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Wernher von Braun

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Beschreibung

Der Mensch hat seine Nase in den Weltraum gesteckt und wird sie nicht wieder zurückziehen. Er wird von der Weltraumstation aus den Mond erreichen, auf einem Rundflug zwischen Weltraumstation und Mond die Situation für eine größere Expedition erkunden und schließlich mit drei Fernraumschiffen den Mond selbst ansteuern. Und eines Tages wird er erneut aufbrechen und mit einer gewaltigen interplanetaren Expedition auch den Planeten Mars erreichen. So die Reihenfolge der programmatischen Entwürfe Wernher von Brauns, die er hier unnachahmlich sachlich und zugleich fesselnd schildert. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 441

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Wernher von Braun

Start in den Weltraum

Ein Buch über Raketen, Satelliten und Raumfahrzeuge

Aus dem Amerikanischen von Heinz Gartmann

FISCHER Digital

Mit Beiträgen von Willy Ley

Nachwort von Heinz Gartmann

Inhalt

Der Auftakt: Bau der WeltraumstationDie Ausrüstung der WeltraumstationDie MondschiffeDie KugelkabinenDer Flug nach dem MondDer Stützpunkt auf dem MondDie Erforschung des MondesDie Fahrt zum Krater HarpalusDer Rückflug zur ErdeDer rote PlanetDas MarsprojektOperation Space LiftDie menschliche Seite des ProblemsDer Flug nach dem MarsTabellen des MarsprojektesTabelle 1: Hauptdaten des VersorgungsschiffesTabelle 2: Hauptdaten der MarsschiffeTabelle 3 Hauptdaten des LandungsflugzeugsTabelle 4 Hauptdaten des HilfsschiffesTabelle 5 Nachschuboperation („Space Lift“)Der Planet MarsNachwort • Absichten und Aussichten

Der Auftakt: Bau der Weltraumstation

In naher Zukunft wird die Erde einen neuen Begleiter am Himmel bekommen, einen bemannten, künstlichen Satelliten, den ersten Stützpunkt der Menschheit im Weltraum. Er wird von Menschen bewohnt und vom Boden aus als ein ruhig wandernder Stern erkennbar sein und doch mit unglaublicher Geschwindigkeit um die Erde kreisen, eingebettet in jene finstere Unendlichkeit außerhalb der Atmosphäre, die wir „Weltraum“ nennen.

Dieser künstliche Mond, dessen Teile mit Raketen Stück für Stück in den Raum hinausgebracht werden, wird seine Bahn wahrscheinlich in 1730 Kilometer Höhe ziehen und alle zwei Stunden einen Umlauf um die Erde vollenden. Für den „Antrieb“ wird die Natur sorgen; das genaue Gleichgewicht zwischen seiner Geschwindigkeit und der Anziehungskraft der Erde wird ihn auf seinem Kurs halten, genau wie den Mond, der durch dieselben Faktoren auf seiner Bahn bleibt. Die Geschwindigkeit, mit der sich der 75 Meter weite, radförmige Satellit fortbewegt, wird 7,08 Kilometer in der Sekunde oder 25400 Kilometer in der Stunde betragen; das ist zwanzigmal so schnell wie der Schall! Trotzdem wird diese Geschwindigkeit für die Insassen nicht spürbar sein: Die Raumstation wird ihnen wie eine völlig feste Plattform vorkommen.

Von diesem Stützpunkt aus wird der Flug nach dem Mond selbst nur noch ein Schritt sein, gemessen an den Entfernungen, mit denen wir im Weltall zu rechnen haben.

Die Wahl der sogenannten „2-Stunden-Bahn“ – statt einer schnelleren, die der Erdoberfläche näher wäre, oder einer langsameren, wie es die 29-Tage-Bahn des Mondes ist – hat einen besonderen Grund: Diese Bahn ist weit genug entfernt, um Behinderungen durch die Atmosphäre zu vermeiden, doch liegt sie noch nahe genug, um die Station zu einem überlegenen Beobachtungsposten zu machen.

Die Techniker der Station können mit eigens dafür konstruierten mächtigen Teleskopen, die mit Bildschirmen, Radargeräten und Kameras verbunden sind, Meere und Kontinente, Länder und Städte unaufhörlich beobachten. Sogar kleine Städte werden in diesen optischen Instrumenten gut zu erkennen sein. Die Beobachter im Weltraum werden sich also in der gleichen günstigen Position befinden wie ein Aufklärungsflugzeug in nur 1500 Meter Höhe.

Nichts kann ihrer Aufmerksamkeit entgehen. Da die Erde sich unter der Bahn des Satelliten weiter dreht, gelangt alle zwei Stunden ein Zwölftel ihrer Oberfläche in den Gesichtskreis der Besatzung; und in einem Zeitraum von 24 Stunden wird die ganze Erde einmal sichtbar gewesen sein.

Über Nordamerika beispielsweise würde die Raumstation die Ostküste 10.00 Uhr vormittags passieren und zwei Stunden später, nach einem vollen Umlauf um die Erde, die sich inzwischen selbst auch weiter gedreht hat, die Westküste überqueren. Während dieses einen Umlaufs käme sie im Norden bis nach Nome in Alaska und im Süden bis nach Kleinamerika in der Antarktis. Um 10.00 Uhr vormittags am nächsten Tag aber würde sie wieder über der Ostküste Nordamerikas erscheinen.

Trotz des ungeheuer weiten Gebietes, das auf diese Weise erfaßt wird, könnten besonders ausgewählte Punkte auf der Erdoberfläche bis ins Detail inspiziert werden. Die Teleskope und Kameras der Weltraumstation würden es keiner Nation mehr gestatten, Kriegsvorbereitungen für längere Zeit zu verbergen.

Luftbilder aus großen Höhen und astronomische Studien lehren uns: Dem unbewaffneten Auge wird die Erde aus einer Entfernung von 1730 Kilometer wie eine gigantisch leuchtende Kugel erscheinen. Sie wird einen ehrfurchtgebietenden Anblick bieten. Auf der Tagesseite wird die Besatzung der Raumstation blendendweiße Wolkenfelder sehen, die das Licht der Sonne reflektieren. Die Kontinente werden in allen Schattierungen von Grau und Braun hervortreten und das glänzende Blau der Meere umrahmen. Nordamerika wird ein großartiges Mosaik aus Braun, Grau und Grün sein, das sich bis zu den schneebedeckten Felsengebirgen hinzieht. Und die Polarkappe, die gerade Sommer hat, wird ein strahlendes Weiß zeigen, das viel zu hell ist, als daß man es mit dem ungeschützten Auge betrachten könnte.

Querschnitt durch die Atmosphäre der Erde und den Weltraum jenseits der Atmosphäre. Über 200 km Höhe ist die Luft so dünn, daß sie einem fliegenden Körper keinen Widerstand mehr entgegensetzt. Dort beginnt also der Weltraumflug.

Auf der Nachtseite aber werden die Weltstädte als glitzernde Lichtpunkte sichtbar. Umgeben vom Dunstkreis ihrer Atmosphäre wird die Erde von der absoluten Schwärze des Alls eingerahmt.

 

Die Entwicklung der Raumstation ist so unabwendbar wie der Sonnenaufgang; der Mensch hat seine Nase bereits in den Raum hinausgesteckt und wird sie nicht wieder zurückziehen.

Am 14. September 1944 erreichte eine deutsche V-z-Rakete, die von einer kleinen Insel an der Ostseeküste abgefeuert worden war, eine Höhe von 175 Kilometer. Zwei Jahre später, am 17. Dezember 1946, flog eine andere V 2, die auf den White Sands Proving Grounds in Neumexiko gestartet wurde, 183 Kilometer hoch; und am 24. Februar 1949 erhob sich eine zweistufige Rakete, eine kleine Rakete des Typs „WAC Corporal“, die aus der Spitze einer als Träger oder „erste Stufe“ dienenden V 2 abgefeuert wurde, bis zu einer Höhe von 402 Kilometer – das ist ungefähr die Entfernung zwischen New York und Washington oder Frankfurt und München, aber nach oben! Diese Projektile haben dasselbe Antriebsprinzip wie die „Düsenflugzeuge“. Es beruht auf dem dritten Bewegungsaxiom von Isaak Newton, das etwa besagt: Jede auf einen Körper wirkende Kraft löst eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft aus. Ein gutes Beispiel dafür ist das Schießen. Wenn der Schütze abzieht und die Kugel den Lauf verläßt, gibt es einen Rückstoß, der den Gewehrkolben gegen seine Schulter preßt. Wäre das Gewehr leichter und die Ladung der Patrone viel stärker, würde es vielleicht über die Schulter um ein beträchtliches Stück nach hinten fliegen.

Was verursacht diese Reaktion? Die Antwort ist einfach: Das explodierende Pulver erzeugt einen nach allen Seiten gleich wirkenden Druck. Der Druck auf das hintere Ende des Geschosses treibt dieses aus dem Lauf. Aber der gleiche Druck wirkt auch auf das geschlossene hintere Ende des Laufs, und diesen Rückstoß fühlen wir beim Schießen an unserer Schulter.

