern flochten frohim Gehn Gesträhn aus goldnem Stroh,bis alles Land vor ihnen sowie Gold zu glühn beginnt;da sagen sie sich: wunderwowir hingeraten sind.

Der Abend wird den Blüten schwer,die Schwestern stehn in Schamund halten ihre Hände herund lauschen lang und lächeln leer,und eine jede sehnt sich: werist unser Bräutigam.

Wenn die blonden Flechterinnengehn im Glanz des Abendlands:sie sind alle Königinnenund ersinnen und beginnenihren eignen Kronenkranz.

Denn das Licht, darin sie leben,ist ein großes Gnadegebenund es kommt von ihnen her,und das Stroh, das sie zersträhnen,trank von ihren Mädchentränenund es wurde Gold und schwer.

Eh der Garten ganz beginntsich der Güte hinzugeben,stehn die Mädchen drin und bebenvor dem zögernden Erleben,und aus engen Ängsten hebensie die Hände in den Wind.

Und sie gehn auf scheuen Schuhn,als ob sie die Kleider pressten;und das sind die ersten Gesten,die sie im Gefühl von Festenihrem Traum entgegentun.

Alle Straßen führenjetzt grade hinein ins Gold:die Töchter vor den Türenhaben das so gewollt.

Sie sagen nicht Abschied den Alten,und ist doch: sie wandern weit;wie sie so leicht und befreitanders einander halten,und in anderen Faltenum die lichten Gestaltengleitet das Kleid.

Noch ahnst du nichts vom Herbst des Haines,drin lichte Mädchen lachend gehn;nur manchmal küsst wie fernes, feinesErinnern dich der Duft des Weines,sie lauschen, und es singt wohl einesein wehes Lied vom Wiedersehn.

In leiser Luft die Ranken schwanken,wie wenn wer Abschied winkt. - Am Pfadstehn alle Rosen in Gedanken;sie sehen ihren Sommer kranken,und seine hellen Hände sankenleise von seiner reifen Tat.

Mädchen singen:

Die Zeit, von der die Mütter sprachen,fand nicht zu unsern Schlafgemachen,und drin blieb alles glatt und klar.Sie sagen uns, dass sie zerbrachenin einem sturmgejagten Jahr.

Wir wissen nicht: Was ist das, Sturm?Wir wohnen immer tief im Turmund hören manchmal nur von ferndie Wälder draußen wehn;und einmal blieb ein fremder Sternbei uns stehn.

Und wenn wir dann im Garten sind,so zittern wir, dass es beginnt,und warten Tag um Tag.

Aber nirgends ist ein Wind,der uns biegen mag.

Mädchen singen:

Wir haben lange im Licht gelacht,und jede hat einer jedenNelken und Resedenfestlich wie einer Braut gebrachtund war ein Rätseln und Reden.

Dann hat sich mit dem Namen der Nachtlangsam die Stille besternt.Da waren wir wie aus allem erwachtund weit voneinander entfernt:haben die Sehnsucht, die traurig macht,wie ein Lied gelernt.

Die Mädchen am Gartenhangehaben lange gelachtund mit ihrem Gesängewie mit weitem Gangesich müd gemacht.

Die Mädchen bei den Zypressenzittern: Die Stunde beginnt,da sie nicht wissen, wessenalle Dinge sind.

Eine singt:

Ich war in ferner Fremde Kind,bis ich mich: arm und zart und blindaus meinem Schämen schlich;ich warte hinter Wald und Windgewiss schon lang auf mich.

Ich bin allein und weit vom Hausund sinne still: wie seh ich aus?Fragt jemand, wer ich sei?Gott, ich bin jung undich bin blondund habe ein Gebet gekonntund geh gewiss umsonst umsonntund fremd an mir vorbei.

Und singt:

Es müsste mich einer führen,aber nicht der Wind;weil der Orte und Türenso viele sind.

Wensoll ich um alles fragen;soll ich immer nur gehnund es wie im Traum ertragen,dass die Berge und Burgen ragenan dem Saumder fremden Seen?.

Und singt:

Wir sind uns alle schwesterlich.Aber Abende sind, da wir frierenund einander langsam verlieren,und eine jede möchte ihrenFreundinnen flüstern: Jetzt fürchtest du dich.

Die Mütter sagen uns nicht, wo wir sind,und lassen uns ganz allein,wo die Ängste enden und Gott beginntmögen wir vielleicht sein.

Gebete der Mädchen zur Maria

Mach, dass etwas uns geschieht!Sieh, wie wir nach Leben beben.Und wir wollen uns erhebenwie ein Glanz und wie ein Lied.

