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Spätestens mit der Weltwirtschaftskrise, deren deutlichstes Symptom der 'Black Thursday', der Zusammenbruch der New Yorker Börse am 24. Oktober 1929 ist, tritt ein neues Phänomen in der westlichen Welt auf: die Massenarbeitslosigkeit. Der erste Ökonom, der eine wirtschaftstheoretische Studie dazu anstellt, ist Emil Lederer mit seinem Werk 'Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit'. Lederer identifiziert als Erscheinungen des 20. Jahrhunderts neben den Erfindungen, die ökonomisches Wachstum und Beschäftigung schaffen, auch die kapital- und arbeitssparenden technisches Fortschritte, die 'technologische Arbeitslosigkeit' mit sich bringen; in einer Depression kommt die konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit hinzu. An der Konzeption kurzfristiger Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wirkt Lederer während der Weltwirtschaftskrise mit, hält diese aber für keine langfristige Lösung, da hierzu auf die 'veralteten Produktionsmethoden' zurückgegriffen wird. Dauerhaft könne die erhöhte Produktivität beispielsweise durch eine Senkung der Arbeitszeit wieder zur Vollbeschäftigung führen. Zur Steuerung der Beschäftigung schlägt Lederer eine stärkere staatliche Planung der Wirtschaft vor. Es gibt bis heute keine vergleichbare Studie, was auch daran liegen mag, dass Auswirkungen einzelner technologischer Fortschritte auf den Arbeitsmarkt schwer zu separieren und statistisch zu fassen sind. Das Phänomen der 'strukturellen Arbeitslosigkeit' ist jedoch empirisch zu beobachten. Dadurch erhält Emil Lederers Monografie 'Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit' bis heute ihre Aktualität.
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Emil Lederer: Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit Neu herausgegeben von Günter Regneri Klasiker der Ökonomie. Band 3 Veröffentlicht im heptagon Verlag © Berlin 2014 www.heptagon.de ISBN: 978-3-934616-96-7
Mitten im Ersten Weltkrieg, im Jahr 1916, erscheint das Buch »Der Krieg 1914/16. Werden und Wesen des Weltkrieges«. Es besteht zu großen Teilen aus deutsch-nationaler Kriegspropaganda, doch findet sich darin auch eine volkswirtschaftliche Abhandlung, die mit der Feststellung endet, »daß jeder, auch ein glücklich geführter Krieg für einen modernen Industriestaat ökonomisch mit den größten Opfern verbunden sein muß.« Autor dieser ungewöhnlichen Äußerung ist der Nationalökonom und Soziologe Emil Lederer.
Lederer wird am 22. Juli 1882 in Pilsen im damaligen Österreich-Ungarn geboren, wo er im Jahre 1901 die Matura ablegt. Danach studiert er Rechtswissenschaften und Nationalökonomie in Wien. Zu Lederers Universitätslehrern gehören Eugen von Böhm-Bawerk, Eugen von Philippovich und Friedrich von Wieser, Vertreter der Wiener Grenznutzenschule. Seine Studien schließt Lederer 1905 in Wien mit einer juristischen Promotion ab.
Mit Lederers Umzug nach Heidelberg im Jahr 1910 beginnt eine 24 Jahre währende publizistische Tätigkeit für das »Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik«. 1922 wird Lederer Mitherausgeber dieser zur damaligen Zeit wichtigsten deutschsprachigen Fachzeitschrift für Volkswirtschaft. 1911 promoviert Emil Lederer ein zweites Mal, nun zum Dr. rer. pol. Schon ein Jahr später (1912) habilitiert er sich an der Heidelberger Universität mit der Untersuchung »Die Privatangestellten in der modernen Wirtschaftsentwicklung«.
Die Angestellten in Wirtschaft und Gesellschaft sind für ihn nicht nur von akademischem Interesse. Mit Siegfried Aufhäuser, dem späteren Vorsitzenden des Allgemeinen Freien Angestelltenbundes in der Weimarer Republik, verbindet Lederer eine enge Freundschaft. Auf Gewerkschaftstagungen hält er Vorträge.
Nach dem Ersten Weltkrieg wird Emil Lederer in Heidelberg zum Professor ernannt. Zwischen 1923 und 1925 lehrt er als Austauschprofessor in Tokio. Aus diesem Aufenthalt resultieren zahlreiche soziologische und wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen, u.a. das Buch »Japan – Europa«, das er gemeinsam mit seiner Frau Emy Seidler-Lederer verfasst. Den Höhepunkt seiner akademischen Karriere in Deutschland erreicht Lederer 1931, als er auf den bedeutendsten deutschen Ökonomielehrstuhl berufen wird, den zuvor Werner Sombart an der Universität Berlin bekleidete.
Zu Lederers wichtigsten Veröffentlichungen gehört die Monographie »Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit«, deren erste Auflage im Jahr 1931 erscheint. 1938 erscheint eine erweiterte und deutlich überarbeitete Auflage, die die Grundlage der hier vorliegenden Wiederveröffentlichung darstellt.
Mit dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7.4.1933 beenden die Nationalsozialisten Lederers akademische Karriere in Deutschland. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung ist er nun von Berufsverbot betroffen. »Lederers Name stand auf einer der ersten Listen von Professoren, die nicht mehr in Deutschland lehren durften«, stellt sein Schüler Hans Speier später fest. Von einer Tagung des Internationalen Arbeitsamtes im April 1933 in Paris, die den Zusammenhang von technischem Fortschritt und Arbeitslosigkeit behandelt, kehrt Lederer nicht wieder nach Deutschland zurück. Er geht ins Exil in die USA. In New York wird er Dekan der »University in Exile« an der »New School of Social Research«. An dieser Institution versammelt Lederer hervorragende Wissenschaftler, die wie er selbst von den Faschisten aus Europa vertrieben wurden. In den folgenden sechs Jahren schreibt Lederer über 30 Artikel und überarbeitet mehrere seiner früheren Werke.
Am 29. Mai 1939 stirbt Emil Lederer an den Folgen einer Operation. Die damals gerade beginnende Debatte über die Neuauflage seines Buches »Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit« endet unglücklicherweise auch mit seinem Tod.
Günter Regneri
Die vorliegende Studie will die Wirkungen des technischen Fortschritts auf den Arbeitsmarkt und auf den Prozess der dynamischen Wirtschaft überhaupt klarstellen und ist die Weiterführung einer theoretischen Analyse, die ich 1931 veröffentlichte.
Jetzt aber ist die Frage viel weiter gefasst: sowohl die fördernden als auch die hemmenden Einflüsse des technischen Fortschritts auf den Wachstumsprozess der Wirtschaft werden erörtert; daher war es unvermeidlich, den dynamischen Prozess in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, doch hoffe ich, darin nicht weiter gegangen zu sein, als es die hier behandelte Frage erfordert.
Einige Fachgenossen, die Herren H. Barger, G. Cohn, A. Halasi, W. Lederer, F. Lehmann, J. Marschak, haben sich der Mühe unterzogen, das Manuskript zu lesen und mich mit ihren Ratschlägen zu unterstützen; mit zahlreichen anderen konnte ich die Hauptthesen des Buches durchsprechen und habe auch ihnen wertvolle Anregungen und Kritik zu danken. Aber es bedarf keiner besonderen Hervorhebung, dass ich allein die Verantwortung für den Inhalt trage.
Das Manuskript der vorliegenden Arbeit wurde im wesentlichen im Frühjahr 1936 abgeschlossen; aus verschiedenen Gründen kann aber die Veröffentlichung erst jetzt erfolgen.
E. L.
Die Arbeitslosigkeit ist das Problem unserer Zeit. Das 19. Jahrhundert kannte die Arbeitslosigkeit als internationale und dauernde Erscheinung überhaupt nicht. Im Gegenteil: Der Aufbau des modernen industriellen Produktionssystems war sowohl durch die Knappheit an Kapital als auch durch die Knappheit an Arbeitskräften gehemmt. Im Beginn des Industriesystems waren alle Voraussetzungen für ein sehr rasches Wachstum der Warenerzeugung vorhanden:
1. Günstige Gewinnchancen in der Industrie als Folge der Kostenersparnis gegenüber dem Handwerk und den Manufakturen.
2. Aufbau eines neuen Verkehrssystems durch Schaffung eines Eisenbahnnetzes, dessen Wirkungen dreifach waren: Investitionen großer Kapitalien, Beschäftigung großer Arbeitermassen beim Bau und der Erhaltung des Bahnsystems, Steigerung der Absatzfähigkeit vieler Produkte durch Senkung der Transportkosten ohne Verringerung der Arbeiteranzahl bei der Erzeugung der verfrachteten Produkte.1
3. Herabsetzung der Zollschranken, die ähnlich wirkte wie die Schaffung des Eisenbahnnetzes.
4. Verfügung über große Mengen billiger Arbeitskräfte aus der Überschussbevölkerung in der Landwirtschaft und infolge rascher Vermehrung der Bevölkerung als Resultat verringerter Sterblichkeit.
