Take A Chance On Me. Adventskalender zum Verlieben (Take a Chance 1) - Gina Heinzmann - E-Book
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Gina Heinzmann

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Beschreibung

**Türchen für Türchen zur großen Liebe**  Als kurz vor Weihnachten eiskalt mit ihm Schluss gemacht wird, steht Alex plötzlich ohne Date zum Winterball da. Um ihm bei der Suche nach passendem Ersatz zu helfen, drängt ihn seine sturköpfige beste Freundin kurzerhand dazu, bei ihrem Uni-Projekt mitzumachen – einem Dating-Adventskalender. Alex ist davon alles andere als begeistert: Der Beziehungs-Algorithmus weist ihm niemand anderen als Cash McCabe zu, den Bad Boy des Campus. Mit seinen leuchtend grünen Augen ist Alex' vermeintlich perfekter Partner vor allem eins: definitiv keine Frau. Doch je öfter sie Zeit miteinander verbringen, desto mehr fühlt sich Alex zu ihm hingezogen. Cash ist allerdings nicht nur verboten attraktiv, sondern auch genauso hetero wie er selbst. Oder etwa nicht? Weihnachtswunder wider Willen Ein Adventskalender mit Chancen auf die große Liebe und zwei widerwillige Herzen in weihnachtlichem Setting. Die perfekte Liebesgeschichte zum Dahinschmelzen. //Der Liebesroman »Take A Chance On Me. Adventskalender zum Verlieben« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.// //Weitere Liebesgeschichten zum Mitfiebern und Dahinschmelzen von Gina Heinzmann bei Impress:  -- Truth or Date. Der Dating-Adventskalender (Take a Chance 2) -- Take Another Chance On Me. Die Dating-Challenge zum Valentinstag (Take a Chance 3) -- Going Wild. Herz über Kopf//

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Gina Heinzmann

Take A Chance On Me. Adventskalender zum Verlieben

**Türchen für Türchen zur großen Liebe**Als kurz vor Weihnachten eiskalt mit ihm Schluss gemacht wird, steht Alex plötzlich ohne Date zum Winterball da. Um ihm bei der Suche nach passendem Ersatz zu helfen, drängt ihn seine sturköpfige beste Freundin kurzerhand dazu, bei ihrem Uni-Projekt mitzumachen – einem Dating-Adventskalender. Alex ist davon alles andere als begeistert: Der Beziehungs-Algorithmus weist ihm niemand anderen als Cash McCabe zu, den Bad Boy des Campus. Mit seinen leuchtend grünen Augen ist Alex’ vermeintlich perfekter Partner vor allem eins: definitiv keine Frau. Doch je öfter sie Zeit miteinander verbringen, desto mehr fühlt sich Alex zu ihm hingezogen. Cash ist allerdings nicht nur verboten attraktiv, sondern auch genauso hetero wie er selbst. Oder etwa nicht?

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© Anna-Lisa Konrad

Gina Heinzmann hat während ihres Schauspielstudiums die Freude am Erfinden zauberhafter Welten für sich entdeckt. Wenn sie nicht schreibt oder arbeitet, reist sie rund um den Globus, immer auf der Suche nach neuen Abenteuern. Ob studieren in Kalifornien, ein Praktikum in Brasilien oder ein Backpacking-Trip durch Costa Rica – ihre Erlebnisse und Erfahrungen sind eine wichtige Grundlage und Inspiration für die Geschichten, die sie erzählt.

1

Alex seufzte tief in seine mittlerweile leere Kaffeetasse hinein. So hatte er sich seinen Tag, weiß Gott, nicht vorgestellt. Es hatte alles schon beim Frühstück angefangen, zu dem er, dank einer Fehlfunktion seines Weckers, viel zu spät erschienen war. Dadurch (und weil der Typ vor ihm in der Warteschlange ein gefräßiger Mistkerl war) hatte er nichts mehr von dem leckeren Rührei abbekommen, auf das er sich sonst jeden Donnerstagmorgen in der Cafeteria der Harvard John A. Paulson Universität für Technik und angewandte Wissenschaft stürzte.

Alex hätte da schon wissen müssen, dass es nach dem Frühstücksfiasko nur noch weiter bergab gehen konnte. Heute war einfach einer dieser Tage, an denen alles schiefging. In einem seiner wichtigsten Kurse, Ingenieurinformatik bei Frau Dr. Wellington, hätte er eigentlich eine Präsentation mit einem Kommilitonen zusammen halten sollen, nur war dieser aus unerfindlichen Gründen nicht aufgetaucht. Anstatt das Ganze dann auf die nächste Sitzung zu verschieben, wie es üblich gewesen wäre, hatte seine reizende Dozentin darauf bestanden, dass er es ja mal allein versuchen konnte.

»Sie sind doch so ein aufgeweckter junger Mann, Mister Heston! Das ist doch für Sie kein Problem!«

Ja, sicher. Überhaupt kein Problem.

Alex war es bereits schwergefallen, sich seinen eigenen Teil zu merken, ganz zu schweigen von dem, was Phil fabriziert hatte. Ihm war jedoch nichts anderes übriggeblieben, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, schließlich war das Kind ja eh schon in den Brunnen gefallen.

Frau Dr. Wellingtons Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte sie ihre lobenden Worte vom Beginn der Stunde dann wohl auch ziemlich schnell wieder bereut. Ihr anfängliches Lächeln hatte sich im Laufe der Präsentation immer weiter nach unten verzogen, bis es am Ende wirklich nur noch als gequälte Grimasse hatte betitelt werden können.

Na ja, nun durfte Alex sich zumindest sicher sein, dass sie bei einer erneuten Abwesenheit seines Partners auf eine Einzeldarbietung verzichten und den Termin stattdessen lieber verschieben würde. Als Genie würde diese Frau ihn so schnell auf jeden Fall nicht mehr bezeichnen. Hoffentlich wirkte sich das ganze Desaster nicht zu sehr auf seine Noten aus. Er konnte es sich wirklich nicht erlauben, in dem Kurs durchzufallen.

Alex seufzte bei diesem deprimierenden Gedanken erneut auf und ließ seinen Blick durch das kleine Café schweifen, in dem er schon seit einer ganzen Weile einen der hinteren Ecktische für sich beanspruchte. Es lag gleich um die Ecke seines Apartments in Bostons Beacon-Hill-Nachbarschaft und er verbrachte für gewöhnlich etliche Stunden pro Woche hier, weil ihm die gemütliche Atmosphäre irgendwie beim Lernen half. Heute war er allerdings nicht zum Arbeiten hergekommen, sondern um sich eine nach diesem elenden Tag wohlverdiente Auszeit mit seiner besten Freundin Abigail zu gönnen. Falls diese sich denn mal dazu herablassen würde, hier aufzutauchen. Abby hätte eigentlich schon vor zwanzig Minuten hier sein sollen, aber wie immer verspätete sie sich. Sie war der seiner Ansicht nach fragwürdigen Überzeugung, man müsse nur zu wichtigen, einen im Leben weiterbringenden Terminen pünktlich erscheinen, und scheute sich auch nicht davor, ihre Meinung diesbezüglich lautstark zu vertreten. Sei es vor ihren Mitstudenten, den Dozenten oder potenziellen zukünftigen Arbeitgebern. Abigail Patricia Annenberg wusste genau, was sie im Leben wollte, und hatte einen festen Plan, wie sie ihre Ziele erreichen würde und was sie bereit war dafür zu tun (oder nicht zu tun, wenn man ihre selektive Pünktlichkeit betrachtete). Jedenfalls war seine beste Freundin wirklich keiner der Menschen, denen man auf ihrem Feldzug an die Spitze der Gesellschaft im Wege stehen wollte. Sie war intelligent, schlagfertig, witzig und sah dabei mit ihren langen braunen Locken und den stahlgrauen Augen auch noch verdammt gut aus. Ein echter Hauptgewinn. Zumindest falls es jemals jemand wagen sollte, sie um ein Date zu bitten. Bisher hatte niemand ihren Ansprüchen genügen können.

