Rosmersholm: Schauspiel in vier Aufzügen - Ibsen, Henrik - kostenlos E-Book

Rosmersholm: Schauspiel in vier Aufzügen E-Book

Ibsen, Henrik

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The Project Gutenberg EBook of Rosmersholm, by Henrik IbsenThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Rosmersholm       Schauspiel in vier AufzügenAuthor: Henrik IbsenTranslator: Wilhelm LangeRelease Date: August 7, 2011 [EBook #36997]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ROSMERSHOLM ***Produced by Jana Srna and the Online DistributedProofreading Team at http://www.pgdp.net

Anmerkungen zur Transkription:

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Änderungen sind im Text so gekennzeichnet. Der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus. Eine Liste der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes.

HENRIK IBSEN

DRAMATISCHE WERKE

ÜBERSETZT VONWILHELM LANGE

ROSMERSHOLM

Bereits erschienen:

Frau Inger von Oestrot.Hedda Gabler.Gespenster.

Unter der Presse:

Die Meerfrau.Die Wikinger.

In kurzem folgen:

Die Thronerben.Baumeister Solness.Die Wildente.Kaiser und Galiläer.Etc.

In Philipp Reclams Universal-Bibliothek sind folgende Dramen von Henrik Ibsen in Wilhelm Langes Übersetzung erschienen:

Die Stützen der Gesellschaft.Nora. (Ein Puppenheim.)Der Bund der Jugend.Ein Volksfeind.

ROSMERSHOLM

SCHAUSPIEL IN VIER AUFZÜGEN VONHENRIK IBSEN

DEUTSCH VONWILHELM LANGE

ENNO QUEHL, BERLIN-STEGLITZ.

Den Bühnen gegenüber Manuskript.

Aufführungs- und Übersetzungsrecht vorbehalten.

Das Aufführungsrecht ist nur durch den Übersetzer, Schriftsteller Wilhelm Lange, Berlin W. 30, zu erwerben.

W. Lange.

PERSONEN.

JOHANNES ROSMER, Besitzer von Rosmersholm, ein ehemaliger Pfarrer.

REBEKKA WEST.

REKTOR KROLL, Rosmers Schwager.

PETER MORTENSGAARD.

ULRICH BRENDEL.

FRAU HILSETH, Wirtschafterin auf Rosmersholm.

Der Schauplatz ist auf Rosmersholm, einem alten Herrensitz in der Nähe einer kleinen Fjordstadt im westlichen Norwegen.

Erster Aufzug.

Das Wohnzimmer auf Rosmersholm; gross und anheimelnd; alte Möbel. Vorn rechts ein Kachelofen, der mit frischen Birkenzweigen und Feldblumen geschmückt ist. Etwas weiter zurück eine Tür. An der Hinterwand eine Flügeltür, die zum Vorzimmer führt. Links ein Fenster, und vor diesem ein Aufsatz mit Blumen und Pflanzen. Neben dem Ofen ein Tisch mit Sofa und Lehnstühlen. Rings an den Wänden alte und neue Porträts, die Geistliche, Offiziere und Beamte in Amtstracht darstellen. Das Fenster steht offen. Ebenso die Tür zum Vorzimmer und die Haustür. Durch diese sieht man draussen in einer Allee, die nach dem Hause führt, grosse alte Bäume.

Sommerabend. Die Sonne ist untergegangen.

REBEKKA sitzt in einem Lehnstuhl neben dem Fenster und häkelt an einem grossen weissen Wollshawl, der nahezu fertig ist. Von Zeit zu Zeit blickt sie zwischen den Blumen hindurch spähend hinaus. Kurz darauf kommt FRAU HILSETH von rechts.

FRAU HILSETH. Nicht wahr, Fräulein, 's ist wohl das beste, ich fang so langsam an, den Abendtisch zu decken?

REBEKKA. Ja, tun Sie das. Der Pastor muß ja bald kommen.

FRAU HILSETH. Zieht es Fräulein denn nicht da am Fenster?

