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Ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln ist keine Frage des Glücks, sondern der richtigen strategischen Entscheidungen. Dieses Buch unterstützt Sie hierbei. Es enthält hilfreiche Konzepte, Techniken und Tools und erklärt, wie Sie eine inspirierende Produktvision, eine erfolgreiche Produktstrategie und eine realistische Produkt-Roadmap für digitale Produkte erstellen. Methoden zur Definition eines klaren Kundennutzens, der Adressierung des richtigen Marktsegments und der Auswahl der richtigen Produktkennzahlen (KPIs) werden ebenso behandelt wie die Auswahl des passenden Produkt-Roadmap- Formats, die Verwendung des korrekten Planungshorizonts sowie die Überprüfung und Anpassung der Roadmap. Jede Praktik wird klar beschrieben und mit konkreten Tipps direkt anwendbar gemacht. Dabei werden die Praktiken anhand zahlreicher Beispiele veranschaulicht, die sich auf digitale Produkte beziehen oder auf Produkte, bei denen Software eine Schlüsselrolle spielt. Ein idealer Einstieg in das Thema insbesondere für Product Owner und Produktmanager:innen digitaler Produkte!
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Roman Pichler
Produktstrategien und -Roadmaps für digitale Produkte und agile Teams
Übersetzung der 2. englischen Auflage von Stefan Zumbrägel
Roman Pichler
Lektorat: Christa Preisendanz
Lektoratsassistenz: Julia Griebel
Übersetzung: Stefan Zumbrägel, Vechta
Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg
Satz & Layout: Birgit Bäuerlein
Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt
Umschlaggestaltung: Eva Hepper, Silke Braun
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-86490-965-8
978-3-98890-080-7
ePub
978-3-98890-081-4
mobi
978-3-98890-082-1
1. Auflage 2023
Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2023
dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17· 69123 Heidelberg
Copyright © 2022 by Roman Pichler
Autorisierte Übersetzung der englischen Originalausgabe mit dem Titel
»Strategize: Product Strategy and Product Roadmap Practices for Agile Teams«, 2nd Edition, ISBN 978-0-9934992-4-1
Translation Copyright © 2023 by dpunkt.verlag. All rights reserved.
Hinweis:
Dieses Buch wurde mit mineralölfreien Farben auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Der Umwelt zuliebe verzichten wir zusätzlich auf die Einschweißfolie. Hergestellt in Deutschland.
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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag noch Übersetzer können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.
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Fortschritt ist ohne Veränderung unmöglich, und diejenigen, die ihre Meinung nicht ändern können, können gar nichts ändern.
George Bernard Shaw
Ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln, ist keine Frage des Glücks, kein Geniestreich und beruht auch nicht darauf, sich einfach nur genug Mühe zu geben. Auch wenn diese Faktoren zweifellos hilfreich sind, beginnt der Produkterfolg mit den richtigen strategischen Entscheidungen. Eine Herausforderung für viele Produktmanagerinnen und -manager, Product Owner und andere Produktverantwortliche ist, dass sie oft so sehr mit taktischen Maßnahmen beschäftigt sind – sei es das Schreiben neuer User Stories oder die Bearbeitung einer dringenden Supportanfrage –, dass sie manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Im schlimmsten Fall führen sie ihr Produkt auf den falschen Weg und landen im falschen Wald. Dann haben sie die falsche Strategie perfekt umgesetzt und stehen mit einem Produkt da, das unterdurchschnittlich abschneidet oder sogar zu einem Fehlschlag wird.
Dieses Buch hilft Ihnen dabei, proaktiv zu agieren, die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen und diese in der Umsetzung zu nutzen, um die Chancen auf ein erfolgreiches Produkt zu maximieren. Es erklärt, wie Sie eine inspirierende Produktvision, eine erfolgreiche Produktstrategie und eine umsetzbare Produkt-Roadmap für digitale Produkte erstellen, die mit agilen Methoden entwickelt werden. Das Buch bietet eine breite Palette sorgfältig ausgewählter, bewährter Techniken und Werkzeuge, die sich gegenseitig ergänzen und unterstützen. Wenn Sie als Produktmanager:in, Scrum Product Owner, Produktportfoliomanager:in, Produktleiter:in oder Produktcoach arbeiten, dann ist dieses Buch genau das Richtige für Sie1.
Das Buch beginnt mit einer Einleitung, gefolgt von vier Kapiteln zur Produktstrategie und drei Kapiteln zu Produkt-Roadmaps. Obwohl man versucht sein könnte, direkt zu den Abschnitten zu gehen, die einen am meisten interessieren, empfehle ich, zuerst die Einleitung zu lesen. Darin werden zentrale Ideen vorgestellt, die die Grundlage für den Rest des Buches legen. Durch das Lesen der Einleitung erhalten Sie den Kontext, um die einzelnen Kapitel und Abschnitte richtig einzuordnen. Obwohl ich versucht habe, das Buch so zu schreiben, dass die Kapitel nur geringe Verbindungen untereinander haben, bestehen doch Abhängigkeiten zwischen ihnen. Vor allem die Roadmap-Kapitel bauen auf den Strategiekapiteln auf, da eine realistische und umsetzbare Produkt-Roadmap auf einer validierten Produktstrategie basieren sollte.
Bitte beachten Sie, dass dieses Buch weder eine Einführung in das Produktmanagement noch in agile Praktiken ist – es gibt viele andere gute Bücher, die Ihnen dieses Wissen vermitteln. Stattdessen gehe ich davon aus, dass Sie bereits mit zentralen Produktmanagementkonzepten und einem agilen Framework wie Scrum vertraut sind.
Dieses Buch stützt sich, zusätzlich zu meinen eigenen Methoden und Vorlagen, auf eine Reihe von Ansätzen. Insbesondere sind hier Lean Startup, Customer Development, Design Thinking, die Blue-Ocean-Strategie, Business Modeling, Jobs to be done, User-Centred Design, Lean Management, Scrum und Kanban zu nennen. Ich habe jedoch darauf geachtet, die verschiedenen Konzepte, Techniken und Werkzeuge so zu kombinieren, dass sie zueinander passen und sich gegenseitig ergänzen.
Die meisten Beispiele in diesem Buch stammen aus dem Consumer-Bereich. Der Grund dafür ist einfach: Ich habe mich bemüht, Produkte zu verwenden, von denen Sie hoffentlich schon gehört haben. Die behandelten Praktiken sind jedoch auf nahezu jedes digitale Produkt anwendbar, auch auf B2B-Angebote. Die meisten meiner Ratschläge können Sie auch auf nicht digitale Produkte anwenden. Dafür müssen Sie eventuell einige der Praktiken anpassen und die softwarespezifischen Empfehlungen ignorieren.
