Römische Geschichte - Titus Livius - E-Book

Römische Geschichte E-Book

Titus Livius

3,7

Beschreibung

Wir leben in einer Zeit, "in der wir weder unsere Fehler, noch die Heilmittel dagegen ertragen können", schreibt T. Livius Patavinus (um 59 v. Chr. - um 17 n. Chr.) im Proömium seines monumentalen Werkes über römische Geschichte ab urbe condita (von der Gründung der Stadt an). In 142 Büchern antiker Zählung stellte er chronologisch in bemerkenswerter Anschaulichkeit und nicht ohne Anekdoten von hohem Unterhaltungswert, aber auch mit klaren und versteckten Stellungnahmen dar, was sich nach der Sage oder tatsächlich in Rom seit 753 v. Chr. bis zu seiner eigenen Lebenszeit unter Kaiser Augustus ereignete. Erhalten sind aus dem Gesamtwerk die Bücher 1-10 (753 bis 293 v. Chr.) und 21-45 (218 bis 167 v. Chr.), alles Übrige nur in Inhaltsangaben, Fragmenten und Zusammenfassungen. Der Marix Verlag legt hiermit eine deutsche Ausgabe aller erhaltenen Bücher dieser wirkmächtigen Darstellung römischer Geschichte vor.

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Cover
Über den Autor

Titus Livius

(59 v. Chr. – 17 n. Chr.) wurde in Patavium, dem heutigen Padua geboren. Den größten Teil seines Lebens verbrachte er jedoch in Rom und unterrichtete auf Einladung von Kaiser Augustus den späteren Kaiser Claudius I. Dass er sich trotz der Nähe zum Kaiser nicht in die Politik einmischte, unterscheidet ihn vor allem von anderen Historikern. Er war davon überzeugt, dass Rom seit Beginn der römischen Geschichte zu Ruhm und Größe auserkoren war. Sein Werk AB URBE CONDITA gilt als eines der bedeutendsten Werke über die römische Geschichte.

Lenelotte Möller

Dr. Lenelotte Möller studierte Geschichte, Latein und evangelische Theologie in Saarbrücken, Basel und Mainz; die Promotion in Geschichte folgte im Jahr 2000; sie unterrichtet am Gymnasium Schifferstadt im Rhein-Pfalz-Kreis. Im marixverlag sind ihre Übersetzungen der ENZYKLOPÄDIE DES ISIOR VON SEVILLA, der CICERO-Briefe und Senecas VOM GLÜCKSELIGEN LEBEN erschienen. Sie ist Mitherausgeberin der 2-bändigen PLINIUS-Ausgabe.

Zum Buch

Zum Buch

Wir leben in einer Zeit, „in der wir weder unsere Fehler, noch die Heilmittel dagegen ertragen können“, schreibt T. Livius Patavinus (um 59 v. Chr. – um 17 n. Chr.) in der Einleitung seines monumentalen Werkes über römische Geschichte Ab urbe condita (von der Gründung der Stadt an). In 142 Büchern antiker Zählung stellte er chronologisch in bemerkenswerter Anschaulichkeit und nicht ohne Anekdoten von hohem Unterhaltungswert, aber auch mit klaren und versteckten Stellungnahmen dar, was sich nach der Sage oder tatsächlich in Rom seit 753 v. Chr. bis zu seiner eigenen Lebenszeit unter Kaiser Augustus ereignete. Erhalten sind aus dem Gesamtwerk die Bücher 1-10 (753 bis 293 v. Chr.) und 21-45 (218 bis 167 v. Chr.).

Der marixverlag legt hiermit eine deutsche Ausgabe aller erhaltenen Bücher dieser epochalen Darstellung römischer Geschichte vor.

Haupttitel

Titus Livius

Römische Geschichte

Von der Gründung der Stadt an
Nach der Übersetzung von Otto Güthling
Herausgegeben von Lenelotte Möller
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.  Alle Rechte vorbehalten  Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2011 Neu gesetzt, behutsam revidiert und überarbeitet nach der Ausgabe Leipzig 1936-1938 Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin Lektorat: Dr. Bruno Kern, Mainz eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz Gesetzt in der Palatino Ind Uni – untersteht der GPL v2   ISBN: 978-3-8438-0025-9  www.marixverlag.de

Vorwort

Bei der Neuherausgabe der vorliegenden Livius-Übersetzung von Heusinger habe ich dieselben Grundsätze wie bei der Herausgabe des Heilmann’schen Thukydides (Univ.-Bibl. Nr. 1807 ‒ 1815) befolgt. Es genügt daher, auf das dort im Vorwort Gesagte zu verweisen.