Du wolltest wie die andern sein,die sich scheu in Kühle kleiden;deine Seele wollte seidenihre müden Mädchenleidenweiterblühn am Lebensrain.Aber tief aus deinem Krankenwagte eine Kraft zu ranken,Sonnen lohten, Samen sanken:und du wurdest wie der Wein.

Und jetzt bist du süß und sattwie ein Abend auf uns allen,und wir fühlen, wie wir fällen,und du machst uns alle matt.

Schau, unsre Tage sind so engund bang das Nachtgemach;wir langen alle ungelenkden roten Rosen nach.

Du musst uns milde sein, Marie,wir blühn aus deinem Blut,und du allein kannst wissen, wieso weh die Sehnsucht tut;

du hast ja dieses Mädchenwehder Seele selbst erkannt:sie fühlt sich an wie Weihnachtsschnee,und steht doch ganz in Brand.

Von so vielem blieb uns der Sinn,gerade von dem Sanften und Zartenhaben wir irgendein Wissen:wie von einem geheimen Garten,wie von einem samtenen Kissen,das sich uns unter den Schlummer schiebt;wie von etwas, das uns liebtmit einer verwirrenden Zärtlichkeit,

aber viele Worte sind weit.

Viele Worte sind aus den Sinnen entflohnund aus der Welt.Haben sich horchend um deinen Thron,wie um einen steigenden Ton,Mutter Maria, gestellt;und dein Sohnlächelt sie an:

Sieh deinen Sohn.

Dein Garten wollt ich sein zuerstund Ranken haben und Rabattenund deine Schönheit überschatten,damit du mit dem muttermattenLächeln gern mir wiederkehrst.

Da aber - als du kamst und gingst,ist etwas mit dir eingetreten:das ruft mich zu den roten Beeten,wenn du mir aus den weißen winkst.Unsre Mütter sind schon müd;und wenn wir sie ängstlich drängen,lassen sie die Hände hängen,und sie glauben fernen Klängen:Oh, wir haben auch geblüht!

Und sie nähen an den weißenKleidern, die wir schnell zerreißen,in dem staubigen Stubenlicht.Wie sie sich so treu befleißen,und da sehn sie unsre heißenHände nicht.

Und wir müssen sie dir zeigen,wenn die Mutter nicht mehr wacht;und sie werden in der Nachtwie zwei weiße Flammen steigen.

Ich war einmal so kinderkühl:da traf mich alles wie ein Bangen.Jetzt ist mir jede Angst vergangen,nur diese wärmt mir noch die Wangen:ich fürchte mich vor dem Gefühl.

Es ist nicht mehr das Tal, darin ein Liedwie schützend seine lichten Schwingen breitet,es ist ein Turm, der vor den Fluren flieht,bis meine Sehnsucht hoch vom Saume siehtund zitternd mit der fremden Stärke streitet,die sie so selig von den Zinnen zieht.

Maria,du weinst, - ich weiß.Und da möcht ich weinenzu deinem Preis.

Mit der Stime auf Steinenweinen.

Deine Hände sind heiß;könnt ich dir Tasten darunterschieben,dann wäre dir doch ein Lied geblieben.

Aber die Stunde stirbt ohne Vermächtnis

Gestern hab ich im Traum gesehneinen Stern in der Stille stehn.Und ich fühlte: Madonna sprach:Diesem Stern in der Nacht blüh nach.

Und ich nahm alle Kraft zu Rat.Grad und schlank aus des Hemdes Schneestreckte ich mich. - Und das Blühen tatmir auf einmal weh.

Wie kam, wie kam aus deinem Schoß,Maria, so viel Lichte losund so viel Gram?Wer war dein Bräutigam?

Du rufst, du rufst, - und du vergisst,dass du nicht mehr dieselbe bist,die mir in Kühle kam.

Ich bin ja noch so blumenjung.Wie soll ich auf den Zehnvom Kindsein zur Verkündigungdurch alle deine Dämmerungin deinen Garten gehn?

Deiner ernsten Engel einenstell am Rand der Sehnsucht hinund befiehl ihm, dass er meinenSchwestern sagt: ihr werdet weinen;Denn es sind die Rosenreinenallen Prüfungen und Peinenwie ein Spiel von Anbeginn.

Weil sie überwunden wähnen,was die Kindheit kindisch litt,gehn sie lächelnd zwischen Zähnen,und sie tragen keine Tränenin die neuen Leiden mit.