Eine letzte Bemerkung: Um mögliche negative Assoziationen der Leserschaft mit Begriffen wie Produktmanager:in und Scrum Product Owner zu vermeiden, bezeichne ich in diesem Buch die Personen, die dafür verantwortlich sind, ein Produkt erfolgreich zu machen oder zu erhalten und den Wert, den das Produkt erzeugt, zu maximieren, als Produktpersonen (Product People).
Diese Auflage von Strategize (dt. Titel: Strategisches Produktmanagement) aktualisiert und verbessert die erste Auflage von 2016. Es wurden neue Konzepte und Materialien hinzugefügt, die Anzahl der Tipps erweitert, neue Beispiele und Illustrationen ergänzt, bestehende Inhalte erweitert und detailliert sowie die Buchstruktur vereinfacht. Ich glaube, dass das Buch dadurch noch besser geworden ist und die darin enthaltenen Empfehlungen leichter anzuwenden sind.
Dieses Buch wäre ohne die Hilfe und Unterstützung vieler Menschen nicht möglich gewesen. Besonders dankbar bin ich meiner Frau Melissa Pichler, die mich bei der ersten und zweiten Auflage dieses Buches unterstützt hat, indem sie mit mir Ideen diskutiert und die Manuskripte durchgesehen hat. Ich möchte auch Petra Färm dafür danken, dass sie mir bei der Entscheidung über die Strukturierung der zweiten Auflage geholfen hat, und allen, die mir Feedback zur ersten Auflage gegeben haben, insbesondere Marc Abraham und Stefan Roock.
1Einleitung
2Grundlagen der Produktstrategie
3Entwicklung der Produktstrategie
4Validierung der Produktstrategie
5Überprüfung der Produktstrategie
6Grundlagen der Produkt-Roadmap
7Entwicklung der Produkt-Roadmap
8Überprüfung der Produkt-Roadmap
9Epilog
Anhang
Über den Autor
Über den Übersetzer
Literatur
Index
1Einleitung
1.1Ein Modell für Produktstrategie und Produkt-Roadmap
1.1.1Die Bestandteile des Modells
1.1.2Integration von verschiedenen Plänen und Planungsebenen
1.1.3Strategische Planung, Agilität und OKRs
1.2Befugnisse, Zusammenarbeit und strategische Entscheidungen
1.3Vier Erfolgsfaktoren für ein Produkt
1.4Ein Produktstrategieprozess
1.4.1Zeitlich begrenzte Strategieentwicklung
1.4.2Kontinuierliche Strategieentwicklung
1.5Digitale Produkte und Produktstrategie
2Grundlagen der Produktstrategie
2.1Was ist eine Produktstrategie?
2.1.1Die Definition der Produktstrategie
2.1.2Mit einer Produktstrategie beginnen
2.2Denken Sie groß und beschreiben Sie Ihre Vision
2.3Nutzen Sie die Geschäftsstrategie als Leitfaden für strategische Produktentscheidungen
2.4Verstehen Sie den Innovationstyp Ihres Produkts
2.4.1Innovationen im Kerngeschäft
2.4.2Angrenzende Innovationen
2.4.3Disruptive Innovationen
2.4.4Zusammenfassung
2.5Profitieren Sie vom Produktlebenszyklusmodell
2.5.1Entwicklungsphase
2.5.2Einführungsphase
2.5.3Wachstumsphase
2.5.4Reifephase
2.5.5Rückgangsphase
2.5.6Zusammenfassung
2.6Arbeiten Sie mit den Stakeholderinnen und den Entwicklungsteams zusammen
2.6.1Identifizierung der Interessengruppen
2.6.2Stakeholder-Analyse und Engagement
2.6.3Gemeinsame Workshops
3Entwicklung der Produktstrategie
3.1Segmentieren Sie den Markt
3.1.1Segmentierung nach Kundeneigenschaften und Nutzen
3.1.2Auswahl des richtigen Segments
3.2Finden Sie einen Reiz, der es wert ist, gekitzelt zu werden
3.2.1Die richtige Einstellung finden
3.2.2Ein Bedürfnis entdecken
3.2.3Verwendung von Empathie- und Konsumkettenkarten
3.2.4Konkretisierung des Bedarfs
3.2.5Auswahl eines primären Bedarfs
3.3Beschreiben Sie Nutzer und Kunden mit Personas
3.3.1Eine Persona-Vorlage
3.3.2Tipps zur Erstellung effektiver Personas
3.4Heben Sie Ihr Produkt hervor
3.4.1Das Strategie-Canvas
3.4.2Das Kano-Modell
3.4.3Das Eliminate-Reduce-Raise-Create (ERRC)-Raster
3.5Erfassen Sie Ihre Strategie mit dem Product Vision Board
3.5.1Lassen Sie sich von der Vision leiten
3.5.2Konzentrieren Sie sich auf einen bestimmten Markt oder ein Marktsegment
3.5.3Nennen Sie klar das Hauptproblem oder den Nutzen
3.5.4Beschreiben Sie, was Ihr Produkt außergewöhnlich macht
3.5.5Erfassen Sie die gewünschten Vorteile für das Unternehmen
3.5.6Machen Sie Ihr Product Vision Board testbar
3.5.7Erstellen Sie das Board in einem gemeinsamen Workshop
3.6Ergänzen Sie Ihre Strategie mit einem Geschäftsmodell
3.6.1Beispiele für Geschäftsmodelle
3.6.2Erfassen des Geschäftsmodells
3.6.3Verwendung des Geschäftsmodells zur Erstellung eines Business Case
3.7Berücksichtigen Sie die ethischen Aspekte Ihres Produkts
3.7.1Nutzer zuerst
3.7.2Faires Geschäftsmodell
3.7.3Richtige Design- und Technologieentscheidungen
3.7.4Auswirkungen auf die Umwelt
3.8Entwickeln Sie Varianten und entflechten Sie Ihr Produkt
3.8.1Vorteile
3.8.2Zu vermeidende Stolperfallen