Alex hatte einmal den blöden Fehler gemacht, sie danach zu fragen. Ihre Antwort darauf war gewesen: »Er muss umwerfend aussehen, aber nicht perfekt. Er darf kein Langweiler sein, der sich alles gefallen lässt, aber wehe, er widerspricht mir zu oft. Er sollte intelligent, humorvoll, galant, aufgeweckt, bodenständig und sensibel sein. Außerdem muss er natürlich einen vernünftigen Job haben, man kann ja nicht erwarten, dass ich die Familie allein ernähre …« Daraufhin hatte es Alex nicht mehr groß verwundert, dass sie ihren Mister Perfect noch nicht gefunden hatte. Und ganz ehrlich, er wagte es zu bezweifeln, dass ein solcher Übermensch überhaupt existierte.

Alex kannte Abby schon ewig. Sie waren quasi zusammen aufgewachsen, da ihre Familien nicht nur geschäftlich miteinander zu tun, sondern sich im Laufe der Zeit auch immer mehr und mehr angefreundet hatten. Sein Vater war der leitende Geschäftsführer einer der größten Konzerne der Automobilindustrie (und definitiv der Grund für Alex’ eigene Studienwahl und sein Händchen für alles, was mit Mechanik zu tun hatte). Seine Mutter hingegen nutzte ihr Talent für endlose Argumentationen, um als Anwältin arme, unschuldige Seelen vor ungerechtfertigten Freiheitsstrafen zu bewahren (ein Berufszweig, der Alex so absolut gar nicht lag, wenn man sich mal ansah, wie oft er bei Streitereien mit seiner kleinen Schwester Lizy als Sieger hervortrat). So unterschiedlich die Arbeitstage seiner Eltern auch sein mochten, eines hatten die beiden jedenfalls gemeinsam: eine Unzahl an Geschäftsessen, Feiern und Veranstaltungen, bei denen gern die Anwesenheit der ganzen Familie gesehen wurde. Oftmals waren Abs und er (und später Lizy) die einzigen Kinder bei diesen jährlichen Events, Wohltätigkeitsgalas und dergleichen gewesen. So war es kaum verwunderlich, ja vermutlich geradezu unvermeidlich, dass aus dem anfänglichen Neid und Streit um die tollsten Spielsachen schnell eine innige Freundschaft geworden war.

Früher hatten immer alle geglaubt, dass Abby und er irgendwann mal zusammenkommen würden, aber so sehr Alex seine beste Freundin auch vergötterte, der »Funke« war irgendwie nie übergesprungen. Vor zwei oder drei Jahren hatten sie versuchsweise mal etwas miteinander gehabt, jedoch hatten sie dann ziemlich schnell eingesehen, dass sie definitiv nicht für eine romantische Beziehung bestimmt waren. Zum Leidwesen ihrer Eltern, die diese Verbindung sehr willkommen geheißen hätten.

Alex lächelte bei der Erinnerung an die vergeblichen und nicht gerade dezenten Verkupplungsversuche seiner Mom. So ganz hatte diese die Hoffnung auf Abby als ihre Schwiegertochter wohl bis heute nicht aufgegeben.

Alex warf einen Blick auf die leere Tasse vor ihm und entschied, dass er definitiv noch etwas mehr Koffein vertragen konnte, wenn er den Rest des Tages irgendwie überstehen wollte. Er sah sich suchend nach dem Kellner um, winkte diesen heran und bestellte sich noch einen von diesen unfassbar leckeren Zimt-Frappuccinos, die es heute zum Vorgeschmack auf die bevorstehende Weihnachtszeit als Tagesspecial gab.

Alex beschloss, dass er seiner besten Freundin zehn weitere Minuten geben würde. Sollte sie bis dahin immer noch nicht aufgetaucht sein, würde er sich zu Hause verkriechen und seinen Kummer über diesen miesen Tag stattdessen mit einer Flasche Rotwein teilen.

***

Zum vermutlich hundertsten Mal innerhalb der letzten Stunde wünschte sich Alex, dass er seinem Vorsatz treu geblieben und wirklich nach Ablauf der zehn Minuten den Heimweg angetreten hätte, anstatt eine weitere halbe Stunde zu warten. Dann wäre ihm jetzt zumindest Abbys falsches oder besser gesagt nicht vorhandenes Mitleid erspart geblieben. Wie sich nämlich herausstellte, bedauerte seine beste Freundin ihn und seine missliche Lage kein Stück.

»Das ist doch alles fantastisch!«

»Huh?« Äußerst irritiert blickte Alex Abby an. »Hast du den Teil, bei dem ich dir gerade erzählt habe, dass ich heute einen richtigen Scheißtag hatte, irgendwie nicht mitbekommen?«

»Doch, natürlich«, kam es mit einem ungerührten Schulterzucken ihrerseits zurück.

»Und was, bitte schön, findest du dann daran so erheiternd, dass mein Leben gerade völlig den Bach runtergeht?« Alex funkelte seine sogenannte beste Freundin empört an.

»Also erstens würde ich eine verhauene Präsentation nicht als Weltuntergang ansehen. Schließlich hast du ja mich, um dich wie jedes Jahr erfolgreich durch die Prüfungen zu bringen. Und zweitens sollten wir unsere gemeinsame Zeit hier lieber nutzen und uns auf mein bevorstehendes Weihnachtsprojekt konzentrieren.«

Alex schnaubte verächtlich. Abby hatte leicht reden. Sie war immerhin ein Genie und würde ihren Abschluss in Harvard mit allen nur erdenklichen und der Menschheit bekannten Auszeichnungen machen. Für ihn als Normalsterblichen sah die Sache da schon ganz anders aus. Und bezüglich Punkt zwei … Alex hatte keine Ahnung, von welchem Projekt Abigail da schwafelte, und erst recht nicht, was er damit zu tun hatte.

»Wovon genau redest du?«, fragte er deshalb misstrauisch. Er hatte irgendwie ein ungutes Gefühl bei der Sache.

»Gut, dass du fragst! Also … Folgendes: Ich habe für einen meiner Kurse ein Projekt ausgearbeitet, welches über die Weihnachtszeit in die erste Phase geht. Ursprünglich sollte es ja eigentlich rund um den Valentinstag stattfinden, aber wenn ich die Benotung ins laufende Semester einfließen lassen will, dann muss es noch dieses Jahr durchgeführt werden. Also habe ich beschlossen das Ganze einfach in ein Weihnachtsprojekt umzuwandeln. Letztendlich verändert sich dadurch ja nicht wirklich etwas. Dass du zurzeit Single bist, trifft sich übrigens hervorragend.«

»Na, vielen Dank auch! Was für ein Projekt soll das denn bitte sein? Gruppentherapie für kurzfristig Verlassene und sonstige einsame Seelen?«, spottete Alex und legte sich mit dramatischer Geste eine Hand auf sein armes, vor Kurzem gebrochenes Herz. Na gut, von gebrochen konnte man eigentlich nicht direkt reden, da er seiner Ex-Freundin Diana nicht wirklich hinterhertrauerte.

Abby verdrehte die Augen und verpasste ihm zur Antwort einen kräftigen Hieb in die Seite. Fluchend rieb er sich die schmerzende Stelle und warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Gleichzeitig dachte er angestrengt nach. Irgendwo in den Tiefen seines Hirns klingelte etwas bei der Erwähnung besagten Projektes und er war sich sicher, dass sie ihm schon einmal davon erzählt hatte. Er konnte sich aber beim besten Willen nicht mehr an die Details erinnern. Abby schien ihm seine Ratlosigkeit anzusehen und beschloss ihn nicht länger auf die Folter zu spannen.