Wir wollen das Beispiel noch etwas erweitern und uns ein Maschinengewehr vorstellen, das auf einem leichten Schienenwagen befestigt ist. Wenn wir nun parallel zu den Schienen zu feuern beginnen, setzt der Rückstoß des ständigen Stroms von Kugeln unser Fahrzeug in Bewegung, und zwar in entgegengesetzter Richtung. Jede Kugel, die den Lauf verläßt, beschleunigt den Wagen um einen bestimmten Betrag. Wenn wir von der Reibung absehen, wird also die Geschwindigkeit des Fahrzeugs fortgesetzt zunehmen, bis die Munition des Maschinengewehrs verbraucht ist. Es mag unglaublich erscheinen, aber wenn der Schienenwagen leicht genug ist und genug Munition trägt, kann er eventuell schneller werden als die Geschosse, die den Lauf des Gewehrs verlassen. Es ist leicht einzusehen, daß diese Antriebsmethode auch ohne Luft funktioniert. Tatsächlich wäre die Geschwindigkeit der Geschosse und des Fahrzeugs im luftleeren Raum viel größer.

Auf diesem Prinzip beruht der Raketenantrieb. Der Körper der Rakete entspricht dem Lauf des Maschinengewehrs; die Gasmoleküle, die die Raketendüse verlassen, entsprechen den Kugeln. Die Leistung einer Rakete wird nicht in Pferdestärken (PS) gemessen, sondern in Kilogramm oder Tonnen Rückstoßkraft, genannt „Schub“. Dieser Schub wird erzeugt, wenn die Treibstoffe einer Rakete zusammengebracht und entzündet werden. Für diese Verbrennung ist keine sauerstoffhaltige Atmosphäre notwendig, da eine wirkliche Rakete – im Gegensatz zu einem Flugzeug mit Luftstrahlantrieb – den Sauerstoff als Teil ihrer Treibstoffe mit sich führt. Wir können daher festhalten, daß der ideale Bereich für die wirksamste Anwendung eines Raketenantriebs der leere Raum außerhalb der irdischen Atmosphäre ist.

In kleinen Raketen verwendet man feste Treibsätze, bei denen der Brennstoff und der Sauerstoffträger, man sagt auch „Oxydator“ oder „Aktivator“, zu einer Mischung vereint sind. Für die gewöhnlichen Feuerwerksraketen dient eine schwächere Abart des alten Schwarzpulvers als Antriebsmittel, bei den kleinen Kriegsraketen, wie beispielsweise der „Bazooka“, nimmt man ein besonderes, rauchloses Pulver. In beiden Fällen befindet sich die Ladung innerhalb einer einfachen Röhre, die gleichzeitig als Treibstoffbehälter und als Brennkammer dient. Am hinteren Ende der Röhre ist die Entspannungsdüse angebracht. Die Rakete wird durch Entzündung des Treibsatzes abgefeuert. Sobald wir versuchen, derartige Treibsätze auch für größere Raketen zu verwenden, ergeben sich trotz ihrer Einfachheit viele Unzulänglichkeiten.

Die Erfahrung lehrt, daß es sehr schwierig ist, große Ladungen aus festen Treibstoffen herzustellen. Außerdem muß der ganze Raketenkörper, obgleich er hauptsächlich als Treibstoffbehälter dient, besonders kräftig und dickwandig sein, da er dem hohen Verbrennungsdruck standhalten soll. Die Befestigung der Ladung im Innern der Rakete macht weitere Schwierigkeiten. Wird sie unmittelbar an der Wandung angebracht, wie bei der Feuerwerks-Rakete, kann die Verbrennungswärme sich in der Wand fortpflanzen und durch gleichzeitige Entzündung des gesamten Treibsatzes eine Explosion verursachen. Wird die Ladung im Innern der Röhre frei durch Drähte gehalten, wie bei den Kriegsraketen, kann diese Halterung weggebrannt werden, sobald die Brennzeit länger als ein paar Sekunden dauert. Auch die Schubdüse hält nur wenige Sekunden stand, da sie ungekühlt und daher nicht geschützt ist.

Feste Treibsätze des alten Schwarzpulvertyps müssen gepreßt werden. Dadurch wird das Pulver spröde, und in der Ladung können winzige verborgene Risse entstehen. Auch Temperaturschwankungen können solche Risse verursachen, die das Funktionieren der Rakete beeinträchtigen. Die Ladung brennt nämlich gleichmäßig, bis die Flamme einen dieser Spalte erreicht; dann wird der Riß plötzlich zu einer zusätzlichen Brennfläche. Dadurch wird die Brennzeit verkürzt, der Schub unregelmäßig, und der Verbrennungsdruck steigt plötzlich an, häufig so stark, daß die Rakete auseinanderfliegt. Bei den neuen, aus einer asphaltartigen Masse gegossenen Treibsätzen verschiedener Kriegsraketen können keine Risse auftreten, doch können Luftblasen den gleichen Effekt haben. Schon bei einer Handvoll Raketen mit festen Treibsätzen ist es daher ziemlich schwierig, eine gleichmäßige Leistung zu erzielen.

Aus diesen Gründen haben sich die Konstrukteure großer Raketen den flüssigen Treibstoffen zugewendet. Um energiereiche chemische Kombinationen verwenden zu können, trennen sie Brennstoff und Oxydator (Sauerstoffträger) und bringen sie in verschiedenen Behältern unter. Diese Treibstoffe werden dann in die Brennkammer gepumpt, und nur die Pumpengehäuse, die Leitungen und der Brennraum müssen genügend dickwandig sein, um dem Förder- und Verbrennungsdruck standhalten zu können. Ventile in den Leitungen regulieren den Durchfluß.

Unbemannter Meßsatellit auf seiner Umlaufbahn, 320 km hoch über der amerikanischen Atlantikküste. Die Mitte des Satelliten bedeckt Long Island. Am unteren Bildrand Philadelphia.

Die Kombinationsmöglichkeiten für flüssige Raketentreibstoffe sind fast unbegrenzt. Als Brennstoff kann beinahe jede brennbare Flüssigkeit oder verflüssigtes Gas benutzt werden; und für die Oxydatoren ist schon eine lange Liste von chemischen Verbindungen, die reich an Sauerstoff sind, aufgestellt worden. Die Auswahl richtet sich nach dem Energiegehalt und einigen praktischen Überlegungen. Der Raketeningenieur muß viele wichtige Faktoren berücksichtigen. Er braucht Treibstoffe, die eine hohe Ausströmgeschwindigkeit der Verbrennungsgase mit einer möglichst niedrigen Verbrennungstemperatur – wegen der Kühlung – verbinden. Die Treibstoffe sollen ein hohes spezifisches Gewicht haben, damit möglichst viel Treibstoffgewicht in verhältnismäßig kleinen und darum leichten Behältern untergebracht werden kann. Außerdem wird durch schwere Treibstoffe auch das Gewicht der Pumpen, Ventile und Leitungen verringert, da das Volumen der zu befördernden Mengen kleiner ist.

Verflüssigte Gase, die bei niedrigen Temperaturen aufbewahrt werden müssen, erleiden Verdampfungsverluste, neue Schwierigkeiten für die Organisation und Versorgung, vor allem, wenn große Mengen, weite Transportwege und unregelmäßige Startpläne zu berücksichtigen sind. Bei Verwendung von ätzenden Treibstoffen muß sich der Ingenieur vergewissern, daß korrosionsfeste Baustoffe für diejenigen Raketenteile zur Verfügung stehen, die mit derartigen Treibstoffen in Berührung kommen. Nicht zuletzt müssen auch die Kosten berücksichtigt werden. Viele für Raketen geeignete Treibstoffe wurden bisher überhaupt noch nie verwendet; sie sind niemals in großen Mengen hergestellt worden und daher sehr teuer, denn der Preis einer Ware hängt zum großen Teil vom Produktionsvolumen ab.

Bei Berücksichtigung all dieser Faktoren bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Flüssigkeit aus Stickstoff und Wasserstoff, genannt „Hydrazin“, die dem Ammoniak sehr ähnlich ist, einen vorzüglichen Brennstoff und daß die Salpetersäure einen ausgezeichneten Oxydator darstellt. Beide Flüssigkeiten stellen keinesfalls eine ausschließliche Kombination dar, sind aber als die geeignetste zu betrachten. Die notwendigen Treibstoffe für den Weltraumflug sind also vorhanden.

Betankung einer dreistufigen Satellitenrakete für den Transport eines Meßsatelliten auf die Umlaufbahn um die Erde.