Oh, dass wir so endlos werden mussten!Immer noch Entfalten um Entfalten,und wir haben unsrer Kälte Krustenlange, lange für den Grund gehalten.

Und ob wir uns aneinander bindenund in Furcht uns immer fester fassenund uns langsam, wie von Brunnenwinden,weiter in uns selber gleiten lassen:

Keine kann mit ihren blassen, blindenHänden tastend unsre Tiefen finden.

Mir wird mein helles Haar zur Last,als wäre drin verwühltein dunkler Limonenast,der schon in seinem Blühn verblasstund schwerer wird, weil er schon fasterfüllt den Frühling fühlt.

Nimm du von mirdie bange Zier!Du bist noch kühl und grün,weil unter deinen Dornen dirdie Mädchenmyrten blühn.

Und in allen alten Jahrenwar ich feierlich und frohwie die schönen Engelscharen,die um deine Wunder waren:meine Mutter glich dir so.

Und ich bin erst traurig, seitihre Küsse mir verblassten;und mein Horchen und mein Hastenund mein Ahnen ist ein Tastennach der neuen Zärtlichkeit.

Sie sagen alle: du hast Zeit,was kann dir fehlen, Kind?Mir fehlt ein goldenes Geschmeid.Ich kann nicht gehn im Kinderkleid,wenn alle schon so brautbereitund hell und heilig sind.

Nichts fehlt mir als ein wenig Raum,ich bin in einem Bann,und immer enger wird mein Traum.Nur Raum, dass aus dem Seidensaumich hoch bis in den Blütenbaumdie Hände heben kann.

Wird dieses ungestüme, wildeHinsehnen meinen Schwestern schwer,so flüchten sie zu deinem Bilde,und du entbreitest dich, du Milde,und bist vor ihnen wie das Meer.

Du flutest ihnen sanft entgegen,sie retten sich auf deinen Wegenin deine Tiefen hin - und sehn,wie sich die Wünsche leiser legenund als ein blauer Sommerregenauf weichen Inseln niedergehn.

Nach den Gebeten:

Ich aber fühle, wie ich wärmerund wärmer werde, Königin,und dass ich jeden Abend ärmerund jeden Morgen müder bin.

Ich reiße an der weißen Seide,und meine scheuen Träume schrein:Oh, lass mich Leid von deinem Leide,oh, lass uns beidewund von demselben Wunder sein!

Unsere Träume sind Marmorhermen,die wir in unsere Tempel stellen,und sie mit unseren Kränzen erhellenund sie mit unseren Wünschen erwärmen.

Unsere Worte sind goldene Büsten,die wir in unsere Tage tragen,die lebendigen Götter ragenin der Kühle anderer Küsten.

Wir sind immer in einem Ermatten,ob wir rüstig sind oder ruhn,aber wir haben strahlende Schatten,welche die ewigen Gesten tun.

Es ist noch Tag auf der Terrasse.Da fühle ich ein neues Freuen:wenn ich jetzt in den Abend fasse,ich könnte Gold in jede Gasseaus meiner Stille niederstreuen.

Ich bin jetzt von der Welt so weit.Mit ihrem späten Glanz verbrämeich meine ernste Einsamkeit.

Mir ist, als ob mir irgendwerjetzt leise meinen Namen nähme,so zärtlich, dass ich mich nicht schämeund weiß: ich brauche keinen mehr.

Das sind die Stunden, da ich mich finde.Dunkel wellen die Wiesen im Winde,allen Birken schimmert die Rinde,und der Abend kommt über sie.

Und ich wachse in seinem Schweigen,möchte blühen mit vielen Zweigen,nur um mit allen mich einzureigenin die einige Harmonie.

Der Abend ist mein Buch. Ihm prangendie Deckel purpurn in Damast;ich löse seine goldnen Spangenmit kühlen Händen, ohne Hast.

Und lese seine erste Seite,beglückt durch den vertrauten Ton,und lese leiser seine Zweite,und seine Dritte träum ich schon.

Oft fühl ich in scheuen Schauern,wie tief ich im Leben bin.Die Worte sind nur die Mauern.Dahinter in immer blauernBergen schimmert ihr Sinn.

Ich weiß von keinem die Marken,aber ich lausch in sein Land.Hör an den Hängen die Harkenund das Baden der Barkenund die Stille am Strand.

Und so ist unser erstes Schweigen:wir schenken uns dem Wind zu Eigen,und zitternd werden wir zu Zweigenund horchen in den Mai hinein.