»Es handelt sich um einen Dating-Algorithmus, den ich zusammen mit zwei Kommilitonen erarbeitet habe. Jeder Kandidat füllt bei der Anmeldung verschiedene Fragebögen aus und anhand dieser Angaben wird ihm ein Date zugeteilt, welches er oder sie während des Projektes durch unterschiedliche Aufgaben und Challenges näher kennenlernen wird. Das Ganze findet in der Vorweihnachtszeit statt und ist wie eine Art Adventskalender aufgebaut. Das bedeutet, dass vom 1. bis zum 23. Dezember alle Teilnehmer jeden Morgen eine E-Mail zugeschickt bekommen. Hinter diesen ›Türchen‹ können sich die verschiedensten Dinge verbergen. Woche eins startet direkt mit der großen Enthüllung! Die Nachricht am ersten Tag wird nämlich ein Foto des ausgewählten Partners enthalten und somit verraten, mit wem man gematched wurde. Dabei könnte ich mir vorstellen, dass es bestimmt zu der ein oder anderen unerwarteten Überraschung kommt. In den darauffolgenden Tagen wird dann der erste Kontakt hergestellt. Es wird kleine Aufgaben geben, die den Teilnehmern helfen sollen, das Eis zu brechen und eventuelle Annäherungsschwierigkeiten zu überbrücken. In der zweiten Woche kommt es dann endlich zum ersten Date! Da beginnt die meiner Meinung nach spannendste Phase! Diesmal wird es Einzel- und Partneraufgaben sowie Challenges geben, die mit Sicherheit jede Menge Spaß bringen. Diese müssen immer genau nach Anweisung ausgeführt werden. Wer schummelt, wird disqualifiziert und fällt demnach automatisch durch den Kurs. Die dritte und vierte Woche sind nach dem gleichen Prinzip aufgebaut und bereiten alle Mitspieler auf das bevorstehende Finale vor: einen gemeinsamen Auftritt bei unserem diesjährigen Winterball, der am 23. Dezember stattfindet. Das wird bestimmt megaspannend! Ich bin zwar bei der Entwicklung und dem Erstellen und Versenden der Aufgaben beteiligt, aber auch ich werde erst ganz am Ende erfahren, wer letztendlich mit wem gematched wurde. Ziel des Projektes ist es übrigens, die andere Person wirklich kennenzulernen und sich nicht von anfänglichen Vorurteilen oder dergleichen abschrecken zu lassen. Denn auch wenn man zu Beginn Zweifel haben mag, der Algorithmus ist so eingestellt, dass er auf jeden Fall zwei Menschen zusammenbringen wird, die auf allen Ebenen kompatibel sind. Sollten am Ende tatsächlich ausgewählte Partner nicht zueinandergefunden haben, dann liegt das an ihrem Unwillen, sich auf das Experiment einzulassen, und nicht an einem Fehler des Programms. Wer seine Teilnahme übrigens einmal bestätigt hat, verpflichtet sich damit, die ganze Sache bis zum Ende durchzuziehen. Mittendrin aufhören ist nicht möglich. In den Tagen vor Beginn des Projektes wird es zur Vorbereitung schon kleine Steckbriefe, Anekdoten, Zitate oder Rätsel geben, anhand derer die Teilnehmer vorab etwas über ihr jeweiliges Date erfahren können.«

»Das klingt ja … äh … spannend.« Alex hatte Mühe, den ausschweifenden Erklärungen seiner besten Freundin zu folgen.

»Es freut mich, dass es dir gefällt! Das ist schon mal ein guter Anfang.« Abby grinste ihn breit an.

Anfang wofür? Alex runzelte die Stirn. Ihn beschlich das mulmige Gefühl, dass er hier gerade etwas verpasst hatte. Etwas, was ihm, wenn er es herausfand, vermutlich nicht besonders gefallen würde, zumindest deutete er dies aus Abbys hinterhältigem Grinsen. Was, um Himmels willen, hatte sie mit ihm vor?

Bevor er diese Frage laut äußern konnte, fing Abby an in ihrer Tasche zu kramen und holte aus deren Tiefen einen grauen unscheinbar aussehenden Ordner hervor. Sie zog ein paar einzelne Blätter heraus und schob diese über den Tisch zu ihm hinüber.

»Hier.«

»Was ist das?«, verwirrt blickte Alex auf die vor ihm liegenden Formulare. »Was soll ich damit?«

»Na, ausfüllen natürlich! Was sonst?«

»Warum?«

»Wie warum? Ist das dein Ernst? Das habe ich dir doch gerade erklärt!«

»Ähm … huh?«

Auf seine zugegeben weniger intelligente Antwort hin verdrehte Abby nur die Augen und schien, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, innerlich darüber zu debattieren, warum genau sie beide eigentlich die besten Freunde waren. Etwas, das Alex sich an diesem Nachmittag übrigens auch schon des Öfteren gefragt hatte. Abby schien, im Gegensatz zu ihm, eine plausible Begründung gefunden zu haben, denn sie setzte zu einem erneuten Erklärungsversuch an.

»Das hier ist dein Anmeldeformular für mein Weihnachtsprojekt. Ich habe dir doch eben genauestens beschrieben, wie das Ganze funktioniert! Es wäre schön, wenn du die Fragebögen bis morgen ausfüllen würdest, da es nicht mehr lange bis zum Start des Projektes dauert und bis spätestens Mitte nächster Woche die Auswahl stattgefunden haben soll.«

»Woah, woah, woah … Mooooooment! Du willst, dass ich da mitmache? Ich? Bei deinem Weihnachtswichteldate? Bist du verrückt?« Alex schüttelte vehement den Kopf. Abby hatte sie doch nicht alle. Er war zwar gerade mehr oder weniger unfreiwillig Single, aber das hieß noch lange nicht, dass er sich auf diesen Quatsch einlassen würde. So verzweifelt war er nun, weiß Gott, auch wieder nicht.

»Was spricht denn dagegen? Du bist alleinstehend, siehst gut aus und hast bis jetzt noch kein Date für den Winterball.«

»Ja, weil ich vor Kurzem erst von meiner Freundin verlassen wurde, wie du sehr wohl weißt. Außerdem, ob du es glaubst oder nicht: Ich möchte mich zurzeit lieber auf andere, wichtigere Dinge konzentrieren, wie zum Beispiel darauf, das Semester zu bestehen.«

»Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst! Es ist doch alles perfekt! Du brauchst dir nicht mehr deinen niedlichen Kopf darüber zu zermartern, wo du eine Verabredung herbekommst, und kannst dich stattdessen voll und ganz deinen Prüfungen widmen … Und ich habe einen vielversprechenden neuen Teilnehmer für mein Projekt. Win-win, würde ich sagen. Also, jetzt sei nicht so stur und füll das Formular aus!«

»Auf gar keinen Fall!« Alex lief es allein bei der Vorstellung, willkürlich mit irgendeiner von Abbys Teilnehmerinnen gematched zu werden, eiskalt den Rücken hinunter. Er, bei diesem Weihnachts-Dating … Das kam überhaupt nicht infrage. Da konnte seine beste Freundin ihm hoffnungsvolle Blicke zuwerfen, bis sie schwarz wurde.

»Du musst es tun! Ich brauche dich dafür. Du bist groß, schlank und athletisch und zusammen mit deinem blonden Wuschelkopf und diesen tiefblauen Augen macht dich das zu einem der begehrtesten Typen der Uni. Wenn die Leute hören, dass du bei der Sache mitmachst, dann ist mir die Teilnahme der Hälfte der weiblichen Belegschaft sicher, was wiederum einen Großteil potenzieller männlicher Kandidaten mit ins Boot holt. Und ganz ehrlich, ich brauche diese Teilnehmerzahlen, wenn ich mein Seminar bestehen will.« Abby war nun zu ihrem herzzerreißenden Dackelblick übergegangen, bei dem Alex normalerweise jedes Mal klein beigab. Aber diesmal nicht! Diesmal würde er stark bleiben. Er würde niemals, unter gar keinen Umständen, bei dieser Dating-Sache mitmachen. Das war ja wohl das Letzte. Schon der Gedanke, sich mit irgendeiner wildfremden Frau zu treffen und diese Challenges zu absolvieren, kam ihm absurd vor. Er würde sich ganz bestimmt bei dieser Aktion nicht zum Affen machen.