Es ist kein Geheimnis, in welcher Weise das Raketenprinzip zum Bau der Weltraumstation anzuwenden ist. Auf der Grundlage des gegenwärtigen technischen Wissens ist nur eine entschlossene Anstrengung und das erforderliche Geld nötig. Und wenn die Vereinigten Staaten das Unternehmen nicht in Angriff nehmen, wird sich vielleicht bald eine andere Nation damit befassen. Wenn man sofort damit beginnen, und wenn man mit größtem Tempo daran arbeiten könnte, würde das ganze Vorhaben etwa zehn Jahre beanspruchen. Die geschätzten Kosten würden vier Milliarden Dollar betragen – ungefähr zweimal soviel wie der Aufwand für die Entwicklung der Atombombe, aber weniger als ein Viertel des Betrags, der während der zweiten Hälfte des Jahres 1951 vom Verteidigungsministerium der USA für Kriegsmaterial ausgegeben wurde.

Zunächst würde man eine große Rakete brauchen, die es fertigbringt, eine Mannschaft und 30 bis 40 Tonnen Nutzlast auf die 2-Stunden-Bahn zu transportieren. Diese Rakete kann gebaut werden. Um zu verstehen, wie, wollen wir uns wieder dem Beispiel des modernen. Geschützes zuwenden. Das Geschoß erreicht im Lauf schnell eine gewisse Geschwindigkeit; dann fliegt es dem Ziel antriebslos auf einer gekrümmten Bahn entgegen. Auch eine Fernrakete erhält ihre Geschwindigkeit während einer verhältnismäßig kurzen Zeit; dann wird sie – nach dem Trägheitsgesetz – vom eigenen Schwung getragen. Die V-2-Rakete wird zum Beispiel während eines 300-Kilometer-Fluges nur 65 Sekunden angetrieben. In dieser Zeit legt sie 32 Kilometer zurück. Am Ende der Antriebsperiode hat sie eine Brennschlußgeschwindigkeit von 5800 Kilometer in der Stunde erreicht, die restlichen 270 Kilometer fliegt sie antriebslos. Wenn wir also die Reichweite einer Rakete vergrößern wollen, müssen wir ihre Geschwindigkeit in der Zeit des angetriebenen Fluges erhöhen. Könnten wir die Brennschlußgeschwindigkeit auf 13300 Kilometer verbessern, würde die Rakete 1600 Kilometer weit fliegen. Wenn ein Geschoß sein Ziel treffen soll, so muß der Lauf des Geschützes angehoben und in die entsprechende Richtung gebracht werden. Wäre der Lauf senkrecht gen Himmel gerichtet, würde das Geschoß eine gewisse Höhe erreichen und dann einfach wieder herunterfallen, wobei es ziemlich nahe beim Geschütz aufschlüge. Genau das gleiche geschieht, wenn eine Rakete senkrecht abgefeuert wird. Soll sie nach dem senkrechten Start nach einem fernen Ziel fliegen, muß sie gekippt werden, sobald sie eine gewisse Höhe über dem Boden erreicht hat. In einer Rakete, die Mannschaft und Nutzlast tragen sollte, würde dieses Manöver mit Hilfe von drehbar gelagerten Raketentriebwerken durchgeführt werden können.

Stellt man sich nun dieses Verfahren bei einer Brennschlußgeschwindigkeit von etwa 28000 Kilometer in der Stunde vor, dann fliegt die Rakete um die halbe Erde, ehe sie am Boden einschlägt. Und wenn man die Brennschlußgeschwindigkeit noch ein wenig erhöht – etwa um 100 Kilometer in der Stunde –, dann stimmen die Flugbahn der antriebslos fliegenden Rakete und die Krümmung der Erdoberfläche überein. Das heißt, die Rakete „fällt nun rund um die Erde herum“, da ihre Geschwindigkeit und die Anziehungskraft der Erde im Gleichgewicht stehen. Sie kann niemals abstürzen, da sie nun als künstlicher Satellit nach den gleichen Gesetzen um die Erde kreist, die auch den Lauf des Mondes um die Erde bestimmen. Um das zu erreichen, sind genaueste Berechnungen notwendig. Aber wenn man an die bis auf Sekundenbruchteile eintreffenden Vorausberechnungen der Sonnen- und Mondfinsternisse denkt, wird man zugeben, daß kein anderer Zweig der Naturwissenschaften exakter ist als derjenige, der sich mit der Bewegung der Himmelskörper beschäftigt.

Es gibt eine Möglichkeit, die gewünschte, für unsere gewählte Kreisbahn notwendige Geschwindigkeit von 28000 Kilometer in der Stunde zu erreichen. Die WAC Corporal, die aus der Spitze einer V 2 startete und bis auf 402 Kilometer stieg, zeigt, was wir tun müssen, wenn wir die Geschwindigkeit einer Rakete erheblich vergrößern wollen. Das Triebwerk der WAC begann in dem Augenblick zu arbeiten, in dem die tragende V 2 ihre höchste Geschwindigkeit erreicht hatte. Dadurch wurde die Geschwindigkeit der WAC zu der bereits von der ersten Stufe erzielten Geschwindigkeit addiert. Solch eine „Huckepack-Anordnung“ nennt man „Zwei-Stufen-Rakete“; und wenn man die zweistufige Rakete auf eine noch größere stellt, bekommt man eine dreistufige. Die dreistufige Rakete kann die Geschwindigkeit, die von einer Rakete allein erreicht wird, verdreifachen.

Man kann es sogar noch besser machen. Man kann die dreistufige Rakete als Projektil mit drei Triebwerken ansehen; sobald das erste verbraucht ist, wird es fallen gelassen, und genauso geht es dem zweiten, wenn es an der Reihe ist. Die dritte Stufe der Rakete, die eigentliche Spitze, fliegt, von allem überflüssigen Gewicht befreit, weiter.

Neben dem Verlust der zwei unteren Stufen machen noch andere Faktoren den Flug der Rakete mit zunehmender Höhe leichter. Zunächst ist die Atmosphäre dicht und bremst die Rakete; sobald diese erst einmal höher kommt, wird ihr Flug schneller. Zweitens haben Raketen in den dünnen Schichten der oberen Atmosphäre einen besseren Wirkungsgrad. Drittens braucht die Rakete, nachdem sie die dichtesten Teile der Atmosphäre passiert hat, nicht mehr senkrecht zu steigen und kann wie jedes andere Fahrzeug auf einer verhältnismäßig flachen Bahn schneller an Geschwindigkeit zunehmen.

Man stelle sich die Größe dieser gewaltigen dreistufigen Rakete vor: sie ist 80 Meter hoch, ungefähr so groß wie ein 24stöckiges Gebäude. Am unteren Ende hat sie einen Durchmesser von 20 Meter. Und das Gesamtgewicht des Raketengiganten ist 6400000 Kilogramm oder 6400 Tonnen – soviel, wie ein leichter Kreuzer wiegt[1].

Ansichten der Erde aus etwa 40 000 Kilometer Entfernung mit der maßstäblich eingezeichneten Bahn der Weltraumstation. Die Station läuft alle 2 Stunden einmal um die Erde. Infolge der Erdrotation können die Insassen der Weltraumstation während der 24 Stunden eines Tages jeden Punkt der Erdoberfläche mindestens einmal sehen, viele Gebiete sogar mehrere Male.

Die Triebwerke der drei Stufen dieser Rakete werden mit den Treibstoffen Salpetersäure und Hydrazin gespeist, die durch Turbopumpen in die Brennkammern gefördert werden.

51 Raketenbrennkammern, die zusammen einen Schub von 12800 Tonnen haben, treiben die erste Stufe (Unterteil) an. Sie verbrauchen insgesamt 4800 Tonnen Treibstoffe in der unglaublich kurzen Zeit von 84 Sekunden. So wird in weniger als einer halben Minute das Gewicht der Rakete um 75 Prozent vermindert.

Die zweite Stufe (Mittelteil), die über der ersten angebracht ist, hat 34 Raketenbrennkammern mit einem Gesamtschub von 1600 Tonnen und verbrennt 700 Tonnen Treibstoffe. Sie ist nur 124 Sekunden in Betrieb.

Die dritte und letzte Stufe (Oberteil), die Mannschaft, Ausrüstung und Nutzlast trägt, hat 5 Raketenbrennkammern mit einem Gesamtschub von 200 Tonnen. Diese Kabinenstufe des Raketenschiffes enthält 83 Tonnen Treibstoffe, einschließlich ausreichender Reserven für den Rückflug zur Erde. Außerdem kann sie eine Nutzlast von 32,5 Tonnen bis auf die 2-Stunden-Kreisbahn transportieren. Für den Rückflug hat die Oberstufe Tragflächen, ähnlich denen eines Flugzeugs. Diese werden nur während des Abstiegs nach dem Wiedereintauchen in die Atmosphäre benützt.

Die Wahl des Startplatzes erfordert große Sorgfalt, denn wegen der großen Zahl von Anlagen – Treibstofftanks und Werkstätten, Funk- und Radareinrichtungen, astronomischen und meteorologischen Stationen – braucht man ein ausgedehntes Gebiet. Außerdem ist es aus Gründen, die später erörtert werden, wichtig, daß die Rakete während der ersten Phase ihres Aufstiegs über dem Ozean fliegt. Die kleine amerikanische Insel Johnston Island im Pazifik oder das Versuchsfeld der Luftwaffe bei Cocoa in Florida sind Beispiele für geeignete Plätze.

