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Beschreibung

Unser ganzer Körper – ob innen oder außen – ist mit Bakterien und anderen Mikroorganismen besiedelt. Sie leben auf den Händen, der Zunge oder im Darm und scheinen mehr Einfluss auf unsere Gesundheit zu haben, als wir bislang angenommen hatten. Die Entschlüsselung des mikrobiellen Erbguts – Mikrobiom genannt – gilt als einer der letzten großen weißen Flecken der Forschung. Lesen Sie in dieser Ausgabe, welche Krankheiten in Verbindung mit dem Mikrobiom stehen und wie die richtigen Bakterienkulturen bei der Therapie helfen können.

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EDITORIAL

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Judith MerkeltE-Mail: [email protected]

Liebe Leserin, lieber Leser,

unser ganzer Körper – ob innen oder außen – ist mit Bakterien und anderen Mikroorganismen besiedelt. Sie leben auf den Händen, der Zunge oder im Darm und scheinen mehr Einfluss auf unsere Gesundheit zu haben, als wir bis lang angenommen hatten. Die Entschlüsselung des mikrobiellen Erbguts – Mikrobiom genannt – gilt als einer der letzten großen weißen Flecken der Forschung. Lesen Sie in dieser Ausgabe, welche Krankheiten in Verbindung mit dem Mikrobiom stehen und wie die richtigen Bakterienkulturen bei der Therapie helfen können.

Eine spannende Lektüre wünscht

Erscheinungsdatum dieser Ausgabe: 27.06.2016

INHALT

MIKROBIELLE AURA

Unsere Mikroorganismen sind wie ein einzigartiger Fingerabdruck

DER DARM

Das Organ der Superlative

DARM-HIRN-ACHSE

Wenn der Bauch das Gehirn krank macht

HIRNFORSCHUNG

Die Darm-Hirn-Achse

DARMFLORA

Sagen uns Darmbakterien, wann wir satt sind?

NEUER FORSCHUNGSANSATZ

Nützliche Viren im Darm

FETTLEIBIGKEIT

Übergewicht durch Darmflora

STUHLTRANSPLANTATION

Kotkapseln helfen bei Durchfallerkrankungen

ORALES MIKROBIOM

Rauchen verändert die Mundflora

DIE MIKROBIOM-KARTE

Eine Welt voller Bakterien

MIKROBIOMSTUDIEN

Vielfach falsch analysiert?

KAISERSCHNITT

Eine Extraportion mütterlicher Bakterien

KNUTSCH-STUDIE

Zur Ehrenrettung des Kusses

NACHGEFRAGT

Besteht der Mensch aus mehr Bakterien als Körperzellen?

MIKROBIELLE AURA

Unsere Mikroorganismen sind wie einEINZIGARTIGER FINGERABDRUCK

von Sandra Heß

Jeder Mensch beherbergt Millionen Mikroorganismen. Jetzt haben Forscher herausgefunden, dass jeder seine eigene, sogar zuordenbare mikrobielle Aura besitzt.

Mikroorganismen sind überall: in uns, auf uns und um uns herum. Forschern der University of Chicago ist es gelungen, diese Mikroben ganz gezielt einer Person zuzuordnen: »Wir konnten ziemlich präzise vorhersagen, ob eine Person in einer Wohnung war beziehungsweise wie lange sie schon weg ist«, sagt Jack Gilbert, Leiter der Studie. Gilberts Team untersuchte die Zusammensetzung unserer mikrobiologischen Aura und wie wir dieses Ökosystem an Kleinstlebewesen überall verteilen: im Büro, im Hotel im Urlaub und natürlich in unserer Wohnung. Ein paar Stunden Aufenthalt reichen aus, und unsere Mikroorganismen sind ebenfalls angekommen.

Insgesamt sechs Wochen lang haben die Wissenschaftler des Home Microbiome Project das mikrobielle Ökosystem von sieben Familien überwacht. Faszinierenderweise fanden sie in jedem der Häuser unterschiedliche mikrobielle Auren – jede Wohngemeinschaft hatte auch ihre eigene Gemeinschaft an Mikroorganismen; einen mikrobiellen Fingerabdruck sozusagen. Die Forscher waren sogar in der Lage, Familienmitglieder anhand ihrer Mikroaura dem richtigen Haus zuzuordnen. Dabei sind die Mikroben der Hände bei allen Familienmitgliedern recht ähnlich, während sich das Ökosystem der Nase bei einzelnen Individuen deutlich unterscheidet.