Da ist ein Schatten auf den Wegen,wir lauschen, - und es rauscht ein Regen:ihm wächst die ganze Welt entgegen,um seiner Gnade nah zu sein.

Aber der Abend wird schwer:Alle gleichen verwaistenKindern jetzt; die meistenkennen einander nicht mehr.

Gehn wie in fremdem Landlangsam am Häuserrand,lauschen in jeden Garten,wissen kaum, dass sie warten,bis das Eine geschieht:Unsichtbare Hände hebenaus einem fremden Lebenleise das eigene Lied.

Wir sind ganz angstallein,haben nur aneinander Halt,jedes Wort wird wie ein Waldvor unserm Wandern sein.

Unser Wille ist nur der Wind,der uns drängt und dreht;weil wir selber die Sehnsucht sind,die in Blüten steht.

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort,Sie sprechen alles so deutlich aus:Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,sie wissen alles, was wird und war;kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.Die Dinge singen hör ich so gern.Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.Ihr bringt mir all die Dinge um.

Nenn ich dich Aufgang oder Untergang?Denn manchmal bin ich vor dem Morgen bangund greife scheu nach seiner Rosen Röteund ahne eine Angst in seiner Flötevor Tagen, welche liedlos sind und lang.

Aber die Abende sind mild und mein,von meinem Schauen sind sie still beschienen;in meinen Armen schlafen Wälder ein,und ich bin selbst das Klingen über ihnen,und mit dem Dunkel in den Violinenverwandt durch all mein Dunkelsein.

Senke dich, du langsames Serale,das aus feierlichen Fernen fließt.Ich empfange dich, ich bin die Schale,die dich fasst und hält und nichts vergießt.

Stille dich und werde in mir klar,weite, leise, aufgelöste Stunde.Was gebildet ist auf meinem Grunde,lass es sehn. Ich weiß nicht, was es war.

Kann mir einer sagen, wohinich mit meinem Leben reiche?Ob ich nicht auch noch im Sturme streicheund als Welle wohne im Teiche,und ob ich nicht selbst noch die blasse, bleichefrühlingfrierende Birke bin?

Wie wir auch alles in der Nacht benannten,nicht unser Name macht die Dinge groß:es kommen Pfeile, stark und atemlos,aus Bogen, welche sich zu Spielen spannten.

Und so wie Pilger, welche unvermutet,da eines letzten Vorhangs Falten fielen,den Altar schaun, darauf der Becher blutet,und nicht mehr rückwärts können aus dem Heile;so in die Kreise stürzen sich die Pfeileund stehen zitternd mitten in den Zielen.

Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt,wo nach stummen Gesetzensich die Gassen mit Gassen vernetzenund sich Plätze fügen zu Plätzen,und die bald an die tausend Türme hat.

Aber die Häuser der schwarzen Stadt,du weißt nicht, wer darin siedelt.

In ihrer Gärten schweigendem Glanzreihen sich reigende Träume zum Tanz,und du weißt nicht, wer ihnen fiedelt.

Auch du hast es einmal erlebt, ich weiß:Der Tag ermattete in armen Gassen,und seine Liebe wurde zweifelnd leis.

Dann ist ein Abschiednehmen rings im Kreis:es schenken sich die müden Mauermassendie letzten Fensterblicke, hell und heiß,

bis sich die Dinge nicht mehr unterscheiden.Und halb im Traume hauchen sie sich zu:Wie wir uns alle heimlich verkleiden,in graue Seidenalle uns kleiden,wer von uns beidenbist jetzt du?

Wenn die Uhren so nahwie im eigenen Herzen schlagen,und die Dinge mit zagenStimmen sich fragen:Bist du da?

Dann bin ich nicht der, der am Morgen erwacht,einen Namen schenkt mir die Nacht,den keiner, den ich am Tage sprach,ohne tiefes Fürchten erführe.

Jede Türein mir gibt nach.

Und da weiß ich, dass nichts vergeht,keine Geste und kein Gebet(dazu sind die Dinge zu schwer)meine ganze Kindheit stehtimmer um mich her.Niemals bin ich allein.Viele, die vor mir lebtenund fort von mir strebten,webten,webtenan meinem Sein.

Und setz ich mich zu dir herund sage dir leise: Ich litthörst du?

Wer weiß wermurmelt es mit.

Ich weiß es im Traum,und der Traum hat Recht:Ich brauche Raumwie ein ganzes Geschlecht.

Mich hat nicht eine Mutter geboren.Tausend Mütter habenan den kränklichen Knabendie tausend Leben verloren,die sie ihm gaben.

Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt,streut der Sturm auch den welkenden Waldin den Gleichmut des Sees,die Schönheit wächst aus der engen Gestalt;sie wurde reif, und mit milder Gewaltzerbricht sie das alte Gefäß.

Sie kommt aus den Bäumenin mich und in dich,nicht um zu mhn;der Sommer ward ihr zu feierlich.Aus vollen Früchten flüchtet sie sichund steigt ans betäubenden Träumenarm ins tägliche Tun.

Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir gehtund sagt: Ich bin.Ein Gott, der seine Stärke eingesteht,hat keinen Sinn.Da musst du wissen, dass dich Gott durchwehtseit Anbeginn,und wenn dein Herz dir glüht und nichts verrät,dann schafft er drin.

Träumen

I

Mein Herz gleicht der vergessenen Kapelle;auf dem Altare prahlt ein wilder Mai.Der Sturm, der übermütige Geselle,brach längst die kleinen Fenster schon entzwei;er schleicht herein jetzt bis zur Sakristeiund zerrt dort an der Ministrantenschelle.Der schrillen Glocke zager Sehnsuchtsschreiruft zu der längst entwöhnten Opferstelleden arg erstaunten fernen Gott herbei.Da lacht der Wind und hüpft durchs Fenster frei.Doch der Erzürnte packt des Klanges Welleund schmettert an den Fliesen sie entzwei.

Und arme Wünsche knien in langer Reihvorm Tor und betteln an vermooster Schwelle.Doch längst schon geht kein Beter mehr vorbei.

II

Ich denke an:

Ein Dörfchen schlicht in des Friedens Prangen,drin Hahngekräh;und dieses Dörfchen verloren gegangenim Blütenschnee.Und drin im Dörfchen mit Sonntagsmienenein kleines Haus;ein Blondkopf nickt aus den Tüllgardinenverstohlen heraus.

Rasch auf die Türe, die angelheiserum Hilfe ruft,und dann in der Stube ein leiser, leiserLavendelduft.

III

Mir ist: ein Häuschen wär mein Eigen;vor seiner Türe säß ich spät,wenn hinter violetten Zweigenbei halb verhalltem Grillengeigendie rote Sonne sterben geht.

Wie eine Mütze grünlich-samtensteht meinem Haus das moosge Dach,und seine kleinen, dick umrammtenund blank verbleiten Scheiben flammtendem Tage heiße Grüße nach.

Ich träumte, und mein Auge langteschon nach den blassen Sternen hin,vom Dorfe her ein Ave bangte,und ein verlorner Falter schwankteim schneeig schimmernden Jasmin.

Die müde Herde trollte trabendvorbei, der kleine Hirte pfiff,und in die Hand das Haupt vergrabend,empfand ich, wie der Feierabendin meiner Seele Saiten griff.

IV

Eine alte Weide trauertdürr und fühllos in den Mai,eine alte Hütte kauertgrau und einsam hart dabei.

War ein Nest einst in der Weide,in der Hütt ein Glück zu Haus;Winter kam und Weh, - und beideblieben aus.

V

Die Rose hier, die gelbe,gab gestern mir der Knab,heut trag ich sie, dieselbe,hin auf sein frisches Grab.

An ihren Blättern lehnennoch lichte Tröpfchen, - schau!Nur heute sind es Tränen,und gestern war es Tau.

VI

Wir saßen beisammen im Dämmerlichte.“Mütterchen”, schmeichelte ich, “nicht wahr,du erzählst mir noch einmal die schöne Geschichtevon der Prinzessin mit goldnem Haar?”

Seit Mütterchen tot ist, durch dämmernde Tageführt mich die Sehnsucht, die blasse Frau,und von der schönen Prinzessin die Sageweiß sie wie Mütterchen ganz genau.

VII

Ich wollt, sie hätten statt der Wiegemir einen kleinen Sarg gemacht,dann wär mir besser wohl, dann schwiegedie Lippe längst in feuchter Nacht.

Dann hätte nie ein wilder Willedie bange Brust durchzittert, - dannwärs in dem kleinen Körper stille,so still, wie’s niemand denken kann.

Nur eine Kinderseele stiegezum Himmel hoch so sacht, - ganz sacht.Was haben sie mir statt der Wiegenicht einen kleinen Sarg gemacht?

VIII

Jene Wolke will ich neiden,die dort oben schweben darf!Wie sie auf besonnte Heidenihre schwarzen Schatten warf.