REBEKKA. Ja, ein wenig. Machen Sie lieber zu.

(FRAU HILSETH geht zur Vorzimmertür und schliesst diese; dann tritt sie ans Fenster.)

FRAU HILSETH (will schliessen, sieht hinaus). Aber ist das nicht der Pastor .. der da drüben?

REBEKKA (lebhaft). Wo? (Steht auf.) Ja, das ist er. (Hinter der Gardine.) Gehn Sie beiseite. Daß er uns hier nicht sieht.

FRAU HILSETH (vom Fenster zurücktretend). Denken Sie, Fräulein, er schlägt wieder den Mühlweg ein!

REBEKKA. Er kam schon vorgestern über den Mühlweg. (Blickt zwischen Gardine und Fensterrahmen hindurch.) Nun woll'n wir aber mal sehn, ob er auch –

FRAU HILSETH. Getraut er sich über den Steg?

REBEKKA. Das will ich ja grade sehn. (Kurz darauf.) Nein. Er kehrt um. Geht auch heut oben herum. (Tritt vom Fenster zurück.) Ein langer Umweg.

FRAU HILSETH. Herrgott ja. Muß ja auch dem Herrn Pastor schwer fallen, über den Steg zu gehn. Da, wo so was passiert ist; wo –

REBEKKA (legt ihre Häkelei zusammen). Sie hängen lang an ihren Toten hier auf Rosmersholm.

FRAU HILSETH. Nein, Fräulein, ich glaub, die Toten hängen hier lange an Rosmersholm.

REBEKKA (sieht sie an). Die Toten?

FRAU HILSETH. Ja, 's ist beinah, als könnten sie sich von den Zurückgebliebnen nicht so recht trennen.

REBEKKA. Warum glauben Sie das?

FRAU HILSETH. Na, denn sonst, denk ich mir, würds hier doch dies weiße Roß nicht geben.

REBEKKA. Ja, Frau Hilseth, wie verhält sichs eigentlich mit diesem weißen Rosse?

FRAU HILSETH. Äh, davon woll'n wir lieber nicht reden. An so was glauben Sie ja doch nicht.

REBEKKA. Glauben Sie denn daran?

FRAU HILSETH (tritt ans Fenster und schliesst es). Ach, ich laß mich von Fräulein nicht zum Narren halten. (Blickt hinaus.) Nein – aber ist das nicht wieder der Pastor da auf dem Mühlweg –?

REBEKKA (sieht ebenfalls hinaus). Der Mann da? (Tritt ans Fenster.) Das ist ja der Rektor.

FRAU HILSETH. Ja richtig, das ist der Rektor.

REBEKKA. Das ist aber merkwürdig! Denn Sie sollen sehn, er kommt zu uns.

FRAU HILSETH. Wahrhaftig, er geht gradaus über den Steg. Und sie war doch seine leibliche Schwester ... Na, Fräulein, nu geh ich den Abendtisch decken.

(Sie geht rechts hinaus. – REBEKKA bleibt eine Weile am Fenster stehn; dann grüsst sie, lächelt und winkt hinaus. – Es beginnt dunkel zu werden.)

REBEKKA (geht an die Tür rechts und spricht durch diese hinaus). Ach, liebe Frau Hilseth, Sie sorgen wohl für 'n bißchen extragutes. Sie wissen ja, was der Rektor gern ißt.

FRAU HILSETH (draussen). Jawoll, Fräulein. Wird gemacht.

REBEKKA (öffnet die Tür zum Vorzimmer). Na, endlich mal –! Herzlich willkommen, lieber Herr Rektor!

KROLL (im Vorzimmer, stellt den Stock fort). Danke. Ich stör also nicht?

REBEKKA. Sie? Pfui, schämen Sie sich –!

KROLL (eintretend). Immer liebenswürdig. (Sich umsehend). Ist Rosmer vielleicht oben auf seinem Zimmer?