MIKROORGANISMEN SIND ÜBERALL

Nach dem Umzug von drei Familien in ein neues Heim waren auch schon nach wenigen Stunden die gleichen Mikroorganismen wie in der alten Wohnung eingezogen. Das verrieten die Proben von Nase, Händen und Füßen der Studienteilnehmer; außerdem von Türgriffen, Oberflächen oder Böden der Wohnung. Die gefundenen vier Millionen DNA-Schnipsel wurden sequenziert, den entsprechenden Mikroben zugeordnet und mit verschiedenen statistischen Tricks für Verteilungen und Netzwerke analysiert.

Unser mikrobieller Fingerabdruck kommt und geht mit uns, und das sogar vorhersehbar. Das könnte auch für die Forensik interessant werden. Handschuhe wären dann kein Schutz mehr vor dem Hinterlassen des (mikrobiellen) Fingerabdrucks. Zudem hat unsere mikrobiologische Aura auch Einfluss auf unsere Gesundheit. Es ist schon länger bekannt, dass das Mikrobiom die Entstehung von Allergien oder Übergewicht beeinflussen kann.

(Spektrum.de, 29. August 2014)

Science, 10.1126/science.1254529, 2014

DER DARM

Das Organ derSuperlative

von Ulrike Gebhardt

Außergewöhnliche Kompetenz auf sechs Metern: Der Darm beeinflusst uns und unsere Psyche in einer Weise, die man noch vor Kurzem für unvorstellbar hielt.

Wenn Michael Schemann ein zehn Zentimeter langes Darmstückchen in eine Petrischale mit Nährlösung legt und ihm etwas zu tun gibt, dann arbeitet der Darm. »Das Stückchen zappelt vor sich hin, um kleine Kotklümpchen von vorne nach hinten zu transportieren«, sagt Schemann, Leiter des Lehrstuhls für Humanbiologie an der Technischen Universität München. Sein Team führt Laborexperimente am menschlichen Darm durch, um zum Beispiel besser zu verstehen, was bei einem Reizdarmsyndrom falsch läuft.

Dass der Darm auch außerhalb des Körpers für Tage oder sogar Wochen arbeiten kann, liegt an seiner einzigartigen Ausstattung mit Nervenzellen. Diese Neurone seien die einzigen außerhalb des Gehirns, die komplett autonom sind und keine Anweisungen von oben bräuchten, erklärt Schemann. »Eine Lunge würde nicht atmen, eine Leber nicht entgiften, eine Niere nicht entwässern. All diese Organe brauchen die Befehle des zentralen Nervensystems. Der Darm hat sein eigenes«, sagt der Spezialist für Neurogastroenterologie.

Einmalig: Das Darmhirn

Das Nervensystem des Darms, auch enterisches Nervensystem genannt (ENS), wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt. Wie in einem Sandwich sind die Nervengeflechte zwischen die Muskelschichten des Darms und in die Schleimhaut eingebaut. Das Darmhirn oder auch »zweite Gehirn«, wie es wegen seiner Größe und Komplexität genannt wird, besteht aus etwa 100 Millionen Nervenzellen. Diese sind auf molekularer Ebene genauso ausgestattet wie die Neurone des Gehirns, können etwa die gleichen Neurotransmitter ausschütten.

»Was dem Darmhirn fehlt, ist die dreidimensionale Struktur. Und: Mit dem Darm können sie nicht denken«, sagt Michael Schemann. Zu denken braucht der Darm aber auch nicht, das ENS hat anderes zu tun: Es reguliert die Vorwärtsbewegung im Darm, die Ausschüttung von Verdauungsenzymen, die Aufnahme von Nährstoffen über die Darmwand, den Blutfluss und die Barrierefunktion der Darmwand. Allerhand Aufgaben, doch woher weiß der Darm, was er zu tun hat?

Dass es mit dem Darminhalt voran und vor allem in die richtige Richtung geht, verdanken wir einer Untergruppe von Nervenzellen, den Mechanosensoren. Wenn die Überreste des Mittagessens den Darm dehnen, reagieren diese Sensoren und aktivieren motorische Neurone. Als Folge zieht sich die Muskulatur am betreffenden Darmabschnitt zunächst zusammen und erschlafft dann wieder, der Nahrungsbrei bewegt sich.

»Das Ganze läuft aber nicht stereotyp ab wie bei einem Kniereflex, sondern viele zusätzliche Einflussfaktoren bestimmen mit, was im Darm passiert«, sagt Schemann. Neben den Mechanorezeptoren gibt es in der Darmwand Sensoren, die auf Nährstoffe, und solche, die auf Entzündungssignale reagieren. Ebenfalls kräftig mit mischt das vegetative Nervensystem, das den gesamten Körper durchzieht, aber stärker vom Gehirn gesteuert wird. Auch seine Signale beeinflussen die Darmtätigkeit. Man denke nur an die Stunden vor der Reise, die den Urlauber mit Flugangst immer wieder auf das stille Örtchen treiben. In der Regel funktioniert unser Darmhirn unauffällig und sorgt dafür, dass wir mit dem Lebensnotwendigen versorgt, von Unnützem oder sogar Gefährlichem jedoch rasch wieder befreit werden.