Im Startgelände wird das schwere Raketenschiff auf einer großen, transportablen Plattform zusammengebaut. Dann wird die Plattform über einen tunnelähnlichen „Strahlableiter“ gerollt, der die feurigen Verbrennungsgase der Brennkammern der ersten Stufe abführt. Schließlich startet die Rakete mit einem mächtigen Donner, der viele Meilen weit zu hören ist, so langsam, daß sie in der ersten Sekunde kaum fünf Meter steigt. Aber schnell nimmt ihre Geschwindigkeit zu, und zwanzig Sekunden später ist sie in den Wolken verschwunden.

Wegen der fürchterlichen Beschleunigung, die eine Minute später auftritt, liegen die Insassen – die sich natürlich in der oberen, dritten Stufe aufhalten – flach auf „Kontur-Betten“, die der Körperform genau angepaßt sind. Während des ganzen Fluges bis auf die 2-Stunden-Bahn wird die Rakete von einem „automatischen Piloten“, einem Kommandogerät, gesteuert. Die Berechnung der Flugbahn und die verschiedenen Flugmanöver müssen so genau ausgeführt werden, daß man diese Aufgabe nur einer Maschine anvertrauen kann.

Nach kurzer Zeit dreht der Steuerautomat die Rakete in eine flache Bahn. 84 Sekunden nach dem Start, wenn die Treibstoffe der ersten Stufe nahezu verbraucht sind, steigt das Raketenschiff unter einem Winkel von 20,5 Grad.

In 40 Kilometer Höhe beträgt seine Geschwindigkeit 2,34 Kilometer pro Sekunde oder 8450 Kilometer pro Stunde. Damit sich die oberen Stufen vom Unterteil trennen können, muß der Schub der ersten Stufe bis auf Null gedrosselt werden. Dann beginnen die Brennkammern der zweiten Stufe zu arbeiten, und die Verbindung zwischen dem jetzt nutzlosen Unterteil und dem Rest des Raketenschiffes wird gelöst. Das Unterteil bleibt zurück, während die oberen Stufen der Rakete weiter emporstürmen.

Nach erfolgter Trennung wird an der ersten Stufe ein ringförmiger Bänderfallschirm aus feinem Stahldrahtnetz automatisch ausgelöst. Er hat einen Durchmesser von 66 Meter und verringert die Fallgeschwindigkeit. Infolge ihres Trägheitsmoments steigt aber die leere Stufe zunächst noch bis zu einer Höhe von 64 Kilometer weiter, ehe sie zu fallen beginnt. Da sie beim Aufschlagen auf festem Boden völlig zerstört werden könnte und außerdem auch eine Gefahr bilden würde, muß der erste Teil des Aufstiegs über dem Meer stattfinden. Nach der Wasserung wird die erste Stufe geborgen und nach dem Startplatz zurückgebracht.

Der gleiche Vorgang wiederholt sich 124 Sekunden später. Auch die zweite Stufe fällt in den Ozean. Das Raketenschiff hat nun eine Höhe von 64 Kilometer erreicht und ist 534 Kilometer vom Startort entfernt. Seine Geschwindigkeit beträgt 23000 Kilometer pro Stunde.

Jetzt fliegt die dritte und letzte Stufe, das mit der Kabine ausgerüstete Oberteil, mit der Kraft der eigenen Raketentriebwerke weiter. 84 Sekunden nach dem Abwurf der zweiten Stufe erreicht das Raketenschiff, das sich bereits mit 29650 Kilometer in der Stunde fortbewegt, eine Höhe von 102 Kilometer.

Hier müssen wir uns an den Vergleich zwischen Rakete und frei fliegendem Geschoß erinnern, um die Vorgänge verstehen zu können. Sobald die Rakete in 102 Kilometer Höhe eine Geschwindigkeit von 29650 Kilometer pro Stunde erreicht, werden die Triebwerke abgestellt, obgleich die Treibstoffe keinesfalls verbraucht sind. Das Raketenschiff fliegt dann antriebslos weiter, bis es sich 1730 Kilometer über der Erdoberfläche befindet. Das ist der Gipfelpunkt seiner Bahn; es hat nun die Erde zur Hälfte umrundet. Dabei hat es zugleich die Höhe der 2-Stunden-Bahn, in der die Raumstation gebaut werden soll, erreicht.

Jetzt sind nur noch zwei Flugmanöver notwendig. Beim antriebslosen Flug von 102 auf 1730 Kilometer Höhe verliert das Raketenschiff durch die Anziehungskraft der Erde einen Teil seiner Geschwindigkeit. Die übrigbleibenden 23750 Kilometer pro Stunde reichen aber nicht aus, die Rakete auf der gewählten Bahn um die Erde zu halten. Wenn man die Geschwindigkeit nicht erhöht, fällt sie auf der anderen Seite der Erde wieder herunter bis auf 102 Kilometer Höhe, steigt dann abermals bis zum Gipfelpunkt in 1730 Kilometer Höhe empor usw. – ein Satellit auf elliptischer Bahn.

 

Hier erhebt sich die Frage: Warum ist man damit eigentlich nicht zufrieden? Nun, man kann sich mit dieser besonderen Bahn nicht begnügen, weil ein Teil von ihr in 102 Kilometer Höhe durch die Atmosphäre führt. Und obgleich der Luftwiderstand dort nur noch gering ist, reicht er doch aus, die Rakete zum Absturz zu bringen.

Die gewählte 2-Stunden-Bahn verläuft stets genau 1730 Kilometer über der Erde. Sie ist kreisförmig und nicht elliptisch. Um das Raumschiff für immer auf diese Bahn zu bringen, muß man die Raketentriebwerke noch einmal für ein paar Sekunden in Gang setzen und die Geschwindigkeit steigern. Vorher aber muß die Position und Lage des Schiffes korrigiert werden, denn die erforderliche Geschwindigkeitserhöhung muß genau in Richtung der Bahn erfolgen.

Der Pilot eines Flugzeugs korrigiert die Position seiner Maschine, indem er sich nach dem Horizont richtet. Aber im Weltraum gibt es keinen Horizont. Wenn die Rakete die Kreisbahn erreicht hat und dort bleiben soll, muß sie erst einmal ganz genau in die richtige Lage gedreht werden, damit der Schub der Brennkammern in der gewünschten Richtung wirkt. Um diese Richtung zu finden, muß man aber einen „Horizont“ haben.

Für diese letzten beiden Manöver sind besondere Vorkehrungen erforderlich. Ein Flugzeug kann seine Lage durch Bewegung seiner Steuerflächen ändern. Im Raum jedoch wird nichts geschehen, wenn man die aerodynamischen Steuer des Raketenschiffes bewegt, da es dort keine Luft gibt. Wir könnten die kleinen beweglichen Brennkammern benutzen, die der Steuerung während des Aufstiegs mit Raketenkraft dienten. Aber der größere Teil des Aufstiegs erfolgt antriebslos, und man vermeidet es gern, wertvolle Treibstoffe durch Verwendung der beweglichen Brennkammern zu verschwenden.

Da sich nun das Raketenschiff antriebslos auf der vorgeschriebenen elliptischen Aufstiegsbahn ähnlich wie ein Schlitten auf einem vereisten Hügel bewegt, kann es am Gipfelpunkt der Bahn in ganz beliebiger Lage ankommen, sogar mit dem Schwanz voran. Das Raketenschiff hat also das Ziel erreicht, doch wissen wir nicht genau, welche Lage es in bezug auf die Kreisbahn hat.

Können wir einen „Horizont“ schaffen, die richtige Lage herausfinden und dann das Schiff im Raum drehen, ohne etwas von dem wertvollen Treibstoffvorrat zu verbrauchen?

Nehmen wir an, wir lassen in der Rakete ein Schwungrad rotieren. Wenn wir das Rad in Umdrehungen versetzen, wird – das entnehmen wir dem 3. Bewegungsgesetz von Newton – eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft auf das Raketenschiff ausgeübt. Da das Schwungrad viel leichter als das Raketenschiff ist, muß es viele Umdrehungen machen, ehe die Rakete eine einzige vollzieht. Wir können also im leeren Raum mit Hilfe eines Elektromotors sogar ein sehr großes Schiff mit einem verhältnismäßig kleinen Rad drehen. Aber ein Schwungrad allein reicht nicht aus, da ein frei beweglicher Körper im Raum drei „Freiheitsgrade“ hat: Man kann das Raketenschiff mit seiner Spitze auf und ab bewegen, es nach links und rechts wenden und es auch um seine Längsachse drehen. Deshalb sind drei elektrisch angetriebene Schwungräder, die sich in rechten Winkeln zueinander bewegen, zur Bewältigung dieser Aufgabe notwendig. Wenn wir erst einmal einen „Horizont“ oder eine Bezugsebene geschaffen haben, können wir die erforderlichen Korrekturwinkel des Schiffes in drei Freiheitsgraden bestimmen und dann die Schwungräder arbeiten lassen, bis das Schiff die gewünschte Position erreicht hat.