»Komm schon, Alex! Sag einfach Ja! Was ist schon dabei? Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass du ein paar Verabredungen mit einer dieser Gucci-Blondinen über dich ergehen lassen musst und, seien wir mal ehrlich, das wäre wohl kein großer Unterschied zu den Dates mit deiner Ex. Wer weiß, vielleicht wirst du ja überrascht und triffst auf die Person, mit der du den Rest deines Lebens verbringen möchtest.«

Alex bezweifelte das stark. Ganz, ganz stark. Er glaubte nicht an so etwas wie einen Dating-Algorithmus. Außerdem waren ihm seine bisherigen Erfahrungen mit den sogenannten Gucci-Blondinen noch viel zu frisch im Gedächtnis, um zu riskieren in absehbarer Zeit wieder auf eine oder gar mehrere von ihnen zu treffen.

Abby schien seine Bedenken allerdings nicht zu teilen und wirkte in keiner Weise so, als würde sie in naher Zukunft mit ihrem Anliegen lockerlassen wollen.

»Na los, sei kein Spielverderber und gib dir einen Ruck!«

»Nie im Leben! Nein! Vergiss es! Niemals! Nur über meine Leiche! Und das ist mein letztes Wort!«

2

Am nächsten Morgen stapfte Alex müde und mit äußerst grimmigem Blick über den bis jetzt menschenleeren Campus. Er war in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, um noch vor seinem ersten Seminar das nunmehr ausgefüllte Anmeldeformular für Abigails Weihnachts-Dating in den eigens dafür eingerichteten Briefkasten zu werfen (natürlich hätte man es auch per E-Mail einreichen können, doch ausgerechnet heute hatte sein Scanner den Geist aufgegeben, sodass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als Abbys Dokument persönlich vorbeizubringen). Er hasste Abby und das besonders an diesem Morgen.

Ihm schwirrte immer noch der Kopf von all den Fragen, die er hatte beantworten müssen. Hobbys, Interessen, Lieblingsmusik und -filme und so weiter. Es leuchtete ihm durchaus ein, dass das bei so einer Sache wichtig war. Aber wofür zur Hölle brauchten die seine alltägliche durchschnittliche Schrittgeschwindigkeit? Alex glaubte zuerst, er hätte sich verlesen, doch die kurze Anleitung unter der Frage, die ihm genauestens erklärte, wie diese zu bemessen war, überzeugte ihn schnell vom Gegenteil. Also war er wütend in seinem Zimmer herumgestampft, laut vor sich hin fluchend und darauf bedacht, die genaue Anzahl seiner Schritte zu zählen. Alex machte die ganze Nacht über kaum ein Auge zu, wälzte sich schlaflos im Bett hin und her, unfähig eine annehmbare Position zu finden. Man hätte denken können, dass diese Ruhelosigkeit vielleicht am Stress der letzten Tage lag, aber nein, der Grund war ganz einfach. Und er hörte auf den Namen Abigail. Seine beste Freundin hatte nämlich seine Ablehnung bezüglich ihres Projektes am Vortag nicht hinnehmen wollen. Stattdessen hatte sie kurzerhand ein Programm – ja, sie war wirklich so gut – entwickelt, das darauf konzipiert war, ihm im Zwei-Minuten-Rhythmus wehleidige und anklagende Nachrichten auf sein Handy und später auch seinen Laptop zu schicken. Am Anfang war das ja noch ganz amüsant gewesen, doch schon bald hatte sich Alex gefühlt, als würde er von dem schlimmsten aller Poltergeister heimgesucht werden. Abbys nervtötende SMS hatten einfach kein Ende genommen und auch der verzweifelte Versuch, sein Handy auf stumm zu schalten, hatte ihm nicht viel gebracht, da stattdessen sein Laptop die Terrorherrschaft an sich gerissen hatte. Es war zum Wahnsinnigwerden gewesen. Ständig hatte es vibriert, gesummt, gepiepst oder geklingelt, und das alle zwei Minuten. Zu allem Unglück hatte sich Alex dann auch noch daran erinnert, dass er es sich nicht erlauben konnte, sein Handy komplett auszustellen. Denn dies hätte vermutlich wieder zu einem Verschlafen seinerseits geführt und das wäre so kurz vor der Prüfungsphase schlichtweg nicht drin gewesen.

Er hatte es versucht. Er hatte es wirklich versucht. Doch um genau 04:23 Uhr hatte er letztendlich kapituliert – völlig übermüdet und mit einem dröhnenden Schädel – und dies seine im Moment nicht mehr beste Freundin durch das Senden einer weißen Emoji-Flagge wissen lassen.

Daraufhin war nur eine einzelne letzte Textnachricht eingetroffen:

Danke!

Mit drei dicken Herzen dahinter.

Oh, Alex würde sie umbringen und er würde es verdammt noch mal genießen.

***

Alex fühlte sich wie gerädert, als er darauf wartete, dass der Professor vorn an der Tafel endlich das Seminar abschließen und damit das lang ersehnte Wochenende einleiten würde. Der Tag heute war ihm endlos vorgekommen. Er hatte sich mit ein paar ziemlich anstrengenden Kursen herumplagen müssen und, was in seinen Augen noch viel nerviger gewesen war, mit den schmachtenden Blicken der Gucci-Gang, die sich seit einigen Wochen immer häufiger in seine Richtung verirrten. Die Mädels hatten ihm heute beinahe den letzten Nerv geraubt. Egal wo er sich gerade auf dem Campus befunden hatte, irgendein Mitglied der selbst ernannten Gang hatte sich ständig in seiner Nähe aufgehalten. Alex hatte diese oberflächlichen, aufdringlichen Blondinen noch nie ausstehen können. Leider hatte er einmal den Fehler begangen und im volltrunkenen Zustand auf einer ziemlich lahmen Party den Verführungskünsten von einer von ihnen nachgegeben. Sarah oder so hatte sie geheißen. Könnte aber auch eine Rachel gewesen sein. Er konnte sich leider nicht mehr an allzu viel erinnern. Na ja, seitdem bildeten sich diese Nervensägen jedenfalls ein, dass eine von ihnen ernsthafte Chancen bei ihm haben könnte, und veranstalteten regelrechte Wettbewerbe darum, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Solange er eine feste Freundin gehabt hatte, hatten diese Hyänen sich etwas zurückgehalten, aber es schien, als hätten sie nun beschlossen die Jagd auf ihn erneut zu eröffnen.

Aus diesem Grund hatte er heute die meiste Zeit damit verbracht, sich vor ihnen zu verstecken, mit der Konsequenz, dass er sich von der Cafeteria hatte fernhalten müssen. Somit hatte er bisher keine Möglichkeit gehabt, Abby aufzusuchen und sie mit ihrem unmöglichen Verhalten vom Vortag zu konfrontieren.

Alex seufzte. Er hatte wirklich gehofft, heute noch ein ernstes Wörtchen mit seiner besten Freundin reden zu können, aber so, wie es aussah, musste er das wohl oder übel auf ein andermal verschieben. Sobald nämlich sein Dozent da vorn die Stunde beendete, musste er Gas geben. Seine Schwester Lizy hatte am nächsten Tag Geburtstag und Alex hatte versprochen, das Wochenende zu Hause bei seinen Eltern zu verbringen, wo dann die morgendliche Feier stattfinden würde. Deshalb würde er gleich direkt von hier nach New York aufbrechen. Er hatte nämlich absolut keine Lust, die nächsten Stunden im Berufsverkehr festzustecken. Der machte aus dem normalerweise vierstündigen Trip in die Heimat gern mal eine sieben- oder mehrstündige Höllenfahrt. Das konnte er heute nach diesem Tag beziehungsweise dieser Nacht beim besten Willen nicht auch noch gebrauchen.

Das Klingeln, das das Ende der Stunde und damit des heutigen Unitages für Alex einläutete, war regelrechte Musik in seinen müden Ohren. Hastig stopfte er Hefter und Blöcke in seinen Rucksack und drängelte sich an seinen Mitstudenten vorbei ins Freie.