5. Große Ersparnisse, die mobilisiert werden und die Reserven an Produktionsmöglichkeiten in Bewegung setzen konnten. Verteilung des Sozialprodukts unter die einzelnen Klassen der Bevölkerung. Dass dieses selbst ohne Unterbrechung wachsen würde, wurde sowohl von den Unternehmern als auch von den Arbeitern und von den Regierungen wie eine Selbstverständlichkeit betrachtet. Hat doch selbst die Marxsche Theorie die historische Rechtfertigung und den Beruf der kapitalistischen Wirtschaftsordnung in der raschen Entfaltung der Produktivkräfte gesehen. Die Steigerung des Lohnniveaus, die eine Folge der wachsenden Effizienz war, wurde wahrscheinlich überschätzt; aber es wurde von niemand bestritten, dass Produktion, Beschäftigung und Reallohn im großen und ganzen von 1800 bis 1914, von kurzen Rückschlägen abgesehen, anstiegen.
Nach vier Richtungen sind seit 1914 wesentliche Änderungen eingetreten:
1. Politische Unruhe, die von Investitionen abschreckt;
2. Zerstörung zahlreicher Währungen, Unsicherheit der Wechselkurse, Hemmungen des internationalen Handels bis zur völligen Drosselung durch Quoten, das Prinzip der Gegenseitigkeit und Autarkiebestrebungen, die wieder die politische Unruhe steigern;
3. Hemmungen der Wanderungsbewegungen;
4. Änderungen in der Struktur des technischen Fortschritts.
Diese vier Störungsgruppen hängen alle zusammen und haben ihre Wurzel im Weltkrieg. Sie sind aber doch nicht derselben Art; denn während 1 und 2 die direkte Folge des Weltkrieges, der Währungswirren und politischen Ambitionen sind, ist 3 dem allgemeinen Vordringen nationalistischer Gedanken und dem Siege der monopolistischen Tendenzen auf Seiten der Arbeiterschaft zuzuschreiben. Der technische Fortschritt endlich ist heute zu einem guten Teil der Lösung anderer Fragen, insbesondere der Kostensenkung, und nur in geringerem Maße dem Aufbau neuer Produktionen gewidmet. Diese Änderung im Charakter des technischen Fortschritts hängt ursächlich ebenfalls mit dem Weltkrieg, der militärischen Überlegenheit der Serienerzeugung in größtem Maßstab und in der höchsten Verfeinerung zusammen.
Es wäre also unmöglich, die tiefgreifenden Störungen der Weltwirtschaft wie der Einzelwirtschaften auf eine einzige der genannten Ursachen zurückzuführen. Die einzelnen Momente sind zu wichtig und ihre Verzweigungen zu vielfältig, als dass der eine oder andere Grund als vorwiegend entscheidend angesehen werden könnte. Da sie alle kumulativ wirken, ist es auch schwer, ihre Anteile festzustellen. Nur so viel kann gesagt werden, dass schon die Beseitigung entweder der politischen Störungen oder die Kompensation der Wirkungen des technischen Fortschritts die Gesamtlage wesentlich verbessern würde.
Die Wiederherstellung einer vertrauenerweckenden politischen Atmosphäre entzieht sich der Erörterung im Rahmen der Wirtschaftspolitik heute mehr denn je, da in einigen der wichtigsten Staaten der Primat der Politik bei weittragenden ökonomischen Entscheidungen anerkannt ist. Das macht es praktisch unmöglich, politische Probleme vom Gesichtspunkt ökonomischer Vernunft aus zu diskutieren. Die Wiederherstellung freier Wanderungen ist heute nirgendwo in der Welt aktuell, so dass auch diese Frage aus dem Bereich praktischer Wirtschaftspolitik ausgeschieden werden muss. So blickt man immer mehr nach Lösungen, die innerhalb eines Staates den unterbrochenen oder verlangsamten Wachstumsprozess wiederbeleben könnten. Und da begegnen wir dem Problem des technischen Fortschritts, heute in der ökonomischen Theorie heftig umstritten, dessen Klärung für die wirtschaftspolitischen Maßnahmen auch innerhalb der Grenzen eines Staates von Bedeutung sein könnte.
Es ist die Aufgabe dieses Buches, das Phänomen des technischen Fortschritts in seinen verschiedenen Formen und in seinen Wirkungen, insbesondere auf die Arbeitslosigkeit und die Kapitalbildung, zu untersuchen. Diese Wirkungen sind keineswegs eindeutig. Wenn man die Frage ihrer ganzen Bedeutung nach aufrollt, so zeigt sich sofort, dass sie ein Problem des Wachstumsprozesses überhaupt, also der Dynamik ist. Ein großer Teil meiner Ausführungen gilt daher der Analyse unseres dynamischen Wirtschaftsprozesses.
Der Angelpunkt meiner Darstellung des Wachstumsprozesses ist die These, dass ganz überwiegend, von gewissen Produktionen und kurzen Phasen des Konjunkturverlaufs abgesehen, die Produktion unter dem Gesetz des steigenden Grenzertrags steht. Dieser Begriff wird in verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Bald versteht man unter dem Grenzertrag die Steigerung der Produktionsmenge, welche erwartet werden kann, wenn man ein Produktionselement bei gleichbleibenden Mengen der übrigen Produktionselemente vermehrt, bald die Änderung des Ertrags bei gleichzeitiger Vermehrung sämtlicher oder wenigstens der wichtigsten Produktionselemente. Es besteht ziemliche Übereinstimmung darin, dass bei gleichzeitiger Vermehrung aller Produktionselemente der Ertrag mindestens ebenso rasch wachsen wird, wie die Mengen der Produktionselemente vermehrt werden. Für unsere Betrachtung jedoch ist es maßgebend, ob der Grenzertrag eines zusätzlichen Produktionselements bei gleichbleibenden Mengen der übrigen Elemente steigt, gleich bleibt oder sinkt. Die allgemeine Auffassung geht dahin, dass er sinkt. Diese Auffassung ruht auf der Voraussetzung, dass die übrigen Produktionselemente bereits voll ausgenutzt sind sowie dass die optimale Gruppierung der Faktoren erreicht ist, und dass daher eine Vermehrung der Menge eines Produktionselements zu einer technischen Umorganisation zwingt, die den Ertrag der zusätzlichen Produktionselemente unter ihren bisherigen Grenzertrag herabdrückt. Ich basiere aber die Analyse auf die m.E. realistischere Voraussetzung, dass die Produktionselemente, insbesondere die technische Ausstattung eines Betriebes, in der weitaus größten Zahl der Fälle nicht voll ausgenutzt sind und dass der Grenzertrag daher, in Produkten ausgedrückt, wenigstens nicht sinkt. Etwa plötzlich auftauchende neue Arbeitskräfte könnten daher in einem gegebenen Produktionssystem innerhalb praktisch weiter Grenzen so verwendet werden, dass die Kopfquote der Erzeugung nicht zurückgeht. Diese These ist a fortiori richtig, wenn plötzlich verfügbare neue Arbeitskräfte gleichzeitig teilweise zur Erzeugung von Produktionsmitteln und teilweise zur Erzeugung von Konsumgütern eingesetzt werden: Wenn die ganze Volkswirtschaft ständig mit Reserven arbeitet, so kann der Grenzertrag eines Produktionselements nur bei voller Ausnutzung und Unvermehrbarkeit anderer wichtiger Produktionselemente sinken. Dies wird selbst in the short run richtig sein, für den wir die Konstanz der übrigen Produktionselemente annehmen können. Das Hinüberspielen der Diskussion auf die Wertproduktivität, d.h. auf die Verschiebungen der Rentabilität an Stelle der Veränderungen in der physischen Produktivität, würde zu ganz anderen Fragen führen. Gibt man nämlich zu, dass zusätzliche Produktionselemente die erzeugten Mengen nicht weniger vermehren als die bereits früher angewendeten Produktionselemente, so kann im Fall des plötzlichen Auftauchens von Arbeitslosigkeit das Verharren des Reallohnes auf seinem alten Niveau nicht die Ursache dafür sein, dass zusätzliche Arbeitskräfte keine Beschäftigung finden. Das Argument, dass der Grenzertrag der Arbeit sinke und deshalb auch der Lohn herabgehen müsse, um die Vollbeschäftigung der Arbeiter zu garantieren, kann dann nicht angewendet werden. Wenn also die Einfügung zusätzlicher Arbeitskräfte bei Vorhandensein von Reserven insbesondere in der Depression nicht vorankommt, so sind es die im Zuge des kapitalistischen Produktionsprozesses auftretenden Hemmungen der Produktionserhöhung, welche die Schuld tragen. Solche Hemmungen würden für eine planmäßig organisierte Wirtschaft nicht bestehen.