Für dieses Manöver benutzen wir einen verwickelten Mechanismus, den man im vorliegenden Fall einen automatischen Lagebestimmer nennen kann. Dieser darf nicht mit dem Steuerautomaten verwechselt werden, der das Schiff während des Aufstiegs lenkt. Die Sache geht dann etwa folgendermaßen vor sich: Man hängt in einem Kardansystem eine kleine Scheibe auf, deren Lage durch drei Kreisel stabilisiert ist, jeder Freiheitsgrad durch einen. An zwei Seiten der Scheibe sind nun kleine bewegliche Teleskope angebracht, die mit einem System von Fotozellen ausgerüstet sind. Der Steuermann richtet jedes Teleskop auf einen bestimmten Stern und stellt es durch Einschalten der Fotozellen fest darauf ein. Auf diese Weise schafft er künstlich eine Bezugsebene, die durch die beiden Sterne und das Raketenschiff selbst bestimmt ist. Das ist unser „Horizont“, auf dem jetzt ein dreidimensionales Koordinatensystem errichtet werden kann, in dessen Mittelpunkt sich das Schiff befindet.

Mit Hilfe seiner Navigationstafeln kann der Steuermann nun die notwendigen Richtungen des Schiffes in den drei Freiheitsgraden bestimmen. Die auf solche Art gewonnenen Daten überträgt er auf die Skalen an jeder der drei Achsen der Kardanaufhängung und läßt dann die kleinen Servomotoren anlaufen. Jetzt beginnt das ganze Kardansystem langsam in die „richtige“ Richtung einzuschwenken. Sobald dies ausgeführt ist, werden die drei Schwungräder in Bewegung gesetzt; sie laufen automatisch weiter, bis die Position des Raketenschiffes genau mit der stabilisierten Steuerscheibe übereinstimmt. Wenn sich das Schiff in der berechneten Lage befindet, werden die Raketentriebwerke für etwa 15 Sekunden eingeschaltet. Dadurch wird die Geschwindigkeit auf 25400 Kilometer pro Stunde erhöht. Mit dieser Geschwindigkeit kann das Schiff auf der Kreisbahn bleiben. Das Ziel ist erreicht.

Dabei verdient eine ungewöhnliche Tatsache besonders hervorgehoben zu werden: der Flug von der Erde auf die Kreisbahn hat nur 56 Minuten gedauert. Das Raketenschiff wurde während dieser Zeit nur 5 Minuten lang angetrieben.

Für die Besatzung des Raketenschiffes in 1730 Kilometer Höhe scheint sich die Erde alle zwei Stunden einmal um sich selbst zu drehen. Diese sichtlich schnelle Rotation der Erdkugel ist das einzige Zeichen für die ungeheure Geschwindigkeit, mit der sich das Schiff bewegt. Die Erde braucht natürlich volle 24 Stunden, um eine Umdrehung um ihre Achse zu vollenden, aber das Raketenschiff umkreist sie in dieser Zeit zwölfmal.

 

Bevor wir den Bau der Raumstation in der Kreisbahn erörtern, wollen wir das Verfahren des Stufenabwurfs betrachten, denn die Notwendigkeit, die leeren Stufen zu bergen, ist besonders wichtig für die Wahl der Aufstiegsbahn.

Angenommen, wir würden die dreistufige Rakete während der gesamten Antriebsperiode der ersten Stufe senkrecht steigen lassen und auf ihrer Bahn erst kippen, nachdem die Treibstofftanks des Unterteils entleert wären. Diese erste Stufe würde dann in einer Höhe von etwa 64 Kilometer abgetrennt werden, während das Schiff senkrecht mit einer Geschwindigkeit von über 1500 Meter in der Sekunde steigt. Der Bremsschirm der ersten Stufe würde in dieser Höhe sehr geringem Luftwiderstand begegnen, und bald würde dieser Widerstand überhaupt aufhören, da das abgetrennte, antriebslose Unterteil infolge seiner Trägheit weiter steigt. Bedingt durch die Anziehungskraft der Erde, würde es allmählich langsamer werden, in einer Höhe von rund 350 Kilometer für einen Augenblick verharren und dann zur Erde zurückfallen. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre würde es bereits eine Geschwindigkeit von über 1500 Meter pro Sekunde erreicht haben. Nun würde der Bremsfallschirm wirken und die Fallgeschwindigkeit zu verringern suchen; aber die Zeit, den Fall dieses gewaltigen Raketenteils zu verlangsamen, wäre zu kurz. Bevor der Fallschirm den Sturz ausreichend mindern könnte, wäre die Raketenstufe schon in den dichteren Luftschichten. Fallschirmwiderstand und -verzögerung würden dann rapide zunehmen, und schließlich würde der Fallschirm durch die gewaltige aerodynamische Belastung von dem Raketenteil abgerissen werden.

Die erste Reise nach dem Mond wird ohne Landung mit einem Raumschiff durchgeführt, das nur für den Flug durch den Weltraum geeignet ist, von der Raumstation startet und wieder zu ihr zurückkehrt. Hier befindet sich das „Rund-um-den-Mond-Schiff” 80 Kilometer über der Mondoberfläche, 380 000 Kilometer von der Erde entfernt. Der große Krater im Vordergrund heißt Aristillus (56 Kilometer Durchmesser), der Krater dahinter Autolycus; die fernen Berge im Hintergrund sind die Mond-Apenninen.

Offensichtlich ist es also nicht nur schwierig, sondern überhaupt unmöglich, die erste Raketenstufe bei einer senkrechten Aufstiegsbahn zu bergen.

Um auch die entgegengesetzte Methode zu durchdenken, wollen wir annehmen, die Rakete würde schon während der Antriebsperiode der ersten Stufe in eine völlig horizontale Bahn umgelenkt. Da die Rakete senkrecht startet, würde dies Verfahren bedeuten, daß wir sie innerhalb der 84 Sekunden Brennzeit des Unterteils um volle 90 Grad wenden müßten. Nun erkennt man leicht, daß dann die Brennschlußhöhe niedriger ist als bei einer geringeren Umlenkung, und zwar betrüge sie 24 Kilometer statt der 40 Kilometer, die wir für die Prozedur als notwendig ansehen. Sogar in 40 Kilometer beträgt die Bremsung durch den Fallschirm 6 g (= sechsfache Erdbeschleunigung). Das heißt, der Stahlnetzschirm und seine Leinen müssen dem sechsfachen Gewicht der leeren dritten Stufe standhalten. Aber in 24 Kilometer Höhe ist die Luft zehnmal so dicht wie in 40 Kilometer Höhe. Dementsprechend würde die Bremsung durch einen Fallschirm der gleichen Größe 60 g betragen, und der Schirm müßte also das sechzigfache Gewicht des leeren Unterteils der Rakete tragen. Es ist unmöglich, einen Fallschirm mit einem Durchmesser von 66 Meter herzustellen, der diese ungeheure Belastung aushalten könnte, es sei denn, die Fallschirmleinen hätten den Durchmesser der riesigen Kabel, die die berühmte Hängebrücke von San Franzisko tragen.

Aus diesen Überlegungen kann man bestimmte wichtige Schlüsse ziehen. Will man die leere erste Stufe bergen, dann muß man danach trachten, Geschwindigkeit, Höhe und Neigung der Aufstiegsbahn im Augenblick der Abtrennung so aufeinander abzustimmen, daß der Fallschirm die Geschwindigkeit allmählich verringern kann. Das ist für die Fallschirmbremsung der zweiten Stufe sogar noch wichtiger, da deren Geschwindigkeit bei Brennschluß erheblich größer ist.

Ein Fallschirm braucht Zeit, um die hohe Brennschlußgeschwindigkeit einer Stufe zu „vernichten“. Man gewinnt diese Zeit durch Beachtung folgender Regeln:

1. Man wählt eine Brennschlußhöhe, in der die Luftdichte gering ist, die Stufe bei der erreichten Brennschlußgeschwindigkeit durch die Luftkräfte am Fallschirm mit nur wenigen „g“ abzubremsen.

2. Man wählt eine Aufstiegsbahn, bei der die Rakete im Augenblick der Stufentrennung in einem flachen Winkel steigt. Die Stufe wird sich dann infolge der Massenträgheit noch eine Zeitlang leicht aufwärts bewegen, so daß der Fallschirm deren Geschwindigkeit allmählich verringern kann. Der Abstieg in die dichteren Luftschichten beginnt dann erst nach erfolgter ausreichender Bremsung.

Ein Fallschirm, mit dem die erste Stufe etwa mit der Durchschnittsgeschwindigkeit eines normalen Fallschirmspringers landen würde, müßte wahrhaft phantastische Abmessungen haben. Seine Größe, sein Gewicht und seine Unterbringung in der Rakete wären praktisch unmöglich. Trotzdem würde ein Sturz in den Ozean mit der niedrigen Fallgeschwindigkeit eines Fallschirmjägers die empfindliche Struktur der ersten Stufe beträchtlich beschädigen.