REBEKKA. Nein, er macht einen kleinen Spaziergang. Er bleibt heut etwas länger als gewöhnlich. Aber er muß jeden Augenblick kommen. (Zeigt auf das Sofa). Bitte, nehmen Sie so lange Platz.

KROLL (legt den Hut fort). Danke bestens. (Setzt sich und sieht sich um.) Nein, wie freundlich Sie das alte Zimmer ausgeschmückt haben. Überall Blumen, oben und unten.

REBEKKA. Rosmer hat immer gern frische lebende Blumen um sich.

KROLL. Na, Sie doch auch, scheint mir.

REBEKKA. Gewiß. Sie verbreiten einen so herrlichen betäubenden Duft. Früher mußten wir uns ja dies Vergnügen versagen.

KROLL (nickt traurig). Die arme Beate konnte den Duft nicht vertragen.

REBEKKA. Und die Farben auch nicht. Sie wurde ganz wirr im Kopfe davon –

KROLL. Ich erinnre mich. (In leichterm Ton.) Na, wie gehts denn hier draußen?

REBEKKA. Nun, hier geht alles seinen ruhigen gleichmäßigen Gang. Ein Tag wie der andre ... Und bei Ihnen? Ihre Frau?

KROLL. Ach, liebes Fräulein West, reden wir nicht von mir und den meinen. In einer Familie gibts immer etwas, das nicht klappt. Namentlich in solchen Zeiten wie diesen.

REBEKKA (nach kurzem Schweigen setzt sich neben das Sofa in einen Lehnstuhl). Warum haben Sie uns während der ganzen Schulferien nicht ein einziges mal besucht?

KROLL. Äh, man kann den Leuten doch nicht immer das Haus einrennen –

REBEKKA. Wenn Sie wüßten, wie wir Sie vermißt haben –

KROLL. – und dann war ich ja auch verreist –

REBEKKA. Ja, vierzehn Tage. Sie hielten ja wohl Volksversammlungen ab?

KROLL (nickt). Und was sagen Sie dazu? Hätten Sie das gedacht, daß ich auf meine alten Tage noch politischer Agitator werden könnte? Was?

REBEKKA (lächelnd). Ein wenig, Herr Rektor, haben Sie immer agitiert.

KROLL. Nu ja; so zu meinem Privatvergnügen. Aber nun wirds ernst, verlassen Sie sich drauf ... Lesen Sie bisweilen diese radikalen Blätter?

REBEKKA. Ja, Herr Rektor, ich will nicht leugnen, daß –

KROLL. Liebes Fräulein West, dagegen ist nichts einzuwenden. So weit Sie persönlich in Frage kommen.

REBEKKA. Das scheint mir auch. Ich muß doch wissen, was in der Welt vorgeht. Mich auf dem Laufenden halten –

KROLL. Na, jedenfalls kann ich von Ihnen, einer Dame, nicht verlangen, daß Sie entschieden Partei ergreifen in dem Bürgerkampf – Bürgerkrieg, möcht ich fast sagen –, der hier unter uns tobt ... Sie haben also gelesen, wie diese Herrn vom »Volke« sich erlaubt haben, mich zu behandeln? Was für infamer Beschimpfungen sie sich gegen mich erdreistet haben?

REBEKKA. Jawohl. Aber mir scheint, Sie haben auch sehr kräftig um sich gebissen.

KROLL. Das hab ich. Das Zeugnis darf ich mir geben. Denn nun hab ich Blut geleckt. Und sie sollens zu fühlen kriegen, daß ich nicht der Mann bin, der gutwillig den Buckel hinhält ... (Bricht ab.) Aber nein, – lassen wir diesen Gegenstand heut abend ... 's ist zu traurig und aufregend.

REBEKKA. Sie haben recht, lieber Rektor; reden wir nicht mehr davon.

KROLL. Sagen Sie mir lieber, wies Ihnen eigentlich geht hier auf Rosmersholm, jetzt, wo Sie allein sind? Nachdem unsre arme Beate –?