Etwas anders steht es mit der Grenzproduktivität des Kapitals. In allen Industriestaaten wächst das Kapital schneller als die Bevölkerung; auch wenn sämtliche verfügbaren Arbeitskräfte in Beschäftigung stehen, würde das nicht notwendigerweise bedeuten, dass der Grenzertrag zusätzlicher Kapitalinvestitionen sinkt. Er würde aber nur dann nicht sinken, wenn mit wachsendem Kapital jede Steigerung der Kapitalausrüstung auch bei gleichbleibender Anzahl der Arbeiter einen gleichen Zuwachs in den Produktionsmengen bewirken würde. Wäre das der Fall, was sehr unwahrscheinlich ist, so würde auch bei Vermehrung des Kapitalangebots der Zinsfuß nicht sinken müssen, da ja unter diesen Voraussetzungen für die Benutzung des zuwachsenden Kapitals derselbe Preis bezahlt werden könnte wie für das bereits früher investierte Kapital. Ist eine Reserve von Arbeitskräften vorhanden, so würde ein sinkender Ertrag des Kapitals in der Entwicklung nicht anzunehmen sein.
Nach der allgemeinen Feststellung des Charakters dieser dynamischen Entwicklung gilt es, die Wirkungen des technischen Fortschritts zu analysieren. Zunächst ist eine Begriffsklärung des Phänomens des technischen Fortschritts erforderlich. Ich schlage vor, die Kategorie der Erfindungen von technischen Fortschritten im engeren Sinn des Wortes zu trennen. Unter Erfindungen sollen jene technischen Neuerungen verstanden sein, welche zur Erzeugung neuer Güter führen, die den Umkreis der begehrten Bedürfnisse erweitern (Fahrrad, Telefon usw.). Erfindungen dieser Art werden bei vorhandener Arbeitslosigkeit das Gesamtvolumen der Erzeugung erweitern. Sie werden daher vorzüglich geeignet sein, eine rasch wachsende Bevölkerung in Arbeit zu halten und eine aus andern Gründen entstehende Arbeitslosigkeit rasch aufzusaugen. Ähnlich wirken eine Verschiebung von Bedürfnissen und, unter Umständen, auch eine Erweiterung des internationalen Handels. Diese Erweiterung des gesamten Produktionsvolumens wird so lange dauern, bis sich das neue Produkt durchgesetzt hat. Es können Jahrzehnte vergehen, bis sich ein solches neues Produkt einbürgert, und durch diese ganze Periode hindurch wird die Zahl der Beschäftigten in dieser neuen Industrie steigen können, ohne die Beschäftigung in anderen Wirtschaftszweigen zu verringern.
Die wichtigste Frage liegt aber darin, wie es mit den Wirkungen der arbeitssparenden technischen Fortschritte steht. Meist wird angenommen, dass in der Verkehrswirtschaft nicht nur alle Produktionen ohne Reserven und daher mit der vollen Ausnutzung ihrer Kapazität arbeiten, sondern es wird auch angenommen, dass jede Änderung – sei es eines Zolles oder eines Marktes oder der Rohstoffpreise, sei es eine bloße Änderung in der Menge der Produktionsmittel, z.B. Entstehung neuen Kapitals, Einwanderung von Arbeitskräften, ja selbst das Erscheinen von neuen Massen (Mittelstand) auf dem Arbeitsmarkt – durch entsprechende Änderungen in den Preisen der Waren bzw. den Preisen für die Leistungen der Produktionselemente ausgeglichen werden kann. Wäre diese These richtig, so würde auch der arbeitssparende technische Fortschritt die Arbeitslosigkeit nicht erhöhen, da ja jede Arbeitslosigkeit, welche Ursache sie auch haben möge, durch das Spielen des Ausgleichsmechanismus binnen kurzer Frist zum Verschwinden gebracht werden könnte. Eine gewisse Frist würde auch dieser Prozess beanspruchen, weil die Adjustierung auf die neuen Bedingungen Zeit braucht. Besonders wichtig ist das für die konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Gelingt die Anpassung innerhalb einer bestimmten Frist nicht, so kann nach dieser Auffassung nur die Starrheit in bestimmten Preisen, im Falle der »technologischen Arbeitslosigkeit« in den Löhnen, die volle Ausnutzung der Produktionselemente für längere Zeit verhindern. Allerdings würden die meisten Ökonomen zugeben, dass der Anpassungsprozess in besonderen Fällen unmöglich ist, z.B. wenn eine spezielle Industrie getroffen wird, deren Arbeiter ihren Wohnsitz nicht verlassen und auch nicht umgeschult werden können. Dann würde nur durch Umlenkung des Nachwuchses in andere Industrien und allmähliche Verpflanzung anderer Betriebe in diesen Distrikt die Vollbeschäftigung erreicht werden können.
Abgesehen von solchen Sonderfällen beschleunigt nach allgemeiner Auffassung der technische Fortschritt die Aufwärtsbewegung der Produktion; bedeutet er doch Erzeugung mit geringeren Kosten. Das muss entweder Preissenkung und damit Erweiterung des Marktes oder aber höheren Gewinn und damit verstärkte Investitionen oder verstärkten Konsum der Unternehmer zur Folge haben. Da die gesamte Kaufkraftsumme (so geht wohl der Gedankengang) sich nicht ändert, wird sich auch die Anzahl der Arbeitskräfte nicht ändern, und es wird entweder bei Verbilligung der Produkte sofort oder bei Investition des Gewinnes späterhin das Gesamtprodukt zum allgemeinen Besten vermehrt werden. Dabei kann der Fall des Konsums dieses Gewinnes durch die Unternehmer, der am Endresultat auch nichts ändern würde, vernachlässigt werden. Freilich wird im gleichen Atemzug behauptet, dass arbeitssparende technische Fortschritte, welche Arbeiter freisetzen, die Grenzproduktivität der Arbeit verringern und damit eine Senkung des Lohnes notwendig machen, die ja bei gleichbleibender Nachfrage nach Arbeitskräften nicht einzutreten brauchte. Trotz dieses inneren Widerspruches spielt diese Forderung eine erhebliche Rolle. Es wird gesagt, dass die Gesamtheit der Arbeiter leicht bei gesenkten Löhnen Beschäftigung finden könnte. Dann würden die Gewinne steigen, die Produktion würde sich rasch ausdehnen, die Preise würden sinken, und der alte Reallohn würde sich wiederherstellen. Es sei daher ein Unverständnis der Arbeiter, wenn sie bei technologischer Arbeitslosigkeit der Herabsetzung der Löhne Widerstand leisteten. Aus diesen Gründen wird die Möglichkeit einer technologischen Arbeitslosigkeit abgelehnt. Die beiden Argumente stehen, wie gesagt, miteinander in Widerspruch. Außerdem liegt dieser Argumentation die Vorstellung eines Entwicklungsprozesses zugrunde, in welchem es keine Konjunkturschwankungen gibt.
Meine Untersuchung geht von dem einfachen Fall einer harmonischen Dynamik aus, in der die Produktion gleichmäßig und kontinuierlich wächst. Die Analyse führt zu dem Resultat, dass Fälle denkbar sind, in denen sich innerhalb der technisch-dynamischen Produktion nach Ausschaltung von Arbeitskräften als Folge technischer Fortschritte ein völliges Gleichgewicht herstellt, so dass innerhalb der Industrien, in denen arbeitssparende Methoden eingeführt wurden, keine Nachfrage entsteht, welche die freigesetzten Arbeiter wieder aufsaugen könnte. Diese werden also nicht durch die Wirkungen des technischen Fortschrittes selbst, sondern nur durch die allgemeinen Ausgleichskräfte des Marktes (und daher mit Lohnsenkungen) wieder beschäftigt werden können.