Man kann diese Schwierigkeiten auf folgende Weise umgehen. Der Durchmesser des Fallschirms wird auf ein praktisches Maß verringert. Man läßt also eine größere Fallgeschwindigkeit – etwa 45 Meter pro Sekunde – zu und vernichtet die Restgeschwindigkeit durch kleine Raketen mit festen Treibsätzen, kurz bevor die Stufe ins Wasser fällt. Diese Raketen können im Oberteil der ersten Stufe, das jetzt nach unten hängt, angebracht und durch einen Annäherungszünder in Betrieb gesetzt werden. Wenn die Raketen groß genug sind und der Zünder genau eingestellt ist, taucht die Stufe mit der Geschwindigkeit „Null“ ein. Sie wird so sanft wie ein Helikopter aufsetzen.

Die Aufstiegsbahn der Transportrakete wurde nach sorgfältiger Berechnung der Bremsung und der Landepunkt der ersten und zweiten Stufe ausgewählt. Die erste Stufe wird, wie in diesem Kapitel schon erklärt wurde, in einer Höhe von 40 Kilometer und bei einem Bahnwinkel von 20,5 Grad gegen die Horizontale abgetrennt. Ihr Schwung trägt sie zunächst noch weiter empor; dann fällt sie langsam in die dichteren Luftschichten und wassert in einer Entfernung von 304 Kilometer vom Startplatz im Ozean. 45 Meter über dem Wasserspiegel beginnen zehn Raketen mit festen Treibsätzen, die einen Schub von zusammen 2480 Tonnen liefern, zu arbeiten, und die Stufe sinkt sanft ins Meer, wo sie bis zur Bergung schwimmt.

Die zweite Stufe wird in einer Höhe von 64 Kilometer abgetrennt, während das Raketenschiff unter einem Winkel von 2,5 Grad steigt. Um die erwünschten Trennungsbedingungen für die zweite Stufe zu erzielen, wird die Bahn ein wenig „gedrückt“.

Die zweite Stufe wird durch einen ringförmigen Drahtnetzfallschirm getragen, der viel kleiner ist als der bei der ersten Stufe verwendete. Er hat einen Durchmesser von nur 22,5 Meter. 1459 Kilometer vom Startplatz entfernt erreicht die zweite Stufe die Wasseroberfläche, genau wie die erste durch kleine Raketen mit festen Treibsätzen, die 2 Sekunden vor dem Wassern einsetzen, gebremst. Schon acht Minuten nach dem Start des Raketenschiffes wassert die zweite Stufe im Meer.

Die Stufen, die wegen ihrer leeren Treibstoffbehälter einen starken Auftrieb haben, fallen mit der Spitze zuerst ins Wasser. Unter dem Gewicht der schweren Triebwerke drehen sie sich dann wie verwundete Wale, aber schließlich schwimmen sie wie mächtige Bojen, die ausgebrannten Bremsraketen himmelwärts gerichtet.

Für sie stehen Bergungsschiffe bereit, die die fallenden Stufen durch Radar verfolgt haben, eines für die erste Stufe, 304 Kilometer, und das zweite, kleinere Schiff für die zweite Stufe, 1459 Kilometer vom Startplatz entfernt. Diese Bergungsschiffe müssen viel größer als Schlepper sein. Es wird sich weniger um Schiffe als um seegängige Trockendocks handeln. Sie werden sich den Stufen vorsichtig unter dem Wind nähern, ihre Wassertanks fluten und halb eintauchen. Besonders geschulte Mannschaften werden dann die sperrigen Gefüge der Stufen sorgfältig Zentimeter um Zentimeter an Seilen in die großen Öffnungen der Trockendocks ziehen. Sobald die Stufen an Bord sind, können die Tanks entleert werden; die seegängigen Trockendocks schwimmen dann wieder normal. Nach vollzogener Bergung kehren sie mit ihrer wertvollen Ladung zum Startplatz zurück.

Ein Raumanzug sichert einem Menschen im Vakuum des Raumes die normalen Bedingungen seiner natürlichen Umgebung in Meereshöhe. Die Luft im Innern des Anzugs hat einen Druck von 1 Atmosphäre. Das Hauptproblem ist, diesen Anzug luftdicht und gleichzeitig beweglich zu machen. Um eine übermäßige Erwärmung zu vermeiden, ist er weiß. Der Sauerstoffvorrat wird auf dem Rücken getragen, ebenso eine tragbare Radioausrüstung für die Verbindung mit der Raumstation, dem Observatorium, den Raum-Taxis und anderen Menschen im Raum. Der Antrieb erfolgt durch eine kleine tragbare Rakete. Bei Arbeiten in der Nähe der Station werden Männer in Raumanzügen aus Sicherheitsgründen angeseilt. Im Bild ist das Glas des Fensters im Kopfhelm durchsichtig; in Wirklichkeit ist es dunkel gefärbt, um die ultravioletten Strahlen der Sonne fernzuhalten. Da es unmöglich ist, einen Menschen im Raumanzug zu erkennen, werden die Anzüge wahrscheinlich mit auffallenden Kennzeichen ausgerüstet sein.

Inzwischen ist die Mannschaft in 1730 Kilometer Höhe dabei, die Raumstation zu errichten. Man beginnt, die 32,5 Tonnen Nutzlast, die man mitgebracht hat, auszuladen. Aber wie und wo machen die Männer das? Ringsum ist ja nichts als leerer Raum.

Nun, die Ladung wird einfach hinausgekippt. Sie ist ebenfalls zu einem Satelliten geworden! Und genauso ergeht es den Insassen der Rakete. Ausgerüstet mit grotesk aussehenden Druckanzügen und Sauerstoffgeräten, können sie nun das Schiff verlassen und herumschwimmen, ohne sich festzuhalten.

Genauso wie ein Mensch am Erdboden nichts von der Geschwindigkeit – 107000 Kilometer in der Stunde – merkt, mit der sich die Erde um die Sonne bewegt, spüren die Männer des Raumschiffes nichts von der phantastischen Geschwindigkeit, mit der sie die Erde umkreisen. Im Gegensatz zu den Menschen am Erdboden merken die Menschen im Raum nichts von der Anziehungskraft. Wenn einer von ihnen bei der Arbeit in den Raum abtreiben würde, wäre das weniger gefährlich als ein Sturz von einem Baugerüst. Es bedeutet nur, daß der Mann eine geringe Geschwindigkeit in einer unvorhergesehenen Richtung bekommen hat. Er kann sich auf die gleiche Weise helfen, in der jede Geschwindigkeit im Raum erhöht oder verringert wird – durch Anwendung des Rückstoßes. Er könnte beispielsweise, theoretisch, einen Schuß in der unbeabsichtigten Bewegungsrichtung abfeuern; er könnte sich auch dadurch fortbewegen, daß er ein bißchen Sauerstoff aus dem Behälter auf seinem Rücken ausströmen läßt. In der Praxis wird sein Raumanzug mit einem kleinen Raketenmotor ausgerüstet sein. Aber sehr wahrscheinlich wird auch jeder Mann während der Arbeit an der Rakete angeseilt sein. Genauso wird man die Werkzeuge sichern, denn sonst würden sie nach allen Seiten in den Raum hinaustreiben.

Die Raum-Männer – denn das sind die Mitglieder der Besatzung jetzt – beginnen nun damit, die mitgebrachte Ausrüstung zu ordnen. Sie schweben in seltsamen Stellungen zwischen Bauteilen und Maschinen umher und verrichten ihre Arbeit in absoluter Stille, da die Luft zur Fortpflanzung der Geräusche fehlt. Nur wenn zwei Monteure am gleichen Werkstück arbeiten und es berühren, kann der eine den Lärm, den der andere macht, hören, da Schall von den meisten Materialien geleitet wird. Sie können sich aber durch eingebaute Sprechfunkanlagen, sogenannte „walkie-talkie“-Geräte, miteinander verständigen. Das Baumaterial läßt sich leicht bewegen; es gibt kein Gewicht und keine Reibung. Um ein Stück vorwärts zu stoßen, muß der Raum-Mann nur seinen Raketen-Motor einschalten. – Wenn er versucht, ein schweres Stück ohne Raketenantrieb zu schieben, fliegt er selbst nach rückwärts!

Allerdings reicht die Ladung eines Raketenschiffes – obgleich sie der von zwei großen Super-Constellations entspricht – nur für den Beginn des Baues der gewaltigen dreistöckigen, 75 Meter weiten Raumstation; für die Herbeischaffung des Materials ist ungefähr ein Dutzend solcher Flüge erforderlich. Diese Raketenschiffe, die planmäßig in ununterbrochener Folge mit dem Fortschreiten der Arbeit an demselben Punkt im Raum eintreffen müssen, werden nach und nach die notwendigen Bauteile der auf der Erde vorbereiteten Raumstation heranschaffen.

