Ripped - Allein für dich - Katy Evans - E-Book

Ripped - Allein für dich E-Book

Katy Evans

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Beschreibung

Der Rockstar Mackenna Jones hat Pandora einst das Herz gebrochen, und sie ist entschlossen, sich zu rächen. Mit ihrer besten Freundin Melanie will sie ihn bei einem Konzert auf der Bühne bloßstellen. Doch dann wird sie von Security-Männern festgenommen und zu Mackenna gebracht. Dieser verspricht, sie nicht anzuzeigen, wenn sie ihn dafür auf seiner Tour begleitet. Es dauert nicht lange, und die Leidenschaft zwischen Pandora und Mackenna lodert erneut auf. Aber Pandora hütet ein dunkles Geheimnis.

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

RIPPED Playlist

Song

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Katy Evans bei LYX

Impressum

KATY EVANS

Ripped

Allein für dich

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Beate Bauer

Zu diesem Buch

Für Pandora ist es wie ein Schlag in die Magengrube, als sie die Nachricht erhält: Mackenna Jones wird mit seiner erfolgreichen Rockband Crack Bikini für ein Konzert zurück nach Seattle kommen. Sechs Jahre sind vergangen, seit Pandora mit Mackenna die besten, heißesten und intensivsten Stunden ihres Lebens teilte. Doch dann brach Mackenna ihr das Herz und verschwand, ohne sich zu verabschieden. Pandora konnte seinen Verrat nie vergessen und ist nun entschlossen, sich endlich an ihm zu rächen. Mit ihrer besten Freundin Melanie will sie Mackenna auf der Bühne bloßstellen. Doch ihre Aktion verläuft nicht wie geplant: Sie wird von Security-Männern festgenommen und direkt zu Mackenna gebracht. Ein Blick in seine Augen genügt, um die Erinnerungen an ihre gemeinsame Vergangenheit schlagartig wieder aufleben zu lassen. Und der Schmerz ist heute noch genauso stark wie damals. Mackenna ist alles andere als begeistert von Pandoras Versuch, ihn auf der Bühne zu blamieren. Doch er verspricht, sie nicht anzuzeigen, wenn sie ihn dafür auf seiner Tour begleitet. Es dauert nicht lange, und die Leidenschaft zwischen Pandora und Mackenna lodert erneut auf. Doch gibt es für ihre Liebe tatsächlich eine zweite Chance, obwohl so viele Geheimnisse zwischen ihnen stehen?

Der zweiten Chance gewidmet,

vor allem der, das Richtige zu tun.

RIPPED Playlist

Magic von Coldplay

Wild Heart von den Bleachers

Animal von Neon Trees

Carry On Wayward Son von Kansas

Alone Together von Fall Out Boy

If You Say So von Lea Michele

The Last Song Ever von Secondhand Serenade

Hey Brother von Avicii

Spectrum von Zedd

P&M’s Mash-up

Like a Virgin von Madonna

Sweet Cherry Pie von Warrant

Miss Independent von Ne-Yo

I Believe In You von Kylie Minogue

Beautiful von Akon

You Found Me von The Fray

Sweet Child O’Mine von Guns N’Roses

Take a Bow von Rihanna

Your Song von Elton John

Broken von Lifehouse

Fuckin’ Perfect von Pink

Hattest du je ein Geheimnis?

Eines, das am dunkelsten Teil deiner Seele zerrt, das so

unerträglich schmerzhaft ist, dass du aus Angst davor,

es könnte dich zerreißen, es könnte ans Licht kommen,

nicht darüber sprichst?

Oder hattest du je ein Geheimnis, das dich erfüllt hat,

als hätte man dich mit Helium vollgepumpt, und

du möchtest es am liebsten herausschreien,

was jedoch bedeuten würde, dass die Welt

dir dein gehütetes Geheimnis wegnimmt?

Ich habe beides. Ein Geheimnis, das ich liebe,

und eines, das ich hasse.

Und in den vergangenen sechs Jahren

habe ich beide gehütet …

EINS

GEHEIMNISSE

Pandora

Ich bin die einzige Person in meinem Wohnblock, die noch immer eine Zeitung bezieht. Heute Morgen liegt sie auf meiner Türschwelle, und ich mag, wie sie riecht. Ich mag das Knistern, wenn ich mich auf den Esszimmerstuhl fallen lasse und sie aufschlage. Dieses Knistern, dieser Geruch … Es erinnert mich an faule Samstagmorgen, wenn ich mit meinem Dad die Zeitung gelesen habe, umgeben von seinem Eau de Cologne. Als ich siebzehn war, war er Geschichte. Und damit auch sein morgendliches Zerzausen meiner Haare und sein Eau de Cologne – aber nicht der Geruch des Papiers. Es ist beinahe ein Jahrzehnt her, und ich empfinde noch immer diese einzigartige Freude an dem frisch bedruckten Papier. Bis jetzt …

Jetzt … wo mich die Schlagzeile des Unterhaltungsteils höhnisch anspringt.

Mackenna Jones ist wieder in der Stadt!, steht da zu lesen, und allein es zu lesen, ist wie ein Schlag in die Magengrube.

Ich kneife die Augen zusammen und öffne sie wieder, während mir flau wird.

Mackenna Jones ist wieder in der Stadt!

Verdammt, ich darf das nicht noch einmal lesen.

Mackenna Jones ist wieder in der Stadt!

Gott. Es steht noch immer da.

Mackenna.

Der Name hallt in meinem Kopf wider, und in meinem Bauch tanzen Schmetterlinge, von denen ich nicht einmal wusste, dass es sie noch gibt. Zu lange hielt ich es für unmöglich, dass auch nur einer von ihnen Mackenna Jones überlebt hat.

Er kommt in die Stadt, Pandora. Was wirst du tun?

Allein bei der Vorstellung, dass er im selben Staat ist, ziehe ich ein finsteres Gesicht. »Echt jetzt, du Mistkerl? Musst du ausgerechnet hierher kommen?«

Ich lese den Artikel über Crack Bikini, wie die Band die Musik revolutioniert habe. Wie sogar Obama gesagt hat, dass diese Band dafür verantwortlich sei, dass sich die Kids wieder der Musik der großen Meister zuwenden – Mozart, Beethoven. Doch damit ist es nicht getan. Das ist erst der Beginn der Lobhudelei. Der Journalist lässt sich darüber aus, dass auf dieser Tour der Madison Square Garden schneller ausverkauft gewesen sei als Justin Biebers erste Show und dass es das Konzert des Jahres werde, wenn nicht des Jahrzehnts.

Der Song, mit dem die Band den Durchbruch geschafft hat, schießt mir kurz durch den Kopf. Eine Zeit lang hat ihn jeder Radiosender im Land gespielt, und ich habe angefangen, Musik wirklich zu verabscheuen – Mist, allein der Gedanke daran macht mich wütend.

Meine Hände zittern, als ich die Zeitung hinlege, umblättere und zu einer anderen Rubrik zu wechseln versuche. Ich lebe mit meiner Mutter und meiner Cousine zusammen, und ich schätze die Zeit, die ich am Samstag für mich habe, wenn Magnolia beim Ballett ist und meine Mutter Besorgungen macht. Doch jetzt ist mein geliebter Samstag – die Zeit, die ich unsere Wohnung für mich habe – offiziell ruiniert. Nicht nur mein Samstag. Das ruiniert mein gesamtes Jahr.

Mackenna. In Seattle.

Meine Hände zittern, als ich zur Unterhaltungsrubrik zurückkehre und langsam nach dem Konzertdatum suche. Ich öffne den Internet Explorer auf meinem Telefon und gehe direkt zu Ticketmaster. Jawohl, die Show ist bereits ausverkauft. Also klicke ich zu eBay, wo ich die schwindelerregenden Preise sehe, die für die besten Tickets verlangt werden.

Ich weiß nicht warum, doch einen Moment lang stelle ich mir vor, wie ich auf einem dieser teuren Plätze sitze und ihm ganz aus der Nähe zurufe, dass er ein Riesenarschloch ist, was er über den ganzen Lärm hinweg, den er und seine Band veranstalten, hören kann.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Oder vielleicht doch. Kälte kriecht in mir hoch. Die Show ist ausverkauft. Die Tickets kosten ein Vermögen. Doch nein. Ich werde diese Gelegenheit nicht verpassen. Es ist beinahe sechs Jahre her, dass ich ihn zuletzt gesehen habe. Beinahe sechs Jahre, dass ich diesen festen, perfekten Männerhintern gesehen habe, wie er in seine Jeans schlüpfte.