Wie die Sonne zu verdüsternsie vermochte kühn genug,wenn die Erde lichteslüsterngrollte unter ihrem Flug.

All die goldnen Strahlenflutenjener Sonne wollt auch ichhemmen! Wenn auch für Minuten!Wolke! Ja, ich neide dich!

IX

Mir ist: Die Welt, die laute, kranke,hat jüngst zerstört ein jäh Zerstieben,und mir nur ist der Weltgedanke,der große, in der Brust geblieben.

Denn so ist sie, wie ich sie dachte;ein jeder Zwiespalt ist vertost:auf goldnen Sonnenflügeln sachteumschwebt mich grüner Waldestrost.

X

Wenn das Volk, das drohnenträge,trabt den altvertrauten Trott,möcht ich weiße Wandelwegewallen durch das Duftgehegeernst und einsam wie ein Gott.

Wandeln nach den glanzdurchsprühtenFernen, lichten Lohns bewusst;um die Stime kühle Blütenund von kinderkeuschen Mythenvoll die sabbatstille Brust.

XI

Weiß ich denn, wie mir geschieht?In den Lüften Düfte qualmenund in bronzebraunen Halmenein verlornes Grillenlied.

Auch in meiner Seele klingttief ein Klang, ein traurig-lieber,so hört wohl ein Kind im Fieber,wie die tote Mutter singt.

XII

Schon blinzt aus arg zerfetztem Lakender holde, keusche Götternackender früh erwachenden Natur,und nur in tief entlegnen Talenzeigt hinter violetten, kahlenGebüschen sich mit falschem Prahlendes Winters weiße Sohlenspur.

Hin geh ich zwischen Weidenbäumenan nassen Räderrinnensäumenden Fahrweg und der Wind ist mild.Die Sonne prangt im Glast des Märzenund zündet an im dunkeln Herzender Sehnsucht weiße Opferkerzenvor meiner Hoffnung Gnadenbild.

XIII

Fahl-grauer Himmel, von dem jede Farbebange verblich.Weit - ein einziger loh-roter Strichwie eine brennende Geißelnarbe.

Irre Reflexe vergehn und erscheinen.Und in der Luftliegts wie ersterbender Rosenduftund wie verhaltenes Weinen.

XIV

Die Nacht liegt duftschwer auf dem Parke,und ihre Sterne schauen still,wie schon des Mondes weiße Barkeim Lindenwipfel landen will.

Fern hör ich die Fontäne lallenein Märchen, das ich längst vergaß,und dann ein leises Apfelfallenins hohe, regungslose Gras.

Der Nachtwind schwebt vom nahen Hügelund trägt durch alte Eichenreihnauf seinem blauen Falterflügelden schweren Duft vom jungen Wein.

XV

Im Schoß der silberhellen Schneenachtdort schlummert alles weit und breit,und nur ein ewig wildes Weh wachtin einer Seele Einsamkeit.

Du fragst, warum die Seele schwiege,warum sie’s in die Nacht hinausnicht gießt? Sie weiß, wenns ihr entstiege,es löschte alle Sterne aus.

XVI

Abendläuten. Aus den Bergen hallt eswieder neu zurück in immer matternTönen. Und ein Lüftchen fühlst du flatternvon dem grünen Talgrund her, ein kaltes.

In den weißen Wiesenquellen lallt eswie ein Stammeln kindischen Gebetes;durch den schwarzen Tannenhochwald geht eswie ein Dämmern, ein jahrhundertaltes.

Durch die Fuge eines Wolkenspalteswirft der Abend rote Blutkorallennach den Felsenwänden. - Und sie prallenlautlos von den Schultern des Basaltes.

XVII

Weltenweiter Wanderer,walle fort in Ruh.also kennt kein andrerMenschenleid wie du.

Wenn mit lichtem Leuchtendu beginnst den Lauf,schlägt der Schmerz die feuchtenAugen zu dir auf.

Drinnen liegt, als riefensie dir zu: Versteh!tief in ihren Tiefeneine Welt voll Weh.

Tausend Tränen redenewig ungestillt,und in einer jedenspiegelt sich dein Bild!

XVIII

Möchte mir ein blondes Glück erkiesen;doch vom Sehnen bin ich müd und Suchen.Weiße Wasser gehn in stillen Wiesen,und der Abend blutet in die Buchen.

Mädchen wandern heimwärts. Rot im MiederRosen; ferneher verklingt ihr Lachen.Und die ersten Sterne kommen wiederund die Träume, die so traurig machen.