Der Grund für diese überraschende Möglichkeit liegt darin, dass die Produktion mit geringeren Kosten zur Übertragung des Einkommens und damit auch der Güter, welche die entlassenen Arbeiter bisher konsumierten, an andere Personen (Unternehmer oder Konsumenten) führen kann, so dass sich, unter Kontraktion der Tauschkette, die Einkommenssumme innerhalb der Volkswirtschaft verringert. Allerdings ist das ein besonderer Fall. Andere Fälle können günstiger liegen, und es ist die Aufgabe der Analyse, die wichtigsten Möglichkeiten zu entwickeln. Dabei wird dem Leser viel Geduld zugemutet; aber ich glaube, dass eine umständliche Auseinanderlegung notwendig ist, da eben die Wirkungen arbeitssparender technischer Veränderungen verschiedene sind und von den näheren Umständen abhängen. Unter diesen näheren Umständen sind insbesondere die organische Zusammensetzung der Produktionen, die Elastizität der Nachfrage und die Vermehrungsmöglichkeiten des Kapitals von Bedeutung.
Der erste Teil der Analyse wird unter der Voraussetzung geführt, dass die Produktionsmittel sämtlich ausgenutzt sind und dass infolgedessen die zur Verfügung stehenden Kapitalien durch die laufenden Ersparnisse begrenzt sind. Wenn der arbeitssparende technische Fortschritt zusätzliches Kapital erfordert, so ändert sich nicht nur die organische Zusammensetzung der dynamischen, sondern auch der übrigen Produktionszweige. Unter diesen Voraussetzungen tritt eine beträchtliche primäre und sekundäre Schrumpfung in der Anzahl der Beschäftigten ein, welche nicht durch die von den technischen Fortschritten selbst ausgelösten Veränderungen kompensiert werden kann.
Es wird dann untersucht, was geschehen müsste, um diese Arbeitslosigkeit innerhalb derjenigen Industrien zu resorbieren, die das Zentrum der Störungen sind. Da die einzige Möglichkeit dazu darin liegt, die Erzeugung dieses Produktes, das jetzt mit geringeren Kosten hergestellt werden kann, zu erhöhen, so wird viel von der Elastizität der Nachfrage abhängen; aber auch wenn die Elastizität der Nachfrage größer als 1 ist, kann gezeigt werden, dass eine Erweiterung der Produktion bis zur Wiedereinschaltung aller Arbeitskräfte in diesen Produktionsprozess so drastische Lohnsenkungen notwendig machen würde, dass diese praktisch außerhalb des Bereichs der Möglichkeit liegen. Obschon also in abstracto die These des Gleichgewichtstheorems richtig ist, so hat sie doch keinen wirtschaftlich-politischen Wert. Daher werden bei isolierten technischen Fortschritten die Arbeiter, wenn sie können, in andere Produktionszweige oder Dienste auszuweichen suchen. Sind sie aber dazu nicht in der Lage (wegen Bindung an ihren Wohnort, Notwendigkeit besonderer Schulung usw.), oder treten technische Fortschritte in mehreren großen Wirtschaftszweigen gleichzeitig auf, so wird die Arbeitslosigkeit lange dauern und hartnäckig sein.
Unter unseren Voraussetzungen wird auch das Hinüberwandern in andere Wirtschaftszweige schwierig sein, weil ja die Kapitalversorgung in diesen knapper wird und weil daher die Produktion nur mit wachsenden Kosten ausgedehnt werden könnte, was eben die Ausdehnung verhindert. Es bleibt dann nur die Lohnsenkung zur Überwindung der Schwierigkeiten, die aber nicht eine vorübergehende wäre, sondern lange dauern würde. Und es ist ja überhaupt fraglich, ob in einem Zeitpunkt rascher Freisetzung großer Arbeitermassen die Unternehmer überhaupt gesonnen sind, ihre Erzeugung auszudehnen.
Die Analyse dieses Prozesses muss, wie erwähnt, sehr ins Detail gehen und zeigt dann, wie weit die Löhne gesenkt werden müssen, sei es um den technischen Fortschritt weniger rentabel zu machen und daher zu verlangsamen oder um die Arbeitskräfte unterzubringen. Solche Überlegungen werden selten angestellt, weil die Theorie den automatischen Ausgleich als ein göttliches oder natürliches Gesetz ansieht, das zur Geltung kommen muss, was immer die Wirkungen für einen Teil der Betroffenen, hier der Arbeiter, sein mögen. Der Nachweis, dass unter unseren Voraussetzungen ein solcher Ausgleich praktisch unmöglich ist, nimmt dem abstrakten Gedanken der Tendenz zum Gleichgewicht nichts von seiner wissenschaftlichen Bedeutung, wenngleich er ohne nähere Verarbeitung nicht ausreicht, die Fragen der Arbeitslosigkeit zu lösen, die als Folge technischer Fortschritte entsteht. Die Störungen durch arbeitssparende technische Fortschritte werden also zunächst unter sehr strengen Bedingungen erörtert. In Übereinstimmung mit dem Vorgehen der meisten Theoretiker wird in dem ersten Teil der Untersuchung von dem Vorhandensein von Reserven abgesehen. Die Berücksichtigung derselben aber würde das Entstehen der sekundären Arbeitslosigkeit, die auftritt, wenn die Kapitalversorgung der statischen Industrien durch die dringenden Kapitalbedürfnisse der dynamischen Industrien beeinträchtigt wird, nur vorübergehend verhindern; im Zuge eines Wachstumsprozesses, der fortgesetzt mit solchen arbeitssparenden und kapitalerfordernden technischen Fortschritten zu rechnen hat und in dem daher das Investitionsbedürfnis über die normalen Ersparnisse hinausgeht, würden in der Tat die Reserven bald vollkommen ausgenutzt sein, wie sie ja überhaupt bei normaler Kapazitätsausnutzung zwar eine zeitweilige, aber nicht eine dauernde Steigerung der Gesamtleistung und daher der Beschäftigung ermöglichen.
Eine Prüfung all der Wirkungen, die von technischen Fortschritten ausgehen, zeigt, dass unter den anfangs gemachten Voraussetzungen in den meisten Fällen erhebliche Reste einer technologischen Arbeitslosigkeit übrigbleiben, selbst wenn eine gewisse Kompensation stattfindet. Führt die Kostensenkung zu entsprechender Preissenkung, so wird diese doch nie ausreichen, um die entlassenen Arbeiter wieder in Beschäftigung zu bringen, außer wenn die Elastizität der Nachfrage sehr hoch ist. Aber selbst noch bei einer Elastizität zwischen 1 und 2 wird vielfach Arbeitslosigkeit nicht zu vermeiden sein, da ja der Preis auch die Verzinsung und Amortisation des Kapitals in sich schließt. Die Kosten und daher die Preise sinken um einen geringeren Prozentsatz als die Lohnsumme. Daher wird nur bei großer Elastizität der Nachfrage die Preissenkung, soweit sie der Kostensenkung folgt, eine solche Steigerung des Bedarfs nach sich ziehen, dass die Beschäftigung wieder auf den früheren Stand gebracht wird. Es muss daher eine – oft sehr erhebliche – Lohnsenkung hinzutreten, um diesen Erfolg herbeizuführen. Die Gegenwerte der Amortisation und Verzinsung endlich sind bei unseren obenerwähnten Voraussetzungen nicht neue Einkommen, sondern sie wären ohne die technischen Fortschritte an andern Stellen der Volkswirtschaft entstanden, und das ganze System ist auf sie eingestellt. Ihre Verwendung auf dem Markte bedeutet daher nicht die Schaffung zusätzlicher Arbeitsmöglichkeiten. So bleibt auch bei Preissenkung oft ein erheblicher Rest an Arbeitskräften übrig, ebenso aber bei Investierungen eines etwaigen Übergewinns. Auch diese führen nur zur Wiederbeschäftigung eines Teils der Arbeitslosen, und nur sehr allmählich werden neue Arbeitsplätze geschaffen, die eine dauernde Mehrbeschäftigung ermöglichen. Im Laufe der Zeit aber tritt eine Absorption der Arbeitslosen ein, wenn nicht immer wieder neue technische Fortschritte neue Arbeitslosigkeit verursachen. Die technologische Arbeitslosigkeit ist also ein mittelfristiges Problem.