Draußen angekommen, atmete er erst einmal tief die kühle Novemberluft ein, bevor er sich dann mit schnellen Schritten auf den Weg zu seinem Auto machte.

***

»Alles Gute zum 21sten, Schwesterlein! Wurde ja auch mal Zeit, dass du endlich erwachsen wirst!« Mit einem breiten Grinsen zog Alex seine zwei Jahre jüngere Schwester in seine Arme und drückte ihr einen dicken Schmatzer auf die Stirn, was diese mit gespielter Empörung für einen kurzen Moment über sich ergehen ließ, bevor sie sich aus seinem Griff befreite, um hoheitsvoll die ersten Geschenke ihrer Eltern entgegenzunehmen. Bei allem, was sie auspackte, tat sie so, als hätte sie die Dinge noch nie gesehen. Als ob da irgendwelche Überraschungen dabei gewesen wären. Wahrscheinlich hatte Lizy die meisten Sachen selbst gekauft, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich das bekam, was sie sich ausgesucht hatte. Früher hatte sie noch richtige Wunschzettel geschrieben, doch nachdem ihr Vater einmal mit einem solchen losgezogen war und anstatt mit der neuen MiuMiu-Handtasche, die sie sich gewünscht hatte, mit einem kleinen Kätzchen unterm Arm wieder aufgetaucht war – anscheinend hatte er »Miau, Miau« gelesen und daraus interpretiert, dass Lizy sich eine Katze wünschte; tat sie nicht, sie hasste Katzen –, hatte sie beschlossen, die Sache lieber selbst in die Hand zu nehmen. Der kleine Vierbeiner war übrigens daraufhin von ihrem Vater adoptiert worden und hörte, zum Leidwesen seiner Schwester und zur Freude von Alex, auf den Namen MiuMiu.

Alex sah sich in der geräumigen Wohnküche seiner Eltern um. Es hatte sich nicht sehr viel verändert, seitdem er vor knapp zwei Jahren ausgezogen war. Na ja, vermutlich war es hier jetzt um einiges ordentlicher und sein Vater brauchte seine Chocolate-Chips-Cookie-Notfall-Vorräte nicht mehr im Schrank unter der Spüle zu verstecken.

Alex lächelte bei dem Gedanken daran und ließ sich auf einem der Küchenstühle nieder. Er schnappte sich schnell ein Stück von dem Kuchen, den seine Mutter heute schon in aller Herrgottsfrühe gebacken hatte, und machte sich hungrig darüber her. Seine Mom war für gewöhnlich eine absolute Niete in der Küche. So war auch eine der ersten Telefonnummern, die er als Kind auswendig gelernt hatte, die eines nahe gelegenen Pizzalieferanten gewesen. Eines Tages hatte seine Mutter beschlossen, sich wieder einmal in die Küche zu wagen und einen Kuchen zu backen. Zur großen Verwunderung aller war ihr dieser tatsächlich geglückt. In der Tat hatte er sogar richtig lecker geschmeckt. Seine Mom war so entzückt darüber gewesen, den heimischen Herd letzten Endes doch noch bezwungen zu haben, dass es seitdem zu jedem feierlichen Anlass einen selbst gebackenen russischen Zupfkuchen gab. Von welchem Alex gerade ein ordentliches Stück verspeist hatte.

Er seufzte leise und rieb sich müde über die Augen. Die letzte Nacht war eindeutig zu kurz gewesen und langsam fragte er sich, wann er all den fehlenden Schlaf jemals aufholen sollte. Vermutlich nicht, bevor er seinen Abschluss in der Tasche hatte, was noch gute zwei Jahre dauern würde. Alex unterdrückte ein Gähnen. Die gestrige Autofahrt hatte dank einer Vollsperrung der I 84 beinahe folterähnliche Ausmaße angenommen und daher war er erst viel später als geplant (und gehofft) bei seinem Elternhaus angekommen. Doch auch wenn dies mit Sicherheit ein anstrengendes Wochenende werden würde, war er insgeheim froh jetzt hier zu sein. Ein Blick in das strahlende Gesicht seiner Schwester genügte für gewöhnlich, um seine eigene Laune wieder anzuheben. Lizy und er waren sich schon immer recht nahe gewesen und er vermisste es, sie um sich zu haben. Seit sie ihr Studium an der Westküste angefangen hatte, sah er sie nur noch ein paarmal im Jahr, was für seinen Geschmack viel zu wenig war. Früher hatte sie ihn des Öfteren auf die Palme gebracht mit ihrer Art, ihm immer und überall hin zu folgen und alles nachmachen zu wollen. Er hatte seine Mutter zu der Zeit nicht nur einmal gefragt, ob sie Lizy nicht lieber gegen einen Hund eintauschen könnten. Um den hätte er sich mit Freuden gekümmert. Seine Mutter war von seinen Vorschlägen wenig angetan gewesen. Zumindest hatten dies die weitere Anwesenheit Lizys und der immer noch nicht vorhandene Hund vermuten lassen.

***

Am nächsten Abend befand Alex sich zum zweiten Mal in dieser Woche wartend in seinem Lieblingscafé. Er war bereits am Mittag von New York aus aufgebrochen, da er es tunlichst hatte vermeiden wollen, in einen weiteren Stau zu geraten – zumindest war das eine seiner offiziellen Erklärungen. Die andere hatte mehr mit dem Verlangen zu tun, aus den Fängen seiner übernatürlich neugierigen Familie zu flüchten.

Wie dem auch sei, Alex war schon jetzt wieder zurück in Boston und hatte sich kurzerhand mit Abby zum Abendessen verabredet. Auf ihre Kosten natürlich. Das war sie ihm schuldig nach ihrer letzten Aktion.

Abigail schien das wohl ähnlich zu sehen, denn sie hatte sich vorhin am Telefon sogar wegen ihres terroristischen Auftretens von Donnerstagnacht entschuldigt und beteuert, dass es nicht noch einmal vorkommen würde und dass es ihr wirklich leidtäte. Na ja, anscheinend nicht leid genug, um ausnahmsweise mal pünktlich zu erscheinen, aber das hatte Alex auch nicht anders erwartet.

Ein lautes Räuspern riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf und musste unwillkürlich grinsen. Die Angeklagte hatte den Raum soeben betreten. Und sie wirkte nicht im Geringsten so, als würde sie sich wegen irgendetwas schuldig fühlen.

War ja klar.

Alex beobachtete, wie Abby sich ihm gegenüber niederließ. Wie immer hatte sie eine ihrer übervollen Taschen dabei, die, laut eigener Aussage, alles beinhalteten, was man in einem Notfall gebrauchen konnte. Wobei sie »Notfall« nie näher definiert hatte. Alex hatte sich einmal angeboten, eines dieser Ungetüme für sie zu tragen, und wäre beinahe unter der Last zusammengebrochen. Diese Dinger waren definitiv schwerer, als sie aussahen. Seitdem hegte er insgeheim Respekt für diese zierliche Powerfrau ihm gegenüber, die da täglich solche Massen mit sich herumschleppte und es sich nicht im Geringsten anmerken ließ.

»Hast du schon was bestellt?«, fragte besagte Superwoman ihn jetzt.

»Natürlich nicht. Ich habe auf dich und dein Geld gewartet.«

»Wie schön zu hören, dass dir so viel an mir liegt!«, erwiderte Abby lachend und winkte den Kellner heran. Nachdem beide ihre Bestellung aufgegeben hatten, zog seine beste Freundin einen ihrer Ordner aus der Tasche und schob ihn zu ihm hinüber. Alex beäugte diesen misstrauisch. Seines Wissens nach hatte er doch schon alle nötigen Formulare ausgefüllt.

