Segen auf See - Katharina Plehn-Martins - E-Book

Segen auf See E-Book

Katharina Plehn-Martins

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Beschreibung

Ob unterwegs zum Nordkap, vor Anker bei Neapel oder auf Santorin: Die Bordgeistliche ist stets zum Einsatz bereit. Sie hat ein offenes Ohr für alle, die das Gespräch suchen; denn in der Ruhe des Urlaubs, zumal mit Abstand zum Alltag und umgeben vom gewaltigen Ozean, werden existenzielle Themen wach. In 19 oft humorvollen Text-Miniaturen lässt sich die Seelsorgerin bei ihren vielseitigen Aufgaben an Bord und bei Landgängen über die Schulter schauen, ohne indiskret zu sein. Wir erfahren von Sehnsucht und Traurigkeit, Geselligkeit, großer Dankbarkeit und dem Reisevirus. Und wie die philippinische Crew ein unvergessliches Pfingstfest erlebt.

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Cover

Haupttitel

Inhalt

Über die Autorin

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Katharina Plehn-Martins

Segen auf See

Mit einer Seelsorgerin auf Kreuzfahrt

Patmos Verlag

Inhalt

Vorwort

Alles beginnt vor dem Anfang

Wie aus einer Hauptstadtpfarrerin eine Bordgeistliche wurde

Chaos und Cruise

Eine turbulente Anreise zum Schiff – zwei Welten so nah und so fern

Apfelsinenkisten-Charme oder Suite mit Meerblick

im Bauch eines Kreuzfahrtschiffes findet die Pfarrerin ihren Platz

Eroberung des Paradieses und Fabula Maris

Das Schiff verlässt den Hafen

Networking ist alles

Die Bordgeistliche stellt sich vor, sucht und findet

Mehr auf dem Meer – dem Himmel ein Stück näher

Die Bord-Gottesdienste – „klein und fein“ oder „große Überraschung“

Sehnsucht nach Geborgenheit

Mit Psalm 23 auf großem Wasser

Präsenz an Deck ist das A und O

Seelsorgegespräche an der Reling

Abwarten und Tee trinken

Begegnungen und Vergegnung zur Teatime

Land in Sicht heißt Zittern und Zählen

Die Bordgeistliche arbeitet auch als Escort

Schätze sammeln mit Frederick

Was ein Kinderbuch Erwachsenen erzählen kann

Kreuzfahrtschiff ist nicht gleich Kreuzfahrtschiff

Auch die Pfarrerin muss ihr Schiff finden

Wetter-App und Segenswunsch

„Das Wort zum Sonntag“ im Bord-TV

Einmal auf See – immer wieder auf See

Von einigen Mitarbeitern und mancherlei Viren

Alles hinter sich lassen

Die Seereise zwischen Faszination, Freude und Flucht

Die von den Philippinen kommen

Die Bordgeistliche erfährt Überraschendes nach einem Pfingstgottesdienst

Die mit den Booten kommen

Bedrückende Beobachtungen im Hafen von Kos

Hafengedanken

Die Pfarrerin zieht ihre persönliche Bilanz

Dank der Autorin

Über die Autorin

Tourismus- und Kreuzfahrt-Seelsorge der evangelischen und katholischen Kirche

Weitere Informationen

Vorwort

Vier Kreuzfahrt-Reisen auf zwei Schiffen sind die Basis für dieses Buch, das Sie aufgeschlagen haben. Ich wurde von der Evangelischen Kirche in Deutschland für den ehrenamtlichen Dienst als Bordseel­sorgerin auf Kreuzfahrtschiffen beauf­tragt. Unterwegs war ich gen Norden über die märchenhaft anmutende Inselwelt der Lofoten bis zum Nordkap, sah die unvergleichlich beeindruckenden Fjordlandschaften Norwegens, besuchte in Oslo das spekta­kuläre „Opernhuset“. Mein Dienst führte mich nach Genua und weiter in südlicher Richtung durch die Straße von Messina nach Sizilien auf den immerfort grummelnd-spuckenden Ätna. Die traumschöne Inselwelt der Ägäis mit Santorin und Kos durfte ich besuchen, die türkische Hafenstadt Bodrum, und kam wieder nach Griechenland zurück: Chios, Inousses, Limnos und Kavala, Skiathos, Piräus/Athen