Das erste Mal, als er mich nahm, konnte ich beinahe sehen, wie mein Kärtchen, auf dem »Jungfrau« stand, in seiner Gesäßtasche verschwand. Er sagte mir, dass er mich liebe, und bat mich, es ihm auch zu sagen. Er war noch immer in mir, als er mich fragte, ob ich mit ihm zusammen sein wolle. Stattdessen weinte ich – weil irgendetwas mit mir nicht stimmt, und ich konnte es nicht sagen. Ich konnte es nicht sagen. Aber ich weiß, dass er es wusste.

Er küsste mich leidenschaftlicher denn je, als ich zu weinen begann, und unser Kuss schmeckte nach meinen Tränen. Ich fand es damals so schmerzhaft und zügellos, wie er mich küsste. So wundervoll. Ich zitterte, und er hielt mich in seinen Armen. Ich konnte nicht mehr zu mir finden, nachdem mich meine Orgasmen regelrecht gesprengt hatten. Ich konnte hören, wie sich sein Atem mit meinem vermengte, während er mir mit einer Hand über die Wirbelsäule fuhr und mir wieder und wieder sagte, dass er mich liebte.

Und das war nicht das einzige Mal, dass er mich nahm. Tagelang, wochenlang und monatelang liebte er mich heiß und leidenschaftlich. Ich war siebzehn, und er war mein Ein und Alles, und wenn er mich nahm, dachte ich, er will alles, was ich zu geben in der Lage war. Er ist trotzdem gegangen. Schweinehund.

Mackenna war ein Geheimnis, wisst ihr. Ich war ihm näher als jedem anderen in meinem Leben – und doch war er ein Geheimnis, von dem niemand wissen durfte. Vor allem meine Mutter nicht. Er wusste das, ich wusste das. Es ist uns aber trotzdem gelungen, uns zu treffen. Wir logen, versteckten uns, stahlen uns nachts von zu Hause fort, trafen uns bei den Docks und kaperten eine Familienjacht bis Sonnenaufgang. Es spielte keine Rolle für uns, wer unsere Familien waren oder was »am besten« für uns war.

Was mich betraf, war er es für mich und ich für ihn.

Er war auch mein bester Freund.

Als ich hörte, dass er Seattle verlassen hatte, brach meine Welt zusammen.

Er hat sich nicht einmal verabschiedet.

Das Letzte, was er zu mir gesagt hat, war, dass er mich liebte.

Jetzt. Hasse. Ich. Liebe.

Ich dachte, dass die Wunde heilen würde, wenn er weg ist. Doch die Wunde ist noch immer da. Sie gärt und brodelt und wächst.

Ich hab dem Arschloch alles gegeben, was in meinem jungen, dummen Herzen war, und er hat mich fertiggemacht.

Also zur Hölle mit ihm.

Nächste Woche ist er in Seattle. Er und seine Masher, weil es keine andere Band gibt wie sie. Sie mixen ihre Songs mit denen anderer – mit richtiger Musik. Bach, Chopin, den Meistern. Das Ergebnis ist eine Rock-Symphonie, die einem unter die Haut geht und die Kopfhaut prickeln lässt. Und wenn man seine Stimme noch dazurechnet …

Himmel, von seiner Stimme will ich gar nicht erst anfangen.

Leute verlieben sich, weil es ihnen ein gutes Gefühl gibt. Liebe gibt ihnen das Gefühl, geschützt und sicher zu sein. Mir nicht. Ihn zu hassen ist das Einzige, was mir hilft, nicht den Verstand zu verlieren. Ihn zu hassen bedeutet, dass es keine Rolle spielt, was er mir angetan hat. Ich empfinde noch immer etwas. Ich bin noch nicht tot, weil ich diesen Hass spüre, der mich zerfrisst. Er hat mich für andere Männer verdorben. Er hat jeden Traum, den ich von einer Zukunft mit ihm hatte, zerstört. Er war meine erste Liebe, mein Ein und Alles, das erste gebrochene Herz eingeschlossen.

Selbst nachdem er weg war, habe ich nur an ihn gedacht, an das, was er mir gegeben und mir genommen hat.

Die Tickets sind teuer. Das meiste von dem, was ich verdiene, gebe ich meiner Mutter, damit sie Magnolia unterstützen kann. Doch es würde nur drei Klicks auf eBay bedeuten. Drei kleine Klicks und ich belaste meine Kreditkarte bis zum Limit und sehe das Arschloch in Fleisch und Blut wieder.

Das ist es allemal wert, stelle ich fest und gehe online und kaufe zwei der teuersten Tickets, die eBay zu bieten hat.

Dann öffne ich meinen Kalender und kreuze den Tag mit einem X an.

Mach dich bereit, Arschloch. Dein Konzert in Seattle wird kein Erfolg. Nicht, wenn ich es verhindern kann.

Ich mochte Schwarz früher eigentlich nicht besonders. Ich mochte Rot, ich mochte Blau, und irgendwie mochte ich Gelb ganz besonders. Knallpink und Violett waren ebenfalls okay. Doch dann haben sich die Farben über mich lustig gemacht. Sie haben sich für mich einfach zu fröhlich angefühlt. Zu freundlich. Schwarz war sicher und neutral. Es hat mich nicht an Dinge erinnert, die mich traurig machen. Ich habe nicht versucht, etwas anderes als schwarz zu sein. Nach Dads Tod habe ich nicht mehr versucht, anders zu sein, als ich wirklich war. Ich habe nicht mehr versucht, irgendwo reinzupassen. Es zu versuchen, hat mich völlig ausgelaugt und mir nur noch bewusster gemacht, dass ich nicht dazugehöre.

Ich wurde schwarz, und das Schwarz hat mich akzeptiert. Heute Abend verschmelze ich mit allen sündhaften und dunklen Dingen. Es ist ein dunkler Tag, und mein Leben ist dunkel. Selbst der Himmel ist bedeckt, weil Mackenna in der Stadt ist. Es gibt tatsächlich ein Gewitter. Die Tribünen sind nass. Die Fans sind nass. Alle bis auf die Band, die sich backstage verkrochen hat, bis der Regen aufhört, werden bald high sein.

Als es schließlich aufhört zu regnen, hören Melanie und ich die Ankündigung, dass die SHOW GLEICH LOSGEHT. Und dass es wegen der Verzögerung kein Vorprogramm gibt. Plötzlich hilft auch der Wodka, mit dem ich mir Mut angetrunken habe, nicht mehr. Mein Kreislauf und meine Knie, die sich noch vor wenigen Minuten angefühlt haben, als wären sie aus Stahl, sind auf einmal weich wie Pudding.

»Schau nicht so, als hättest du eine Knarre in der Tasche. Sie werden uns noch durchsuchen, du Idiotin!«, sagt Melanie zu mir.

»Sch! Ich hab’s im Griff, halt den Mund«, tadle ich sie, als wir zu unseren Plätzen zurückkehren.

Ich greife nach hinten, ziehe mir die Kapuze meines Ponchos über den nassen Kopf und bugsiere Melanie hinter mich, während wir uns durch die Menge zu unseren Plätzen vorn im Stadion drängeln. Sie sieht noch voluminöser aus als ich. Wie sich herausstellt, war dieser Regen ein Glücksfall – Melanie und ich sind nicht annähernd so umfangreich, wie wir aussehen, beladen mit den Sachen unter unseren Ponchos. Sachen für die Bandmitglieder. Vor allem für eins.

Selbst als mir die Haare nass ins Gesicht hängen, denke ich, ich sehe gut aus. Einschüchternd. Schwarze Fingernägel, schwarzer Lippenstift, schwarzer Poncho, schwarze Haare – nun, meine Haare sind fast völlig schwarz, bis auf eine pinkfarbene Strähne, die mir Melanie an einem betrunkenen Abend gefärbt hat, und zu solchen Herausforderungen kann ich nicht Nein sagen. Trotzdem habe ich meinen gewohnten Angelina-Jolie-Look, und meine schwarzen hochhackigen Stiefel schreien: »Männer, kommt nur dann näher, wenn ihr eure Eier verlieren wollt!«

Melanie sieht dagegen wie eine glückliche Barbie aus.