3.8.3Produktstrategie für Varianten und entflochtene Produkte
3.9Nutzen Sie die Vorteile von Softwareplattformen
3.9.1Vor- und Nachteile von Softwareplattformen
3.9.2Plattform-Tipps
3.10Erstellen Sie eine Produktgruppe
3.10.1Vorteile
3.10.2Zu vermeidende Stolperfallen
4Validierung der Produktstrategie
4.1Testen und korrigieren Sie Ihre Strategie iterativ
4.2Führen Sie die minimal notwendige Vorarbeit durch
4.3Beziehen Sie die richtigen Personen mit ein
4.4Nutzen Sie Daten zur Entscheidungsfindung
4.5Verwandeln Sie Misserfolge in Chancen
4.6Verlassen Sie das Gebäude
4.7Identifizieren Sie das größte Risiko
4.7.1Wählen Sie das größte Risiko aus
4.7.2Waschen, spülen und wiederholen
4.8Wählen Sie die richtigen Validierungstechniken
4.8.1Beobachten Sie direkt Nutzerinnen und Kundinnen
4.8.2Führen Sie problemzentrierte Interviews durch
4.8.3Verwenden Sie Produktattrappen
4.8.4Bauen Sie Spikes zur Bewertung der technischen Machbarkeit
4.8.5Verlassen Sie sich nicht auf eine einzige Methode und trennen Sie die Datenanalyse von der Datenerhebung
4.9Umdenken, weitermachen oder aufhören
4.9.1Überprüfen und analysieren Sie die Daten
4.9.2Ergreifen Sie sie richtige Maßnahme
4.10Planen und verfolgen Sie die Validierungsarbeiten
4.10.1Legen Sie eine Timebox fest
4.10.2Verwenden Sie ein Kanban-Board
4.10.3Nutzen Sie Standup-Meetings und wöchentliche Reviews
5Überprüfung der Produktstrategie
5.1Wählen Sie die richtigen Leistungsindikatoren (KPIs) aus
5.1.1Konzentrieren Sie sich auf Bedürfnisse, Geschäfts- und Produktziele
5.1.2Verwenden Sie Gesundheitsindikatoren
5.1.3Setzen Sie realistische Ziele
5.1.4Kombinieren Sie quantitative und qualitative KPIs
5.1.5Profitieren Sie von Trends
5.1.6Setzen Sie Spät- und Frühindikatoren wirksam ein
5.1.7Überprüfen und passen Sie regelmäßig die KPIs an
5.1.8Vermeiden Sie diese häufigen Fehler bei der Verwendung von KPIs
5.1.9Eine Liste von Beispiel-KPIs
5.2Überprüfen und aktualisieren Sie regelmäßig die Produktstrategie
5.2.1Fünf Faktoren
5.2.2Häufigkeit der Überprüfung
5.2.3Vier Auswahlmöglichkeiten
5.2.4Kombinierte Strategie- und Roadmap-Überprüfungen
6Grundlagen der Produkt-Roadmap
6.1Die Vorteile, die eine Produkt-Roadmap bieten kann
6.2Nutzen Sie die Vorteile zielgerichteter, wirkungsorientierter Produkt-Roadmaps
6.3Praktizieren Sie gemeinsames Produkt-Roadmapping
6.4Bauen Sie Ihre Roadmap auf einer validierten Produktstrategie auf
6.5Schaffen Sie das richtige Verhältnis zwischen Roadmap und Product Backlog
6.6Unterscheiden Sie zwischen internen und öffentlichen Produkt-Roadmaps
6.7Vermeiden Sie diese häufigen Fehler bei der Arbeit mit Roadmaps
6.7.1Stakeholderinnen bestimmen die Inhalte der Roadmap
6.7.2Die Roadmap wird als fester Plan angesehen
6.7.3Die Roadmap ist spekulativ
6.7.4Die Roadmap führt zu einem »Death March«
6.7.5Die Roadmap enthält Epics und User Stories
6.7.6Die Roadmap wird mit einem Releaseplan verwechselt
7Entwicklung der Produkt-Roadmap
7.1Unternehmen Sie die richtigen Schritte
7.2Erfassen Sie Ihre Roadmap mit der GO-Vorlage
7.3Legen Sie die richtigen Produktziele fest
7.3.1Leiten Sie die Produktziele aus den Bedürfnissen und Geschäftszielen ab
7.3.2Verwenden Sie KPIs zur Bestimmung der Produktziele
7.3.3Verfolgen Sie nur ein Produktziel auf einmal
7.3.4Verwechseln Sie Leistungsmerkmale nicht mit Zielen
7.4Machen Sie die Ziele messbar
7.5Priorisieren Sie die Produktziele
7.5.1Semantische Abhängigkeiten
7.5.2Verzögerungskosten (Cost of Delay)
7.5.3Abhängigkeiten zwischen Produkten
7.6Setzen Sie die Leistungsmerkmale auf der Roadmap richtig ein
7.7Legen Sie Termine fest
7.7.1Window of Opportunity
7.7.2Gleichmäßiger Releaserhythmus
7.8Schätzen Sie die Kosten top-down
7.8.1Bottom-up vs. top-down
7.8.2Flexibles Budget
7.8.3Festes Budget und Entwicklungsteam
7.9Halten Sie die Produktziele, Termine und Kosten im Gleichgewicht
7.9.1Das eiserne Dreieck
7.9.2Primärer Erfolgsfaktor
7.9.3Sekundärer Erfolgsfaktor
7.9.4Feste vs. sich ändernde Erfolgsfaktoren
7.10Leiten Sie das Product Backlog von der Roadmap ab
7.11Stimmen Sie verwandte Produkte mit einer Portfolio-Roadmap aufeinander ab
7.12Nutzen Sie gemeinsame Workshops
8Überprüfung der Produkt-Roadmap
8.1Verfolgen Sie den Entwicklungsfortschritt
8.2Überprüfen und passen Sie die Roadmap an
8.2.1Überprüfungsfaktoren
8.2.2Häufigkeit der Überprüfung
8.3Beziehen Sie richtigen Leute mit ein und nehmen Sie die Einzelnen mit in die Verantwortung
9Epilog
Anhang
Über den Autor
Über den Übersetzer
Literatur
Index
Wenn Sie nicht wissen, wohin Sie gehen, werden Sie irgendwo anders landen.