Bei der Revision der Übersetzung habe ich die erklärende Ausgabe von Weißenborn-Müller (Berlin, Weidmannsche Buchhandlung) zugrunde gelegt. Dass ich außerdem alle mir nur irgend zugängliche Literatur benutzt habe, brauche ich wohl nicht erst zu erwähnen.

Mein jetzt in Gott ruhender Bruder, Karl Güthling, hat mich, selbst während seiner langwierigen Krankheit, nicht nur tätlich bei meiner schwierigen Arbeit unterstützt, sondern mir auch seine Übersetzung zu mehreren Büchern des Livius zur Verfügung gestellt. Ich halte es für meine Pflicht, dies hier zu erwähnen, wenn auch bereits der Rasen sein Sterbliches deckt; multis ille bonis flebilis occidit. –

Weiter habe ich nichts zu sagen. Ich wünsche nur, dass diese meine Arbeit denselben Beifall der Fachkundigen finden möge, den meine Ausgabe des Thukydides zu meiner großen Freude gefunden hat.

Liegnitz, 23. Oktober 1884 Otto Güthling

Durchgreifende Änderungen habe ich bei der zweiten Auflage nicht vorgenommen; die Änderungen betreffen nur Einzelheiten. Zugrunde liegt auch diesmal die oben erwähnte erklärende Ausgabe von Weißenborn-Müller. In dem literarischen Nachlass meines verstorbenen Vaters, Dr. Karl Eduard Güthling, fand ich eine Übersetzung der ersten fünf Bücher des Livius vor, die ich selbstverständlich benutzt habe.

Goldschmieden bei Breslau, Ostern 1926 Otto Güthling

Einleitung

Titus Livius (sein Zuname ist unbekannt), wohl der größte römische Historiker, stammte aus Patavium (dem heutigen Padua), wo er im Jahre 59 v. Chr. geboren ist. Er beschäftigte sich eifrig mit Philosophie und Rhetorik, zugleich auch mit geschichtlichen Studien, teils über seine Vaterstadt (s. Buch X Kap. 2), teils über das ganze Gebiet der römischen Geschichte, welche er während eines langen Aufenthaltes in Rom eifrig trieb und zu schreiben anfing, vielleicht schon nach dem Jahre 27 v. Chr. (Buch I Kap. 19, als der Janustempel zum zweiten Mal geschlossen wurde, was er selbst sah), da er den Octavian nur Augustus nennt, wie er seit 27 v. Chr. genannt wurde. Trotz seiner republikanischen Ansicht, deretwegen Augustus ihn einen Pompejaner nannte (s. Tacitus, Annalen Buch IV Kap. 34), und obwohl er seine Selbstständigkeit mit Festigkeit wahrte, stand er doch zu Augustus in einem sehr freundschaftlichen Verhältnis. Von seinen Zeitgenossen hoch geehrt (vgl. Plinius, Briefe II, 3, 8 und Seneca, controv. 10,praef. 2) starb er im Jahre 17 n. Chr., gleichzeitig mit dem Dichter P. Ovidius Naso, und ist demnach 76 Jahre alt geworden.

Sein großes Geschichtswerk, von dem älteren Plinius historias, von ihm selbst bisweilen annales genannt, gewöhnlich aber rerum Romanarum ab urbe condita libri, bestand aus 142 Büchern, von welchen wir nur noch 35 Bücher haben, nämlich Buch 1‒10 und 21‒45, obgleich im Mittelalter noch das ganze Werk vorhanden war. Schon sehr früh teilte man das Werk in Bücher ein; er selbst hatte, wie es scheint, anfangs sein Werk nach Dekaden bzw. Halbdekaden gegliedert und veröffentlicht, ließ diese Einteilung jedoch allmählich fallen, die aber im Mittelalter beim Abschreiben des ganzen Werkes zugrunde gelegt wurde. Die fünf Bücher der fünften Dekade existieren nur in einer Handschrift. Neuerdings hat man, namentlich aus dem 91. Buche, Fragmente aufgefunden.