Das genaue Heranbringen der von der Erde kommenden Raketenschiffe an die Baustelle der Raumstation ist navigatorisch ein besonders schwieriges Kapitel. Die Station – ob der Bau vollendet ist oder noch nicht – und das ursprüngliche Raketenschiff bewegen sich auf der Kreisbahn gleichmäßig mit 7,08 Kilometer in der Sekunde. Wenn also die Versorgungsraketen den vorausberechneten Treffpunkt auf der Kreisbahn nur um eine Sekunde zu früh oder zu spät erreichen, werden sie um 7 Kilometer zurück oder voraus sein. Die Aufgabe scheint erschreckend schwer zu sein, aber in Wirklichkeit läßt sie sich verhältnismäßig einfach lösen, denn eine elliptische Aufstiegsbahn, deren Apogäum in der Kreisbahn liegt, ist nicht der einzig mögliche Kurs, auf dem die Baustelle erreichbar ist. Die Versorgungsraketen können den Treffpunkt auch auf elliptischen Routen erreichen, deren Gipfelpunkt höher als 1730 Kilometer ist; diese schneiden die Kreisbahn in einem flachen Winkel. Derartige Bahnen erfordern höhere Brennschlußgeschwindigkeiten als elliptische Bahnen, die die Stationsbahn nur berühren. Sie sind daher weniger wirtschaftlich.

Wir wollen einmal eine elliptische Standard-Aufstiegsbahn annehmen, die die Kreisbahn in 1730 Kilometer Höhe in einem leichten Winkel schneidet – so flach, daß der zusätzliche Treibstoffverbrauch außer acht gelassen werden kann. Wie wir gehört haben, ist der ganze Flug der Rakete vom Boden bis zur Kreisbahn automatisch. Wenn die Raketentriebwerke genau zur vorausberechneten Zeit abgeschaltet werden, fliegt das Schiff auf seiner Standard-Ellipse antriebslos weiter empor und schneidet die Kreisbahn bei der Baustelle. Die sehr genaue Uhr in der Rakete, die vorher auf dem Startplatz eingestellt wurde, ist mit einem Beschleunigungsmesser verbunden, der die Absperrventile der Raketentriebwerke regelt. Wird nun etwa der Brennschlußpunkt eine Sekunde zu spät erreicht, ändert die Uhr die Einstellung des Beschleunigungsmessers so, daß der Antrieb bei etwas höherer Geschwindigkeit abgeschaltet wird. Dadurch wird der sich ergebende antriebslose Aufstieg zur Kreisbahn um die eine oder die zwei Sekunden, die während des Fluges verlorengegangen waren, abgekürzt. Sollte jedoch der Brennschlußpunkt ein paar Sekunden zu früh erreicht werden, dann schaltet die Uhr automatisch den Beschleunigungsmesser zurück auf eine etwas kleinere Brennschlußgeschwindigkeit. Das Raketenschiff wird dann in einer etwas längeren Ellipse weiterfliegen, so daß der Flug zwei Sekunden länger dauert.

Diese Regelung auf Bruchteile von Sekunden kann noch verfeinert, das Raketenschiff durch Radar herangesteuert werden. Ein kurzer Raketenantrieb zur Korrektur würde für alle notwendigen Berichtigungen sorgen. Ja, der Fehler kann sogar dann noch berichtigt werden, wenn die Rakete auf der Kreisbahn so ankommt, daß die Baustelle ein paar Kilometer entfernt ist. Ein genau abgestimmtes Antriebsmanöver mit ganz geringem Treibstoffverbrauch löst das Problem, obgleich die Baustelle und die Versorgungsrakete vielleicht halb um die Erde treiben, ehe sie einander nahe genug sind, um die Verbindung aufnehmen zu können.

Es ist überflüssig zu betonen, daß die Ladungen der Versorgungsraketen sorgfältig eingeteilt werden müssen, damit der Aufbau stetig und planmäßig voranschreiten kann. Mit der Ankunft der letzten Last wird die Station fertig und das Unternehmen beendet sein. Die Kosten für den Bau einer auf diese Weise entstehenden Weltraumstation werden auf vier Milliarden Dollar, die Bauzeit auf etwa 10 Jahre geschätzt. Ein großer Teil der Summe würde für Forschung, Versuche, Bau der Treibstoffwerke und andere notwendige Vorbereitungen für die Entwicklung des Projekts ausgegeben werden. Der Rest umfaßt die Ausgaben für die Bauteile der Station und die zwölf Raketenflüge, die erforderlich sind, um die Bauteile bis auf die Kreisbahn zu transportieren. Jedes Raketenschiff dürfte voraussichtlich vier Millionen Dollar kosten und pro Flug für fünfhunderttausend Dollar Treibstoffe verbrauchen. Die Begrenzung von Gewicht und Umfang der Bauteile wird also beim Entwurf der Raumstation ganz besonders zu berücksichtigen sein.

Sobald jedoch der erste Teil des Projekts finanziert ist, werden die Kosten sinken. Von den vorgeschlagenen Treibstoffen wird Salpetersäure schon heute in großen Mengen erzeugt; für Hydrazin, das gegenwärtig kaum im Handel ist, sind neue Produktionsstätten notwendig. Ihr Bau wird das ursprüngliche Budget belasten; wenn aber die Massenproduktion erst einmal im Gange ist, werden die Treibstoffkosten beträchtlich heruntergehen. Die Zahl von vier Millionen Dollar pro Raketenschiff für das erste Dutzend mag schon niedrig erscheinen, sobald aber die Herstellung von Raketenschiffen fortgesetzt wird – was zu erwarten ist –, wird selbst dieser Betrag noch kleiner werden. Wenn das ganze Projekt von Anfang an sorgfältig geplant ist, müßten die geschätzten vier Milliarden Dollar für sämtliche Ausgaben reichen – vom Zeichenpapier, auf dem die Experten die ersten Entwürfe machen, bis zur Station selbst.

Bei einem bestimmten Entwurfsbeispiel besteht die Station aus zwanzig Teilen, deren Material ein faltbarer, nylonartiger Kunststoff ist. Jedes Teil stellt eine unabhängige Einheit dar, welche später, wenn alle zu einem geschlossenen Ring vereinigt sind, in einzelne Räume, ähnlich wie in Unterseebooten, gegliedert werden kann. Um Transportraum zu sparen, werden diese Teile in gefaltetem Zustand in die Kreisbahn gebracht. Sobald das „Rad“ zusammengestellt und abgedichtet ist, wird es wie ein Autoreifen aufgeblasen, und zwar mit etwas weniger als atmosphärischem Druck. Dieser Druck liefert eine zum Atmen geeignete Atmosphäre im Innern des Ringes, und er gibt der ganzen Anlage die notwendige Festigkeit. Die Luft muß natürlich ständig erneuert werden, da die Insassen sie verbrauchen.

Auf festem Boden sind fast alle unsere täglichen Handlungen vom Gewicht abhängig. Wir stellen etwas auf einen Tisch, und es steht da, weil die Erde es anzieht. Wenn wir ein Glas Milch einschenken, zieht die Schwerkraft die Milch aus der Flasche, und wir fangen sie im Glas auf. Im Raum aber ist alles gewichtslos – auch der Mensch.

Wir erleben Gewichtslosigkeit für ganz kurze Zeit, wenn wir vom Sprungturm ins Wasser springen. Mit dem Problem dauernder Gewichtslosigkeit befaßt sich z.B. die Raumflugmedizin, doch nicht wegen irgendeiner durch sie verursachten Krankheit, sondern um diesen Zustand zu erforschen.

Dauernde Gewichtslosigkeit jedoch kann sich zweifellos oft als unbequem erweisen. Wir brauchen darum auf der Raumstation eine „synthetische“ Schwerkraft. Nun kann man eine Zentrifugalkraft – die als Schwerkraftersatz wirkt – erzeugen, indem man das Rad langsam um seine Nabe rotieren läßt, wobei ein Teil der Nabe eventuell in Ruhe bleiben kann.

Man wird deshalb an der Station ein kleines Raketentriebwerk anbringen, das genug Antrieb liefert, den Satelliten in Umdrehungen zu versetzen. Da es keinen Widerstand gibt, der das Rad wieder bremsen könnte, braucht das Triebwerk nicht ununterbrochen zu arbeiten. Es ist nur so lange in Betrieb, bis die gewünschte Rotationsgeschwindigkeit erreicht ist, und kann dann abgeschaltet werden.

Wie schnell lassen wir die Station rotieren? Das hängt davon ab, wieviel synthetische Schwerkraft wir haben wollen. Wenn der 75 Meter weite Ring alle 12,3 Sekunden eine volle Umdrehung macht, bekommen wir eine künstliche Schwerkraft, die der natürlichen am Erdboden genau entspricht. Wir haben dann „1 g“. Aus manchen Gründen mag es vorteilhaft sein, nicht ein volles g zu erzeugen. Der Ring kann also langsamer rotieren; beispielsweise könnte er eine Umdrehung in 22 Sekunden vollziehen, was eine künstliche Schwerkraft von etwa einem Drittel der natürlichen am Erdboden ergeben würde.

Die Zentrifugalkraft, die durch das langsame Rotieren der Raumstation entsteht, drückt alles von der Nabe weg. Gleichgültig, wo die Insassen sitzen, stehen oder gehen, ihre Köpfe werden immer nach der Nabe zeigen. Mit anderen Worten, die Innenseite der Außenwand des Rades dient als Fußboden.