Wahrscheinlich hat ihr Freund sie gerade ordentlich durchgevögelt.

Himmel, warum bekommen meine Freundinnen nur immer die schärfsten Typen?

»Ich kann nicht glauben, dass wir unsere Plätze noch immer nicht erreicht haben! Wir sind ganz vorn, wir können sie fast riechen«, sagt sie mit einem breiten Grinsen zu mir.

Äh, ja, Mackenna zu riechen kann ich wirklich nicht brauchen. Doch die Bühne kommt immer näher und wird immer größer, je weiter wir uns nach vorn durchkämpfen. Es fühlt sich beinahe so an, als würde mit jedem Schritt in Richtung unserer Plätze ein Jahr meines Lebens verloren gehen. Ich erinnere mich genau daran, wie sich mein Magen zusammengezogen hat, als er mich mit diesen eisgrauen Augen angesehen und dabei zugeschaut hat, wie ich seinen Schwanz in mich aufgenommen habe. Arschloch.

»Ich weiß noch immer nicht«, sagt Melanie, als wir uns schließlich setzen, »ob ich in einem traditionellen weißen Kleid mit einer großen roten Blume an der Schleppe heiraten möchte oder in einem schlichten pinkfarbenen Kleid. Ich habe beide bis Montag zur Auswahl. Vielleicht sollte ich sie Greyson zeigen …«

Sie verstummt, als sich plötzlich eine ehrfürchtige Stille über die Menge senkt. Ein heller Schweinwerfer von oben wirft einen schmalen Strahl auf die Mitte der Bühne. Gegen meinen Willen bekomme ich Herzklopfen. Wütend sauge ich fünf Sekunden lang den Atem ein, halte ihn fünf Sekunden lang an und atme ihn fünf wieder aus – eine Übung, die ich in der Aggressionstherapie gelernt habe.

Das Licht ist noch immer auf die Mitte der Bühne gerichtet, und im Hintergrund beginnen Violinen zu spielen. Gerade als die Violinen unseren Atemrhythmus zu kontrollieren scheinen, beginnt das Schlagzeug und übernimmt das Herz. Pfui, ihr Mistkerle. Es ist, als würde die Musik einen beherrschen. Immer lauter baut sich die Musik zu einem Crescendo auf, bis plötzlich die Lichter ausgehen.

Die Menge gibt ein »Aah!« von sich, als sich völlige Dunkelheit herabsenkt.

Im Dunkeln kommt er heraus.

Ich weiß, dass es Mackenna Jones ist.

Sein Stolzieren. Seine beweglichen Schultern, seine sich wiegenden Hüften und seine langen, muskulösen Beine. Hände an den Seiten, ein Mikro am Ohr befestigt und fast unsichtbar um sein kantiges Kinn gebogen, geht er auf das Publikum und uns zu. Sein Oberkörper ist nackt. Er trägt eine Lederhose. Und sein Haar ist pinkfarben und steht ihm vom Kopf ab. Die Farbe im Kontrast zu seiner gebräunten Haut ist ein Schock. Die wohlgeformten Muskeln seines Oberkörpers glänzen, ebenso wie die dunklen, kleinen Päckchen seiner Bauchmuskeln.

Im Mondlicht kann ich seine gesamten eins dreiundachtzig sehen, und er ist so heiß, dass ich das Gefühl habe, meine Kleider sind gerade getrocknet. Ich versuche, etwas an seinem Aussehen zu finden, das ich hassen kann, doch da ist nichts. Ich kann nicht einmal sagen, dass ich dieses leichte Glitzern in seinen Augen hasse, das ruft: Böser Junge, böser Junge, ich bin ein verdammt böser Junge, und ich werde dir dein Leben versauen.

Ich mochte es.

Sehr sogar.

Bis er getan hat, was böse Jungs eben tun, und sich herausstellte, dass das der schlechteste Scherz meines Lebens war.

Ein gedämpftes Licht flackert über ihn hinweg. Das Orchester im Hintergrund beginnt zu spielen. Das Licht wird heller, als er seine pinkfarbene Perücke herunterreißt, sie auf die Tribüne wirft und ruft: »Hallo, Seattle!«

Seattle schreit zurück, und er lacht dieses hemmungslose, sexy Lachen, als Mädchen versuchen, vom Parkett in Richtung Bühne zu hechten, um die Perücke zu ergattern.

Ich schaue mir den Kampf nicht an; ich schaue ihn an. Dieses verdammte Arschloch, das es nicht einmal verdient zu leben, und schon gar nicht, so auszusehen. Ich bemerke den dunklen, sexy Igelschnitt auf seinem wohlgeformten Kopf. Er betont seine Lippen, Nase und Augen … der Typ ist nicht nur heiß – er ist eine Supernova. Er hat volle, wunderschöne Lippen und eine schmale Nase, deren Nüstern sich bei jedem Atemzug blähen – und dann ist da noch sein Lächeln, das mich so wütend macht, dass ich beinahe platze. Schmerz und das Gefühl von Verrat wüten in mir, während er allen dieses Lächeln zuwirft.

»Sieht aus, als hätten wir ein temperamentvolles Publikum heute Abend. Super! Super!«, dröhnt er, als er von einer Seite der Bühne zur anderen geht. Mel und ich sind nah dran, er bräuchte nur runterzuschauen, um mich zu sehen. Doch er ist zu allmächtig, um es zu tun, und ich kann nicht anders, als die ganze Zeit zu ihm hinaufzuschauen, auch wenn ich sein Gesicht nicht mehr erkennen kann, wegen der großen Ausbuchtung seines Schwanzes.

Ich schwöre es, ich hatte so lange keinen Sex, dass ich wieder zur Jungfrau geworden bin. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie es sich anfühlt, sich gut zu fühlen. Ich will es auch gar nicht. Es gefällt mir, mich schlecht zu fühlen. Also blicke ich jetzt hinauf und sehe ihn, und die Erinnerung an seinen Schwanz durchzuckt mich.

Ich mag diese kribbelige Unsicherheit nicht, die er in mir auslöst. Ich mag sie überhaupt nicht.

Er lässt seinen Blick über die Menge schweifen. »Wollt ihr ein bisschen Musik heute Abend, hm?!«, fragt er leise, und die Frage ist so intim, als hätte er sie jedem einzeln zugeflüstert.

»KENNA!« Die Frauen neben mir schluchzen.

»Dann los!« Er hebt eine Faust, und im Hintergrund erklingt eine Trommel. Er stößt die Faust hoch in die Luft, und die Trommel fällt rhythmisch ein. Er wiegt die Hüften und hebt den Kopf zum wolkigen Himmel, wobei er ein summendes Geräusch aus seiner Kehle aufsteigen lässt, das klingt wie … Sex.

Während der Orchesterklang anschwillt, gewinnt die Symphonie an Tempo. Von langsam zu melodisch verwandelt sie sich in etwas Lauteres und Verrückteres. Mein Puls ist in der Stratosphäre, als sich der Rhythmus absolut wild anfühlt, und auf einmal tauchen zwei Männer auf einem Podest auf, das aus der Bühne hochfährt, und bearbeiten ihre elektrischen Gitarren zu einer Lichtexplosion, die einem Feuerwerk ähnelt. Die anderen beiden Bandmitglieder – Jax und Lexington. Daddys Jungs und eineiige Zwillinge. Sie haben ihren ersten Auftritt von ihrem Daddy Warbucks finanziert bekommen, doch jetzt brauchen die drei von keinem mehr etwas.

Mackenna beginnt mit einer Stimme zu singen, die leise und rau und wahnsinnig sexy klingt. Ich hasse ihn. Wie geschmeidig sein muskulöser Körper ist. Wie er Testosteron verströmt. Wie Tänzerinnen in klassischen schwarz-weißen Anzügen zu den dreien auf die Bühne kommen, in denen sie geschmeidig wie Panther aussehen.