Von seinen philosophischen Schriften hat sich nichts erhalten (Seneca, Briefe 100, 9; Quintilian X, 1, 39). Einen sehr ungenügenden Ersatz für die verlorenen Bücher des Geschichtswerkes bilden die (mit Ausnahme von Buch 136 und 137) vollständig erhaltenen kurzen Inhaltsangaben, periochae, wahrscheinlich in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr., jedenfalls vor Florus, gefertigt.

Livius’ großes Geschichtswerk stellt sich die Aufgabe, in pragmatischer Weise nicht allein die Tatsachen zu berichten, sondern auch das Lehrreiche an ihnen hervorzuheben. Daher wählte er die so reiche Geschichte des römischen Volkes, die er oft mit dichterischem Schwung, welcher ihn die Sagen seines Volkes und das Sittliche in den einzelnen Handlungen beachten ließ, behandelt, sowie er auch die hervorragenden Persönlichkeiten (z. B. Hannibal) mit voller Seele fasst und darstellt. Dies erkannten auch die Alten selbst schon an ihm an (s. Quintilian, X, 1, 101). Seine eigene religiöse Anschauung, welche freilich den Römern des Mittelalters oft anstößig war, soweit sie sich in der gewissenhaften Aufzählung aller Wunderzeichen kundgibt, ist ein Zeugnis seines frommen, in dem Glauben der Väter großgezogenen Gemütes. Er verschmäht zur Ausschmückung seiner Darstellung geeignete Mittel nicht und sucht die Lebhaftigkeit derselben zu heben, indem er teils treffende Schilderungen einfügt, teils den handelnden Personen Reden in den Mund legt, welche dem Charakter derselben im Ganzen angemessen sind (wie Scipio und Hannibal), teils endlich durch kurz gehaltene Charakterschilderungen (z. B. des älteren Cato). Auch dies anerkannte schon Quintilian hinsichtlich der Reden.

Daneben trifft ihn freilich der Tadel der Ungenauigkeit in einzelnen Partien nicht mit Unrecht, z. B. in den Schlachtenbeschreibungen und insbesondere in der Darstellung der spanischen Feldzüge während des zweiten Punischen Krieges.

Was nun die Ausführung seines großartigen Werkes betrifft, so beginnt er seine Geschichte mit der Sage von Roms Gründung und von der Geschichte der Stadt in ihrer ursprünglichen engen Beschränkung und erweitert sie im Verlaufe der Begebenheiten zur Geschichte des römischen Weltreiches. Die ersten sechzig Bücher behandelten sechs Jahrhunderte, die letzten achtzig etwa hundertachtzig Jahre. Besonders gelungene Partien sind die Samnitenkriege und der zweite Punische Krieg.

Was die von ihm benutzten Quellen betrifft, so zog er alle vorhandenen Arbeiten zu Rate und verstand es, das Bessere aus ihnen auszuwählen. Seine Sprache ist meist leicht verständlich, fließend, oft blühend, gewandt und frei von dem Streben und Haschen nach altertümlichen Ausdrücken, was Livius an Sallust getadelt haben soll.

Seine Zuverlässigkeit rühmt bereits Tacitus. Livius’ Geschichtswerk – sagt Weißenborn – ist von den geistreichsten Schriftstellern der Folgezeit anerkannt und bewundert worden, in Prosa und Versen (Avienus, im 4. Jahrhundert, qui totum Vergilium et Livium iambis scripsit) verarbeitet und in vielen Auszügen (Florus, Eutropius) bis zum Untergang der römischen Literatur (Cassiodorus, Orosius) erhalten worden und die Quelle gewesen, aus der die Kunde der Vorzeit geschöpft wurde. Bei seinen Zeitgenossen fand seine Auffassung und Darstellung der Geschichte so großen Beifall, dass noch bei seinen Lebzeiten sein Name bis an das Ende des Reiches gefeiert wurde, und von da an entnahmen die Römer aus ihm ihre Kenntnisse und Ansichten von der republikanischen Zeit, fassten die Taten und Charaktere derselben in der Gestalt und den Umrissen auf, in denen er sie dargestellt hatte, und wurden durch ihn mit Bewunderung und Begeisterung für dieselben erfüllt. Ebenso ist Livius im Mittelalter und den folgenden Jahrhunderten betrachtet und gefeiert worden, und wenn er den höheren Anforderungen an die Geschichtsschreibung, welche die neueste Zeit stellt, nicht genügt, so wird sein großartiges Werk, dem kaum ein anderes im Altertum und der neueren Zeit an die Seite gestellt werden kann, doch immer die reichste Quelle für die römische Geschichte der alten Zeit bleiben, und sein edler Sinn, seine musterhafte Darstellung ihm vielleicht die erste oder doch eine der ersten Stellen unter den Historikern der Römer auch in Zukunft sichern.