XIX

Vor mir liegt ein Felsenmeer,Sträucher, halb im Schutt versunken.Todesschweigen. - Nebeltrunkenhängt der Himmel drüber her.

Nur ein matter Falter schwirrtrastlos durch das Land, das kranke.Einsam, wie ein Gottgedankedurch die Brust des Leugners irrt.

XX

Die Fenster glühten an dem stillen Haus,der ganze Garten war voll Rosendüften.Hoch spannte über weißen Wolkenklüftender Abend in den unbewegten Lüftendie Schwingen aus.

Ein Glockenton ergoss sich auf die Au.Lind wie ein Ruf aus himmlischen Bezirken.Und heimlich über flüstervollen Birkensah ich die Nacht die ersten Sterne wirkenins blasse Blau.

XXI

Es gibt so wunderweiße Nächte,drin alle Dinge Silber sind.Da schimmert mancher Stern so lind,als ob er fromme Hirten brächtezu einem neuen Jesuskind.

Weit wie mit dichtem Demantstaubebestreut, erscheinen Flur und Flut,und in die Herzen, traumgemut,steigt ein kapellenloser Glaube,der leise seine Wunder tut.

XXII

Wie eine Riesenwunderblume prangtvoll Duft die Welt, an deren Blütenspelze,ein Schmetterling mit blauem Schwingenschmelze,die Mainacht hangt.

Nichts regt sich; nur der Silberfühler blinkt.Dann trägt sein Flügel ihn, sein früh verblasster,nach Morgen, wo aus feuerroter Asterer Sterben trinkt.

XXIII

Wie, jegliches Gefühl vertiefend,ein süßer Drang die Brust bewegt,wenn sich die Mainacht, Sterne triefend,auf mäuschenstille Plätze legt.

Da schleichst du hin auf sachter Sohleund schwärmst zum blanken Blau hinauf,und groß wie eine Nachtviolegeht dir die dunkle Seele auf.

XXIV

O gäbs doch Sterne, die nicht bleichen,wenn schon der Tag den Ost besäumt;von solchen Sternen ohnegleichenhat meine Seele oft geträumt.

Von Sternen, die so milde blinken,dass dort das Auge landen mag,das müde ward vom Sonne trinkenan einem goldnen Sommertag.

Und schlichen hoch ins Weltgetriebesich wirklich solche Sterne ein,sie müssten der verborgnen Liebeund allen Dichtern heilig sein.

XXV

Mir ist so weh, so weh, als müsstedie ganze Welt in Grau vergehn,als ob mich die Geliebte küssteund spräch: Auf Nimmerwiedersehn.

Als ob ich tot wär und im Hirnemir dennoch wühlte wilde Qual,weil mir vom Hügel eine Dirnedie letzte, blasse Rose stahl.

XXVI

Matt durch der Tale Gequalme wanktAbend auf goldenen Schuhn,Falter, der träumend am Halme hangt,weiß nichts vor Wonne zu tun.

Alles schlürft heil an der Stille sich.Wie da die Seele sich schwellt,dass sie als schimmernde Hülle sichlegt um das Dunkel der Welt.

XXVII

Ein Erinnern, das ich heilig heiße,leuchtet mir durchs innerste Gemüt,so wie Götterbildermarmorweißedurch geweihter Haine Dämmer glüht.

Das Erinnern einstger Seligkeiten,Das Erinnern an den toten Mai,Weihrauch an den weißen Händen, schreitenmeine stillen Tage dran vorbei.

XXVIII

Glaubt mir, dass ich matt vom Kranken,keinen lauten Laut mehr mag,will nur einen sonnenblanken,wipfelroten Frühherbsttag.

Will die Lust, die jubelschrille,nicht mehr in die Brust zurück,will nur Sterbestubenstilledrinnen - für mein totes Glück.

Lieben

I

Und wie mag die Liebe dir kommen sein?Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnein,kam sie wie ein Beten? - Erzähle:

Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich losund hing mit gefalteten Schwingen großan meiner blühenden Seele.

II

Das war der Tag der weißen Chrysanthemen,mir bangte fast vor seiner schweren Pracht.Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmentief in der Nacht.

Mir war so bang, und du kamst lieb und leise,ich hatte grad im Traum an dich gedacht.Du kamst und leis wie eine Märchenweiseerklang die Nacht.

III

Einen Maitag mit dir beisammen sein,und selbander verloren ziehndurch der Blüten duftqualmende Flammenreihnzu der Laube von weißem Jasmin.Und von dorten hinaus in den Maiblust schaun,

jeder Wunsch in der Seele so still.Und ein Glück sich mitten in Mailust baun,ein großes, - das ists, was ich will.