REBEKKA. Danke; mir gehts hier ganz gut. Freilich, eine große Leere hat sie ja in mancher Beziehung zurückgelassen. Und Trauer und Sehnsucht natürlich auch. Aber sonst –

KROLL. Gedenken Sie hier zu bleiben? Ich meine, für immer.

REBEKKA. Ach, lieber Rektor, darüber hab ich wirklich noch gar nicht nachgedacht. Ich hab mich so sehr an Rosmersholm gewöhnt, daß es mir beinah ist, als gehört ich ebenfalls hierher.

KROLL. Aber selbstverständlich gehören Sie ebenfalls hierher.

REBEKKA. Und solang Herr Rosmer findet, daß ich ihm irgendwie nützlich und angenehm sein könne, – ja, so lange bleib ich wahrscheinlich hier.

KROLL (sieht sie bewegt an). Wissen Sie auch, daß etwas großes darin liegt, wenn eine Frau so ihre ganze Jugend dahingehn läßt, um sich für andre aufzuopfern?

REBEKKA. Ach, wofür hätt ich denn sonst hier leben sollen?

KROLL. Erst diese unermüdliche Hingebung für Ihren gelähmten unleidlichen Pflegevater –

REBEKKA. Glauben Sie ja nicht, Doktor West sei da oben in der Finnmark so unleidlich gewesen. Es waren diese schrecklichen Seereisen, die ihn knickten. Aber als wir später hierher zogen, – ja, da kamen freilich ein paar schwere Jahre, eh er ausgelitten hatte.

KROLL. Die Jahre, die dann folgten – waren die nicht noch schwerer für Sie?

REBEKKA. Aber wie können Sie nur so reden! Ich, die Beate so innig zugetan war –! Und sie, die Ärmste, die so sehr der Pflege und Schonung bedurfte.

KROLL. Haben Sie Dank, daß Sie ihrer mit solcher Nachsicht gedenken.

REBEKKA (etwas näher rückend). Lieber Rektor, Sie sagen das so schön und herzlich, daß ich überzeugt bin, Sie hegen keinerlei Verstimmung gegen mich.

KROLL. Verstimmung? Was meinen Sie damit?

REBEKKA. Nun, es war doch ganz natürlich, wenn es Sie etwas peinlich berührte, mich, die Fremde, hier auf Rosmersholm schalten und walten zu sehn.

KROLL. Aber wie in aller Welt –!

REBEKKA. Also Sie hegen keine solche Empfindung gegen mich. (Reicht ihm die Hand.) Dank, lieber Rektor! Haben Sie herzlichen Dank!

KROLL. Aber wie in aller Welt sind Sie nur auf einen solchen Gedanken gekommen?

REBEKKA. Da Sie so selten zu uns kamen, begann ich etwas ängstlich zu werden.

KROLL. Da sind Sie aber wirklich ganz gehörig auf dem Holzweg gewesen, Fräulein West. Und zudem, – in der Sache selbst hat sich hier ja gar nichts geändert! Sie, – Sie allein, – leiteten den ganzen Haushalt ja schon in den letzten unglücklichen Lebensjahren der armen Beate.

REBEKKA. Nun, es war wohl mehr eine Art Regentschaft im Namen der Hausfrau.

KROLL. Wie dem auch sei –. Wissen Sie was, Fräulein West, – ich für meine Person würde wirklich nichts dagegen haben, wenn Sie –. Aber 's ist wohl nicht erlaubt, so was zu sagen.

REBEKKA. Was denn?

KROLL. Wenn es sich so fügte, daß .. daß Sie den leeren Platz einnehmen würden –

REBEKKA. Herr Rektor, ich habe den Platz, den ich mir wünsche.

KROLL. Was die Arbeit angeht, allerdings; aber nicht in Bezug auf –

REBEKKA (ihn ernst unterbrechend). Schämen Sie sich, Herr Rektor. Wie können Sie über so etwas scherzen?

