Skorpionfisch - Nicolas Bouvier - E-Book

Skorpionfisch E-Book

Nicolas Bouvier

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Beschreibung

Im Anschluss an die Reise von Genf nach Afghanistan (»Die Erfahrung der Welt«) durchquert Nicolas Bouvier in seinem Fiat Topolino den indischen Subkontinent und lässt sich im März 1955 vorübergehend auf Ceylon nieder. Unverhofft wird die Etappe zum Moment des Innehaltens. Er ist einsam und geschwächt, zudem träge vom feuchtheißen Klima der Insel, doch seine Sinne für die Wahrnehmung der Umgebung sind geschärft: Die Reise wird zur geistigen Gratwanderung eines Mannes, der - hin- und hergeworfen zwischen Faszination und Schrecken - die magischen Phänomene der Schatten- und Insektenwelt Ceylons zu erfassen sucht. In der lichtdurchfluteten Sprache Bouviers verwandelt sich die tropisch-dumpfe Schwere in ein schillerndes Wunder. »Skorpionfisch« ist die fesselnde Auseinandersetzung eines weitgereisten, scharfsinnigen Schriftstellers mit den Grundsätzen menschlichen Daseins, eine »Meditation über unsere Wahrnehmung der Welt« (The New York Times). Neue Dokumente, Briefe und Fotos geben unerwartete Einblicke in die Entstehung dieser hochverdichteten Prosa: Das verlangt auch nach einer neuen Übersetzung.

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Seitenzahl: 224

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Der Übersetzer

Stefan Zweifel, geboren 1967 in Zürich. Studium der Philosophie, Komparatistik und Ägyptologie in Zürich. Übersetzte zusammen mit Michael Pfister Justine und Juliette in zehn Bänden von Marquis de Sade sowie Werke von Boris Vian, Alfred Jarry und Jacques Chessex. Darüber hinaus Kurator, Journalist und Literaturkritiker (seit 2007 im Literaturclub des Schweizer Fernsehens). Wurde 2009 mit dem Berliner Preis für Literaturkritik und 2011 mit dem Anerkennungspreis für Übersetzungen der Dialog-Werkstatt Zug ausgezeichnet. Lebt in Zürich.

Der Übersetzer dankt der Bibliothèque de Genève und Barbara Prout von der Manuskriptabteilung, wo Nicolas Bouviers Archiv betreut wird, sowie Eliane Bouvier für ihre Grossherzigkeit.

Titel der französischen Originalausgabe:

Le Poisson-Scorpion

Copyright © 1981 by Nicolas Bouvier

E-Book-Ausgabe 2012

Copyright © der deutschen Übersetzung

2011 by Lenos Verlag, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Satz und Gestaltung: Lenos Verlag, Basel

Cover: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

Coverbild: Bibliothèque de Genève, Jean-Jacques Rifaud

www.lenos.ch

ISBN EPUB-E-Book 978 3 85787 503 8

Inhalt

I. Kap der Jungfrau

II. Der Zöllner

III. Galle

IV. Die hundertsiebzehnte Kammer

V. Die Hauptstadt

VI. Der Bus 49

VII. Schweigezone

VIII. Indigo Street

IX. Vier Körner Nieswurz

X. Skorpionfisch

XI. Saat des Sonderbaren

XII. Heute Abend in diesem Theater

XIII. Von einem, der klein war …

XIV. Huldigung an Fleming

XV. Kirke

XVI. Padre

XVII. Der Herr Gesellschafter

XVIII. Die Erinnerung kehrt zurück

XIX. Heute Morgen …

XX. Der letzte Zauberer

Fragmente aus der Schweigezone oder Ceylon, eine Anti-Reise

Bilddokumente

Ausbruch aus der Schweigezone: Nicolas Bouviers Ringen um Form

Kürzel der benutzten Vorlagen

Schreib-Exorzismen aus Nicolas Bouviers Nachlass

Magie und Musik. Anmerkungen zur Übersetzung

Für Eliane

Thomas

Manuel

und für Claude Debussy,

diese uralte Geschichte

Man kann doch nicht dauernd

kommen und gehen

und einfach schweigen.