Yogi Berra
Meine erste Erfahrung im Produktmanagement war nicht gerade das, was man einen Erfolg nennen würde: Ich war Teil eines Teams, das hinzugezogen wurde, um bei der Entwicklung eines neuen Produkts zu helfen, und arbeitete schließlich mit dem Produktmanager zusammen, der das Produkt leitete. Obwohl ich dabei viel gelernt habe, ist das Produkt leider gescheitert. Aber ich habe daraus eine wichtige Lehre gezogen: Es hat keinen Sinn, sich über die Produktdetails Gedanken zu machen sowie Use Cases und User Stories zu schreiben, wenn eine solide Produktstrategie fehlt und keine umsetzbare Produkt-Roadmap vorhanden ist. Ich werde in diesem Kapitel zeigen, warum Strategie und Roadmap wirklich grundlegend sind.
Eine effektive Produktstrategie und eine Produkt-Roadmap sind entscheidend für die erfolgreiche Erstellung, Verbesserung und Betreuung eines Produkts. Aber was genau ist eine Produktstrategie und was ist eine Produkt-Roadmap? Wie hängen die beiden Konzepte zusammen? Und in welchem Verhältnis stehen sie zur Produktvision und zum Product Backlog? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich ein Modell entwickelt, das in Abbildung 1–1 dargestellt ist.
Abb. 1–1Ein Modell für Produktstrategie und Produkt-Roadmap
In den nächsten Abschnitten werfen wir einen genaueren Blick auf das Modell und betrachten die darin enthaltenen Elemente und Verbindungen. Noch ein Hinweis: Die detaillierten Praktiken für die Arbeit mit den Artefakten in Abbildung 1–1 werde ich im weiteren Verlauf dieses Buches erörtern. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick gegeben.
Im Mittelpunkt des Modells in Abbildung 1–1 stehen vier Artefakte: die Produktvision, die Produktstrategie, die Produkt-Roadmap und das Product Backlog. Die Produktvision beschreibt den Zweck des Produkts, den ultimativen Grund für seine Erstellung und die positive Veränderung, die es bewirken soll. Man kann sich die Vision als den Nordstern des Produkts vorstellen, der alle am Produkterfolg Beteiligten leitet und ausrichtet. Dazu gehören die Stakeholder, der Sponsor aus dem Management und die Entwicklungsteams.1
Die Produktstrategie gibt die Vorgehensweise vor, mit der die Vision verwirklicht und das Produkt erfolgreich gemacht werden soll. Bei der Ausarbeitung einer Strategie müssen Sie vier wichtige Entscheidungen treffen:
die Auswahl der Bedürfnisse, die das Produkt erfüllen soll,
die Bestimmung des Marktes oder Marktsegments – welche Nutzer und Kunden sollen von dem Produkt profitieren –,
die Auswahl von herausragenden Leistungsmerkmalen, die das Produkt von konkurrierenden Angeboten abheben, und
die Festlegung realistischer Geschäftsziele, die die Vorteile beschreiben, die das Produkt für das Unternehmen schaffen wird.
Um diese Entscheidungen treffen zu können, müssen Sie zu anderen Ideen und Vorschlägen Nein sagen. Das kann zwar schwierig sein, ist aber ein notwendiger Bestandteil der strategischen Entscheidungsfindung. Ein Produkt, das versucht, es allen recht zu machen, läuft Gefahr, niemandem zu nützen. Des Weiteren muss eine neue oder stark veränderte Strategie validiert werden, um die Chancen auf einen Produkterfolg zu maximieren. Dies geschieht am besten durch eine systematische Auseinandersetzung mit den wichtigsten Annahmen und Risiken.
Mit einer validierten Produktstrategie sind Sie in einer hervorragenden Position, um eine umsetzbare Produkt-Roadmap zu erstellen. Die Roadmap beschreibt, wie die Produktstrategie in den nächsten sechs bis zwölf Monaten umgesetzt werden soll. Sie vermittelt, welche konkreten Vorteile von dem Produkt erwartet werden. Zudem gibt sie den Stakeholdern und Entwicklungsteams eine gemeinsame Ausrichtung und schafft dadurch Orientierung. Eine effektive Produkt-Roadmap baut auf Produktzielen auf, die die Ergebnisse beschreiben, die das Produkt erzielen soll, z.B. die Gewinnung neuer Nutzer sowie die Steigerung der Nutzerbindung.2 Die Roadmap kann auch zusätzliche Elemente wie Termine oder Zeitrahmen, ausgewählte grob beschriebene Leistungsmerkmale und Metriken enthalten. Ein Datum oder ein Zeitrahmen gibt an, wann ein Ziel erreicht werden soll, die Leistungsmerkmale skizzieren das Ergebnis, das zum Erreichen eines Ziels erforderlich ist, und die Metriken helfen Ihnen zu verstehen, ob ein Ziel erreicht wurde.
Eine Produkt-Roadmap, die auf Produktzielen aufbaut, bietet eine hervorragende Grundlage für die Ableitung eines Product Backlog und die richtigen taktischen Produktentscheidungen. Sie können einfach das nächste Produktziel zusammen mit seinen Leistungsmerkmalen in das Backlog kopieren. Fügen Sie dann weitere Elemente hinzu, die zur Erreichung des Ziels erforderlich sind, z.B. Epics, User Stories, Workflow-Diagramme, Skizzen, Mock-ups und nicht funktionale Anforderungen (Non-Functional Requirements, NFRs).
Ergänzend zu den vier oben beschriebenen Elementen bietet mein Modell zwei Vorlagen, die ich erstellt habe: das Product Vision Board und die GO3Product Roadmap. Erstere hilft Ihnen, die Produktvision und -strategie zu erfassen. Letztere unterstützt Sie dabei, eine Produkt-Roadmap zu kommunizieren, die auf den Produktzielen und -ergebnissen basiert. Noch ein Hinweis: Selbstverständlich müssen Sie nicht unbedingt die Vorlagen verwenden, um die Vorteile des Modells in Abbildung 1–1 zu nutzen. Sie können auch Alternativen einsetzen, vorausgesetzt, dass Sie die Bedürfnisse und Geschäftsziele in Ihrer Strategie klar formulieren und mit einer wirkungsorientierten Roadmap arbeiten.
Eine Produktstrategie und eine Roadmap zu haben, ist großartig. Doch wie stellen Sie sicher, dass die beiden Pläne systematisch miteinander sowie mit der Produktvision und dem Product Backlog verbunden sind? Mit dem Modell in Abbildung 1–1 wird dies auf folgende Weise erreicht: Die Vision gibt den Rahmen für die Strategie vor, die Strategie bildet die Grundlage für die Erstellung einer effektiven Roadmap und aus der Roadmap leitet sich schließlich das Product Backlog ab.