IV

Ich weiß nicht, wie mir geschieht,weiß nicht, was Wonne ich lausche,mein Herz ist fort wie im Rausche,und die Sehnsucht ist wie ein Lied.

Und mein Mädel hat fröhliches Blutund hat das Haar voller Sonneund die Augen von der Madonne,die heute noch Wunder tut.

V

Ob du’s noch denkst, dass ich dir Äpfel brachteund dir das Goldhaar glatt strich leis und lind?Weißt du, das war, als ich noch gerne lachte,und du warst damals noch ein Kind.

Dann ward ich ernst. In meinem Herzen brannteein junges Hoffen und ein alter Gram.Zur Zeit, als einmal dir die Gouvernanteden ‘Werther’ aus den Händen nahm.

Der Frühling rief. Ich küsste dir die Wangen,dein Auge sah mich groß und selig an.

Leben und Lieder

Vorbei

Wir hatten uns erkoren,versprochen Lieb und Treu,wir hattens uns geschworen.Und nun ists doch vorbei!

Verwelkt die schönsten Triebe,verdorret, müd und matt,und ach, das Herz der Liebeund auch des Lebens satt.

‘Vorbei’ - wie sie auch glühtenim schönen jungen Mai,vorbei die holden Blüten,auf immerdar vorbei!

Erweckt euch nichts mehr wiedermit himmlischer Gewalt,sind all die frohen Liederauf ewig nun verhallt?

Und doch durchs Herze leisemir immerfort noch ziehtdie zarte liebe Weise,das alte schöne Lied!

Die Menschen wollens nicht verstehn!

Zwei Herzen haben sich gefunden,die Menschen wollens nicht verstehnund die sich innig treu verbunden,sie sollen auseinandergehn!

Doch mächtig einen sie die Triebe,man trennt sie, ‘s ist des Schicksals Lauf,doch in den Herzen glüht die Liebein Sehnsucht umso mächtger auf.

Er ist so bleich - sie sehns mit Bangenund nicht zu ändern ist sein Sinn,es schwanden doch von ihren Wangendie Rosen auch schon längst dahin!

Und eines Morgens trug man beide,die Menschen wollens nicht verstehnzur Ruhe nach dem Erdenleidedorthin, wo still die Kreuze stehn!

Dort ruhen selig sie im Friedendes leeren Lebens matt und müdgeliebt, gehofft, getrennt, geschieden,das ist das alte, alte Lied!

Das war im Mai

Wir gingen selig, still selband;die Welt so feierlichlag vor uns da; - und Hand in Handwir gingen, sie und ich.Wir schworen Liebe uns und Treumit Hoffen im Gemüt...Das war im schönen, goldnen Mai,als alles rings erblüht!

Und wieder lachte die Naturin hellem Sonnenschein,doch ich, ich wallte durch die Flurverlassen und allein;...weil dort in stiller, heiiger Weih’ein Grab herübersieht...Das war im schönen, goldnen Mai,als alles rings erblüht!

Der alte Invalid

Es wankt die leere Straßedes Abends spät hinanmit seinem Leierkastenein armer alter Mann.Er hat so manche Nächtegestanden auf der Wacht,für seinen guten Kaisergekämpft in mancher Schlacht.Bedeckt mit Ehrenwunden,

ein Greis nun, matt und müd,zieht er von Tür zu Türeund spielt der Invalid.Man spendet gern ihm Labeund reicht ihm Trank und Brotund opfert gern den Pfennigzu lindern seine Not.Als seines Alters Stütze,zu lenken seinen Schritt,geht führend durch die Straßensein Enkelein noch mit.Doch heute wallten beidefort langsam nach wie vor,hier, wo die letzten Häuserschon stehn am äußern Tor.Dort setzte sich der Altestill hin auf einen Stein,umschlang mit seinen Armensein liebes Enkelein.Mein Kind, es geht zu Ende,bald werd ich nicht mehr sein,doch kannst du mich noch einmal,so du es willst, erfreun.Dem Kleinen kam das Weinenauf einmal gar so nah,er schluchzt: “Ich tu’s ja gerne,befiehl nur, Großpapa!”Da streckt er sich, der Alteund ruft so kurz und barsch:“Wohlan, so spiel noch einmalmir den Radetzky-Marsch!”Wie nun die frohe Weiseso voll erschallt darein,da steht er dort, der Alte,wie einstens in den Reihn -“Nun kehr ich heim zum Vater,