Kenneth White

I

Kap der Jungfrau

Das Eine wurde von der Hitze geboren. In ihm erwachte die Liebe, erster Same des Denkens.

Rigveda

Die Sonne und ich waren schon lange wach, da erinnerte ich mich, dass heute mein Geburtstag war, und daran, dass ich am Abend zuvor, als ich durch den letzten Basar kam, eine Melone gekauft hatte. Die machte ich mir zum Geschenk, schmatzte sie bis zur Schale ab und wusch mein verschmiertes Gesicht mit dem bisschen Tee, der in meiner Kürbisflasche übrig geblieben war.

Geschlafen hatte ich, fest und tief, gleich neben dem Auto unter einem einsamen Buddhabaum, dahinter gelbe Dünenhügel, die die Adamsbrücke gürten, und die Maserung des Meeres, von weissen Schäfchen überzogen. Die Fahrt durch Indien hinunter – ein Wunder. Heute also würde ich diesen Kontinent, den ich so sehr liebte, verlassen. Der Morgen war voller Vorzeichen und leichter als eine Luftblase. Auf all seine Anträge gab es nur eine Antwort: Ja. Wie mit fremder Hand packte ich meine Sachen und betrachtete die schmalen schwarzen Silhouetten in ihren karmesinroten Lumpen, wie sie sich rund um eine kleine Mühle für Zuckerrohr zu schaffen machten, ein Steinwurf nur von meinem Biwak. Ein Mädchen in einem Sarong von gleichem Rot brachte ihnen gerade ihr Essen. Da machte ich mit meiner Hand ein Dach, um ihre prächtigen Brüste, nackt, im Gleissen des Lichts zu sehen. Trotz der Brandung hörte ich, wie sich warme Stimmen überschlugen, und das Knirschen hölzerner Walzen. Die Zeit war aufgehoben. In diesem lieblichen Geflirr von Stimmen, Glitzern und bunttanzenden Schatten lag eine erhabene und flüchtige Vollkommenheit, eine Musik, die mir vertraut war. Leier des Orpheus, Flöte von Krishna. Sie erklingt, wenn die Welt in ihrer durchsichtigen und schlichten Urtümlichkeit erscheint. Wer sie hört, und sei es ein einziges Mal, bleibt für immer verwundet.

Sechzig Kilometer vor dem Kap bricht die Strasse einfach so mitten im Sand ab, als wäre alles gesagt. Da gewahrt man einen Holzverhau, der nicht wirklich wie ein Bahnhof ausschaut und auch in keinem Führer erwähnt wird. Davor ein kleiner Zug in Decauville-Spur, ganz aus hartem Holz und Messing und wie ein alter Kochkessel von den Händen, Hintern und kleinen Zigarren der Reisenden dumpf und dunkel gescheuert. Ganz schwarz auch meine Nachbarn: Parias, die als Gastarbeiter zu den Pflanzungen der Insel hinunterfuhren, zwischen ihren Bündeln aus beblümtem Baumwolltuch kauernd, das Gesicht von ihren gestelzten Beinen eingerahmt. Da ich kaum Raum brauchte und keines ihrer Pakete zerdrückte, fragte mich der Kühnste von ihnen auf Englisch, ob ich ein Inder aus Nepal sei. Grosses, grosses Indien – siebzehn Alphabete, mehr als dreihundert Dialekte –, wer will sich da noch auskennen. Glänzend braun war ich, salzig wie ein Fladenbrot, ein wenig schrumpelig auch von der Gelbsucht. Noch bevor ich antworten konnte, hatten sie mich bereits vergessen. Sie setzten alle das gleiche geheuchelte und gefügige Lächeln auf, wegen der Grenze, die näher kam und die sie mit ihren abgelaufenen Papieren passieren mussten, schwarz gehandelt und von Schweiss gegerbt. Bei der Endstation am Kap der Jungfrau strebten sie in Viererkolonnen Baracken entgegen, die in der Mittagshitze dampften. Ich stand mit ihnen an, um meinen Pass abstempeln zu lassen. Den Hals ausrenkend, sah ich im blauen Schatten eines Hangars, wie ein tamilischer Pfleger damit beschäftigt war, die Herde mit einer skalierten Spritze zu impfen, dickbäuchig wie ein Schoppen. Bei jedem Kunden wechselte er die Nadel und verabreichte dem Opfer seine Dosis. Ohne Spritze kein Visum. Ich brauchte zwar keine mehr, aber lieber eine Impfung zu viel als ein Wortgefecht mit einem südindischen Funktionär. Sei’s wegen der Farbe meiner Augen, sei’s aus Angst, ich könnte mich nachher beschweren, der Pfleger meinte es gut mit mir: die dreifache Dosis. Ob Serum oder Geld, wer hat, dem wird gegeben. Mindestens zehn Jahre immun! Wogegen?, daran verschwendete ich keinen Gedanken. Ich hatte zwei Jahre Reiserouten in den Venen, und das Glück machte mich zum Gecken. Ich musste noch viel lernen. Sanft und sachte.