Mit jedem Schritt werden die Entscheidungen, die Sie treffen, konkreter, und übergeordnete Ziele werden in immer detailliertere und fokussiertere Ziele umgesetzt. Die Vision wird in Bedürfnisse und Geschäftsziele umgewandelt. Daraus werden Produktziele abgeleitet, die wiederum zur Ermittlung der richtigen Product-Backlog-Einträge führen. Außerdem werden die Zeiträume immer kürzer – von fünf bis zehn Jahren, die von der Vision abgedeckt werden, bis hin zu einem Product Backlog, das Elemente für die nächsten paar Monate enthält.
Das Modell suggeriert, dass die Produktplanung mit der Festlegung einer Vision beginnt. Die Verbindungen zwischen den Elementen sind aber bidirektional. Das bedeutet, dass größere Änderungen im Product Backlog zu Änderungen in der Roadmap führen können. So kann es sein, dass ein oder mehrere Ziele auf der Roadmap angepasst werden müssen oder dass die Termine und Zeitrahmen korrigiert werden müssen. In ähnlicher Weise können größere Aktualisierungen der Roadmap zu einer Änderung der Produktstrategie führen. Sie könnten beispielsweise feststellen, dass eines der Geschäftsziele unrealistisch ist, dass die Anforderungen angepasst werden müssen oder dass ein herausragendes Leistungsmerkmal überarbeitet werden muss. Wenn Sie am Ende keine validierbare Produktstrategie finden können, müssen Sie die Produktvision ändern oder im schlimmsten Fall aufgeben.
Strategie und Ausführung sind daher in dem Modell in Abbildung 1–1 systematisch miteinander verbunden. Strategische Entscheidungen setzen den Rahmen für die Umsetzung von Product-Backlog-Einträgen und die Erkenntnisse aus der taktischen Arbeit führen zu Änderungen an der Produkt-Roadmap und der Strategie. Dies gewährleistet konsistente Entscheidungen und vermeidet eine Kluft zwischen Strategie und Ausführung, bei der strategische und taktische Entscheidungen voneinander entkoppelt sind. Im schlimmsten Fall führt eine solche Kluft dazu, dass die Entwicklungsteams großartige Arbeit leisten und dabei das falsche Produkt entwickeln. Abbildung 1–2 veranschaulicht die Verbindung zwischen Strategie und Ausführung.
Abb. 1–2Der Produktstrategiezyklus
Abbildung 1–2 zeigt, dass die strategische Arbeit die taktischen Produktentscheidungen beeinflusst. Die Erkenntnisse aus der Softwareentwicklung helfen Ihnen, die Produktstrategie und die Roadmap anzupassen. Aus einer validierten Produktstrategie wird die Produkt-Roadmap abgeleitet, die dabei hilft, die richtigen Product-Backlog-Einträge zu finden. Diese werden in Produktinkremente4 und schließlich in ein Produkt umgewandelt. Ersteres ermöglicht es Ihnen, den Entwicklungsfortschritt zu bestimmen, z.B. mithilfe eines Release-Burndown-Charts. Mit Letzterem können Sie die Produktleistung anhand von Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs) wie Nutzerbindung, Umsatz und Kundenzufriedenheit messen. Die gesammelten Daten helfen Ihnen, die Strategie und die Roadmap zu überprüfen und die Pläne anzupassen bzw. weiterzuentwickeln.5
Beachten Sie auch die zwei kleineren Kreise im Diagramm: den einen für die Validierung, der anzeigt, dass die Produktstrategie am besten iterativ getestet wird, und den anderen für die Entwicklung, der zeigt, dass ein digitales Produkt in Sprints entwickelt werden kann.
Wenn ich das Modell aus Abbildung 1–1 erkläre, werden mir oft zwei Fragen gestellt: Unterstützt es eine agile Arbeitsweise? Und kann es mit Objectives and Key Results (OKRs) verwendet werden? Die kurze Antwort auf beide Fragen lautet: Ja. Ich teile Ihnen aber gerne auch die lange Antwort mit.
Das Modell bietet einen Rahmen für Agilität in zweierlei Hinsicht:
Erstens geben die Produktstrategie und die Roadmap übergeordnete Ziele vor, aus denen die detaillierten Produktentscheidungen abgeleitet werden, ohne sie vorwegzunehmen oder vorzuschreiben. Stattdessen entstehen die Produktfunktionalitäten und das detaillierte Design der Nutzererfahrung während der Produktentwicklung mit einem agilen Framework wie Scrum.
Zweitens werden die Produktstrategie und die Roadmap regelmäßig überprüft und aktualisiert. Dabei handelt es sich nicht um statische, starre Pläne, sondern sie entwickeln sich auf der Grundlage sich ändernder Marktbedingungen, Technologien und regulatorischer Anforderungen weiter. Zusätzlich wird in
Abbildung 1–2
deutlich, dass die Erkenntnisse aus Produktvorführungen und der Auslieferung von Produktinkrementen an Nutzer und Kunden in die Strategie und die Roadmap integriert werden. Wie bereits erwähnt, können Änderungen im Product Backlog eine Aktualisierung der Roadmap nach sich ziehen, was wiederum zu einer Änderung der Produktstrategie führen kann. Mit anderen Worten: Der von mir vorgeschlagene strategische Planungsansatz unterstützt das empirische Management und die adaptive Planung.
Wenn Sie OKRs verwenden möchten, können Sie die Ziele in Abbildung 1–1 als Objectives betrachten. Es gibt vier Ziele:
die
Vision
,
die
Bedürfnisse
, die die Nutzer- und Kundenziele abdecken,
Geschäftsziele
und
Produktziele
.
Diese Ziele bilden eine kaskadenförmige Kette. Aus der Vision werden die Bedürfnisse und Geschäftsziele abgeleitet, aus denen wiederum die Produktziele.6 Sie könnten beispielsweise die Produktziele als Objectives und die entsprechenden Termine, Messgrößen und Leistungsmerkmale als Key Results formulieren. Ich persönlich finde OKRs nicht gut geeignet, um Produkte zu managen und produktspezifische Ziele zu setzen. Der Grund dafür ist folgender: Die Verwendung von OKRs führt tendenziell zu einem eher textlastigen Ansatz. Das kann zu Dokumenten führen, die vergleichsweise lang und schwer verständlich sind. Das fühlt sich an, als würde man die Uhr in die 1970er-Jahre zurückdrehen, als Andy Grove die OKRs bei Intel erfand. Es ignoriert die Fortschritte, die in den letzten Jahren durch die Entwicklung spezieller visueller Produktmanagementtools wie meinem Product Vision Board und meiner GO Product Roadmap oder Alexander Osterwalders Business Model Canvas [Osterwalder & Pigneur 2014] erzielt wurden.
