Sneshnoje - Peter Schmidt - E-Book

Sneshnoje E-Book

Peter Schmidt

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Beschreibung

Manchen Menschen geht es wie Werner. Je länger die Eltern nicht mehr da sind, desto drängender werden oft die Fragen, die man ihnen noch gerne gestellt hätte. Gerade, wenn sie, wie Werners Eltern der Weltkriegsgeneration angehörten oder Kriegsteilnehmer waren, wurden nach Kriegsende viele Fragen, Themen Erlebnisse und Begebenheiten zumindest den Kindern gegenüber nicht erwähnt oder unter den Teppich gekehrt. In dieser Geschichte kommt es zur klärenden Begegnung zwischen Sohn und Vater, obwohl dieser schon längst verstorben ist.

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Seitenzahl: 28

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Peter Schmidt

Sneshnoje

Eine Erzählung

© 2018 Peter Schmidt

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7469-3624-6

Hardcover: 978-3-7469-3625-3

e-Book: 978-3-7469-3626-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

In Erinnerung an meine Eltern

Die steile Bergfahrt zum Kehlsteinhaus ist atemberaubend und spektakulär. Laut schwatzend und fotografierend tobt im Bus eine asiatische Reisegruppe. Von der Endstation führt der Weg durch einen feuchten, tropfenden Stollen mitten ins Innere des Berges. Es riecht muffig. Am Ende des Weges wie ein goldener Käfig der blank polierte, mit Messing ausgekleidete Fahrstuhl zur Auffahrt mitten ins Foyer des Teehauses auf dem Gipfel. Das 30 Millionen Reichsmark teure Geburtstagsgeschenk der Partei zum 50. Geburtstag. Doch der Führer liebte das Haus nicht, besuchte es selten, weil er sich dort oben fürchtete. Anfangs vor Blitzschlag. Später vor Bombenangriffen der Alliierten.

Auf der Terrasse kaum freie Plätze. Werner ergattert einen Tisch, setzt sich, bestellt zerstreut, fasziniert von der verschwenderisch schönen Landschaft, dem hinreißenden Panorama, das von der Westwand des Hohen Göll über den Königssee, hinüber zu Watzmann, Hochkalter und Untersberg reicht. Wundert sich, dass die Bergdohlen trotz wenig artgerechter Dauerfütterung durch die Touristen aus aller Herren Länder noch immer im Stande sind, behände Flugmanöver auszuführen.

Wie der Herr mit kleiner, dünner Stimme fragt, ob gegenüber noch Platz sei, schreckt Werner kurz hoch aus seiner Hingabe. Er sah ihn überhaupt nicht kommen. Auch im Bus, im Fahrstuhl oder im Haus selbst ist ihm der Mann nicht aufgefallen. Er sei alleine, haucht der, und einen ganzen Tisch nur für sich wolle er bei diesem Betrieb doch auch nicht beanspruchen. Könne ja auch gar nichts konsumieren, nur ein wenig hier sitzen, wenn´s echt ist. Ab und zu sei er hier oben, die Leute beachteten ihn gar nicht, für die Kellner sei er Luft, was ihm aber nur recht sei. Die Bedienung bringt Werners Bestellung. Seinen Tischgenossen nimmt sie überhaupt nicht wahr.

Werner ist nicht begeistert, den Tisch teilen zu müssen, sieht die Notwendigkeit aber ein und ist erst einmal dankbar, dass der Typ ihm seine Ruhe lässt. Essen und Bergpanorama nehmen ihn wieder ganz in Beschlag. Der Fremde schweigt. Als Werner sich den Mund abwischt, nimmt er, verstohlen hinter der Serviette hervorlugend, den Tischgenossen erstmals genauer in Augenschein. Der ihm da gegenüber sitzt, ist ein älterer Mann. Ein alter Herr, um genau zu sein. Ein wirklich sehr alter Herr mit faltigem, fahlem Gesicht, das schon länger keine Rasur mehr erlebt hat. Die wenigen langen, silbergrauen Haare streng nach hinten gekämmt. Unter einem hellbraunen Blouson ein kleinkariertes Flanellhemd, der oberste Kragenknopf geschlossen. Eine dicke Hornbrille mit starken Gläsern lässt die Augäpfel grotesk übergroß erscheinen und einer Vogelscheuche gleich flattert eine farblich undefinierbare Cordhose um seine Beine. Der Mann ist barfuss, seine Klamotten riechen nach Mottenkugeln. Werner überlegt, ob er dem seltsamen Greis ein Bier, vielleicht etwas zu essen spendieren oder einfach ein paar Münzen zustecken soll.