Urteile Wolfs und Buttmanns über Heusingers Livius-Übersetzung

Ew. erhalten hierbei endlich die mir mitgeteilten Hefte der neuen Übersetzung des Livius, die ich mit großem Vergnügen durchgesehen habe. Ich zweifle durchaus nicht, dass diese Arbeit alle bisherigen versuche in Vergessenheit bringen wird, da die Beweise von Genauigkeit und Einsicht überall unverkennbar sind, wozu noch kommt, dass durch so viele gelehrte Anmerkungen das Studium des Originals für Schulmänner und junge Leute, die für sich lesen, gefördert wird; aber allein schon ist der Name Heusinger in der philologischen Welt viel zu gut akkreditiert, als dass er durch die früheren Übersetzer, die keinen solchen Namen hatten, verdunkelt werden könnte.

Wolf

Ich habe das Manuskript als Probe der Übersetzung des Livius mit kritischen und erklärenden Anmerkungen mit Vergnügen durchgegangen und überall die Frucht eines langjährigen, mit Urteil und Kenntnis verbundenen Fleißes bewundert. Ich weiß als Bibliothekar aus Erfahrung, welch ein Treiben heutzutage nach den Übersetzungen der alten Historiker, besonders von den vielen Militärpersonen ist, welche die Originale nicht lesen können. Die schlechten Übersetzungen sind fortdauernd im Gange. Wird es bekannt, dass eine mit solcher Kenntnis der alten Sprache und Sachen unternommene vorhanden ist, die zugleich einen so ungezwungenen und fasslichen und dabei doch nicht ermüdenden Stil darbietet, so zweifle ich nicht, dass sie bald die einzige sein wird, die man liest.

Buttmann

Vorrede des Titus Livius

1 Ob ich etwas Verdienstliches tun werde, wenn ich die Geschichte des römischen Volkes vom Ursprunge Roms an schreibe,1 weiß ich teils nicht gewiss, teils möchte ich dies, wenn ich es wüsste, nicht behaupten. 2 Man hat das, wie ich sehe, schon längst, ja schon oft getan, weil immer die neu auftauchenden Geschichtsschreiber entweder in den Sachen selbst manches zu berichtigen oder in der Kunst des Vortrags das ungeübte Altertum übertreffen zu können glauben. 3 Wie dem auch sein mag, es bleibt mir doch die Freude, dass auch ich zur Erhaltung des Andenkens an die Taten des ersten Volkes der Erde nach meinen Kräften beigetragen habe: Und sollte bei der so großen Menge von Schriftstellern mein Name im Dunkeln bleiben, so will ich mit dem Range und der Größe derer mich trösten, die meinem Ruhme Eintrag tun. 4 Außerdem habe ich nicht nur einen Stoff von ungeheurem Umfange vor mir, denn er führt mich über 700 Jahre zurück, und wuchs, so klein sein erster Anfang war, so empor, dass er beinahe unter seiner Größe zu erliegen droht, sondern es wird auch gewiss für die meisten meiner Leser die Urgeschichte Roms mit ihren nächsten Zeiträumen so unterhaltend nicht sein, weil sie zu der Neuzeit hineilen, wo die Kräfte eines Staates, dem Übermacht so lange schon eigen war, sich selbst verzehren. 5 Ich hingegen will einen Lohn meiner Arbeit auch darin finden, dass ich mich von dem Anblick der Leiden, die unser Zeitalter seit so vielen Jahren sah, wenigstens so lange abwende, als ich mich mit ganzer Seele in jene Vorwelt versetze und noch von allen den Rücksichten frei bin, die den Geschichtsschreiber, falls sie ihn auch von der Wahrheit nicht ablenken, doch beunruhigen können.