Um die Pläne effektiv zu nutzen, die Stakeholder auf eine gemeinsame Linie zu bringen und die Arbeit der Entwicklungsteams zu steuern, ist es wichtig, zu verstehen, was die Produktstrategie und die Roadmap sind und wie sie zusammenhängen. Aber das reicht nicht aus. Ohne das richtige Maß an Befugnissen besteht die Gefahr, dass die aktiven und meinungsstarken Stakeholder Ihre Strategie und Roadmap bestimmen und dass die Pläne in erster Linie auf deren Bedürfnisse und nicht auf die der Nutzer und Kunden ausgerichtet sind. Mit einem solchen Ansatz werden Sie jedoch kaum Erfolg mit einem Produkt haben. Im schlimmsten Fall haben Sie am Ende ein Frankenstein-Produkt – ein Produkt, das aus einer seltsamen Ansammlung von Leistungsmerkmalen besteht, am Markt kaum Akzeptanz findet und ein schlechtes Benutzererlebnis bietet. Als Produktperson müssen Sie für die Produktstrategie und die Roadmap verantwortlich sein und Sie sollten das letzte Wort bei strategischen Entscheidungen haben.
Das heißt aber nicht, dass Sie die Strategie und die Roadmap allein erstellen müssen, die fertigen Pläne den Stakeholdern und Entwicklungsteams übergeben und erwarten, dass diese sie in die Tat umsetzen. Wie gut durchdacht Ihre Produktstrategie und Roadmap auch sein mögen, sie sind wertlos, wenn die Stakeholder und Entwicklungsteams sie nicht annehmen. Sie müssen sie daher in die Erstellung und Aktualisierung der Pläne einbeziehen, am besten in Form von gemeinsamen Workshops, wie ich später in diesem Buch näher erläutere. Solch ein kollaborativer Ansatz bietet die folgenden drei Vorteile:
Erstens führt es zu besseren Entscheidungen, da Sie das Fachwissen der Stakeholder und der Mitglieder des Entwicklungsteams nutzen können.
Zweitens schafft es Transparenz und ein gemeinsames Verständnis – die Leute wissen, was getan werden muss und warum eine Entscheidung getroffen wurde.
Drittens wird eine größere Akzeptanz erreicht. Wenn Sie den Beteiligten die Möglichkeit geben, strategische Entscheidungen mitzugestalten, werden sie diese eher unterstützen und umsetzen.
Wenn Sie gemeinsam mit den Stakeholdern und Entwicklungsteams Entscheidungen treffen, sollten Sie eine Kultur der Offenheit pflegen und nicht an vorgefassten Meinungen festhalten. Hören Sie stattdessen den einzelnen Personen aufmerksam zu und würdigen Sie ihre Ideen und Bedenken, auch wenn Sie anderer Meinung sind. Machen Sie aber nicht den Fehler, es allen recht machen zu wollen, oder lassen Sie nicht zu, dass einzelne Personen dominieren. Suchen Sie stattdessen nach einer Entscheidung, die den Wert Ihres Produkts maximiert und die größtmögliche Unterstützung erhält.
Einen Mangel an Befugnissen überwinden
Wenn Sie derzeit nicht über die Produktstrategie und Roadmap verfügen können und nicht befugt sind, strategische Produktentscheidungen zu treffen, sollten Sie die folgenden drei Tipps beachten:
Erweitern Sie Ihr Fachwissen über Produktstrategie und Roadmaps. Dazu gehört, dass Sie in der Lage sind, eine Produktstrategie zu erstellen, zu validieren und daraus eine Produkt-Roadmap abzuleiten – etwas, das Sie in diesem Buch lernen werden. Andernfalls wird es Ihnen schwerfallen, das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen und Führung zu übernehmen.Stärken Sie Ihre Führungsqualitäten und Ihre Fähigkeit, andere zu beeinflussen. Dazu gehört, dass Sie sich im aktiven Zuhören üben und konstruktiv mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten umgehen, wie ich in meinem Buch Leadership im Produktmanagement[Pichler 2022] näher erläutere.Setzen Sie sich für mehr Befugnisse ein und sprechen Sie mit den verantwortlichen Entscheidungsträgern in der Organisation. Erklären Sie den Personen, warum Befugnisse eine Voraussetzung für den Produkterfolg sind. Ihr Scrum Master oder Agile Coach kann Ihnen dabei helfen, da es zu seinen Aufgaben gehört, den Rahmen für organisatorische Veränderungen zu schaffen. Dazu zählt auch die Einrichtung eines effektiven Produktmanagements.Das ultimative Ziel der Erstellung einer Produktstrategie und einer Produkt-Roadmap ist ein nachhaltiger Produkterfolg. Sie möchten sicherstellen, dass Ihr Produkt seinen Nutzern und Kunden einen guten Dienst erweist und kontinuierlich einen Mehrwert für das Unternehmen schafft. Der Erfolg eines Produkts lässt sich zwar nicht auf eine einfache Formel reduzieren, aber es gibt vier Faktoren, die einen großen Einfluss darauf haben. Diese sind: Attraktivität, Machbarkeit, Rentabilität und Ethik, wie in Abbildung 1–3 dargestellt.
Abb. 1–3Die vier Erfolgsfaktoren für ein Produkt
Die
Attraktivität
ist wahrscheinlich der wichtigste Faktor. Wenn die Menschen ein Produkt nicht brauchen oder benutzen wollen, wird es scheitern. Um attraktiv zu sein, muss ein Produkt ein bestimmtes Problem lösen oder einen greifbaren Nutzen bieten. Ein Beispiel für Ersteres sind die AirTags von Apple, die Menschen helfen, ihre Schlüssel und andere verlegte Gegenstände wiederzufinden. Für den anderen Ansatz steht Sonos, ein kabelloses HiFi-System, das den Musikgenuss durch einfachen Zugang zu einer Reihe von Streaming-Diensten ermöglicht. Aber ganz gleich, ob ein Produkt ein Problem löst oder einen Nutzen bietet, es muss einen Mehrwert für seine Nutzer schaffen – oder es ist dem Untergang geweiht.