»Was ist das? Etwa noch mehr blöde Fragen über mich und meine Person? Gib es zu! In Wahrheit ist das gar kein Dating-Projekt, sondern ein Algorithmus, der darauf ausgerichtet ist, den unschuldigen Teilnehmern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und diese Fragebögen dienen dazu, dir alle nötigen Informationen über deine Opfer zu liefern. Die Schrittgeschwindigkeit braucht ihr wahrscheinlich dafür, um zu berechnen, wie schnell die jeweiligen Kandidaten euch hinterherrennen werden, sobald sie eure miesen Pläne durchschaut haben.«

Abby brach in schallendes Gelächter aus. »Eigentlich kein schlechter Gedanke! Sollte ich vielleicht mal im nächsten Semester vorschlagen.« Sie grinste breit und ihr Blick bekam etwas Verschlagenes.

Oje, hoffentlich hatte Alex ihr mit seinen Worten jetzt nicht die Idee zur Eroberung der Weltherrschaft in den Kopf gesetzt. Bei Abby konnte man ja nie wissen.

»Das hier ist keine Ausarbeitung meiner finsteren Pläne, sondern lediglich eine schriftliche Zusammenfassung über das Weihnachtsprojekt. Hier stehen noch einmal der Ablauf, die Regeln und einige Tipps und Tricks.«

Alex’ Augen wurden groß.

»Was für Regeln? Und wozu brauche ich Tipps und Tricks? Ich dachte, man trifft sich ein paarmal und gut ist’s.«

»Jetzt guck nicht so schockiert! Das hört sich dramatischer an, als es eigentlich ist. Sieh es einfach als eine Art Startpaket für die Challenges.«

Hm … Das klang in Alex Ohren erst einmal weniger schlimm als zunächst angenommen. Obwohl ihn das Wort »Regeln« etwas verunsicherte. Wurde ihm jetzt allen Ernstes vorgeschrieben, wie er sich während der Zeit des Projektes zu verhalten hatte? Worauf hatte er sich da bitte eingelassen?

Zum Glück kam an dieser Stelle der Kellner mit ihrem Essen und lenkte erst einmal von dem leidigen Thema ab. Alex hatte sich die hausgemachten Tortellini bestellt und sich vorgenommen, diese jetzt in vollen Zügen zu genießen. Die Regeln konnte er sich später zu Hause immer noch durchlesen.

»Wie war das Wochenende bei deinen Eltern? Und der Geburtstag?«

Alex sah von seinem Teller auf und blickte in Abbys grinsendes Gesicht. Seine beste Freundin war oft genug bei solchen Familienfeiern dabei gewesen, um sich genauestens vorstellen zu können, wie die diesmalige Zusammenkunft verlaufen war.

»Es war tatsächlich echt schön und zum Glück recht ereignislos! Moms Kuchen ist, Gott sei Dank, geglückt und es gab auch kein Geschenke-Desaster à la MiuMiu. Alles in allem also sehr positiv.«

»Ich hoffe, beim nächsten Mal schaffe ich es, wieder dabei zu sein.«

»Ja, bitte! Ich brauche dich, um gegen meine überaus neugierige Schwester zu bestehen.«

»Schade, dass ich auch zu Thanksgiving nicht wirklich nach Hause fahren kann.«

Alex sah seine beste Freundin überrascht an. »Du bleibst über die Feiertage in Boston?«

»Für die meiste Zeit, ja. Ich werde nur von Donnerstag auf Freitag nach New York fliegen, um beim Essen dabei zu sein. Mehr ist im Moment einfach nicht drin. Es gibt so viel zu tun für das Projekt. Wir planen ja noch vor dem Wochenende die ersten Hinweise an die Teilnehmer rauszuschicken. Aber keine Sorge! Ich komme natürlich auf jeden Fall für unser alljährliches Thanksgiving-Foto vorbei! Das würde ich mir nie und nimmer entgehen lassen! Unsere ›Wall of Shame‹ muss schließlich auch in diesem Jahr erweitert werden! Obwohl ich nicht glaube, dass jemals irgendetwas an die Bilder aus unserer wilden Teenie-Zeit herankommt.«

Abby grinste ihn breit an. Sie war gefühlt schon immer ein Teil seines Lebens gewesen und hatte somit wirklich jede seiner oftmals eher peinlichen Phasen miterlebt. Zum Beispiel die, in der er davon überzeugt gewesen war, dass seine hellen Locken besonders gut zur Geltung kommen würden, wenn er sich die Spitzen wasserstoffblond färbte. Taten sie nicht. Es hatte grauenvoll ausgesehen. Hätte er damals mal auf die Warnung seiner besten Freundin gehört.

Alex lachte laut bei der Erinnerung an sein früheres unwissendes Ich. Gleichzeitig verfluchte er Abby dafür, dass sie natürlich immer noch ein Foto aus dieser glorreichen Zeit auf ihrem Handy hatte, wie sie just in dem Moment unter Beweis stellte.

***

Die Stunden mit Abigail waren wie im Flug vergangen und viel zu schnell hatten sie sich wieder verabschieden müssen. Jetzt saß Alex an seinem Schreibtisch im Wohnzimmer und versuchte sich dazu zu motivieren, endlich mit seinen Hausaufgaben anzufangen. Nächsten Monat standen die Abschlussprüfungen an und er hatte jede Menge zu tun, wenn er seinen jetzigen Notendurchschnitt aufrechterhalten wollte. Er war jedoch geradezu herausragend gut darin, Aufgaben bis zum allerletzten Moment vor sich herzuschieben. Ein Talent, dass er auch gerade wieder unter Beweis stellte. Nachdem er sämtliche seiner Social-Media-Accounts gecheckt und sich auch noch die langweiligsten aller Stories angesehen hatte, kam er zu dem Entschluss, dass es vermutlich eine gute Idee war, sein Handy genau jetzt beiseitezulegen. Alex seufzte und sah sich in dem großen Raum um. Es war wie immer ein wenig chaotisch, aber das störte ihn nicht weiter. Er hatte damals bei der Wohnungsbesichtigung direkt gewusst, dass dies sein neues Heim werden würde. In dem Moment war er auch sehr froh und dankbar gewesen, aus einer gut betuchten Familie zu stammen, andernfalls hätte er sich ein Apartment in dieser Gegend von Boston, die zu einer der besten gehörte, niemals leisten können. Doch dank seinem Treuhandfond und einem beträchtlichen Zuschuss seiner Eltern nannte er sich heute stolzer Eigentümer einer hundert Quadratmeter großen Wohnung mitten im schönen Beacon Hill. Und Alex liebte die hohen Decken und weitläufigen Räume des alten Backsteinhauses. Sein Apartment bestand aus einer Küche, einem Wohnzimmer, seinem Schlafzimmer mit En-suite-Bad, einem Gästezimmer sowie einem weiteren Badezimmer. Es war einfach perfekt für ihn.

Alex seufzte erneut. Er sollte jetzt wirklich mal anfangen. Lustlos angelte er in seiner Tasche, um sein Arbeitsbuch herauszufischen. Leider fiel ihm dabei nicht »Technische Mechanik 3«, sondern Abbys Ordner in die Hände. Mist. Den hatte er ganz vergessen. Neugierig klappte er ihn auf und zog ein paar Blätter heraus. Er wollte nur mal schnell einen Blick auf diese sogenannten Regeln werfen.

Regel Nr. 1: Jeder bestätigte Teilnehmer ist dazu verpflichtet, dem Projekt bis zum Ende beizuwohnen. Ein vorzeitiges Ausscheiden ist nicht möglich.

Regel Nr. 2: Der Teilnehmer verpflichtet sich nichts über die ihm offenbarten Informationen über seinen Partner an Dritte weiterzugeben.

Regel Nr. 3: Der Teilnehmer verpflichtet sich die Identität seines ausgewählten Partners bis zum gemeinsamen Auftritt am Winterball – am 23. Dezember – unter keinen Umständen preiszugeben.

Regel Nr. 4: Der Teilnehmer verpflichtet sich alle von ihm verlangten Aufgaben und Challenges ordnungsgemäß und nach Anweisung zu erfüllen.

