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Ein packender Mystery-Krimi, der unter die Haut geht. In der Vorfreude auf einen unbeschwerten Abend schließt sich Cordelius Bley einer Spielerunde im alten Pulverturm an. Doch schon bald wandelt sich seine Vorfreude in pures Grauen. Der Tod spielt mit.
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Seitenzahl: 70
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Charlie Meyer
Spiel und Stirb
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Spiel und Stirb
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Impressum
Spiel und Stirb
Bist du bereit für einen Spieleabend der ganz besonderen Art?
Cordelius Bley starrte unbehaglich auf die Worte. Obgleich der Schein der Stehlampe hinter dem Ohrensessel seine Haut angenehm wärmte, spürte er die feinen Härchen auf seinen Unterarmen sich fröstelnd aufstellen. Etwas an dieser Kleinanzeige im Täglichen Anzeiger berührte ihn eigenartig und nicht zum Guten. Die Worte faszinierten ihn, zogen ihn unwiderstehlich in ihren Bann und stießen ihn gleichzeitig mit einer Vehemenz ab, die ihn schaudern ließ. Noch während er die Schultern hochzog, glaubte er irgendwo in weiter Ferne eine Frau schreien zu hören. Beunruhigt stand er auf und trat ans Fenster. Die Straße lag leer und dunkel unter ihm. Die Schreie jedoch hörte er noch immer, und während er mit sich haderte, was zu tun sei, schwollen sie in seinen Ohren so unvermittelt an, dass er in den Knien einknickte und die Zeitung fallen ließ.
Seine Hände zuckten hoch zu den Ohren. Er fuhr herum und starrte voll ungläubigen Entsetzens Lucys schwarz gerahmtes Foto auf dem Marmortischchen neben dem Ohrensessel an. Um des barmherzigen Heilands willen, war nicht sie es, die da in höchster Todesnot schrie? Hörte er nicht die Todesschreie einer Frau, auf die wieder und wieder eingestochen wurde? Lucys Schreie?
Als das Schreien endlich mit einem unbeschreiblichen Röcheln endete, lehnte er kreidebleich und schweißgebadet an der Wand. Am ganzen Körper zitternd ließ er sich erneut in den Ohrensessel sinken. Unmittelbar darauf angelte er, weit vorgebeugt, nach der Zeitung auf dem Boden, strich sie mit bebenden Fingern auf seinen Knien glatt und las die Anzeige noch einmal, obgleich ihm grenzenlose Furcht schier die Kehle zuschnürte: Bist du bereit für einen Spieleabend der ganz besonderen Art?
Als er sich endlich zwang, sein Schlafzimmer aufzusuchen, nahm er die Zeitung mit und legte sie auf den Nachttisch neben seinem Bett. Er duschte heiß und starrte im Anschluss lange sein Spiegelbild an. Ein schmales, markantes Gesicht mit gehetzt blickenden Augen, braune Haare, noch immer voll und ohne Geheimratsecken. Ein Wirbel in den Haaren über der Narbe, dort wo die Ärzte seinen Schädel aufgebohrt hatten.
Unruhig, in nur leichtem Schlaf, wälzte er sich auf seinem Seidenlaken, während die flackernde Leuchtreklame des gegenüberliegenden Hauses im Sekundentakt seine verzerrten Züge erhellte. Wieder träumte er von Lucy, davon, wie die Hand mit dem bluttriefenden Messer auf- und niederfuhr, immer und immer wieder. Wie jede Nacht sah er sie ihren Mund zu gellenden Schreien aufreißen, ohne, dass ein einziger Ton über ihre Lippen kam. Wie jede Nacht wollte er zu ihr laufen und sie vor ihrem Mörder beschützen und konnte doch nur hilflos auf den Knien rutschen.
Mit rasendem Herzschlag erwachte er in der ersten Morgendämmerung. Halb hinter dem Vorhang verborgen, beobachtete er, wie unten auf der Straße ein Mann mit einer Schaufel den blutigen Kadaver einer Katze vom Asphalt hob und in einer Mülltonne entsorgte, die zum Leeren am Bordstein bereitstand. Erneut glaubte er Lucy schreien zu hören, leiser diesmal, aber nicht weniger furchtbar, und am ganzen Körper bebend, wandte er sich um zu der Zeitung auf seinem Nachttischchen.
Gegen neun Uhr am nächsten Morgen wählte er die Telefonnummer in der Anzeige, und eine monotone Frauenstimme auf Band wies ihn an, sich noch am selben Abend vor dem Pulverturm der alten Befestigungsanlagen am Rande der Altstadt einzufinden. Cordelius Bleys Hände zitterten, als er den Hörer auflegte, und den ganzen Tag über schüttelten ihn in der Hitze seines Wohnzimmers fiebrige Kälteschauer. Endlich kam der Abend und mit ihm die Helle einer klaren Vollmondnacht. Damals, in der Nacht von Lucys Ermordung, hatte sich der Mond ebenfalls gerade gerundet. Niemand vermochte zu sagen, wo Lucy an jenem Abend gewesen war, nur dass sie gegen zehn oder elf Uhr nach Hause gekommen sein musste und ihr der Mörder in der Diele hinter der Haustür auflauerte. Er selbst, Cordelius, hatte in derselben Nacht schlaflos im Schein des Vollmondes auf dem Balkon des Krankenhauszimmers gestanden und, von rastloser, unbestimmter Unruhe ergriffen, über die Dächer der Stadt geblickt. Das war die Nacht vor seiner Entlassung gewesen. Die Nacht von Lucys Ermordung.