und Ithaka schenkten mir fantastische Bilder bevor das Schiff für einen Rom-Besuch im Hafen von Civitavecchia vor Anker ging. Zwei Ostsee-Reisen rundeten mein Kreuzfahrt-Reiseprogramm ab: Oslo/Norwegen, Göteborg und Gotland/Schweden, Kopenhagen/Dänemark, Riga/Lettland, Baltijsk/Russland mit Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg und Danzig/Polen konnte ich auf zwei groß­artigen Kreuzfahrten besuchen. Dennoch erwartet Sie, die Lesenden, kein Reisebericht im herkömm­lichen Sinne, kein Verlauf einer Reise, sondern eine lebendig-bunte Sammlung von Texten unterschiedlicher Länge und Inhalts. In diesen „Miniaturen“ wird Erlebtes und Wahrgenommenes der vier Reisen aus der Perspektive einer Pfarrerin erzählt und reflektiert. Die Namen der Schiffe sind verändert, Personen werden anonymisiert und in andere Kontexte gesetzt. Doch im Hintergrund stehen nicht erfundene, sondern wahre Geschichten.

Berlin, im Frühjahr 2016,

Katharina Plehn-Martins

Alles beginnt vor dem Anfang

Wie aus einer Hauptstadtpfarrerin eine Bordgeistliche wurde

Siebentausendsiebenhundertfünfundachtzig Tage in einer großen Berliner Innenstadtgemeinde: 21 Jahre und drei Monate einer reichen, sehr arbeitsreichen Zeit liegen hinter mir. Gemeinsam in einem starken Pfarrteam, das es nicht immer leicht miteinander hatte, zusammen mit ambitionierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer einsatzbereiten Gruppe hochmotivierter Ehrenamtlicher ist es uns gelungen, in unserem Wilmersdorfer „Dorf in der Stadt“ Kirche zu bauen. Sieben Tage die Woche „summt und brummt“ es bei uns – wir wachsen gegen den Trend! Doch eines Tages ist es auch für mich soweit: Ruhestand ante portas. Die Gemeinde verabschiedet mich in einem überwältigenden Gottesdienst. Ein rauschendes Fest schließt sich an, und ich kämpfe ständig mit den Tränen: Abschiedstränen, Wehmutstränen, Freudentränen? Sicher von allem etwas. Wie sagte schon der begnadete Prediger Salomo: „Ein jegliches hat seine Zeit ...“. Die Kontinuität in meiner Nachfolge erweist sich als personell schwierig, also mache ich noch ein Jahr in deutlichem Umfang „ehrenamtlich“ weiter. Unendlich kann das so nicht weitergehen, mein Platz soll die Kirchenbank und nicht die Kanzel sein. Hin und wieder mal ein Gottesdienst, eine Taufe, eine Trauung oder eine Trauerfeier, ja. Eine Gemeindereise, ja gerne. Mehr nicht. Wie soll aber mein Leben weitergehen? Muße muss ich erst wieder lernen – auch das braucht seine Zeit. Ich sehe mich schon auf dem Sofa sitzen und die Bücher der letzten 21 Jahre lesen. Bloß nicht, bloß keine Monokultur! Statt Sofa Griechenland – ich gehe mit einer Gruppe auf Reisen: auf die Peloponnes nach Korinth, nach Epidauros, Mykene, Olympia, Delphi und Athen. Mit dem Dichter Nikos Kazantsakis kann ich sagen: „Griechenland erfüllt nicht nur das Auge mit Freude, nicht nur das Herz, sondern auch den Geist. Denn hier begegnet man nicht nur Steinen und Erde und Meer, sondern auch großen Seelen, die diesen Rahmen mit Geschichte füllten.“ Und auch Menschen begegnet man, wenn man nicht fremdelt. Fremdeln ist mir überhaupt nicht fremd, doch nach wenigen Tagen sind aus vormals Fremden in der Reisegruppe Freunde geworden. Und einer der neuen Freunde meint, mich auf den Weg der Bordseelsorge schicken zu müssen. Hmmh, das wiederum ist mir sehr fremd. Den Gedanken nehme ich dennoch mit nach Hause, erörterte ihn mit meinem Mann und komme zu dem Ergebnis: „Ich könnte mich ja mal in Hamburg bei der Evangelischen Auslandsberatung erkundigen ...“.