6 Die mehr im Schmuck der dichterischen Erzählung als durch unverfälschte Denkmale der Geschichte auf uns gekommenen Angaben von Umständen, die sich vor längerer Zeit oder zunächst vor Erbauung der Stadt ereignet haben sollen, will ich ebenso wenig bekräftigen als widerlegen. 7 Man hält es der alten Welt zugute, wenn sie durch die in die Begebenheiten der Menschen eingemischten Erzählungen von Göttern die Urgeschichte der Staaten ehrwürdiger zu machen sucht. Und soll irgendein Volk auf die Erlaubnis, Heiligkeit in seinen Ursprung zu tragen und diesen göttlicher Einwirkung zuzuschreiben, ein Recht haben, so hat das römische Volk des kriegerischen Ruhmes so viel, dass die Völker der Erde es ebenso willig sich gefallen lassen können, wenn es nun gerade den Mars für seinen und seines Stifters Vater erklärt, wie sie sich auch seine Herrschaft gefallen lassen. 8 Wie man diese und ähnliche Erzählungen beachten oder beurteilen werde, kann mir ziemlich gleichgültig sein. 9 Aber darauf, wünschte ich, möge jeder seine ganze Aufmerksamkeit richten, wie die Lebensart, wie die Sitten waren; durch was für Männer und was für Mittel im Kriege und Frieden Rom seine Oberherrschaft erwarb und erweiterte. Kommt dann die Zeit, wo die alte Zucht allmählich in Verfall geriet, so verfolge man mit Aufmerksamkeit die anfangs sich gleichsam aus ihren Fugen lösende Sittlichkeit,2 wie sie nachher immer tiefer sank, dann unaufhaltsam zusammenstürzte, bis wir endlich die Zeiten erleben mussten, in denen wir weder unsere Verderbnis noch die Mittel dagegen ertragen konnten. 10 Und gerade dies ist es, was uns die Geschichte zu einer so heilsamen und fruchtbringenden Kenntnis macht, dass wir nämlich die lehrreichen Beispiele aller Art wie auf einem glänzenden Bilde ausgeführt schauen, und jeder daraus für sich und seinen Staat das Nachahmungswürdige entnehme, und was im Beginn wie im Ausgang widerwärtig ist, vermeide.

11 Übrigens täuscht mich entweder Vorliebe für meine übernommene Arbeit, oder es war wirklich nie ein Staat größer, ehrwürdiger, an edlen Beispielen reicher; es war nie eine Stadt, in welche sich Habsucht und Verschwendung so spät eingeschlichen hätten; nie eine, in welcher Armut und Sparsamkeit so hoch und so lange geachtet wurden. So unleugbar ist es, dass die Menschen um so viel weniger begehrten als sie weniger besaßen. 12 Es ist ja so lange noch nicht, dass der Reichtum den Geiz und das Übermaß an Vergnügungen die Sucht in Rom eingeführt hat, um durch Üppigkeit und Ausschweifung sich selbst und alles neben sich zugrunde zu richten.

Doch Klagen, selbst dann nicht einmal angenehm, wenn sie vielleicht auch nötig sein dürften, sollen bei einem so wichtigen Vorhaben wenigstens nicht in den Anfang sich mischen. 13 Weit lieber würde ich, wenn es bei uns wie bei den Dichtern Brauch wäre, unter vorbedeutenden Segenssprüchen beginnen, Göttern und Göttinnen Opfer verheißen und sie anrufen, der Unternehmung eines so großen Werkes einen gesegneten Fortgang zu verleihen.