All diese verschiedenen Möglichkeiten der Kompensation und ihrer Reichweite können nur anhand von Zahlenbeispielen geklärt werden, wobei ich das Bestreben hatte, den Daten für die organische Zusammensetzung realistische Annahmen zugrunde zu legen. Diese Zahlenbeispiele mögen für viele Leser ermüdend sein, und daher drängt sich die Frage auf, ob sie nicht durch allgemeine Formeln ersetzt werden könnten. Das ist nun bei der Natur des hier zu untersuchenden Prozesses unmöglich, denn es ist ja ein vielgliedriger Vorgang, der hier in seinen Verzweigungen und seinen verschiedenen Möglichkeiten verfolgt wird. Hingegen gibt eine allgemeine Formel ihrer Natur nach immer den Endzustand des Gleichgewichts, ohne erkennen zu lassen, welche Zwischenstadien durchlaufen werden, um dieses Gleichgewicht zu erhalten, und welcher Zeitraum bis dahin vergeht. Auch sehe ich nicht, wie solche Formeln ohne numerische Koeffizienten irgend etwas aussagen könnten. Legen wir Zahlenbeispiele zugrunde, so wird es vermieden, sich dabei zu beruhigen, dass ein Endzustand des Gleichgewichts mathematisch konstruierbar ist, sobald wir nachweisen können, dass die Erreichung des Gleichgewichts sozial Unmögliches in sich schließen würde. Auch die menschliche Arbeitskraft hat ihre physischen und vor allem ihre sozialen Produktionskosten, und die Annahme, dass sie immer und unter allen Umständen in den Mengen, in welchen sie vorhanden ist, auch Verwendung finden könnte, kann nur gemacht werden, wenn man bei der menschlichen Arbeitskraft von dieser Grenze für die Lohnsenkung absieht. Würde man das nicht tun, so hätte man schon längst das trügerische Raisonnement einer Theorie durchschauen müssen, die von einer Lösung des Problems spricht, wo allenfalls die Beschäftigung aller Arbeitsuchenden dadurch erreicht wird, dass ein Teil derselben durch die »ökonomisch gerechtfertigten und nötigen« Löhne aus dem Prozess endgültig ausgestoßen wird. Es sei nochmals betont, dass diese Untersuchungen lediglich die Wirkungen arbeitssparender technischer Fortschritte beschreiben sollen. Handelt es sich um ganz neue Produktionen, so kann leicht nachgewiesen werden, dass bei Vollbeschäftigung nur ein Produktionszweig durch den andern verdrängt werden wird, während bei Arbeitslosigkeit die Nachfrage nach Arbeitskräften steigen wird. Neue Industrien können daher, wenn sie ein hinreichend großes Fassungsvermögen für Arbeiter haben, eine etwa entstehende Arbeitslosigkeit auch ohne Lohnsenkung rasch zum Verschwinden bringen. Es ist für die gegenwärtige Phase der Wirtschaftsentwicklung bezeichnend, dass solche neue Industrien im Gegensatz zum 19. Jahrhundert selten entstehen.
Der Prozess verläuft in der Zeit etwas anders, wenn er in den Konjunkturverlauf eingeschaltet ist und wenn die arbeitssparenden technischen Fortschritte im Zuge des Aufschwungs finanziert werden. Dann wird nämlich infolge der Krediterweiterung auch der Kapitalbedarf der technisch statischen Industrien befriedigt werden können, und es wird nicht nur keine sekundäre Arbeitslosigkeit eintreten, sondern der anschwellende Investitionsbedarf wird zu zusätzlicher Beschäftigung führen. Das wird in der oft ausgeführten Weise Produktion und Beschäftigung kumulativ steigern. Dass ein erheblicher Teil der neuen Investitionen der Kostensenkung bestehender Produktionen dient und nicht dem Ausbau neuer oder der Erweiterung bestehender Produktionen, macht zunächst für den Verlauf der Aufschwungperiode keinen Unterschied. Es braucht auch die Investitionstätigkeit keineswegs größer zu sein als normalerweise in einer guten Konjunktur. Allerdings kann es sein, dass schon im Verlauf des Aufschwungs eine starke Verlangsamung in der Erhöhung des Beschäftigungsgrades fühlbar wird. Wenn nämlich die arbeitssparenden Methoden schon während der Aufschwungperiode anfangen, ihre Wirkung zu üben, so wird die Beschäftigung in der Industrie, welche diese arbeitssparenden Methoden anwendet, zurückgehen, und das wird sekundäre Arbeitslosigkeit nach sich ziehen. So kann schon während des Aufschwungs die Beschäftigung hinter der Produktionssteigerung zurückbleiben, wie das z.B. in den Vereinigten Staaten im Jahre 1929 der Fall war, wo bei einem Produktionsvolumen von 134 die Beschäftigung gegenüber dem »Normalzustand« (1923–1925) nur um 3–4% gestiegen war. Es ist dieses Zurückbleiben der Beschäftigung, das auch die gegenwärtige erhebliche Arbeitslosigkeit bei Wiedererreichung eines hohen Produktionsniveaus erklärt.
Kommt nun die Aufwärtsbewegung zum Stillstand, dann bricht die Investitionskonjunktur zusammen, um so mehr, als auch die Erneuerungen unterbleiben. Wenn aber die Tendenz zur Rationalisierung während der Aufschwungperiode vorherrschend war und wenn sie in der Depression als Anpassung an die veränderte Marktlage fortschreitet, so wird der Beschäftigungsstand auch in der Konsumgüterindustrie nachlassen. Je größer der Rückstoß im Beschäftigungsgrad ist, desto größer auch die kumulativen Wirkungen und damit die Überkapazität. Dann verschmilzt die technologische Arbeitslosigkeit mit der konjunkturellen, trägt aber beträchtlich zu deren Steigerung bei. Es muss aber nach dem Ergebnis unserer Analysen in der Depressionsperiode besonders schwierig sein, diejenigen kompensierenden Wirkungen auszulösen, welche wir in unserem Schema einer konjunkturlosen Dynamik abgeleitet haben. Denn erstens erfolgt die Verringerung in der Nachfrage nach Arbeitskräften schlagartig – die durch die ganze Aufschwungperiode latent gebliebene Freisetzung tritt kumuliert in Erscheinung. Ferner: Die Gewinne, welche als Folge der Rationalisierung normalerweise eintreten würden, fallen weg, weil die erhebliche Schrumpfung der Produktion, auch in den rationalisierten Betrieben bei höherem Kapitaldienst und bei den Erfordernissen für die Amortisation eines viel größeren Kapitals, die Gewinne zum Verschwinden bringt. Soweit solche Gewinne jedoch erzielt werden, gehen sie auf Kosten einer um so stärkeren Schrumpfung in der Erzeugung der technisch rückständigen Betriebe. Diese Gewinne werden aber in der Depression nicht investiert werden. Wenn umgekehrt die Preise entsprechend den sinkenden Kosten herabgesetzt werden, so bedeutet das bei starker Produktionsschrumpfung erhebliche Verluste. Daher werden die Preise meist nur im Vergleich mit denen der Hochkonjunktur, doch nicht in dem Ausmaß sinken, das bei Vollbeschäftigung der neuen Betriebe und unter Zugrundelegung der Lohnersparnisse möglich wäre. Dann wird aber auch die Nachfrage nicht derart steigen, dass sie zu einer Kompensation eines beträchtlichen Teiles der Freisetzung führen könnte. Nehmen wir dazu, dass sich der Konsum in der Depression zurückhält, weil die Preise sinken, so stehen wir damit zwar vor einem bekannten Phänomen, dessen Ausmaße freilich jetzt viel größer sind. Die kumulativ zerstörenden Wirkungen dieser Schrumpfung der Erzeugung und des Beschäftigungsgrades wird so weit gehen können, dass staatliche Eingriffe notwendig werden, um den Zerfall der Märkte aufzuhalten. Jedenfalls wird die Deflationspolitik, die in einer normalen Krise zwar schmerzhaft, aber wirksam wäre, jetzt durch fortgesetzte Senkung der Kaufkraft den Boden abgraben, den sie gewinnen könnte, wenn die Herabsetzung der Preise oder der Löhne, oder beides, die Gesamtkaufkraft unberührt ließe.