Schon ist es passiert: Wenige Monate später steige ich die Gangway eines strahlend weißen, noblen Kreuzfahrtschiffes hoch. Wie kommt es zu diesem Sinneswandel? Zum einen aus der Situation heraus: Ich habe Zeit. Keine Pflichten mehr. Ich liebe Reisen, bin mein ganzes Leben lang im eigentlichen wie im übertragenen Sinne eine Reisende gewesen. Zum anderen bin ich mehr als zwei Jahrzehnte mit Leib und Seele Gemeindepfarrerin gewesen, habe Menschen seelsorglich begleitet, Gottesdienste und Andachten gehalten, Gruppen geleitet, KiTa-Kinder, Konfirmanden, jüngere und alte Menschen wie auch Trauernde begleitet, Ehrenamtliche gewonnen. Alles Erfahrungen, die sich gut mit Bordseelsorge verbinden lassen, diesem speziellen Teil von Urlauberseelsorge. An Bord würde ich weiterhin als Pfarrerin arbeiten können mit einer Gemeinde auf Zeit. So betrachtet, passt Bordseelsorge perfekt zu meiner Situation und Profession.

Doch bevor ich mich endgültig entscheide, muss ich für mich selbst zwei Fragen klären. Erstens: Muss es denn ein Kreuzfahrtschiff sein? Diese Dreckschleudern, die die Umwelt verpesten? Die ökologische Kritik an dem boomenden Kreuzfahrt-Tourismus ist mir natürlich bekannt. Sie hat ihre Berechtigung, besonders, wenn sie von Menschen geäußert wird, die kein Auto fahren, die nicht fliegen und deren Lebensstil auch sonst einem ökologisch vertretbaren Standard entspricht. Davon wiederum kenne ich nur ganz wenige – ich kenne viel mehr von den anderen ... Dennoch ist die kritische Anfrage nicht einfach vom Tisch zu wischen. Bis zu einem gewissen Punkt teile ich sie, halte mich aber trotzdem offen dafür, im Auftrag der Kirche an Bord kleinerer Kreuzfahrtschiffe zu gehen. Das sind Schiffe mit einer Passagierkapazität zwischen 400 und 800 Personen und keineswegs diese kolossalen schwimmenden Megahotels, die Städte wie Venedig in besonderer Weise, aber auch die touristische Infrastruktur ganzer Regionen gefährden. Die Schiffe fahren, sie fahren auch ohne mich, und so entschließe ich mich, Menschen auch bei dieser umstrittenen Form des Reisens seelsorglich zu begleiten. Ein Rest bleibt, auch in mir.

Meine zweite Frage ist: Muss es denn Seelsorge an Wohlhabenden sein? An denen, die sowieso auf der Sonnenseite des Lebens stehen? Die Antwort fällt mir hier leichter: Warum nicht? Steht ihnen nicht auch pastorale Begleitung zu? Die Gleichung „hier die Reichen“ und „da die Armen“ geht nicht einfach auf. Wo ist die Grenze? Viele von uns sind wirtschaftlich gut gestellt, auch wenn sie nicht zu den Reichen gehören. Auch Wohlstand ist relativ. Wer ohne Mühe an dem partizipieren kann, was das Leben reich macht, der oder die ist reich. Vermögend in dem Sinne, dass man vieles möglich machen kann. Ich denke an Kino, Theater, Literatur, gut essen, reisen. Wer finanziell sorglos leben kann, eine schöne Wohnung hat und sich gut kleiden kann, der ist reich. Wissen wir so genau, wie die Leute, die sich eine noble Kreuzfahrt erlauben können, leben und arbeiten? Wissen wir, ob sie nicht von ihren Mitteln abgeben, in großem Umfang spenden, gesellschaftlich Verantwortung übernehmen?