Erstes Buch

Inhalt

Das erste Buch enthält die Ankunft des Aeneas in Italien und seine Taten; die Regierung des Ascanius zu Alba, des Aeneas Silvius und der folgenden Silvischen Könige. Numitors Tochter von Mars geschwängert. Romulus und Remus geboren, Amulius getötet. Romulus baut Rom; wählt einen Senat; führt Krieg mit den Sabinern; bringt dem Jupiter Feretrius die Fürstenbeute dar; teilt das Volk in Kurien; besiegt die Fidenaten und Vejenter; wird unter die Götter erhoben. Numa Pompilius verfasst die Einrichtung des Gottesdienstes schriftlich; baut den Janustempel und ist der Erste, der ihn verschließt, weil er alle umliegenden Völker zum Frieden zu bewegen vermochte; gibt nächtliche Zusammenkünfte mit der Göttin Egeria vor und erweckt in seinen rohen Kriegern Gefühl für Religion. Tullus Hostilius bekriegt die Albaner. Gefecht der Drillingsbrüder, Horatius freigesprochen. Todesstrafe des Mettus Fufetius; Zerstörung Albas; Versetzung der Albaner nach Rom. Krieg mit den Sabinern. Tullus vom Blitze erschlagen, Ancus Marcius erneuert den von Numa eingeführten Gottesdienst; besiegt die Latiner, nimmt sie in die Stadt auf und weist ihnen den Berg Aventin an. Er erobert Politorium, eine latinische Stadt, welche die Altlatiner genommen hatten, und schleift sie. Er schlägt eine Balkenbrücke über den Tiber, zieht den Hügel Janiculus zur Stadt; erweitert die Grenzen des Reiches; baut Ostia. Unter seiner 24-jährigen Regierung kommt Lucumo, des Korinthers Damaratus Sohn, von Tarquinii, einer etruskischen Stadt, nach Rom, wird des Ancus Freund, nimmt den Namen Tarquinius an und setzt sich nach Ancus’ Tode auf den Thron. Er vermehrt den Senat um hundert Mitglieder; gibt dem Circus seinen Platz und stellt Spiele an. Weil ihn die Sabiner angreifen, verstärkt er die Zenturien der Ritter. Den Augur Attus Navius und seine Kunst in Versuchung zu führen, soll er ihn befragt haben, ob das tunlich sei, was er jetzt im Sinne habe, auf erfolgtes Ja habe er ihn aufgefordert, einen Kieselstein mit einem Schermesser zu durchschneiden, und Attus habe das sofort getan. Er besiegt die Sabiner; zieht eine Mauer um die Stadt, legt die Ableitungen an. Nach einer Regierung von achtunddreißig Jahren ermorden ihn die Söhne des Ancus. Ihm folgte Servius Tullius, geboren von einer edlen Gefangenen aus Corniculum. Der Sage nach stand ihm als Knaben in der Wiege das Haupt in Flammen. Er schlägt die Vejenter und Etrusker, hält die erste Schätzung und beendet das Schätzungsopfer, bei welchem achtzigtausend Bürger geschätzt sein sollen. Er macht die Einteilung in Klassen und Zenturien; rückt die Grenze des Mauerzwingers weiter vor, zieht die Hügel Quirinalis, Viminalis und Esquilinus zur Stadt und baut den Tempel der Diana auf dem Aventin mit den Latinern gemeinschaftlich. Nach 24-jähriger Regierung wird er von Lucius Tarquinius, des Priscus Sohn, auf Anstiften seiner eigenen Tochter Tullia ermordet. Weder vom Senat noch vom Volk zum König ernannt, eignet sich Lucius Tarquinius Superbus den Thron an, an demselben Tage, als die ruchlose Tullia auf ihrem Wagen über ihren im Blute liegenden Vater hinfuhr. Er legt sich eine Leibwache zu; bringt durch List den Turnus Herdonius ums Leben; führt Krieg mit den Volskern und legt von dieser Beute auf dem Kapitol dem Jupiter einen Tempel an. Die Altäre des Terminus und der Juventas dürfen nicht verlegt werden, weil diese ihre Einwilligung versagen. Durch die List seines Sohnes Sextus Tarquinius unterwirft er sich die Stadt Gabii. Seine Söhne reisen nach Delphi und bekommen auf die Frage, wer von ihnen zu Rom regieren werde, die Antwort: wer zuerst die Mutter küssen wird. Während sie den Ausspruch unrichtig deuteten, stellt sich ihr Reisegefährte Junius Brutus als fiele er, und küsst die Erde. Ihn rechtfertigt der Erfolg. Denn Tarquinius Superbus, der sich alles erlaubte, zog sich allgemeinen Hass zu. Sein Sohn Sextus entehrte durch nächtliche Gewalttat die Lucretia. Sie ließ ihren Vater und ihren Gemahl Collatinus holen, beschwor die beiden, ihren Tod zu rächen, und erstach sich mit einem Dolche. Darüber jagte man den Tarquinius nach einer Regierung von fünfundzwanzig Jahren, hauptsächlich durch Zutun des Brutus, aus Rom. Mann ernennt Konsuln. Lucius Junius Brutus und Lucius Tarquinius Collatinus bekleiden dies Amt zuerst.