Machbarkeit
bedeutet, dass es möglich ist, das Produkt zu entwerfen und zu bauen. Die erforderlichen Technologien existieren also oder können entwickelt werden. Außerdem sind genügend Mitarbeitende mit den richtigen Fähigkeiten verfügbar oder können eingestellt werden. Wenn die Entwicklung des Produkts beispielsweise fortgeschrittene Algorithmen des maschinellen Lernens erfordert, müssen Sie sicherstellen, dass geeignete Frameworks für das maschinelle Lernen existieren oder entwickelt werden können.
Rentabilität
bedeutet, dass die Entwicklung und Bereitstellung des Produkts aus wirtschaftlicher Sicht rentabel ist. Das Produkt muss also genügend geschäftlichen Nutzen bringen, um die Ausgaben dafür zu rechtfertigen. Dazu können die Generierung von Einnahmen, die Senkung von Kosten, die Steigerung der Produktivität und die Stärkung der Marke gehören. Beispiele für Produkte, die Einnahmen generieren, sind die Google-Suche, die durch Werbung Geld einbringt, und Microsoft Word, das durch Abonnements (als Teil der Office-Suite) finanziert wird. Demgegenüber stehen Produkte wie der Google Chrome-Browser und Microsoft Edge, die den Unternehmen andere Vorteile bieten. Sie ermöglichen den Unternehmen die Kontrolle darüber, wie die Nutzer auf das Internet zugreifen, binden sie an ihr jeweiliges Ökosystem und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit umsatzgenerierenden Angeboten interagieren.
Die
Ethik
schließlich besagt, dass ein Produkt den Menschen und dem Planeten keinen Schaden zufügen darf. Es darf das psychische Wohlbefinden der Menschen nicht beeinträchtigen, indem es sie beispielsweise süchtig macht oder Inhalte anbietet, die Fehlinformationen, Selbstverletzung oder Gewalt fördern. Außerdem trägt ein ethisches Produkt nicht negativ zum Klimawandel bei und schadet der Umwelt nicht durch die Art und Weise, wie es entwickelt, bereitgestellt und – falls es Hardware enthält – hergestellt, geliefert und entsorgt wird. Um dies zu erreichen, müssen Sie ein Geschäftsmodell wählen, das für alle Beteiligten fair ist, und ethisch vertretbare Design- und Programmierentscheidungen treffen, z.B. indem Sie die Verwendung von »Dark Patterns«
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vermeiden und Verzerrungen beim maschinellen Lernen abmildern, wie ich später in diesem Buch näher erläutern werde.
Eine kurze Geschichte der vier Erfolgsfaktoren
Die ersten drei Faktoren – Attraktivität, Machbarkeit und Rentabilität – wurden ursprünglich von Tim Brown in seinem Buch Change by Design vorgeschlagen. Er beschreibt sie als konkurrierende Zwänge, die ausbalanciert werden müssen, um erfolgreich Innovationen einzuführen. Wie Brown feststellt, könnte dies jedoch dazu führen, dass »verlockende, aber im Grunde bedeutungslose Produkte entwickelt werden, die für die örtliche Mülldeponie bestimmt sind – und die Menschen dazu verleiten, mit Geld, das sie nicht haben, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen, um Nachbarn zu beeindrucken, die sich nicht dafür interessieren« ([Brown 2009], S. 20). Die Auswirkungen, die digitale Produkte auf die psychische Gesundheit der Menschen haben können, machen es meines Erachtens zwingend erforderlich, die Ethik als vierten Erfolgsfaktor hinzuzufügen. Auf der positiven Seite erhöht ein ethisches Produkt die Chancen auf einen dauerhaften Produkterfolg und verringert das Risiko, dass die Reputation des Unternehmens leidet.
Um die richtigen strategischen Produktentscheidungen zu treffen, müssen Sie in der Regel Daten sammeln und neues Wissen erwerben. Möglicherweise müssen Sie mit potenziellen Nutzern sprechen, eine Wettbewerbsanalyse durchführen und geeignete Technologien untersuchen – um nur einige der üblichen Aufgaben zu nennen. Diese Arbeit muss geplant und gemanagt werden, und dazu ist es von Vorteil, den richtigen Prozess zu etablieren. Es gibt zwei Arten von Prozessen: die zeitlich begrenzte und die kontinuierliche Strategieentwicklung.
Immer wenn Sie ein neues Produkt entwickeln oder ein bestehendes Produkt in größerem Umfang verändern, empfehle ich Ihnen, einen entsprechenden Innovationsprozess anzuwenden, wie er in Abbildung 1–4 dargestellt ist.
Abb. 1–4Innovationsprozess mit zeitlich begrenzter Strategieentwicklung
Dieser Prozess besteht aus zwei Gruppen von Aktivitäten, der Product Discovery8/Strategieentwicklung und der Produktentwicklung. In der ersten Gruppe wird festgelegt, ob und warum das Produkt entwickelt wird. Dies kann die Beobachtung und Befragung von Nutzern, die Entwicklung und Erprobung von Prototypen und die Erforschung des Geschäftsmodells, das dem Produkt zugrunde liegt, erfordern. Die Ergebnisse umfassen eine validierte Produktstrategie, eine umsetzbare Produkt-Roadmap und ein erstes Product Backlog sowie ein valides Geschäftsmodell, ein übergeordnetes Designkonzept für die Nutzererfahrung (User Experience, UX) und einen groben Entwurf der Softwarearchitektur.
In der zweiten Gruppe von Aktivitäten wird festgelegt, wie das Produkt aussehen und funktionieren soll und wie es entwickelt werden muss. Dabei geht es darum, das richtige UX-Design und die richtige Funktionalität zu ermitteln und umzusetzen sowie die richtigen technischen Entscheidungen zu treffen. Wenn Sie einen Scrum-basierten Entwicklungsprozess verwenden, werden Sie Produktinkremente frühzeitig und häufig mit ausgewählten Nutzern testen, indem Sie ihnen z.B. Demos von der Software zeigen oder ausliefern. Auf diese Weise lernen Sie aus deren Feedback, passen das Produkt während der Entwicklung an und maximieren die Chancen, ein Produkt zu entwickeln, das seinen Nutzern einen guten Dienst erweist.