Regel Nr. 5: Der Teilnehmer bestätigt mit seiner Teilnahme, dass er während der Dauer des Weihnachtsprojektes von romantischen Treffen mit Personen, bei denen es sich nicht um den auserwählten Partner handelt, absehen wird.

Regel Nr. 6: Der Teilnehmer akzeptiert, dass für eventuell entstehende finanzielle sowie emotionale Folgen die Organisatoren des Programmes nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.

»Was zur Hölle? Ist das deren Ernst?«

Wütend starrte Alex auf das Papier vor sich, als ob er den abgedruckten Unsinn dadurch irgendwie verändern könnte. Konnte er natürlich nicht.

Er zerknüllte das Blatt fluchend und beförderte es mit einem gezielten Wurf in den Papierkorb neben seinem Schreibtisch. Diese Regeln waren ja wohl das Letzte. Er durfte sich nicht mit anderen treffen? Was wäre, wenn er in dieser Zeit seiner Traumfrau begegnen würde? Sollte er die Gefühle dann einfach ignorieren, weil er an sein »Date des Grauens« gebunden war? Was, wenn er damit die Chance auf die einzig wahre Liebe verpasste?

Alex lachte bitter, das gehörte wohl wahrscheinlich zu den »eventuell entstehenden emotionalen Folgen«, für die keiner aufkommen wollte.

Alex hatte ja von Anfang an gewusst, dass er sich niemals auf diese Dating-Sache hätte einlassen sollen!

3

Die nächsten Tage vergingen für Alex wie im Flug. Neben seinen regulären Vorlesungen und Seminaren waren ihm nämlich auch noch Unmengen an Hausaufgaben aufs Auge gedrückt worden, um die bevorstehenden Feiertage zu kompensieren. Ganz toll. Als ob sein Leben im Moment nicht schon stressig genug gewesen wäre. Hinzu kam Abbys Weihnachtsprogramm, welches in ihm nach wie vor ein etwas mulmiges Gefühl auslöste.

Scheinbar über Nacht hatte sich die Nachricht von dem Dating-Projekt auf dem Campus verbreitet und jetzt gab es kaum ein anderes Gesprächsthema mehr.

Auf der einen Seite waren da die aufgeregten Studenten, die selbst teilnehmen wollten und dem Beginn des Ganzen entgegenfieberten, um endlich die Identität ihres geheimnisvollen Dates zu erfahren. Manche von ihnen gingen sogar so weit, mit ihren jetzigen Partnern Schluss zu machen, um »frei für die große Liebe zu sein«. Wann immer er so etwas hörte, konnte er nur die Augen verdrehen.

Auf der anderen Seite standen die, die sich öffentlich über das Projekt lustig machten und es als unnützen Zeitvertreib abtaten. Wobei Alex vermutete, dass mehr als nur eine Handvoll Anhänger dieser Gruppe insgeheim darauf lauerten, ihre Anmeldeformulare noch schnell ungesehen vor Ablauf der Frist am heutigen Abend einzuschmeißen.

Und dann gab es die, die bei dem ganzen Drama eine gewinnbringende Investition witterten und jetzt schon Wetten auf mögliche Paarungen entgegennahmen und mit allen Mitteln versuchten Informationen aus diversen Teilnehmern herauszukitzeln. Alex war dabei eines ihrer Lieblingsopfer. Durch seine enge Verbindung zu Abby schien man anzunehmen, dass er über Insiderwissen verfügte. Schön wär’s gewesen! Ob man es glauben konnte oder nicht, er war genauso ratlos wie alle anderen. Auch er würde sich bis Sonntag gedulden müssen, um herauszufinden, wer sein ausgewähltes Date war.

Alex sah dem Ganzen weiterhin mit gemischten Gefühlen entgegen. Er musste zwar zugeben, dass er dem Projekt an sich nun nicht mehr so abgeneigt war wie bisher, jedoch behagte ihm die Vorstellung, seinen gesamten Zeitplan auf eine ihm bisher unbekannte Person auszurichten, immer noch nicht wirklich. Der Dezember würde mit der anstehenden Prüfungsphase stressig genug werden und Alex hatte eigentlich gedacht, dass seine Mitstudenten das ähnlich sahen. Doch anscheinend hatte er sich da geirrt. Zu seinem Erstaunen schien es so, als wäre plötzlich auch in den überfülltesten Terminkalendern noch Platz für Abbys Weihnachts-Challenge.

***

Alex legte sich stöhnend eine Hand auf seinen Magen. Das alljährliche Thanksgiving-Mahl im Hause seiner Familie war mal wieder fantastisch gewesen. Was vermutlich zum großen Teil daran lag, dass seine Mutter für den kompletten heutigen Tag aus der Küche verbannt worden war und stattdessen Rosa, ihre brasilianische Haushälterin, die Herrschaft über selbige an sich gerissen hatte. Sie alle hatten schon vor Jahren aufgegeben Alex’ Mutter die alleinige Zubereitung des Dinners zu überlassen, da niemand an den Festtagen so wirklich Lust auf Paddy’s Pizza Palace hatte. Am Anfang hatte man seiner Mom noch kleinere Hilfsaufgaben zugeteilt, um ihr zumindest das Gefühl zu geben, sie hätte ihren Beitrag geleistet. Aber auch davon sah Rosa mittlerweile, Gott sei Dank, ab. Dies war wohl auf einen Zwischenfall von vor zwei Jahren zurückzuführen. Damals hatte Alex’ Mutter nur eben kurz in der Küche vorbeischauen wollen, um etwas Wasser zu holen, und es irgendwie in dieser Mikrosekunde geschafft, den kompletten Truthahn hoffnungslos zu versalzen. Und man sprach hier nicht von »ein wenig zu stark gewürzt«, sondern von »Iss einen Bissen und es wird dein letzter sein«-salzig.

Seine Mom hatte zunächst versucht, den ganzen Vorfall abzustreiten. Was nicht so recht funktioniert hatte, da das geflügelte Tier ja offensichtlich in einer Salzlake schwamm. Dann hatte sie ihre Taktik gewechselt und sich darauf berufen, dass es ein Unfall gewesen und sie nur im Vorbeigehen gegen das Salz gestoßen wäre. Das wäre vielleicht sogar noch glaubhaft gewesen, hätte Rosas kleiner Sohn Joao Vitor nicht just in dem Moment lebhaft zu beschreiben angefangen, wie lustig es doch ausgesehen hätte, als Mom mit dem Salzstreuer in der Hand um den Truthahn herumgeschlichen sei. Sie hätte diesen dann heftig geschüttelt (den Salzstreuer, nicht den Truthahn), bis plötzlich der Deckel heruntergefallen sei und sich circa ein Kilo Salz über das gute Fleisch verteilt hätte. Bei dieser Mengenangabe hatte Joao Vitor noch nicht mal übertrieben. Zum Bedauern aller.

Man musste an dieser Stelle wohl nicht weiter erwähnen, dass dieser Thanksgiving-Abend nicht in die Geschichte der gelungensten Festtage eingegangen war. Obwohl auch noch heute gern alle Witze über das Truthahn-Desaster machten. Auf Kosten seiner Mutter natürlich.

Dieses Jahr war zum Glück alles so verlaufen wie geplant und Alex sah in die rundherum zufriedenen Gesichter seiner Familie. Das ein oder andere gequälte Lächeln war zwar dabei, doch das war vermutlich bloß das Resultat des Zuviels an vorzüglichem Essen. Alex selbst hatte ab dem dritten Gang heimlich den Knopf seiner Hose öffnen müssen, da diese so langsam angefangen hatte unangenehm zu drücken. Zum Glück stand für heute und morgen nicht mehr viel auf dem Programm, denn Alex fühlte sich gerade nicht so, als würde er sich in absehbarer Zeit wieder bewegen können.

***

Alex streckte sich mit einem Gähnen auf seinem Bett aus und zog sein Handy hervor. Während der letzten Stunden gemeinsam mit seiner Familie hatte er völlig vergessen, dass heute die E-Mail mit den ersten Infos über sein Weihnachts-Date hatte eintreffen sollen. Eine kurze SMS von Abby, in der sie ihn gefragt hatte, wie sein erster Eindruck gewesen sei, hatte ihn wieder daran erinnert.