Wenn hingegen während des Konjunkturprozesses nicht eine Rationalisierung großen Ausmaßes vorbereitet wurde, so wäre der Rückstoß nicht so heftig; die neuen, während des Aufschwungs begründeten Produktionen würden arbeiten, und nach Bereinigung der faulen Posten in der Bilanz könnte der Gesamtprozess in eine neue Aufwärtsbewegung eintreten.
Bisher haben wir von arbeitssparenden Erfindungen gesprochen. Die in der Literatur häufig damit kontrastierten kapitalsparenden Erfindungen sind aber von den arbeitssparenden technischen Fortschritten ihren Wirkungen nach nicht verschieden. Denn auch die kapitalsparenden Erfindungen sind ausnahmslos für die Unternehmungen, welche die Kapitalgüter herstellen, arbeitssparende Erfindungen, z.B. Bagger beim Eisenbahnbau oder mechanische Förderungsinstrumente in Kohlenbergwerken. Daher kann man auch nicht annehmen, dass diese kapitalsparenden Erfindungen die ungünstigen Wirkungen der arbeitssparenden Erfindungen kompensieren. Weit davon entfernt, verschärfen sie die Situation und schaffen ein neues Problem, nämlich, wie die durch die kapitalsparenden Erfindungen effizienter werdenden Sparbeträge investiert werden sollen. Da sie außerdem zu einer Herabsetzung der Werte früher erzeugter Kapitalgüter zwingen, bringen sie ein neues Störungsmoment in die Wirtschaft.
Die Schwierigkeit liegt in einer Depressionsperiode des hier gekennzeichneten Charakters mit großer Arbeitslosigkeit und unausgenutzter Kapazität darin, dass selbst nach der finanziellen Bereinigung der Situation und nach Anreicherung des Kapitalmarktes die Wege zu neuen Investitionen versperrt sind. Sie bleiben versperrt, solange fast alle Wirtschaftszweige mit Überkapazitäten arbeiten; und eine forcierte Ausweitung der Konsumgütererzeugung für Konsumenten kommt an sich überhaupt nicht in Frage, weil unter den gegebenen Umständen jede Erweiterung den Markt mit Produkten überfluten würde, die nur zu Verlustpreisen verkauft werden könnten.
Eine Planwirtschaft könnte diesen Engpass leichter überwinden, weil sie gegen eine Verlustproduktion unempfindlicher wäre. Selbst wenn sich, was unwahrscheinlich ist, eine ähnliche Situation innerhalb einer Planwirtschaft ergeben sollte (z.B. als Folge disproportionaler Erweiterung der Produktion im Zuge von Rüstungen), so würde die Forcierung der Erzeugung von Konsumgütern nur bedeuten, dass in einzelnen Wirtschaftszweigen die Kosten größer wären als die Einnahmen, was ja auch innerhalb der Depression vorkommt und deren Wucht verringert. Diese Verluste würden nun ganz bewusst und sozusagen mit gutem Gewissen ertragen werden. Es ist zudem fraglich, ob sie größer wären als die innerhalb der Depression unvermeidlichen Defizite der privaten Betriebe und die Aufwendungen für die Arbeitslosigkeit.
Diese Verluste innerhalb der Planwirtschaft würden dadurch entstehen, dass Arbeitskräfte und Produktionsmittel jetzt anstatt zur Erzeugung von Produktionsmitteln zur Erzeugung von Konsumgütern verwendet würden. Da die Einkommenssumme gleich bliebe, müssten die Konsumgüterpreise stark herabgesetzt werden. Nimmt man z.B. an, dass alle Arbeitslosen in die Konsumgüterindustrie übergeführt würden, und nimmt man an, dass sich infolgedessen die Arbeitskräfte in diesen Industrien um 10%, die Menge der Konsumgüter um etwa 15–20% vermehren würden, so müssten die Preise bei einer Elastizität von 1 etwa um denselben Betrag von 15–20% sinken, und der Verbrauch aller Arbeitskräfte würde demgemäß steigen.2 Diese Steigerung in der Erzeugung von Konsumgütern würde aber bald wieder die Erzeugung von Produktionsmitteln für die Verbrauchsgüterindustrien notwendig machen und damit den Arbeitsmarkt entlasten, die Konsumgütererzeugung verringern und daher die Preise so weit erhöhen, dass die Kosten gedeckt werden.
Solange nun die Übererzeugung von Konsumgütern fortgesetzt würde, würde sich die Konsumgüterindustrie an die Zentralbank verschulden müssen. Innerhalb dieses Zeitraums würde ein Teil der erzeugten Konsumgüter an die Konsumenten weggeschenkt werden, und zwar derjenige Teil, der im normalen Prozess des Wachstums verkauft würde, um mit dem Erlös den Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel und neue Investitionen zu bezahlen. Die Verluste der Konsumgüterindustrien würden also dem Werte der temporär nicht notwendigen Ersatz- und Neuanschaffungen entsprechen. Solche »Verluste« aber sind unvermeidlich, wenn als Folge einer vorangegangenen forcierten Erzeugung ein Überfluss an Kapitalgütern vorhanden war; solange die Ausrüstung mit Produktionsmitteln noch überreichlich ist, sind sie auch unbedenklich. Daher würde es auch unbedenklich sein, die Schulden der Konsumgüterindustrie an die Zentralbank zu streichen, d.h. abzuschreiben, wie das auch in der kapitalistischen Wirtschaft in vielen Fällen geschieht. Wird die Schuld abgeschrieben, so wird ein Deflationsprozess vermieden. Lässt man die Schuld aber bestehen und muss sie abgetragen werden, so müssen Kaufkraftsummen aus der Konsumgüterindustrie in die Zentralbank geleitet und dort vernichtet werden. Das würde aber zu einer Senkung des Preisniveaus führen, die überflüssig ist.
Dass die Streichung der Verluste keine weiteren Nachteile für die Gesamtwirtschaft haben würde und dass umgekehrt die Abdeckung derselben späterhin sogar zu einer Schrumpfung des Wirtschaftsprozesses führen könnte, liegt daran, dass die Verluste – um diesen privatwirtschaftlichen Ausdruck hier für einen Tatbestand zu gebrauchen, der innerhalb einer Planwirtschaft nichts ist als eine gewollte Ausnutzung überreichlicher Produktionselemente – ja bereits entstanden sind, wenn die Preissumme geringer ist als die Kostensumme. Sie können auch dadurch nicht aus der Welt geschafft werden, dass sie späterhin wieder abgetragen werden. Das verbessert zwar den Status eines Gläubigers innerhalb einer Privatwirtschaft, hat aber keinen zureichenden ökonomischen Zweck in einer Planwirtschaft. Im Gegenteil, die Abdeckung der Verluste, die zu einer Vernichtung von Kaufkraft führt, weil diese nicht wieder investiert wird, verringert entweder das Produktionsvolumen oder bringt eine überflüssige Senkung der Preise mit sich. Werden aber die an die Zentralbank zurückgezahlten Beträge wieder verliehen, so ändert sich an der Kaufkraftsumme nichts, und die Konsumgüterindustrie hätte diese Kaufkraftbeträge ebenso gut selbst verwenden können. Wo sie verwendet werden sollten, ob in ihrer eigenen Sphäre oder anderswo, wäre innerhalb einer Planwirtschaft ja ohnedies von einer Zentralstelle zu entscheiden.
Das Ganze ist keine Hexerei, sondern es zeigt sich in diesem Gedankengang nur die Absurdität einer Drosselung von Produktion und Verbrauch gerade zu einem Zeitpunkt, in welchem die Ausstattung mit Produktionsmitteln und Arbeitskräften besonders groß ist, also am Ende des Aufschwungs. Innerhalb einer Privatwirtschaft verläuft der Prozess ähnlich, allerdings zugleich mit erheblicher Arbeitslosigkeit. Auch innerhalb der Privatwirtschaft werden die Unternehmer Verluste auf sich nehmen, um nicht noch größere zu erleiden. Auch sie schenken also einen Teil ihrer Erzeugung ohne Gegenwert an die Verbraucher weg. Ferner, wenn die öffentliche Hand Arbeitslosenunterstützungen bezahlt, die keineswegs nur aus Steuern kommen, sondern aus der Mobilisierung von Ersparnissen, so werden auch Konsumgüter verteilt, die in einer harmonischen Dynamik den Gegenwert von Produktionsmitteln bilden würden. Dasselbe trifft zu für die ökonomische Bedeutung öffentlicher Arbeiten. Denn auch durch diese werden Konsumgüter an Verbraucher geleitet, die normalerweise an Arbeiter in privaten Produktionsmittelindustrien gehen würden.