Noch ein Hinweis: In Abbildung 1–4 werden Product Discovery/Strategie und Produktentwicklung als sich überschneidende Aktivitäten und nicht als getrennte Phasen dargestellt. Der Grund dafür ist: Einige Entwicklungsaufgaben, wie z.B. der Entwurf der Benutzeroberfläche und der Architektur, sind oft Teil der anfänglichen Arbeit. So können Sie Risiken angehen, die mit der Attraktivität und Machbarkeit des Produkts zusammenhängen. Außerdem wird die Entwicklungsarbeit vorbereitet und macht so einen Vorbereitungs-Sprint oder Sprint 0 überflüssig. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie nicht den Fehler machen, einen vollständigen Entwurf im Vorfeld (»Big Design Up Front«, BDUF) durchzuführen. Kümmern Sie sich nur um die wichtigsten UX- und Architekturrisiken und treffen Sie die meisten Design- und Implementierungsentscheidungen erst dann, wenn das eigentliche Produkt entwickelt wird.
Da es schwierig ist, genau vorherzusagen, wie viel Zeit benötigt wird, um die notwendigen Arbeiten abzuschließen sowie eine validierte Produktstrategie und eine umsetzbare Roadmap zu erstellen, empfehle ich die Verwendung eines festen Zeitraums (Timebox), in dem die Arbeiten abgeschlossen werden müssen. Ihr Ziel sollte es sein, gerade so viel Product-Discovery- und Strategiearbeit zu leisten, dass Sie die Pläne erstellen und eine fundierte Go/No-go-Entscheidung über die Entwicklung des eigentlichen Produkts treffen können. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie groß die Zeitspanne sein muss, beginnen Sie mit einem Monat und führen Sie wöchentliche Review-Meetings mit den relevanten beteiligten Personen durch, um den Fortschritt zu bewerten, wie ich es im Kapitel 4 näher erläutern werde.
Zu guter Letzt, vergessen Sie nicht, die wichtigsten Stakeholder und Mitglieder des Entwicklungsteams in die Strategieentwicklung einzubeziehen. Es kann zwar hilfreich sein, wenn das gesamte Entwicklungsteam an den Aktivitäten teilnimmt, oft reicht es jedoch aus, das Team zu bitten, drei Personen zu benennen: eine Person mit den passenden UX-Fähigkeiten – vorausgesetzt, das Produkt ist für den Endbenutzer bestimmt –, eine Person mit den entsprechenden Architektur- und Technologiekenntnissen und eine Person, die über die richtigen Qualitätssicherungskenntnisse verfügt. Auf diese Weise können Sie die wichtigsten Risiken für das Benutzererlebnis und die Technologie betrachten, einschließlich der Verfügbarkeit der entsprechenden Entwicklungs- und Testtools.
Design Thinking und zeitlich begrenzte Strategieentwicklung
Wenn Sie sich für Design Thinking interessieren, fragen Sie sich vielleicht, ob Sie Design-Thinking-Konzepte verwenden können, um die in Abbildung 1–4 gezeigte Strategiearbeit durchzuführen. Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich kurz darauf eingehen, was Design Thinking ist. Der Ansatz lässt sich als eine Reihe von fünf Aktivitäten oder Phasen beschreiben, die gemeinhin als Verstehen, Definieren, Ideenfindung, Prototyping und Testen bezeichnet werden.
Die erste Aktivität hilft Ihnen zu verstehen, wer Ihre Nutzer sind und was diese brauchen, indem Sie sie zum Beispiel beobachten und Interviews durchführen. Im zweiten Schritt wird das spezifische Problem der Nutzer definiert, das Sie lösen wollen. In der dritten Phase entstehen Ideen für mögliche Lösungen, die in der vierten Phase in einfache Prototypen umgesetzt werden. In der letzten Phase werden die Prototypen mit ausgewählten Nutzern getestet, um einen Ansatz zu finden, der wahrscheinlich zu einem erfolgreichen Produkt führen wird.
Beachten Sie, dass die Aktivitäten in der Regel nicht sequenziell durchgeführt werden. Stattdessen kann es vorkommen, dass Sie in einer Schleife zu einer früheren Phase zurückkehren. So könnte man beispielsweise in der Prototypenphase feststellen, dass keine der Lösungsideen positives Feedback von den potenziellen Nutzern erhält. In diesem Fall müssen Sie zur Ideenfindungsphase zurückkehren und neue Ideen entwickeln.
Können Sie die Design-Thinking-Phasen nutzen, um die in Abbildung 1–4 dargestellte Strategiearbeit zu strukturieren und zu organisieren? Ja, das ist möglich. Darüber hinaus sind die Phasen mit dem in diesem Buch besprochenen Ansatz zur Erstellung und Validierung einer Produktstrategie kompatibel. Sie sollten also in der Lage sein, die Praktiken in einem Design-Thinking-Kontext anzuwenden.
So hilfreich der Ansatz der zeitlich begrenzten Strategieentwicklung bei der Erstellung einer Produktstrategie und einer Roadmap auch ist, er reicht nicht aus. Die Welt steht nicht still, Märkte und Technologien verändern sich oder neue Mitbewerber tauchen auf. Deshalb ist es wichtig, dass Sie Ihre Strategie und Ihre Roadmap regelmäßig überprüfen und anpassen. Dazu gehören die folgenden fünf Aktivitäten:
Bestimmung der Produktleistung anhand von KPIs wie Nutzerbindung, Konversion und Kundenzufriedenheit.
Überprüfung von Markttrends, die sich auf Ihr Produkt auswirken könnten, wie maschinelles Lernen und Internet der Dinge (Internet of Things, IoT).
Beobachtung der Konkurrenz und der Änderungen, die Ihre Mitbewerber an ihren Produktportfolios und individuellen Angeboten vornehmen.
Betrachtung der Entwicklungen in Ihrem eigenen Unternehmen, die sich auf die Produktstrategie und die Roadmap auswirken könnten, wie z.B. eine Änderung der Geschäftsstrategie.
Organisation eines Treffens mit ausgewählten Nutzern und Kunden mindestens einmal pro Quartal. Dieses Treffen kann sowohl online als auch vor Ort stattfinden. Dies wird Ihnen helfen, sich in sie hineinzuversetzen und neue Ideen für Produktverbesserungen und neue Angebote zu entdecken.
Sie können sich die kontinuierliche Strategieentwicklung als einen kontinuierlichen Arbeitsablauf vorstellen. Dieser Workflow steuert die taktische Arbeit und stellt Informationen für detaillierte Produktentscheidungen bereit, die im Product Backlog festgehalten werden.9