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Als das Taxi vor dem alten Pulverturm der Befestigungsanlagen am Wall stoppte, glaubte Cordelius Bley, er sei einem Scherz zum Opfer gefallen. Es gäbe gar keinen Spieleabend der besonderen Art. Der Pulverturm, den die monotone Stimme vom Anrufbeantworter genannt hatte, lag so dunkel und abweisend vor ihm, das dort mit Sicherheit nichts stattfand. Erst als er die beiden Gestalten erspähte, die im Nachtschatten des Turms unruhig von einem Fuß auf den anderen traten, schöpfte er neue Hoffnung und stieg aus.
Ein Mann mit hochgeschlagenem Mantelkragen und eine Frau im Nerz, die Pelzmütze tief in die Stirn gezogen, sahen ihm entgegen. Ihm war, als erstarb ihre Unterhaltung, als er sich ihnen näherte. Als kannten sie sich bereits, und wussten in ihm einen Neuling in der Runde. Einen Störenfried möglicherweise. Bley lächelte nervös, als er seine Mitspieler mit einem Murmeln begrüßte, die Hände tief in den Taschen seines Wintermantels vergraben. Die Frau musterte ihn ungeniert, während ihr Begleiter sich mit einem kaum verständlichen Guten Abend umwandte und den Türklopfer gegen die schwere Eichentür donnerte.
Der Schlag hallte durch die Wege der begrünten Wallanlage, die die beiden jahrhundertealten Türme der längst geschassten Wehranlagen miteinander verband. Den Pulverturm und hundert Meter weiter östlich den Schwarzen Turm, in den man im Mittelalter die Pestkranken in der Hoffnung eingeschlossen hatte, die dicken Mauern würden den Schwarzen Tod daran hindern, über die gesamte Stadt herzufallen.
Erst, als auch das Echo zwischen den Grabsteinen des nächtlichen Friedhofs hinter dem Wal verhallt war, öffnete sich mit quietschenden Scharnieren die Tür. In der Öffnung erschien, eine lodernde Fackel in der Hand, eine junge Frau, wie sie lieblicher Cordelius Bley nie zuvor gesehen hatte. Ihr bodenlanges rotes Samtkleid mit den Burgfrauenärmeln, aus denen alabasterweiße Arme ragten, war unter dem Busen gerafft, das pechschwarze Haar im Nacken locker zusammengefasst. Große dunkle Augen blickten Cordelius Bley strahlend an und ein lachender Mund mit Zähnen wie Perlen hieß ihn willkommen. Nur ihre Lippen schienen ihm unnatürlich blass. Blutleer beinahe schon, aber das mochte auch am unbeständigen Licht der Fackel liegen.
Sie folgten ihr, einer hinter dem anderen, eine steinerne Wendeltreppe mit abgetretenen Stufen hinauf, höher und höher, begleitet vom leisen Keuchen der Frau im Nerz. Nach mühseligem Aufstieg erreichten sie endlich die oberste Ebene des Pulverturms und traten durch eine schwere, knarrende und mit Eisen beschlagene Tür in einen Raum, der mit seinem dicken, unverputzten Mauerwerk nicht mehr als zehn Meter im Durchmesser maß. Er wurde von einem runden Eichentisch dominiert, den vier Lehnstühle umgaben. Im Luftzug der sich öffnenden Tür loderten Fackeln hell auf, die von Mauerhalterungen schräg in den Raum ragten und die drei verglasten Schießscharten säumten. Lange Nägel in der Tür dienten als Garderobe, und Cordelius hängte unter verlegenem Schweigen seinen Mantel auf, während seine Blicke bereits zum Tisch huschten, auf dem das Spielbrett lag. Auf eine anmutige Handbewegung ihrer Gastgeberin hin, bei der ihr weiter Samtärmel bis zum Ellenbogen umschlug, setzte man sich im Wechsel. Mann neben Frau und Frau neben Mann.
„Mein Name ist Amanda“, ergriff sie das Wort, kaum, dass die Stuhlbeine aufhörten, in abscheulichem Klagen über den Steinboden zu kratzen. Cordelius, der eben noch bei dem Geräusch das Gesicht verzogen hatte, fühlte sich unvermittelt bei Amandas leiser wohlmodulierter Stimme in einen Rausch der Verzückung versetzt. „Obgleich ich Sie, Rosemarie, und Sie, Alan, bereits aus der vorherigen Spielerunde kenne, möchte ich doch alle bitten, sich unserem Neuzugang zuliebe noch einmal vorzustellen. Der Neuling aber möge beginnen.“ Sie sprach Neuling mit einem so zarten, liebevollen Unterton aus und sah ihm so tief in die Augen, dass Cordelius Bley einen Moment lang wirklich glaubte, seine Brust möge vor Wonne zerspringen.