Melanie ist völlig hingerissen; ihre Lippen sind geöffnet, und sie stöhnt. Ich schwör’s, diese elektrisierende, urtümliche und animalische Art der drei, sich auf der Bühne zu bewegen, ist unvergesslich; die drei sind respektlos mit ihrem Körper, jedoch voller Ehrfurcht gegenüber ihrer Musik.

Mein Körper ist in hellem Aufruhr. Ich war absichtlich jahrelang kein Musikfan mehr. Hauptsächlich, um keinen seiner Songs zu hören. Doch jetzt schallt seine Stimme aus allen Lautsprechern. Sie vibriert in meinem Körper, erweckt einen seltsamen Schmerz in mir, gemeinsam mit einer Extraportion Wut.

Das Konzert geht wie eine erlesene Form der Folter weiter. Die Band setzt nicht nur meine Folter fort, sondern die Folter des gesamten Publikums, das unruhig auf den bekanntesten Song wartet. Und dann … passiert es.

Endlich.

Endlich beginnt Mackenna Pandora’s Kiss zu singen, den Song, mit dem sie den Durchbruch geschafft haben und der wochenlang an der Spitze der Charts stand und meistverkaufter Song bei iTunes war:

Those harlot’s lips

To taste and torment me

Those little tricks

That tease and torture me

Oooooooh, OH, OH, OH

I shouldn’t have opened you up, Pandora

Ooooooooh, OH, OH, OHHH

You should’ve remained in my closet, Pandora

A secret I will forever deny

A love that would one day die

Ooooh, OH, OH, OH

I should’ve never kissed … those harlot’s lips … Pandora

Unbändiger Zorn kocht in mir hoch.

»Jetzt?«, fragt mich Melanie die ganze Zeit.

Ich. Verabscheue. Ihn.

»Jetzt?«, fragt sie erneut.

Ich verabscheue ihn. Er ist der einzige Junge, den ich je geküsst habe. Er hat meine Küsse genommen, die mir alles bedeutet haben, und er hat einen Witz von einem bescheuerten Song daraus gemacht. Ein Song, der mich zu einer Art Eva macht, die ihn zur Sünde verleitet. Er ist die Sünde. Er ist die Strafe, die Hölle und der Teufel, alles auf einmal.

Ich greife in meine Tasche, die ordentlich unter meinem Poncho hängt, und ergreife das erstbeste Ding, das ich in die Finger bekomme.

»Jetzt«, flüstere ich.

Bevor Mackenna kapiert, was ihn da trifft, werfen Melanie und ich Tomaten und ein paar Eier durch die Luft.

Die Orchestermusik ist nicht laut genug, um sein ins Mikro gemurmeltes »Fuck« zu übertönen.

Er beißt die Zähne zusammen und biegt das Mikrofon unters Kinn, während sein Blick hin- und herschnellt, um festzustellen, woher der Angriff kommt. Ich bin wie im Rausch, als ich reine Wut in seinem Gesicht entdecke. »Den Rest!«, kreische ich, und schnappe mir die verbliebenen Sachen, die wir mitgebracht haben, und werfe einfach weiter. Nicht nur auf ihn, sondern auf jeden, der versucht, sich in den Weg zu stellen – wie die blöden Tänzerinnen, die ihm zu Hilfe eilen. Eine von ihnen schreit auf, als sie ein Ei im Gesicht trifft, und Mackenna zerrt sie am Arm zurück, damit er die Wurfgeschosse abbekommt, während er uns mit wütenden Blicken in der Menge zu finden versucht.

Dann höre ich Melanie rufen: »Hey! LASS LOS, du Arschloch!«

Meine Arme werden nach hinten gerissen, und plötzlich werde ich den Gang entlanggestoßen.

»Lasst uns los!«, schreit Melanie, als wir von zwei kräftigen Wachleuten weggezerrt werden. »Wenn du mich nicht sofort loslässt, wird mein Freund herausfinden, wo du wohnst, und dir im Schlaf den Hals umdrehen!«

Der Wachmann reißt mich nach hinten, und ich schnappe nach Luft, als Schmerz meine Arme hinaufschießt.

»Arschloch«, fauche ich, doch ich versuche erst gar nicht, mich zu wehren. Auch Melanie wird damit keinen Erfolg haben, das weiß ich.

»Sie kennt sie! Sie kennt die Band! Was glaubst du, über wen er gerade gesungen hat, Arschloch?« Melanie tritt in die Luft. »Sie ist Pandora! Lasst uns verdammt noch mal los.«

»Sie kennen Mr Jones?«, fragt einer der Wachmänner.

»Mr Jones!« Ich schnaube. »Im Ernst jetzt? Wenn Mackenna ein Mister ist, dann bin ich ein Einhorn.«

Sie grinsen verstohlen, während sie uns an noch mehr Security vorbeilotsen, um die Bühne herum und in einen kleinen Raum auf der Rückseite. Einer von ihnen spricht in ein Funkgerät, als er die Tür aufschließt.

Melanie strampelt und tritt um sich, doch so langsam dämmern mir die Folgen, die das Ganze für uns haben könnte, und lassen mich verstummen.

Heilige. Scheiße. Was habe ich mir da eingebrockt?

»Du brauchst gar nicht so blöd zu grinsen, Sackgesicht. Mein Freund findet dich und dann bringt er dich als Nächsten um!«, sagt Melanie zu dem anderen Wachmann.

Sie reißen eine Tür auf und stoßen uns hinein. Ich stolpere über eine Stufe und bemühe mich um Haltung, als ich mich aus dem Griff des Wachmanns winde.

»Hände weg«, rufe ich, und endlich lässt er mich los.

Das Funkgerät an seiner Hüfte knistert. Eine Stimme sagt etwas, das ich nicht verstehen kann, aber es klingt sehr nach einem Fluch.

»Ziehen Sie das aus«, befiehlt einer der Wachmänner und zeigt auf unsere Regenumhänge.

Ich ziehe das Plastikding aus, und Melanie tut das Gleiche, dann schauen wir zu, wie sie uns die Taschen abnehmen, die wir unter den Ponchos versteckt hatten.

Melanie stöhnt, als sie unsere Sachen auf dem Tisch zur Seite legen. Handys. Zwei Tomaten. Autoschlüssel.

»Wow. Ihr Jungs versteht wohl überhaupt keinen Spaß, was?«, fragt Melanie mit hochmütiger Miene.

Ich schließe die Augen und versuche die aufsteigende Panik niederzukämpfen.

Fuuuuuck! Was hab ich mir nur dabei gedacht?

Seit Jahren habe ich nichts so Unbedachtes getan.

Und es hat sich gut angefühlt.

Auch falsch. Total falsch.

Aber gut. Sogar großartig.

Verdammt, ich sehe noch immer Mackennas wütenden, ungläubigen Blick. Es hat mir großen Spaß gemacht. Orgasmischen Spaß. Doch das intensive Gefühl, das ich jetzt verspüre, ist eher lähmende Angst.

Was, wenn ihn die Wachmänner holen, um ihn zu fragen, ob er mich tatsächlich kennt?

Was, wenn ich ihn hier in diesem kleinen, muffigen Raum ganz aus der Nähe ansehen muss!

Mir wird ganz schlecht. Melanie will später bestimmt eine Erklärung dafür. Umfassende Erklärungen, mehr als ich ihr bisher gegeben habe. Sie wird Greyson erzählen müssen, was passiert ist, und er wird alles ganz genau wissen wollen, weil sich diese blöden Security-Typen mit seiner Freundin angelegt haben. Ich weiß nicht einmal, ob ich ihr erklären kann, was Mackenna und ich in der Vergangenheit einmal geteilt haben. 22. Januar: der Tag, an dem ich mich immer betrinke und keinen Schritt vor die Tür setze – ich habe mir geschworen, niemals mit irgendjemandem über diesen Tag zu reden. Aber Melanie und Greyson? Sie werden verlangen, dass ich mein Geheimnis lüfte. Das von mir und Mackenna Jones.

Heiße, nasse Münder, die verschmelzen …

Er, wie er in mich hineinstößt, mich dehnt, mich nimmt, mich liebt …

Versprechen.

Lügen.

Verrat.

Hass.

Die Art von Hass, der aus einer intensiven, fantastischen Liebe entsteht, die kläglich gescheitert ist.

Was soll ich zu ihm sagen, wenn ich ihn sehe?