(1) Gleich von allem Anfange an wird allgemein angenommen, dass nach der Eroberung von Troja die übrigen Trojaner grausam behandelt wurden. Nur gegen zwei, den Aeneas und den Antenor, machten die Griechen als gegen ihre alten Gastfreunde, und weil sie immer zum Frieden und zur Herausgabe der Helena geraten hatten, von keinem Kriegsrechte Gebrauch. 2 Durch mancherlei Unfälle sei dann Antenor3 mit einer Schar Eneter4, welche ohne Heimat und Führer sich ihm angeschlossen hatten denn sie waren aus Paphlagonien durch Aufruhr vertrieben worden, und ihr König Pylaemenes war vor Troja gefallen , in die innerste Bucht des Adriatischen Meeres gekommen; 3 Eneter und Trojaner hätten die zwischen dem Meer und den Alpen wohnenden Euganeer vertrieben und jene Länder behauptet. Auch nennt sich wirklich der Ort, wo sie zuerst das Land betraten, Troja, und nach ihm der Gau der Trojanische. Das ganze Volk bekam den Namen Veneter.

4 Aeneas, von demselben Missgeschick getroffen und aus seiner Heimat flüchtig, allein vom Schicksal zu einer wichtigeren Gründung geleitet, sei zuerst nach Makedonien gegangen; von da sei er, eine Niederlassung suchend, nach Sizilien verschlagen worden; von Sizilien aus habe er endlich mit seiner Flotte das laurentische Gebiet erreicht. Auch dieser Platz hat den Namen Troja. 5 Als die hier gelandeten Trojaner, denen ihre fast unermesslichen Seefahrten nichts als Waffen und Schiffe übriggelassen hatten, im Lande plünderten, eilten König Latinus und seine Aboriginer, die damaligen Bewohner dieser Gegend, aus der Stadt und aus den Dörfern bewaffnet herbei, um den Gewalttätigkeiten der Ankömmlinge zu wehren. Da gibt es nun zweierlei Berichte. 6 Einige sagen, Latinus habe nach verlorener Schlacht zuerst Frieden, dann auch ein Heiratsbündnis mit Aeneas geschlossen. Nach anderen trat Latinus, als die Heere in Schlachtordnung dastanden, noch vor dem Zeichen zum Angriff in die Mitte der Vornehmsten vor und lud das Oberhaupt der Fremden zu einer Unterredung ein. Er erkundigte sich, wer und woher sie wären, durch welches Missgeschick sie ihre Heimat verlassen, und in welcher Absicht sie auf laurentischem Boden gelandet wären. Und als er hörte, die Schar seien Trojaner, ihr Führer sei Aeneas, des Anchises und der Venus Sohn, und dass sie nach Einäscherung ihrer Vaterstadt und weil sie ihr Land hätten meiden müssen, eine Niederlassung und einen Platz zur Anlage einer Stadt suchten, da reichte er aus Achtung vor dem Adel der Nation und ihres Helden, nicht weniger vor ihrem auf Krieg und Frieden gleich gefassten Mut, dem Aeneas zum Unterpfands ihrer künftigen Freundschaft seine Rechte. Beide Heerführer schlossen darauf einen Bund, es begrüßten sich die Heere. Latinus nahm den Aeneas in seinen Palast auf, und hier knüpfte er im Angesicht seiner Hausgötter an den Völkerverein einen Familienbund: Er gab dem Aeneas seine Tochter. Und dieser Umstand besonders erfüllte die Trojaner mit der festen Hoffnung, endlich im Besitz eines bleibenden und bestimmten Wohnorts ihren Irrfahrten ein Ziel gesteckt zu sehen. Sie legten eine Stadt an. Aeneas nannte sie nach seiner Gemahlin Lavinium. Bald war auch aus der neuen Ehe ein männlicher Erbe da, dem seine Eltern den Namen Ascanius gaben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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