DARM UND HIRN SPRECHEN MITEINANDER ...

... und zwar auf vielfältige Weise. Gerät das System aus dem Tritt, können Verdauungsstörungen die Folge sein.

Manchmal kann es aber auch sehr unangenehm werden. Besonders wenn das Nervengeflecht im Verdauungstrakt nicht richtig funktioniert. Je nachdem, welcher Bereich betroffen ist, kommt es zu Schluckstörungen, Aufstoßen, einer verzögerten Magenentleerung, heftigen Bauchschmerzen, Verstopfung, Durchfall oder einer Stuhlinkontinenz.

Der Darm – eine XXL-Herberge

Der Darm erfordert die absolute Aufmerksamkeit des Immunsystems. Kein Wunder also, dass hier etwa zwei Drittel sämtlicher Immunzellen des Körpers untergebracht sind. Gefährliche Erreger und Moleküle, die den Verdauungstrakt passieren, müssen abgefangen und beseitigt werden. Gleichzeitig soll die Körperabwehr lernen, tolerant gegenüber der Fülle an Mikroorganismen zu sein, die den Darm in friedlicher Gemeinschaft mit dem Wirt bewohnen. Denn nur rund zehn Prozent der Zellen im menschlichen Körper sind tatsächlich menschlich. Den Rest stellen Mikroorganismen, die vor allem den Darm besiedeln. Die Gesamtheit dieser Mitbewohner, das Mikrobiom, wiegt bei einem Erwachsenen etwa ein bis zwei Kilogramm.

Kaum ein Forschungsgebiet wird zurzeit mit so großer Aufmerksamkeit verfolgt wie die Mikrobiomforschung. Die Gemeinschaft der Mikroorganismen (Bakterien, Hefen und bakterienbefallende Viren, die Bakteriophagen) entpuppte sich als wesentlicher Mitspieler im gesunden und kranken Organismus. Das fängt zunächst einmal recht praktisch direkt vor Ort an. Mikroorganismen im Darm können Bestandteile der Nahrung verwerten, die ansonsten unverdaulich wären. Dabei entstehen viele Produkte wie zum Beispiel kurzkettige Fettsäuren. »Diese decken schätzungsweise fünf bis zehn Prozent des menschlichen Gesamtbedarfs an Energie«, sagt Isabelle Mack von der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen.

Darmbakterien wirken über den Darm hinaus

Die Ernährungswissenschaftlerin untersucht in der »MICROBIAN«-Studie die Zusammensetzung des Darmmikrobioms bei Patientinnen mit Magersucht. »Es ist nicht bekannt, ob die Darmflora schon vor dem Ausbrechen der Krankheit verändert ist, ob sie schlicht den aktuellen Ernährungszustand wiedergibt und ob sie sich mit der Normalisierung des Körpergewichts und des Essverhaltens verändert«, sagt Mack. Noch befindet sich die Studie an 50 Patientinnen und ebenso vielen Kontrollpersonen in der Auswertungsphase.

Sollte sich das Mikrobiom der Patientinnen tatsächlich klar von demjenigen der Kontrollgruppe unterscheiden, könnte das praktische Folgen für die Behandlung haben. Laut Mack lassen sich so möglicherweise Arzneimittel entwickeln, die fehlende Mikroorganismenstämme ergänzen oder fördern. Ein solches Pro- oder Präbiotikum könnte dann zusätzlich zur konservativen Therapie eingesetzt werden, um Probleme im Verdauungstrakt zu verbessern und die Gewichtszunahme zu unterstützen, sagt die Forscherin.

Als gesichert gilt, dass die Art der Ernährung die Zusammensetzung des Mikrobioms bestimmt. Wer sich etwa hauptsächlich von stark verarbeiteten Produkten ernährt, hat eine geringere Bakterienvielfalt als derjenige, der meist selbst kocht und häufig zu Obst und Gemüse greift. »Durch eine Ernährungsumstellung lassen sich recht schnell Erfolge erzielen«, sagt Peter Holzer vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz. Es gebe Hinweise aus wissenschaftlichen Studien, dass sich dies nicht nur auf die Bakteriengemeinschaft oder das Körpergewicht, sondern sogar auf das Verhalten, die Stimmung und das Denkvermögen auswirken könnte, so Holzer.

»Durch eineErnährungsumstellunglassen sich recht schnellErfolge erzielen«

[Peter Holzer]

Stimmungsmache im Darm