KROLL. Ach ja, unser guter Johannes ist vermutlich der Ansicht, vom Ehestande hab er schon mehr als genug zu kosten bekommen. Aber trotzdem –

REBEKKA. Wissen Sie was, – ich könnte fast über Sie lachen.

KROLL. Aber trotzdem –. Sagen Sie mal, Fräulein West –. Wenns gestattet ist, danach zu fragen –. Wie alt sind Sie eigentlich?

REBEKKA. Zu meiner Schande muss ich Ihnen gestehn, Herr Rektor, ich hab schon volle neunundzwanzig hinter mir. Ich geh nun ins dreißigste.

KROLL. Sehr schön. Und Rosmer, – wie alt ist er? Warten Sie mal. Er ist fünf Jahr jünger als ich. Na, ist also gut und gern dreiundvierzig. Mir scheint, 's würde ausgezeichnet passen.

REBEKKA (aufstehend). Jawohl, jawohl. Ganz ausgezeichnet ... Trinken Sie Tee mit uns heut abend?

KROLL. Danke sehr, gewiß. Heut abend gedenk ich hier zu bleiben. Ich hab etwas zu besprechen mit unserm guten Freunde. – Und übrigens, Fräulein West, – damit Sie sich nicht wieder närrische Gedanken in den Kopf setzen: in Zukunft komm ich wieder recht oft zu euch heraus, – so wie in frühern Tagen.

REBEKKA. Ach ja; bitte, tun Sie das. (Schüttelt ihm die Hände). Dank, besten Dank! Im Grunde sind Sie doch ein ganz lieber netter Mensch.

KROLL (brummt). So, wirklich? Bei mir zu Hause hat das noch niemand behauptet.

(ROSMER kommt durch die Tür rechts.)

REBEKKA. Herr Rosmer, – sehn Sie, wer da ist!

ROSMER. Frau Hilseth sagte mirs schon.

(KROLL ist aufgestanden.)

ROSMER (mild und gedämpft, drückt ihm die Hände). Herzlich willkommen in meinem Hause, lieber Kroll! (Legt ihm die Hände auf die Schultern und blickt ihm in die Augen.) Du lieber alter Freund! Ich wußt es ja, früher oder später müßt es zwischen uns wieder werden wie in alten Zeiten.

KROLL. Aber mein bester Johannes, hast du auch in der verrückten Einbildung gelebt, es wäre was im Wege!

REBEKKA (zu ROSMER). Ja, denken Sie, – es war nur Einbildung. Ist das nicht schön?

ROSMER. War es das wirklich, Kroll? Aber warum zogst du dich denn vollständig von uns zurück?

KROLL (ernst und gedämpft). Weil ich hier nicht umhergehn wollte wie eine leibhaftige Erinnrung an deine Unglücksjahre, – und an sie, die – im Mühlbach endete.

ROSMER. Das war sehr schön von dir gemeint. Du bist ja immer so rücksichtsvoll. Aber es war ganz unnötig, deshalb fortzubleiben. – Komm, Lieber; setzen wir uns aufs Sofa. (Sie setzen sich.) Nein, sei versichert, der Gedanke an Beate hat gar nichts peinliches für mich. Wir sprechen täglich von ihr. Es ist uns, als gehörte sie noch zum Hause.

KROLL. Wirklich?

REBEKKA (die Lampe anzündend). Ja, so ist es, Herr Rektor.

ROSMER. Das ist ja so natürlich. Wir hatten sie beide von Herzen lieb. Und Rebek – Fräulein West und ich, wir haben beide das Bewußtsein, daß wir für die arme Kranke alles getan, was in unsrer Macht stand. Wir haben uns nichts vorzuwerfen ... An Beate zu denken, hat deshalb nun gleichsam etwas mildbesänftigendes für mich.

KROLL. Ihr lieben prächtigen Menschen! Von jetzt an komm ich täglich zu euch heraus.