Mit erstaunlich schnell schlagendem Herzen öffnete Alex nun sein Postfach und starrte auf die in der Tat auf ihn wartende E-Mail. Er konnte sich nicht direkt überwinden sie zu öffnen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es danach kein Zurück mehr gab. Wie in einem dieser Geheimagentenfilme, in denen der Held, sollte er einmal die Nachricht gelesen haben, nicht wieder aus der Sache rauskam und von da an mit den Konsequenzen leben musste. Alex lachte über diesen Gedanken. Es hing wohl kaum das Schicksal der Welt von dem Inhalt dieser E-Mail ab. Er holte noch einmal tief Luft und tippte dann resolut auf den Bildschirm, um die Nachricht zu öffnen.

Wie es sich herausstellte, war der Anfang eher ernüchternd, ja geradezu langweilig. Es handelte sich lediglich um eine Wiederholung all der Dinge, die er durch Abby sowieso schon wusste, und er brauchte mit Sicherheit keine Auffrischung bezüglich der dämlichen Regeln. Alex überflog halbherzig den Inhalt der E-Mail, während er weiter nach unten scrollte. Aha! Da war ein Anhang. Das sah doch schon vielversprechender aus.

Mit einem Klick öffnete er das Dokument.

»Ugh! Ist das euer Ernst?«

Alex starrte halb fasziniert, halb entsetzt auf die in großen roten Buchstaben leuchtende und von kleinen Herzen umrandete Überschrift: Dein Pfad zur Liebe beginnt hier.

Ernsthaft? Pfad zur Liebe? Ging es bitte noch kitschiger? Ein kurzer Blick weiter nach unten bestätigte ihm: Ja, es ging.

Liebe ist kein Solo. Liebe ist ein Duett. Lass uns gemeinsam den Tönen unseres Herzens folgen. Das waren doch tatsächlich die Worte, die dieser grottigen Überschrift folgten. Alex wusste nicht, ob er an dieser Stelle lachen oder weinen sollte. Das hier konnte nur ein schlechter Scherz sein. Da nahm ihn doch einer auf den Arm. Er hatte zwar von Anfang Vorbehalte gegenüber dieser Dating-Sache gehabt und sich nicht gerade viel davon versprochen, aber nicht in einer Million Jahren hätte er mit diesen peinlichen Liebesschnulzen gerechnet. Bei der Vorstellung, ab übermorgen jeden Tag eine solche Nachricht zu bekommen, stöhnte er laut auf und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Wenn das die Einführungs-E-Mail war, wie sollte dann, bitte schön, erst eine gottverdammte Challenge aussehen? Vermutlich würde man von ihm erwarten, dass er sich in eine Rüstung warf und mit seiner Angebeteten auf einem weißen Ross bei leiser Musik und mit wehendem Haar in den Sonnenuntergang ritt. Sein Ruf als cooler Typ war mit dem Lesen dieser Nachricht definitiv für immer ruiniert. Das durfte niemals irgendjemand zu Gesicht bekommen. Vor allem nicht Lizy! Die Vorstellung jagte Alex einen kalten Schauer über den Rücken. Er beschloss, schnell die Tür zu seinem Zimmer abzuschließen, um ein plötzliches Hereinplatzen seitens seiner kleinen und überaus neugierigen Schwester zu vermeiden, bevor er sich dem Ende der E-Mail widmete.

»Okay! Dann lass uns doch mal herausfinden, was es so alles über mein zauberhaftes Date zu sagen gibt«, murmelte er in sich hinein.

Zu Alex’ Erleichterung stellte sich der Rest der Nachricht als eher normal heraus. Es gab eine kurze Auflistung von Fakten, die ihm ein wenig mehr über die Person, mit der er den Großteil der Vorweihnachtszeit verbringen sollte, verriet:

1. Liebster Zeitvertreib: lesen, joggen, Tattoos.

2. Lieblingsort: zurzeit die Salzwüste in Bolivien; da sind nicht so viele Idioten unterwegs.

3. Kann ich nicht ausstehen: Menschen, die alles besser zu wissen meinen und meine Zeit verschwenden.

4. Lieblingsfilm: »Rocketman«.

5. Lieblingsrezept: alles mit Curry.

6. Funfact: Ich habe als Kind mal zwei Wochen nicht gesprochen, weil ich dachte, dass sonst die böse Hexe kommt und meine Stimme klaut (unterschätze niemals die Auswirkungen von Disney-Filmen auf zartbesaitete Seelen).

7. Lebensweisheit: Ignorieren ist noch keine Toleranz.

Etwas ratlos blickte Alex auf die Liste. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er nach dem Lesen der Informationen bei seinem geheimnisvollen Date doch glatt auf Abby getippt. Die Antworten hatten irgendwie die gleiche aggressiv-direkte Art. Aber das konnte ja nicht sein, schließlich war es ihr als Entwicklerin des Projektes nicht gestattet, selbst daran teilzunehmen – noch eine der endlosen Regeln. Zumindest konnte er wohl eine der Gucci- Blondinen ausschließen. Die hätten mit Sicherheit nicht so ehrliche und individuelle Antworten gegeben. Und niemals würde eine von denen auch überhaupt nur über ein Tattoo nachdenken.

Hm … Alex wusste zwar jetzt ein paar Dinge bezüglich seines Matches, aber wirklich weiterhelfen würde ihm das nicht. Diese Infos konnten schließlich auf eine Menge Frauen zutreffen. Na ja, dem ersten Eindruck nach zu schließen, hätte es ihn auf jeden Fall schlimmer treffen können.

***

Alex hatte es sich mit einer Tasse Kaffee und einer Schüssel Müsli an seinem Schreibtisch gemütlich gemacht. Na ja, so gemütlich, wie es in dem Chaos um ihn herum eben ging. Das war wohl der größte Unterschied zu seinem Zimmer im Haus seiner Eltern: Egal wie unaufgeräumt er es immer hinterlassen hatte, am nächsten Tag hatte es dank Rosa direkt wieder ausgesehen wie frisch aus einem Möbelkatalog. Wohingegen sich hier in Alex’ Apartment oftmals wochenlang keiner um den Haushalt kümmerte. Er war zwar tatsächlich gar nicht sooo unordentlich, aber ihm fehlte meistens schlichtweg die Zeit, sich neben seinem Studium auch noch mit dem Hausputz zu befassen. Das konnte man jetzt gerade wieder deutlich sehen. Überall lagen Stapel von Büchern, die ihn an diverse Hausarbeiten erinnerten, die darauf warteten, eingereicht zu werden, und sich zurzeit noch in verschiedensten Vollendungsstadien befanden. Ein Blick auf ein besonders hohes Exemplar von aufgetürmter Fachliteratur ließ Alex unwillkürlich sein Gesicht zu einer Grimasse verziehen. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann war dies die Recherche für das angefangene Essay für seinen Kurs bei Frau Dr. Wellington, welches er in drei Tagen abgeben musste. Und mit »angefangen« meinte er, dass er bisher seinen Namen und die Kursnummer auf das Deckblatt geschrieben hatte. Alex stöhnte. Er war so abgelenkt gewesen von Abby und ihrem blöden Projekt und dann dem Besuch bei seinen Eltern, dass ihm das glatt entfallen war. Da hatte er wohl noch eine Menge Arbeit vor sich und gewiss mehr als eine Nachtschicht, wenn er etwas halbwegs Akzeptables abgeben wollte. Was er dringend tun sollte, da ja bekanntlich schon die letzte Präsentation keine Meisterleistung gewesen war. Na ja, er würde sich dessen später annehmen. Jetzt wartete er erst einmal darauf, dass die nächste E-Mail seines Weihnachts-Dating-Kalenders bei ihm ankam. Er wusste ja schon von Abby, dass heute die große Enthüllung stattfinden würde.