Auch in der kapitalistischen Wirtschaft wird dann über kurz oder lang die Produktionsmittelindustrie durch Aufträge der privaten Industrie wieder stärker beschäftigt werden, und es wird der Verkauf von Konsumgütern nur mehr an solche Personen stattfinden, die ihr Einkommen aus der privaten Wirtschaft beziehen. In der Zwischenzeit wird sich der Staat an die Allgemeinheit verschuldet haben, und es wird aus Steuerbeträgen eine Summe aufgebracht werden müssen, die genügt, um die Schulden zu verzinsen und zu amortisieren. Nach dieser Periode jedoch werden die Sparbeträge, die vorübergehend zur Erhaltung der Arbeitslosen verwendet wurden, allmählich wieder für Investitionen bereitgestellt werden. Die Investitionen im ganzen aber werden trotz der zusätzlichen Steuerlast als Folge dieser öffentlichen Schulden nicht sinken, wenn die Zeichner der Anleihe ihre Zinseinnahmen investieren und wenn die Steuerzahler die zusätzliche Steuer aus Einkommensteilen bestreiten, welche sie auch investiert hätten. Die Steuerlast an sich bedeutet daher keine Verringerung der zur Investition zur Verfügung stehenden Kaufkraftbeträge, da ja die Zinsen der Anleihe nicht für Staatsleistungen ausgegeben werden, sondern private Einkommen bilden. Die Belastung der Allgemeinheit liegt bei der Begebung der Anleihe nämlich darin, dass die Leistungen irgendwelcher Produktionsfaktoren nicht in die private Wirtschaft geleitet wurden und daher auch nicht privates Kapital aufbauten, sondern bei öffentlichen Arbeiten benutzt oder bezahlt werden, ohne überhaupt benutzt zu werden (Unterstützungen). Das, worauf man vom Gesichtspunkt der Gesamtwirtschaft bei diesem Prozess sehen muss, ist, ob die Mengen an Produktionsmitteln, Boden, Maschinen und Arbeitskräften nach der Depression größer oder geringer sind als vorher, ohne Rücksicht auf den monetären Ausdruck dieses Prozesses. Gemeinhin werden die öffentlichen Arbeiten den Verfall der realen Produktionskräfte und -möglichkeiten aufhalten. Da öffentliche Anleihen nur ein Anrecht der Gesamtheit auf Zinszahlungen an sich selbst schaffen, verringern sie weder das Nationaleinkommen noch bedeuten sie eine Belastung desselben. Nur wenn in dem Prozess, der durch die Anleihe finanziert wird, Teile des realen Reichtums aufgezehrt und die Möglichkeiten der Produktion für die Zukunft eingeschränkt würden, würde darin eine Belastung der Zukunft liegen.
Es wäre also auch innerhalb einer privatkapitalistischen Wirtschaft möglich, die unausgenutzten Produktionsmittel wieder zu beschäftigen und etwaige Schwierigkeiten eines raschen Wachstums der Produktionskapazitäten zu beheben. Aber traditionelle Hemmungen gegen eine energische Krisenbekämpfung und deren soziale Wirkungen erklären es, dass eine Privatwirtschaft die Wachstumsstörungen beschleunigter Entwicklung schwerer überwindet als eine Planwirtschaft, die in der Wahl ihres Weges und in der Ausnutzung der Mittel viel freier wäre. Die Analyse einer analogen Situation in einer Planwirtschaft gibt aber Fingerzeige dafür, wie die durch technischen Fortschritt freigesetzten Arbeitskräfte wieder in den Produktionsprozess eingeschaltet werden können.
Meine Behandlung des Problems ist überwiegend theoretisch und daher notwendigerweise kompliziert. Einige der hier aufgeworfenen Fragen könnten allerdings durch entsprechende Detailuntersuchungen aufgeklärt werden. So würde eine Erforschung der folgenden Tatbestände viel zu einer richtigen Beurteilung unseres Problems beitragen:
1. Eine historische Untersuchung der Erfindungen und technischen Verbesserungen während des 19. Jahrhunderts und in der Gegenwart würde vermutlich Licht auf die Verschiebungen in der relativen Häufigkeit der einen und der andern Form technischer Veränderungen werfen.
2. Eine Analyse der lang dauernden Prosperitätsperiode 1923–1929 in den Vereinigten Staaten mit besonderer Berücksichtigung der Zwecke, für die Kapital investiert wurde, und eine entsprechende Untersuchung der gegenwärtigen Prosperitätsperiode in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien.
3. Eine Untersuchung der Beziehungen zwischen Kapitalinvestitionen (gemessen durch die Aufwendungen für Verzinsung und Amortisation) zu den Ersparnissen an Arbeitskosten.
4. Eine Analyse der Wirkungen, welche der Aufbau von Eisenbahnsystemen auf die Struktur der Erzeugung hatte.
5. Eine Analyse der Ausdehnung von »Service«-Industrien und ihrer Bedeutung für die Wiedereinstellung freigesetzter Arbeiter.
6. Eine Untersuchung des Industrialisierungsprozesses unter der Einwirkung kapitalsparender Erfindungen, illustriert durch einen Vergleich des Industrialisierungsprozesses in China mit demselben Prozess in Japan.
1
Die hohen Frachtraten auf den Landstraßen wirkten wie ein Verbot, Waren von der Produktionsstätte zu transportieren.
2
Die Wirkung einer solchen Umgruppierung der Produktionselemente wäre weniger drastisch, wenn ein erheblicher Teil der in der Produktionsmittelerzeugung überschüssig werdenden Arbeitskräfte in die Erzeugung lang dauernder Konsumgüter geleitet wurde, z.B. den Häuserbau. Das Angebot an Wohnraum würde natürlich viel weniger schnell wachsen als die Vermehrungsrate seiner Erzeugung, weil ja der neu erzeugte Wohnraum nur einen kleinen Bruchteil des bereits existierenden Wohnraums ausmacht. Demgemäß wären auch die Wirkungen auf das Preissystem geringer.
Der technische Fortschritt ist erst im Industriesystem zu einem ökonomischen Problem geworden. Altertum und Mittelalter sowie die ersten zwei Jahrhunderte der Neuzeit kannten bald ein langsameres, bald ein schnelleres Tempo technischer Veränderungen. Die Erfindungen jener Epochen entsprangen dem Zufall, selten wohl systematischer Beobachtung. Sie sind vielfach anonym. Es mag oft Jahrhunderte gedauert haben, bevor eine uns ganz selbstverständliche Technik gefunden wurde.1 Aus Beobachtungen, die technisch hätten ausgewertet werden können, wurden keine Schlüsse gezogen. Allmählich erst floss die Kenntnis des Materials und der Technik seiner Bearbeitung zu einem System zusammen, das auf der Basis wirtschaftlicher Forschung kontinuierlich mit logischer Folgerichtigkeit weitergebildet werden konnte.
Der große Sektor der Naturalwirtschaft einerseits, das Vorherrschen der Handarbeit andererseits begründeten es, dass sich alle technischen Verbesserungen nur in Erhöhung der Lebenshaltung – meist der herrschenden Klassen – umsetzten. Erst die Einführung der Maschine, d.h. des durch mechanische Kraft getriebenen Werkzeugs im Kapitalismus hat zugleich mit der Schaffung eines industriellen Proletariats den technischen Fortschritt zu einem sozialökonomischen Problem gemacht, wenn man von den gelegentlichen Maschinenrevolten der Handwerksgesellen absieht. Aber die ersten größeren Arbeiterbewegungen gegen die Maschinen wurden bald durch den raschen Wachstumsprozess der kapitalistischen Nationalwirtschaften und der Weltwirtschaft gedämpft und überwunden, und erst die Nachkriegszeit hat das Phänomen der technologischen Arbeitslosigkeit als eine der großen Fragen der Gegenwart vor uns hingestellt.