Wie steht es mit der Temperatur in der Weltraumstation? Es ist ein weitverbreitetes Märchen, daß es außerhalb der Atmosphäre extrem kalt sei; man spricht gern vom „absoluten Nullpunkt“. Natürlich ist es kalt, und dennoch muß unsere Sorge dahin gehen, die Temperatur im Innern der Raumstation erträglich niedrig zu halten, und nicht, sie zu erhöhen. Im Raum hängt die Temperatur eines jeden Körpers völlig von der Absorption und Zerstreuung der Sonnenstrahlen ab. Unsere Raumstation nun ist in der unangenehmen Lage, nicht nur direkte Wärmestrahlen von der Sonne zu empfangen, sondern auch reflektierte von der Erde.

Da die Raumstation von einem vollkommenen Vakuum umgeben ist, wirkt sie wie eine Art Thermosflasche, die warm hält, was warm ist, und kalt, was kalt ist. Wenn man ihr einen weißen Anstrich gibt, wird sie ein Minimum an Sonnenwärme aufnehmen. Nun kann man zusätzlich über die Oberfläche der Station eine Anzahl von schwarzen Flächen verteilen, die wiederum durch Blenden abgedeckt werden können. Wenn diese Blenden offen sind, werden die schwarzen Flächen auf der Sonnenseite mehr Wärme aufnehmen und die Station heizen. Sind sie auf der Schattenseite offen, werden die schwarzen Flächen mehr Wärme in den Raum ausstrahlen und dadurch die Station abkühlen. Man bewegt die Blenden mit kleinen Elektromotoren, verbindet sie mit einem Thermostaten und bezieht das ganze System in die Klimaanlage der Station ein – und schon hat man eine Temperaturkontrolle.

Nun sorgt das Aufblasen des Ringes mit Luft nur kurze Zeit für eine atembare Atmosphäre. Jeder Insasse wird schätzungsweise pro Tag 1,35 Kilogramm Sauerstoff verbrauchen. Dieser lebenspendende Sauerstoff muß daher von Zeit zu Zeit durch Nachschub von der Erde aufgefrischt werden. Gleichzeitig müssen Kohlensäure und giftige oder schlecht riechende Substanzen ständig entfernt werden. Die Luft muß außerdem getrocknet werden, da jede Person in der Raumstation genau wie auf der Erde täglich über 1400 Gramm Wasser durch Atmung und Ausdünstung verliert. Dieses Wasser kann zurückgewonnen, gereinigt und wieder verwendet werden.

Belüftung und Wasserabscheidung verbrauchen Energie; ebenso die Radaranlagen, Rundfunksender, astronomischen Ausrüstungen, elektrischen Küchengeräte und alle anderen Maschinen. Als Energiequelle haben wir die Sonne. Auf der Erde steht Sonnenenergie nur an wenigen Plätzen zuverlässig zur Verfügung, nämlich da, wo Wolken den Himmel nur selten bedecken. Aber im Raum gibt es keine Wolken, und die Sonne ist die einfachste Lösung für das Energieproblem der Station. Unser Kraftwerk besteht aus einem Hohlspiegel und einem Dampfkessel. Der Spiegel besteht aus einem hochpolierten Blechkanal, der rings um das Rad läuft. Die Station kann so ausgerichtet werden, daß der Spiegel ständig zur Sonne zeigt. Er konzentriert die Sonnenstrahlen dann auf eine Leitung, die in dem Spiegelkanal liegt. An einem Ende dieser Leitung wird flüssiges Quecksilber hineingepreßt, am anderen Ende der Leitung wird Quecksilberdampf entnommen. Dieser treibt einen Turbogenerator an, der ungefähr 500 Kilowatt liefert.

Natürlich muß das Quecksilber immer wieder verwendet werden. Wenn es in der Turbine seine Arbeit geleistet hat, wird es wieder in die Dampfleitung im Spiegel zurückgeschickt. Vorher muß der Dampf durch Abkühlung wieder zu flüssigem Quecksilber kondensiert werden. Das wird dadurch erreicht, daß er durch Leitungen geführt wird, die hinter dem Spiegel im Schatten liegen. Diese Leitungen strahlen die Wärme des Dampfes in den Raum aus.

Wir haben also in der Raumstation eine vollkommen künstliche Umgebung geschaffen, in der Menschen leben können. Natürlich werden sie auch drohenden Gefahren gegenüberstehen; manche, wie die kosmische Strahlung und die möglichen Zusammenstöße mit Meteoriten, sind sogar ziemlich ernst. Solchen Problemen wird im Augenblick nachgegangen, sie sind keinesfalls als unüberwindlich anzusehen.

Die Station wird auf ihrer 2-Stunden-Bahn nicht allein sein. Fast immer werden einige Raketenschiffe dabei sein, Versorgungsgüter auszuladen. Sie werden in einiger Entfernung „geparkt“ werden, damit die Station nicht durch einen Zusammenprall oder den Strahl der Raketentriebwerke beschädigt werden kann. Für den Transport von Menschen und Materialien vom Raketenschiff zur Raumstation benutzt man kleine raketengetriebene Fahrzeuge begrenzter Reichweite, die wie überdimensionale Wassermelonen aussehen. Diese „Raum-Taxis“ werden luftdichte Kabinen haben; wahrscheinlich wird es möglich sein, sie direkt in eine Luftschleuse am Raketenschiff und eine ähnliche Luftschleuse in der Nabe der Raumstation einzufahren. Sie werden dann so gebaut sein, daß sie genau in die Luftschleusen hineinpassen und die Öffnungen wie ein Pfropfen verschließen. Die Insassen können also vom Schiff zur Station gelangen, ohne dem luftleeren Raum ausgesetzt zu werden, so daß sie keine Raumanzüge anzulegen brauchen.

Es wird auch ein Raum-Observatorium geben, ein kleines metallenes Gitterwerk in einiger Entfernung von der Raumstation. Darin wird sich ein Teleskop mit einem parabolischen Spiegel von 254 Zentimeter Durchmesser befinden, ähnlich dem Spiegel des berühmten Teleskops auf dem Mount Wilson. Mit diesem mächtigen Gerät kann man die Tiefen des Universums durchforschen und Aufnahmen der Sterne und Planeten anfertigen, die von keinem Observatorium der Erde mit entsprechender Ausrüstung erreicht werden können. Das Raum-Teleskop kann auch dazu benutzt werden, Bilder der Erdoberfläche zu machen, wobei feinste Details sichtbar werden.

Ein 254-Zentimeter-Spiegel vergrößert bis zu 1250fach. Das bringt die Erde 1250mal näher, und Einzelheiten der Erdoberfläche werden so deutlich zu erkennen sein, als sei das Observatorium nur 1400 Meter hoch und nicht über 1700 Kilometer. Im Raum-Teleskop wird man noch Objekte auf der Erde unterscheiden können, die nur 40 Zentimeter voneinander entfernt sind.

Es wäre zwecklos, stärkere Vergrößerungen mit einem 254-Zentimeter-Spiegel vorzunehmen, da das Bild getrübt würde und doch nicht mehr Einzelheiten herauskämen. Um z.B. die Auflösungsfähigkeit von 40 auf 20 Zentimeter zu verbessern, wäre ein 500-Zentimeter-Spiegel wie in dem großen Teleskop auf dem Mount Palomar erforderlich.

Das Raum-Teleskop kann die Erdoberfläche auch bei schlechtem Wetter beobachten. Sein Auge ist nur dann blind, wenn weite Gebiete mit dichten Wolken oder Nebel bedeckt sind. Dann können aber Radargeräte durch die Schlechtwettergebiete hindurchfotografieren. In zehn Jahren werden diese Apparate noch weiter entwickelt sein, aber schon heute erzeugen solche Geräte unglaublich detailreiche Bilder.

Den optischen Instrumenten auf der Erde hat das Raum-Teleskop einen großen Vorteil voraus: Das Bild, das es liefert, wird nicht durch die Atmosphäre gestört. Wenn man auf der Erde durch ein Teleskop nach dem Himmel schaut, ist Luft in und vor dem Instrument. Kleine Unregelmäßigkeiten in der Lufttemperatur lassen das Bild flimmern. Das Raum-Observatorium ist von solchen Störungen „weit entfernt“.

Die militärische Bedeutung des Raum-Teleskops liegt auf der Hand. Doch die Beobachtung der Erde aus strategischen Gründen wird nicht durch einen Techniker erfolgen, der ständig durch das Okular starrt! Alles wird fotografisch aufgenommen, und die Bilder werden durch Experten der Luftaufklärung ausgewertet. Mit dem Teleskop ist eine Spezialkamera verbunden, die nach den Erfahrungen der fotografischen Luftaufklärung gebaut ist. Während des zweistündigen Laufs der Station um die Erde wird diese Kamera, die mit einem automatischen Plattenwechsler oder Filmtransport versehen ist, wenigstens hundert Aufnahmen machen.