Die Prospekte versprechen, das Eiland sei ein Smaragd am Hals des Subkontinents. Einstiges Arkadien viktorianischer Hochzeitsreisen. Paradies für Insektenforscher. Preisgünstige Gelegenheit, um den »Grünen Blitz« zu sehen.

Mag sein. Aber dreitausend Jahre vor Baedeker war man, wie früheste Rituale der Arier bezeugen, weit mehr auf der Hut. Die Insel ist ein Hort für Magier, Zauberer, Dämonen. Eine russgeschwärzte Gemme, unter dem Einfluss schlimmer Planeten aus der Tiefe des Ozeans geschwemmt. Fällt ihr Name in einer Beschwörung, wird er behutsam eingeleitet und von folgender Formel gefolgt:

Ihr Gifte der Muräne

Des Ichneumons

Und des Skorpions

Gegen Süden gewandt

Dreimal mach ich euch zu Wasser.

Das werden wir ja sehen.

II

Der Zöllner

Die Erdstrasse nach Murunkan schlängelt sich zwischen Bewässerungsbecken hindurch, die noch von den alten Dynastien angelegt worden sind. Die Bäume, die diese kuriose Komposition aus Zisternen und Schleusen einst in Besitz nahmen, sind längst abgestorben, und heute winken ihre glattpolierten Skelette über dem schwarzen Gewässer. Da und dort flirrt der malvenfarbene Fleck einer Bougainvillea im Mittagsdunst. Etwas wenig für ein Landschaftsgemälde: weithin verstreute Spiegelflächen, zersplittert und trüb, in Schweigen versunken, das wirkt mehr wie eine Gedächtnislücke oder wie ein Finger, den man an unsichtbare Lippen legt.

Wegen der Fahrrinnen rollte ich nur langsam voran. Auf den bemoosten Steinen hoben Wasserschildkröten ihre platten Schädel, um dem Wagen nachzuschauen. Die Strasse lag fast ganz verlassen da. Binnen einer Stunde begegnete ich nur gerade einem abgemergelten Bauern, der auf dem Randstreifen dahintrottete, die Zehen zum Fächer gespreizt, eine grüne Frucht auf dem Kopf, deren Geruch so grässlich und deren Wuchs so gewaltig war, dass man sich fragte, ob es sich um plumpes Blendwerk oder um ein Theaterrequisit handelt. Hatte ich mich verfahren? Ich wollte gerade wenden, da sah ich durch den Schleier von Schweiss, der in meinen Augen brannte, einen silbernen Blitz, langhin, er ging von einer mächtigen Silhouette aus, die mitten im Weg aufragte: ein fetter Kerl, ganz ausser Atem, Haarbüschel standen ihm aus den Ohren, doch die Zöllneruniform war perfekt gebügelt. Rollenden Auges fragte er mich, ob ich nach Negombo unterwegs sei. Unterm Arm trug er einen Schwertfisch mit fangfrischen Augen, so schwer, dass seine Knie wankten und er ihn, ohne meine Antwort abzuwarten, hinten im Wagen verstaute. Dort verwahrte ich ein grosses nepalesisches Messer, das er ungeniert durch seine Finger gleiten liess.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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