Was werde ich tun?

Bitte Gott, bestraf mich nicht damit, dass ich ihn aus nächster Nähe anschauen muss.

Ich gehe auf und ab und bete, während Melanie ihre Fingernägel, die Wand und mich mit diesem gelangweilten Vertrauen darauf betrachtet, dass jemand, den sie kennt, sie unbeschadet hier herausholt. Wie ich Mackenna kenne, wird das bestimmt nicht so einfach sein. Mein Magen ist völlig verkrampft, und ich spüre das schreckliche Bedürfnis, mich auf der Stelle zu übergeben.

Das Konzert dauert ewig. Einer der Wachmänner kommt und geht, während der andere die ganze Zeit wie ein Soldat, der auf etwas wartet, ein Stück hinter Melanie steht.

Oh Gott, lass das nicht Mackenna sein, auf den er wartet.

Ich nutze eine Lage von meinen Stiefelsohlen ab, als ein Jahrhundert später die Tür aufschwingt und ein dicklicher Typ in Anzug und Krawatte hereinkommt. Vor Nervosität sackt mein Blutdruck ab. Lionel »Leo« Palmer, der Manager der Band. Ich habe sein Foto und Interview in der Morgenzeitung gesehen, doch ich muss sagen, dass er auf dem Foto viel glücklicher ausgesehen hat als jetzt.

Er starrt uns an – Melanie starrt zurück, ich stehe reglos da – und ballt die Fäuste.

»Habt ihr eine Ahnung, was ihr gerade getan habt?«, presst er zwischen den Zähnen hervor, und seine Pausbacken werden rot. »Wie lange wir euch beide in ein verdammtes Frauengefängnis stecken könnten? Was für beschissene Fans seid ihr denn?«

»Wir sind keine Fans«, sagt Melanie.

Die Tür schwingt auf, und die Zwillinge drängen sich in ihrer ganzen männlichen Pracht herein. Sie sehen die meiste Zeit einschüchternd aus, aber jetzt – mit ihren blonden Haaren, ihrer eigentümlichen Augenfarbe und den wütenden Mienen – muss man sich wohl wirklich auf etwas gefasst machen.

Ich bekomme keine Luft.

»Wer zum Teufel sind diese Miststücke?«, fragt der mit dem Schlangentattoo.

»Dazu komme ich noch, Jax«, sagt Lionel.

Also muss der andere Lexington sein. Er kommt auf mich zu und schaut mich an, Augenbrauenpiercing und alles, dann schaut er Melanie an. Mit dem Zeigefinger zeigt er zuerst auf sie und dann auf mich. »Ich hoffe, ihr zwei habt ’ne Menge Geld, denn eine unserer Tänzerinnen ist verletzt. Wenn sie im Madison Square Garden nicht auftreten kann …«

»Keine Sorge, Pandora, Greyson kümmert sich darum«, sagt Melanie ganz entspannt.

»Pandora«, wiederholt Lionel auf einmal. Er verstummt, und sein Blick wandert zu mir zurück. »Deine Freundin hat dich Pandora genannt. Wieso?«

»Weil ich so heiße. Was denn sonst?«

Ich rolle gerade die Augen, als die Tür erneut aufschwingt und eine Gestalt den Rahmen ausfüllt. Ich glaube, mein Herz hat aufgehört zu schlagen. Ich fühle mich, als würde mich jemand würgen und mir innerlich Schläge versetzen.

Mackenna.

Gerade mal zwei Meter entfernt.

Im gleichen Raum mit mir.

Größer und männlicher denn je.

Er tritt die Tür hinter sich zu. Er trägt eine Pilotenbrille, weshalb ich seine Augen nicht sehen kann, und, oh mein Gott, ich hasse ihn abgrundtief. Ich kann anscheinend nichts anderes tun, als hier zu stehen, während mir die Luft wegbleibt, mein Herz sich verkrampft und meine unterdrückte Wut in mir brodelt.

Er ist groß und dunkel, und die Reste einer roten Flüssigkeit tropfen ihm über die Brust.

Aber was für eine perfekte Brust, und dann dieser dünne Streifen Haare unter seinem Bauchnabel. Die Lederhose liegt eng um seine muskulösen Oberschenkel. Und die Wölbung seines Schwanzes. Die Mädchen denken vielleicht, er steckt sich ein Baguette da rein, aber ich kann versichern, dass das Ding echt ist. So groß wie sein verdammtes Ego, und ich erinnere mich daran, dass es so hart wurde wie sein verdammter Schädel.

Nicht jeder kann einen Igelschnitt tragen oder einen Diamantknopf im Ohr, doch er hat den perfekt geformten Kopf, den man am liebsten mit den Händen umfassen würde, um seine Form zu spüren. Der Diamant in seinem rechten Ohr glitzert beinahe bedrohlich, und als er sich ruckartig die Sonnenbrille abnimmt, sehe ich seine wütend schimmernden silbergrauen Augen, und ich schwöre, es fühlt sich an wie nach Hause kommen.

Ein Zuhause, das zertrümmert und abgebrannt wurde, und von dem nichts übrig ist, aber es ist noch immer dein Zuhause.

Wie krank ist das denn?

Gott, mach, dass es nicht wirklich passiert. Mach, dass das ein Albtraum ist. Mach, dass er auf der anderen Seite des Erdballs ist, während ich ihn von meiner kleinen Ecke in Seattle aus hasse.

»Ist sie die verdammte Pandora?«, fragt Lionel Mackenna.

Als sich Mackennas kantiges Kinn anspannt, dreht sich Lionel langsam zu mir um und schaut mich an. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, weil mich Mackenna anstarrt, als könnte er nicht glauben, dass ich vor ihm stehe.

Ich kann seinen stahlharten Blick kaum ertragen. Ich dachte, mit diesem Abend würde ich der Sache ein Ende machen. Dass er sich vor seinen Fans so fühlen würde wie ich, als er mich verlassen hat: gedemütigt. Stattdessen steht er da, jeder Zentimeter ein Rockgott, selbst mit Tomatenmark auf der Brust. Er beherrscht den Raum, hat diesen unsagbaren X-Faktor, den keiner genau benennen kann, den er jedoch hochgradig besitzt, und der einem sagt, dass er diesen Raum und alles, was darin ist, beherrscht.

Und diese Tatsache sorgt dafür, dass ich noch wütender werde.

»Lionel«, sagt er in leisem, warnendem Tonfall.

Ein Wort genügt, und Lionel tritt zurück. Jetzt kann mich Mackenna ungehindert anschauen.

Mein Gesicht brennt, wenn ich daran denke, wie sehr ich ihn einmal geliebt habe. Tief, heftig und grenzenlos.

Denk nicht daran. Du hasst ihn jetzt!

»Nette Frisur.« Er steckt die Sonnenbrille in die Gürtelschlaufe seiner Hose.

Seine Stimme, oh Gott.

Seine Augen gleiten über mein langes Haar, und Melanie sagt: »Ich habe ihr vorgeschlagen, ein wenig Farbe hineinzubringen, damit sie wenigstens fröhlich aussieht.«

Er schaut Melanie nicht einmal an. Er sieht nur mich an, vor allem die pinkfarbene Strähne in meinem Haar, und wartet darauf, dass ich antworte. Ich verabscheue diese pinkfarbene Strähne, aber nicht so sehr wie ihn.

»Nette Strumpfhose«, kontere ich und deute auf seine Lederhosen. »Wie hast du die angekriegt? Vom Dach eines Gebäudes aus und mit einem Pfund Butter?«

Ich lasse nicht zu, dass mich sein Lächeln berührt, doch ich spüre, wie es an meinen Beinen entlangstreicht, als er näher kommt. »Kein Bedarf an Butter mehr. Diese Hose ist ein Teil von mir.« Er hält meinen Blick fest. »So wie du mal ein Teil von mir warst.«

Er kommt näher, und jeder Schritt macht etwas mit mir. Meine Wangen brennen. Was für eine Dreistigkeit, an uns zu erinnern. Ich bin so wütend. Jahre des Schmerzes brodeln in mir. Jahre der Einsamkeit und des Verrats.