REBEKKA (sich in einen Lehnstuhl setzend). Na, wir wollen mal sehn, ob Sie Wort halten.

ROSMER (etwas zögernd). Du, Kroll, – ich gäbe viel darum, wäre unser Verkehr niemals unterbrochen worden. So lange wir uns kennen, – von meiner ersten Studentenzeit an bist du immer mein natürlicher Berater gewesen.

KROLL. Ach ja; und darauf bin ich außerordentlich stolz. Hast du jetzt vielleicht etwas besondres –?

ROSMER. Da ist mancherlei, worüber ich gern frei und offen mit dir sprechen möchte.

REBEKKA. Ja, nicht wahr, Herr Rosmer? Ich denke mir, das müßt Ihnen eine Erleichterung sein – so zwischen alten Freunden –

KROLL. O, glaube mir, ich hab dir noch weit mehr mitzuteilen. Du weißt ja, ich bin jetzt aktiver Politiker geworden.

ROSMER. Ja ich weiß. Wie ging das eigentlich zu?

KROLL. Du, ich mußte. Mußte wirklich, so unangenehm es mir auch war. Es geht unmöglich mehr an, noch länger als bloßer Zuschauer müßig am Markte zu stehn. Jetzt, wo die Radikalen bedauerlicherweise die Macht in die Hände bekommen haben, – jetzt ist es hohe Zeit –. Darum hab ich denn auch unsern kleinen Freundeskreis in der Stadt veranlaßt, sich fester zusammenzuschließen. Ich sage dir, es ist hohe Zeit!

REBEKKA (mit einem leichten Lächeln). Ist es nun eigentlich nicht schon etwas spät?

KROLL. Unzweifelhaft wärs besser gewesen, wir hätten den Strom schon früher aufgehalten. Aber wer konnte voraussehn, was kommen würde? Ich jedenfalls nicht. (Steht auf und geht mit grossen Schritten im Zimmer umher.) Aber nun sind mir die Augen aufgegangen. Denn der Geist der Empörung hat sich sogar schon in die Schule hineingeschlichen.

ROSMER. In die Schule? Doch nicht in deine Schule?

KROLL. Jawohl, in meine Schule. In meine eigne Schule. Wie findest du das! Ich bin dahinter gekommen, daß die Knaben der obersten Klasse, – d. h. ein Teil davon, – schon vor länger als einem halben Jahr einen geheimen Verein gebildet und auf Mortensgaards Zeitung abonniert haben!

REBEKKA. Ah, auf den »Leuchtturm«.

KROLL. Nicht wahr, eine gesunde geistige Nahrung für zukünftige Beamte? Aber das traurigste an der Sache ist, daß grade alle begabten Schüler sich zusammengerottet und dies Komplott gegen mich geschmiedet haben. Nur die Faulpelze und Dummköpfe haben sich fern gehalten.

REBEKKA. Geht Ihnen denn die Sache sehr nahe, Herr Rektor?

KROLL. Na ob! Mich so in meiner Berufstätigkeit gehemmt und bekämpft zu sehn! (Leiser.) Und doch möcht ich fast sagen: die Schülerverschwörung könnte noch hingehn. Aber nun kommt das allerschlimmste. (Sieht sich um.) Da horcht doch niemand an den Türen?

REBEKKA. Ach nein, niemand.

KROLL. Nun, so wißt denn, die Zwietracht und Empörung sind sogar in mein eignes Haus eingedrungen. In mein eignes ruhiges Heim. Haben den Frieden meines Familienlebens zerstört.

ROSMER (aufstehend). Was sagst du! In deinem eignen Hause –?

REBEKKA (sich dem Rektor nähernd). Aber, lieber Rektor, was ist denn geschehn?

KROLL. Können Sie sich das vorstellen, daß meine eignen Kinder –! Kurz und gut – Lorenz ist der Rädelsführer des Schülerkomplotts. Und Hilda hat eine rote Mappe gestickt, um darin den »Leuchtturm« aufzubewahren.