Nachdem ich mir zu diesen beiden Fragen eine Haltung erarbeitet habe, lasse ich mich verbindlich auf Bordseelsorge auf Kreuzfahrtschiffen ein. Viel später auf einer Kreuzfahrt treffe ich einen Mann, der mich sehr beeindruckt. Ich spreche auf seiner Urlaubsreise viel mit ihm, erfahre seine persönliche Geschichte, die geprägt ist von dem, was wir leicht unter „Schicksalsschläge“ verbuchen. Traurig. Beruflich ganz klein angefangen, hat er Karriere gemacht, es zu einem Vermögen gebracht, das ihn das ganze Jahr lang auf Kreuzfahrtschiffen um die Welt reisen lassen könnte. Macht er aber nicht. Seit er im Ruhestand ist, engagiert er sich ehrenamtlich in einer Evangelischen Diakonischen Einrichtung und ist derzeit in großem, verantwortungsvollem Stil mit Flüchtlingsarbeit befasst. Meine seelsorgliche Zuwendung auf einer Kreuzfahrt-Reise zum Nordkap tut diesem Mann wohl. Nach der Begegnung mit ihm denke ich erst recht: Wir sollten das eine tun, ohne das andere zu lassen. Das scheint mir eine angemessene Einstellung zu sein. Schwarz-weiß-Denken hilft nicht, die Welt ist komplizierter.

Neben solchen Grundsatzfragen steht für mich auch noch eine Begriffsklärung auf der Tagesordnung, nämlich die nach der Bezeichnung „Kreuzfahrer“. Wir hören und gebrauchen diesen Begriff heute im modernen Sinne des Kreuzfahrt-Tourismus. Wer aber historisch und kritisch denkt, dem kommen natürlich die Kreuzzüge seitens des christlichen Abendlandes zwischen Ende des 11. bis zum 13. Jahrhundert in den Sinn. „Kreuzfahrer“ steht als Wort zuallererst für „Teilnehmer an einem Kreuzzug“. Ich kann „Kreuzfahrer“ wie „Kreuzfahrten“ begrifflich nicht völlig von dieser unrühmlichen Geschichte ablösen. So habe ich mich entschlossen, den Begriff „Kreuzfahrer“ zu meiden und stattdessen von „Kreuzfahrt-Touristen“ oder „Kreuzfahrt-Passagieren“ zu sprechen, und hoffe, Menschen für diesen Sprachgebrauch sensibilisieren zu können.

Nach meinem ganz persönlichen Annäherungs- und Klärungsprozess sind für mich die Würfel gefallen: Ich beginne, mich mental wie praktisch auf meinen ersten Bordseelsorge-Einsatz vorzubereiten. Das heißt erst einmal Schreibtisch- und PC-Arbeit zu Hause vor Beginn der Reise. Grundsätzlich sind Andachten, Gottesdienste, Vorträge vorher zu erarbeiten. Sie gehören ins Reisegepäck und werden auf dem Schiff dem Verlauf und der Situation entsprechend passend gemacht. Diese Vorarbeit ist zeitaufwendig. Ein wenig stochert man vor jeder Tour im Dunkeln. Es ist nicht von vornherein klar, was auf einer Kreuzfahrt wirklich gewünscht wird. Einmal habe ich alle vorbereiteten Vorträge mit Freude gehalten und gute Resonanzen darauf bekommen. Ein andermal blieben alle Vorträge ungenutzt im Gepäck, weil der zuständige Entertainment-Manager mich ausschließlich für pastorale Kernaufgaben wie Gottesdienste, Andachten und Seelsorge einteilte. Ich habe auch erlebt, dass während des Besuchs einer Griechisch-Orthodoxen Kirche einige Gäste nach Basiswissen zur Orthodoxie fragten. Meine kirchengeschichtlichen Seminare lagen weit hinter mir, aber nicht zufällig hatte ich dazu einige passende Bücher im Gepäck. So setzte ich mich spontan hin und erarbeitete an Bord „Zugänge zur Orthodoxie“. Das hat mich zwar eine halbe Nacht und mehr gekostet, aber die Gäste hat es gefreut, und ich selbst nutzte die Gelegenheit, altes Wissen aufzufrischen. So oder so – die Arbeit beginnt zu Hause, viel später erst heißt es: Leinen los! Dazu aber muss ich auch erst einmal den Hafen erreichen.

Chaos und Cruise

Eine turbulente Anreise zum Schiff – zwei Welten so nah und so fern

Bei Lauenburg bleibt der Zug stehen. Durchsage: „Wegen einer Demonstration am Hamburger Bahnhof ist der Zeitpunkt der Weiterfahrt momentan unbestimmt.“