»Verpiss dich, Mackenna.«

»Schon passiert, Pandora.« Sein Blick schimmert genauso zornig, als er eine Tomate vom Tisch nimmt und sie mit seinen glänzenden grauen Augen betrachtet. »Ist die auch für mich?«

»Ganz genau. Alles deins.«

Seine Lippen kräuseln sich höhnisch, als er sie wie einen Ball in die Luft wirft und geschickt wieder auffängt, während er mich anschaut.

»Deine Show ist so schlecht, Melanie und ich hatten das Gefühl, deine Fans brauchen ein wenig echte Unterhaltung.«

Er lässt seinen Blick prüfend über mein Gesicht gleiten. »Ja, indem ihr mir diese verdammte Blamage verpasst habt.«

Ich ertrage es nicht, wie er mich ansieht. Meine Augenbrauen, meine Nase, meine Lippen, mein Kinn, meine Wangenknochen. Es veranlasst mich zu der Frage, ob ich heute womöglich in den falschen Spiegel geschaut habe, als gäbe es irgendetwas, das auch nur im Entferntesten sehenswert wäre. Ich schwöre, ich war nicht im Geringsten darauf vorbereitet, den Blick aus diesen Augen noch einmal auf mir zu spüren. Nicht im Geringsten. Ich möchte so schnell von hier verschwinden, dass er dabei nicht einmal meinen Hintern sehen würde.

»Lass mich gehen, Mackenna.«

»In Ordnung, Dora. Aber zuerst gibt’s ein Abschiedsgeschenk.« Als er meinen verhassten Spitznamen sagt, zerdrückt er die Tomate in der Faust und hebt dann die Hand, sodass mir kleine Stücke davon auf den Kopf fallen, und er beobachtet, wie ich aufstöhne, als mir der Saft übers Gesicht und den Hals läuft.

»Hier hast du es«, brummt er und schiebt mir die Finger ins Haar, um den Saft zu verteilen. Als ich mich loszureißen versuche, packt er mich am Hinterkopf und presst seine Nase an mein Ohr, und ich muss einen Schauer unterdrücken. »Du hast gerade meine gesamte verdammte Band gegen dich aufgebracht. Ist dir klar, dass wir dich anzeigen werden?«

Ja, das ist mir klar. Meine Mutter ist Anwältin, also habe ich eine recht gute Vorstellung davon.

Wieso hat mich also die Überzeugung, dass er es verdient hat, dazu gebracht, mich heute Abend so leichtfertig zu verhalten?

Fick mich.

Er hat mich bereits gefickt.

Und er ist so nah. Ich bin irgendwie gelähmt, während sich seine Lippen an meinem Ohr bewegen und mir die Knie weich werden. Meine Nippel tun mir auf einmal weh, und mein Körper zieht sich zusammen.

»Bist du lebensmüde, oder willst du nur von zu Hause weg? Denn glaub mir, im Gefängnis ist es nicht viel besser.«

»Und dein verdammtes Gesicht wird auch nicht viel besser mit Eiern und Tomatensoße.«

Seine Freunde, die Zwillinge, brechen in Gelächter aus, doch Mackenna nicht.

Er betrachtet mich mit kaum verhohlener Wut, und plötzlich fällt mir wieder ein, wann ich das letzte Mal in diese schiefergrauen Augen geblickt habe. Erinnere mich an seinen düsteren Blick, und wie er mit seiner Zunge meine berührte und mich dabei grelle Blitze durchfuhren. Wie er seine Hände auf meinen Hüften bewegte, mich unter sich festhielt, als ich zu zucken begann. Sein Stöhnen verriet mir, wie sehr es ihm gefällt, in mir zu sein.

Es tut weh. Sein Anblick tut weh.

Damit hatte ich nicht gerechnet.

Als hätte meine Nähe die gleichen Gedanken in ihm ausgelöst, betrachtet er unverhohlen meinen Körper, lässt den Blick über meine Brüste und meinen Mund gleiten, bevor er ihn wieder auf meine Augen richtet, als er zu den anderen spricht.

»Ich kümmere mich um den Schaden«, höre ich ihn sagen, und sein Blick ruht unbarmherzig und berechnend auf mir, als wäre er gerade zu einem Entschluss gekommen. »Und ich werde die Rechnung mit ihr direkt begleichen.«

»Ha! Du begleichst hier mit niemandem etwas«, sagt Melanie herablassend.

Er stößt ein kaltes, männliches Lachen aus und richtet seine Aufmerksamkeit auf sie. »Wie heißt du, Barbie?«

»Melanie Meyers, Arschloch.«

»Lass sie in Ruhe …«, sage ich, doch er schneidet mir das Wort ab und befiehlt den Wachmännern: »Bringt Barbie zu ihrem Wagen.«

»Träum weiter, rosa Perücke. Ich gehe nicht ohne Pandora!«

»Dieser Goth soll echt Pandora sein?«, fragt einer der Zwillinge schließlich. »Unsere Pandora? Sie sollte ein Mythos sein, Alter.«

Es herrscht gespannte Stille, als sämtliche Teammitglieder Mackenna anschauen. Und mit einem Stich in der Brust bemerke ich, dass Mackenna aussieht, als wäre er froh, wenn mich ein Sattelschlepper überfahren und das Geheimnis mit sich genommen hätte.

Ihm wird ein Handtuch gereicht, mit dem er sich über die muskulöse Brust wischt, während er den Kopf schüttelt und sich mit den Fingern über seinen schönen Igelkopf fährt, um den restlichen Dreck loszuwerden. Sein Schweigen und der nachdenkliche Ausdruck in seinem Gesicht machen mich mehr als nervös und kribbelig.

Scheiße, es gefällt mir nicht, dass er hier das Sagen hat.

Und es gefällt mir nicht, welche Wirkung er auf mich hat.

Die Macht, die er über mich besitzt, weil er weiß, welche Angst ich insgeheim vor meiner Mutter habe – er weiß ganz genau, dass ich alles tun würde, damit sie es nicht erfährt.

Als er das Wort ergreifen will, sagt Lionel: »Kenna, auf ein Wort.«

Mackenna geht zu ihm hin, und die Zwillinge gesellen sich dazu. Die Zwillinge sehen wie Wikinger aus und Mackenna wie ein Pirat, der stiehlt und Mädchen wie mich entjungfert. Ich spüre, wie sie uns beobachten, während sie sich unterhalten. Mackenna lässt seinen Blick über meinen Körper gleiten, während er zuhört. Er scheint nicht einmal zu bemerken, wie unverblümt er mich anstarrt. Von meinem Kopf mit der pinkfarbenen Strähne bis zu meinen klobigen Stiefeln.

Schließlich schaut er mir in die Augen, verengt seine und schüttelt wütend den Kopf. »Auf keinen Fall.«

»Und ob«, kontert Lionel.

Lionel seufzt angesichts der Sturheit seines Frontmanns – die so unübersehbar ist wie ein Elefant in einem Zimmer –, scheucht die Wikinger und den Piraten hinaus und schlägt die Tür hinter einem fluchenden Mackenna zu.

Melanie und ich befinden uns allmählich gefühlt eine Ewigkeit in dem Raum, und wir tauschen genervte Blicke aus.

Die beiden Wachmänner sind ebenfalls anwesend und beobachten uns – vor allem mich – während mir kleine Tomatenstückchen übers Gesicht rutschen.

Ich möchte gern auf etwas draufschlagen.

Auf etwas mit grauen Augen und einem Igelkopf.

Mackenna kommt zurück und schnappt sich wieder das Handtuch, während die anderen Jungs hinter ihm hereindrängen. »Sie soll sich entschuldigen und ihren Dreck wegmachen, dann kann sie gehen.« Er hebt das Handtuch und signalisiert mir mit dem Finger, zu ihm zu kommen.

»Verpiss dich«, hauche ich brodelnd vor Wut.

»Mackenna«, stöhnt einer der Jungs und lacht auf diese Art, als wollte er sagen: Willst du mich auf den Arm nehmen? Die hat dich so aus der Fassung gebracht?

»Ihr beide seht eigentlich aus, als wärt ihr nette Mädchen. Na ja, wenigstens die eine.«

Lionel lächelt Melanie wohlwollend an und nimmt dann mein Angelina-Jolie-Outfit in Augenschein, bevor er eine finstere Miene macht und hinzufügt: »Hört mal, wir könnten euch beide ins Gefängnis bringen. Selbst ein einziger Tag wird für euch nicht gerade ein Zuckerschlecken sein. Wollt ihr das?«

»Hör gar nicht zu, Pan. Grey sorgt dafür, dass …«

»Nein, Melanie, das ist mein Problem.« Ich schüttle stur den Kopf. Es ist nicht Sache ihres Freunds, und ich komm schon klar. Scheiße, ich hab zu keinem Kerl ein gutes Verhältnis, also zum Teufel damit. Ich brauche nicht gerettet zu werden. Lieber schmore ich ein paar Tage im Gefängnis. Jedenfalls bevor mich meine Mutter offiziell umbringt.

»Kommen wir auf den Punkt«, sagt der Zwilling mit dem Tattoo – Jax, glaube ich. »Erzähl ihr die Einzelheiten, Leo.«

»Nein, danke«, unterbreche ich, bevor sie überhaupt sagen können, was sie wollen. »Ich geh lieber ins Gefängnis, als es mit ihm zu treiben.«

Ein Muskel zuckt wütend in Mackennas Kiefer, als er langsam die Arme vor der Brust verschränkt. »Das setzt voraus, dass du mich antörnst.«

»Halt den Mund, Kenna«, knurrt Lionel und wendet sich erneut mir zu. »Wir filmen gerade für den Crack-Bikini-Film. Wusstest du das?«

»Die ganze Welt weiß das. Ich bin nur froh, dass ihr jetzt nicht filmt.«

»Wir haben während deines netten, kleinen Streichs gefilmt.« Er gestikuliert in Richtung Mackennas Brust. »Wir bringen noch Madison Square Garden unter Dach und Fach, und da deine Person nun bekannt ist …«, er blickt erst Mackenna und dann mich vorwurfsvoll an, »jetzt wo wir wissen, dass es tatsächlich eine Pandora gibt, auf die sich der Song bezieht, wollen wir dich in dem Film haben.«

»Sie kommt auf keinen Fall vor die Kameras«, stößt Mackenna gepresst hervor, als er zur Tür stürmt.

»Jones. Hör zu. Das ist brillant. Die Leute werden es lieben!«

Mackenna reißt wütend die Tür auf. »Ich bin nicht interessiert, also lass sie da raus.«

»So wie du mich aus deinem blöden Song rausgelassen hast, hm, du Idiot?«, platze ich auf einmal heraus. »Und ich bin ebenfalls nicht interessiert!«

»Ich zahle dir genug, damit es dich interessiert«, sagt Lionel ruhig.

Mackenna bleibt im Türrahmen stehen, und der funkelnde Serienkillerblick bringt mich beinahe dazu, Ja zu sagen, nur um ihn zu ärgern. Gott, ich hasse ihn. So sehr, dass ich vor Zorn ein Stechen im Magen verspüre. Doch es fühlt sich nicht so an, als würde sich sein finsterer Blick gegen mich richten. Vielmehr richtet er sich gegen seinen Manager.

Der noch immer nicht klein beigibt. »Hört mal, ihr zwei könnt euch streiten oder nicht, mir ist das egal. Mich kümmert nur, dass beim Abschlusskonzert, wenn Crack Bikini auftritt, ihr beide da oben steht und euch zu Ehren unseres Nummer-eins-Hits küsst – Pandora’s Kiss.«

Mackenna lacht, und für mich klingt es, als wäre gerade jemand über mein verdammtes Grab gekrochen. Die Härchen auf meinen Armen stehen senkrecht hoch.

»Lionel, wir haben das geklärt. Wir brauchen sie nicht. Die Fans vollen uns, nicht sie.« Er zeigt auf mich und streicht sich dann aus purem Frust mit der Hand über den Kopf zum Nacken. Dann stürmt er hinaus und befiehlt: »Halt sie da raus, oder ich verspreche, dass jemand dafür büßen muss, Leo!«

Ich weiß nicht, warum, aber es gefällt mir nicht, wenn er das letzte Wort hat.

Und ich mag das Gefühl nicht, dass er mich vor den Kameras beschützt.

Die ganze Sache gefällt mir nicht, und bevor es mir bewusst ist, rufe ich ihm hinterher. »Ha! Als würden deine Versprechungen irgendetwas bedeuten, Schwanzgesicht!« Bei diesen Worten zerreiße ich das Halsband, an dem der Ring hängt, und schleudere ihn in Richtung Tür.

Die Zeit steht für einen Augenblick still.

In Zeitlupentempo kommt Mackenna wieder herein und geht dorthin, wo der Ring auf dem Boden liegt.

Er schaut auf das Schmuckstück aus Weißgold mit dem funkelnden Diamanten, das vor ihm liegt, und sein Ausdruck wechselt von Überraschung zu Wut und dann zu etwas, das ich nicht verstehe. Er hebt den Ring auf und schaut ihn unendlich lang an, hebt dann den Kopf und starrt mich mit einem Ausdruck an, der mich ins Mark trifft. Er beißt die Zähne zusammen, dreht sich um und schlägt die Tür zu.

Ich zittere.

Kämpfe gegen das Bedürfnis an, ihm hinterherzulaufen und … und was?

Ich hasse es, dass ich noch immer die Wärme seiner Hand spüre, wie er meine gehalten hat. Ich hasse es, dass mich die Erinnerung an seinen Mund noch immer mitten in der Nacht weckt. Ich spüre einen dumpfen Schmerz über den Verlust des Rings, den ich unter meinen Tops verstecke, und ich sehne mich nach dem Klang seiner Stimme und dem Anblick seines Gesichts, und ich hasse es, dass ich nicht weiß, wie ich das abstellen kann.

Als ich die Lippen auf mein Glücksarmband presse, um mich wieder zu beruhigen, und vor den anderen im Raum zu verbergen versuche, wie leicht Mackenna mich aus der Fassung bringen kann, tritt Lionel vor und packt mich am Arm. »Meine Liebe, wollten Sie seine Aufmerksamkeit?«, fragt er teils amüsiert, teils verwirrt.

»Ich will seine Aufmerksamkeit nicht. Ich will gar nichts von ihm!«

»Sie werden eine Menge von ihm bekommen, ob ihr beide das wollt oder nicht.«

Ich reiße mich los. »Ich bin nicht käuflich. Es gibt nichts, womit du mich dazu überreden könntest.«

»Wie wär’s mit …« Er beugt sich zu mir herunter und flüstert mir eine große, lange Zahl ins Ohr.

ZWEI

DIE HEXE HAT DEN BESEN VERGESSEN, ABER NICHT DEN VERDAMMTEN BEUTEL MIT TOMATEN

Mackenna

Sie macht es, Kenna. Du wirst überrascht sein, aber es war gar nicht so schwer. Ich sage dir, diese Collegeabsolventen arbeiten heutzutage für’n Appel und’n Ei.«

Nachdem ich aus der Dusche gestiegen bin und mir den Bademantel übergezogen habe, treffe ich einen strahlenden Lionel in meinem Zimmer an.

»Das ist nicht dein Ernst!«, sage ich und rubble mir mit dem Handtuch den Kopf. Er sieht todernst aus, und ich schüttle den Kopf, als ich nach meinen Sachen greife. »Lionel! Ich hatte Eigelb in der Nase. Ich glaube, ich hab noch immer welches im Ohr.« Ich halte mir das Handtuch ans Ohr und springe auf und ab, um das Wasser herauszuschütteln.

»Du Aas. Du hast behauptet, sie existiert nicht«, knurrt er.

Ich werfe meine überall verstreuten Perücken in den Koffer und knalle den Deckel zu. »Tut sie auch nicht«, sage ich mit gepresster Stimme. Was tut es zur Sache, dass ich mir eingeredet habe, sie würde nicht existieren? Sechs Jahre lang hat es funktioniert. Aber jetzt ist sie da. Wie ein Dämon – ein Poltergeist – und erinnert mich an das, was ich als Teenager wollte und nicht haben konnte. Erinnert mich daran, was ich verloren habe. Was ich tun würde, um es zurückzubekommen.

Pandora.

Mein Albtraum, mein Traum, meine Fantasie in Fleisch und Blut.

Hier.

Schleudert meinen Ring durch die Gegend.

Meinen eigenen verdammten Ring mir mitten ins Gesicht. Den Ring meiner Mutter.

Was für ein respektloses, kleines Biest!

Und was sollten diese verdammten Stiefel? Herrje, fehlt nur noch eine Axt und Blut, das ihr von den Fingernägeln tropft. Oder ein Besen und ein Kessel.

Gott, diese Frau …

Es hat sich wie ein Tritt angefühlt, als ich sie plötzlich gehört habe. Ihre sanfte Stimme, tonlos, aber durchdringend. Ihre Stimme, einzigartig in der Welt. Sie ist wie ein Song, der dich fertigmacht. Und ich fühl mich wieder … wie dieser nutzlose Teenager, der sich nach ihr gesehnt hat wie nach einer Droge.

Der Teen, der Gedichte, Songs, Schlagzeug, Klavier, Melodien und all das geliebt hat, was ihm das Gefühl gab, dass das Leben nicht scheiße war. Songs machen Freunde überflüssig. Songs bringen mich dazu, an sie zu denken oder sie zu vergessen. Ich liebe Songs. Die Musik hat mir das Leben gerettet, und jetzt ist sie mein Leben. Doch kein Song war je so gut wie der Klang ihrer Stimme. Und kein Song war je so schlimm wie ihr hier zu begegnen, mich von diesem dunklen Blick provozieren zu lassen.

»Ich dachte, du singst über eine fiktive Frauengestalt«, fährt Leo fort, und als ich ein T-Shirt mit einem Schädel darauf anziehe – das passt zu der Stimmung, in die mich das Miststück versetzt hat –, schaue ich Lionel an. Seine Augen glänzen fiebrig, wie immer, wenn wir einen Plattenvertrag oder einen Filmvertrag abschließen …

Oder wenn er glaubt, wir sind auf eine Goldader gestoßen …

Doch Pandora ist eine endlose, dunkle Mine ohne Diamanten für mich. Am liebsten vergäße ich, dass ich ihr noch gerade eben direkt ins Gesicht gestarrt habe, doch es hat sich in meine Netzhaut eingebrannt, und ich sehe nichts anderes mehr. Diese wütende Kratzbürstenmiene, die schwarz geschminkten Lippen, die lächerliche pinkfarbene Strähne, die Stiefel. Ich kann mir problemlos vorstellen, wie sie sich rittlings auf einen Mann setzt und ihm die Beine um die Hüften schlingt. Oh ja, ich hätte sie gern um meine.

Ich umklammere den Ring meiner Mutter mit der Faust, hebe den Kopf und sage leise mit Blick zur Tür: »Wo zum Teufel ist sie?«

»Sie wartet. Ich habe die Anwälte einbestellt und Trenton bereits eine SMS geschickt.«

»Dem blöden Producer? Wenn sie in dem Film auftaucht, wird sie zur Zielscheibe für Millionen wütender Fans, ist dir das klar? Sie werden ihr Gesicht kennen. Sie werden wissen, dass sie mal mir gehört hat, und sie wird den Rest ihres Lebens nicht mehr sicher sein!«

»Ahh, der Beschützer, was? Ich mag diese Seite an dir, Kenna. Kenn ich noch gar nicht. Teufel auch! Ein Grund mehr, sie mit reinzunehmen! Wir wollen das, was damals passiert ist. Und wir wollen eine Kuss- und Versöhnungsszene beim Konzert im Madison Square Garden. Für das Publikum, für die Kameras. Dann wollen wir sie auf der Premiere, an deinem Arm, bevor wir uns eine hübsche Trennungsgeschichte ausdenken, damit du frei wieder nach Hause gehen kannst.«

»Langsam, ganz langsam, Lionel!«

»Von wegen langsam! Ich hab gesehen, wie sie dich wütend gemacht hat. Ich habe Drama gesehen. Ich habe mehr gesehen, als wir für den Film haben, denn der besteht hauptsächlich daraus, dass deine Jungs trinken und sich verführen lassen. Als dein Manager sehe ich eine gute Gelegenheit, und du bezahlst mich dafür, dass ich eine solche Gelegenheit beim Schopf packe.«

»Nein«, sage ich.

»Hör zu, Kenna, ich brauche nur ein paar gute Szenen, eine Versöhnungsszene ziemlich am Ende des Films und sie an deinem Arm auf der Premiere. Gib mir das, und ich gebe dir, worum du mich gebeten hast.«

»Du gibst endlich nach?«

»Jawohl.«

Ich gehe auf und ab und denke über das Angebot nach. Ich bekomme, was ich will, worum ich schon seit Langem bitte. Und ich werde sie ganz in meiner Nähe haben. Mit ihr sprechen. Vielleicht kann ich ihr nicht die Wahrheit sagen, aber ich könnte sie zurückgewinnen, wenn ich will. Und ich will es nicht nur, verdammt, mein Stolz verlangt es von mir.

Ihre Mutter hat einmal zu mir gesagt, ich sei nicht gut genug für sie. Ich habe ihr geschworen, dass ich in ein paar Jahren gut genug für jede Tochter sein würde … vor allem für ihre.

»Du bist der beste Sänger und die Hauptattraktion, aber um ehrlich zu sein, Kenna, bist du der schlechteste Schauspieler von euch dreien. Doch damit … wird es großartig. Mit ihr wirst du nicht einmal spielen müssen.« Er grinst. »Und jetzt geh da raus und sprich mit den Leuten. Ich kümmere mich um deine Freundin.«

»Meine Freundin«, schnaube ich, »ist eine perverse, Tomaten werfende Hexe, die mit Vergnügen die Chance ergreift, mir das Leben zur Hölle zu machen!«

»Oh ja. Das ist wirklich guter Stoff.«

DREI

SIEHT SO AUS, ALS MÜSSTE ICH DEN FROSCH KÜSSEN

Pandora

Das ist verdammt viel Geld«, sagt Melanie, als wir zurückfahren. »Ich hab ihnen das letzte Hemd abgezogen, Melanie. Ich wäre schon für die Hälfte eingeknickt. Ich würd sogar den Arsch eines Nilpferds für die Hälfte küssen!«

Was ist passiert?

Ich versuche noch immer, die Tatsache zu begreifen, dass ich mein Leben verhökert habe. Genauer gesagt, drei Wochen davon, plus einem Kuss und der Teilnahme an einer Filmpremiere.

Ich bin auf dem Heimweg von dem unwirklichsten mehrstündigen Ereignis meines Lebens. Vor anderthalb Stunden habe ich mich mit Trenton, dem Filmproduzenten, und einem Haufen Anwälte getroffen und einen dicken Scheck entgegengenommen.

Jetzt sitzen wir in einer Limousine, die niemand anders als Mr King persönlich Prinzessin Melanie geschickt hat. Der Fahrer ist anscheinend der ihres Freundes. Es verursacht mir auf einmal ziemliche Komplexe, mit ihr zusammen zu sein. Vor allem, nachdem ein Ex mich angeschaut hat, wie Mackenna es gerade getan hat. Als wollte er mich langsam töten und dann zerstückeln und meine Körperteile in eine Büchse stecken. So viel zur Legende – Pandora in der Büchse, nicht die Büchse der Pandora.

Melanie kratzt mit ihren manikürten Fingernägeln über ein Kristallglas, das sie aus der Minibar des Wagens genommen hat. Die Buchstaben auf ihren Nägeln lauten G-R-E-Y mit einem Herz auf dem Daumen.

Lächerlich.

Meine beiden Freundinnen sind in Beziehungen mit Männern, die zum Beweis für ihre Aufrichtigkeit das Undenkbare getan haben – ihr Leben für sie aufzugeben. Ich hatte Melanies Playboy nicht leiden können, weil ich dachte, dass er nicht gut für sie sei, doch wie sich herausgestellt hat, ist er tatsächlich der Mann ihrer Träume und mehr. Heiß, fürsorglich, gefährlich, ein echtes Alphatier; er würde alles für Melanie tun. Und Brooke? Brooke ist mit ihrem Typen bereits verheiratet – nein, er ist nicht nur ein Typ, er ist ein Tier. Und groß, schlank, muskulös, dunkelhaarig, mit blauen Augen, ein sexy beast – und sie schaut ihn an, als würde er nur für sie existieren.