In der Erörterung des Problems, ob der technische Fortschritt Arbeitslosigkeit zur Folge haben könnte, wird meist der Tatbestand, um den es sich handelt, nicht genauer analysiert. Für die wirtschaftliche Betrachtung ist der allgemeine Begriff des technischen Fortschritts, d.h. die Auffindung neuer und wirksamerer Methoden zur Erzeugung eines bereits bekannten Produkts oder die Erzeugung eines neuen Produkts, auf der einen Seite zu weit, auf der anderen zu eng. Er ist zu weit, weil ja nicht alle technischen Fortschritte ökonomisch vorteilhaft sind. Meistens müssen sie erst einer langen Durcharbeitung unterzogen werden, um, in die Produktion eingeführt, die Erfolgschancen von Unternehmen zu verbessern oder die Grundlagen neuer gewinnbringender Unternehmungen zu bilden. Erst damit werden technische Fortschritte ökonomisch relevant. Aber der Begriff ist auch zu eng, weil er Veränderungen ausschließt, die zwar nicht technische Neuerungen sind, aber ebenso wirken. So wird jedes bessere Disponieren mit den Rohmaterialien, Arbeitskräften, Betriebsräumen den Ertrag erhöhen. Diese Veränderungen, welche wir organisatorische Verbesserungen nennen können, stehen in der Wirkung den technischen Fortschritten vollkommen gleich. Auch lässt sich die Grenzlinie zwischen technischen Fortschritten und organisatorischen Verbesserungen nur sehr schwer ziehen. So ist fraglich, ob eine bessere Arbeitsteilung im Betrieb als eine organisatorische Veränderung oder als ein technischer Fortschritt zu bezeichnen ist. Jedenfalls gilt alles, was wir vom kostensparenden technischen Fortschritt zu sagen haben, auch für organisatorische Verbesserungen. Doch der kostensparende technische Fortschritt ist nur eine spezielle Art technischer Veränderungen überhaupt.
Ich schlage vor, zwei Arten technischer Veränderungen zu unterscheiden:
1. die technischen Veränderungen, die es gestatten, bisher unbekannte Produkte zu erzeugen. Technische Veränderungen dieser Art sollen im folgenden »Erfindungen« genannt werden. Erfindungen ersetzen demnach ein bisher schon bekanntes Produkt teilweise oder ganz durch andere Produkte oder bieten die Möglichkeit, ganz neue Bedürfnisse zu befriedigen;
2. technische Veränderungen, die es gestatten, dasselbe Produkt wie bisher mit geringeren Kosten oder eine größere Produktionsmenge als bisher mit Aufwendung derselben Kosten auf den Markt zu bringen. Im folgenden sollen die technischen Veränderungen dieser Art als »technischer Fortschritt« bezeichnet werden.
Ad 1. Erfindungen differenzieren also die Produktion. Sie bringen neue Produkte auf den Markt, die an die Stelle bisher bekannter Produkte treten oder ganz neuen, erst mit der neuen Produktion entstehenden Bedürfnissen dienen. Zur ersten Untergruppe gehören alle Surrogate (z.B. Margarine an Stelle der Butter, Kunststeine, Merzerisierung von Baumwolle, in erheblichem Umfang das Auto, soweit es die Eisenbahn ersetzt). Viele dieser Erfindungen müssen aber auch zur zweiten Gruppe gerechnet werden. Ich zähle zu dieser zweiten Gruppe das Fahrrad, das Telefon, den Telegrafen, das Grammophon, das Kino, das Radio, viele Heilmittel, aber auch die Füllfeder, das Automobil, das Flugzeug, die Eisenbahn, das elektrische Licht, die Wasserleitung, die Zentralheizung usw. Die meisten dieser Produkte zeigen ökonomisch ein doppeltes Gesicht: Sie schaffen auf der einen Seite neue Bedürfnisse und erweitern insofern den Kreis der Erzeugung, in den meisten Fällen aber verdrängen sie zugleich andere Produktionen. So hat die Eisenbahn die Postkutsche verdrängt, und das Automobil hat zuerst die Kutsche aus dem Feld geschlagen und ist späterhin in den Bereich der Eisenbahn eingedrungen. Das Grammophon kann als Konkurrent der Musikinstrumentenindustrie betrachtet werden, das Kino hat die Rentabilitätsgrundlage des Theaters erschüttert. Auch das Radio greift in die Marktbedingungen zahlreicher anderer Produktionen ein, so der Zeitungen, der Orchester, der Oper. Nur Erfindungen wie das Fahrrad, das Telefon, der Telegraf, zahlreiche Heilmittel, neuartige Gegenstände der Mode, die zusätzlich verbraucht werden, wie z.B. Kosmetika, Pelzüberschuhe, schaffen sich einen Markt, der mit keinem der bisherigen Märkte konkurriert. Es entstehen in diesen Fällen ganz neue Bedürfnisse, deren Befriedigung, wenn sie als vordringlich empfunden wird, zwar die Befriedigung anderer Bedürfnisse bei gleichbleibendem Einkommen unmöglich macht, aber jedenfalls nicht die Intensität der subjektiven Bedürfnisse nach anderen Produkten beeinträchtigt. (Dass nicht alle bisher befriedigten Bedürfnisse zum Zuge gelangen, liegt an der Beschränktheit der Einkommen. Nur in einigen Fällen werden die neuen Bedürfnisse die subjektive Dringlichkeit anderer Bedürfnisse herabsetzen.) Meist wird die Wirkung solcher Erfindungen eine zusammengesetzte sein. Sie werden teilweise den Bedarf nach andern Produkten herabsetzen, teilweise die Grundlage neuer Konsumakte werden, indem sie bisher unbekannte »echte« oder »soziale« Bedürfnisse schaffen. Die Füllfeder z.B. verdrängt die Stahlfeder vom Markte, aber sie dient zugleich der Befriedigung von Bedürfnissen, die bisher überhaupt nicht zu ihrem Recht kommen konnten, wie z.B. eine immer gleichbleibende, der persönlichen Eigenart des Schreibenden angepasste Feder zu benutzen, und der Möglichkeit, überall ohne Schwierigkeiten mit Tinte schreiben zu können. Das elektrische Licht hat z.B. das Gas, in den Bauernhäusern die Petroleumlampe verdrängt, es hat aber zugleich das Bedürfnis nach Beleuchtung erweitert, weil jetzt seine Befriedigung auch dort möglich wurde, wo sie früher wegen der Feuergefahr erschwert (wie in Scheunen) oder ausgeschlossen war (wie auf der Landstraße) – ganz abgesehen davon, dass Gas und elektrisches Licht überhaupt erst das Bedürfnis nach stärkerer Beleuchtung und ganz neuen Verwendungsarten von Licht, z.B. in der Reklame, geschaffen haben. Das gleiche gilt von vielen der genannten Erfindungen.
Ad 2. Technische Fortschritte haben ein außerordentlich weites Feld. Hierher gehören alle Veränderungen, die den Prozess der Handarbeit durch die Maschine ersetzen, wie die mechanische Spindel, der mechanische Webstuhl, der Bagger, die Schrämmaschine im Bergbau, die Nähmaschine, die Maschinen in der Schuhindustrie usw. Aber auch bessere Ausnutzung des Rohmaterials, bessere Ausnutzung der Kohle durch erhöhte Ausnutzung ihres Wärmegehalts sind technische Fortschritte, ebenso wie endlich alle Verbesserungen an den Maschinen, die zur Abkürzung der Produktionsdauer dienen. Die Funktion all dieser Verbesserungen ist letztes Endes, die aufgewendete Arbeitszeit zu verringern, gleichgültig, auf welcher Stufe der Produktion diese Verringerung erfolgt.
Die ökonomischen Wirkungen dieser zweiten Gruppe der technischen Veränderungen sind sehr verschieden. Wenn wir die kurz- und mittelfristigen Wirkungen betrachten, welche den Gegenstand unserer Untersuchung bilden, so lässt sich sagen, dass nur die Gruppe 2 (»technische Fortschritte«) technologische Arbeitslosigkeit schaffen kann. Die technischen Veränderungen dieser Gruppe verringern jedenfalls unmittelbar die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Ob und wann dies zu längerer oder kürzerer Arbeitslosigkeit führt, bildet den Gegenstand unserer Untersuchung.
Hingegen werden die Erfindungen, soweit sie neue Bedürfnisse schaffen, diese Wirkungen nicht haben, und zwar aus folgenden Gründen: Soweit Erfindungen zur ersten Untergruppe gehören (»Surrogate«) und soweit die neuen Produktionen ebenso viele Arbeiter und insbesondere Arbeiter derselben Kategorie beschäftigen, als in denjenigen Betrieben tätig waren, deren Erzeugnisse jetzt vom Markte verdrängt werden, tritt nur eine Verschiebung auf dem Arbeitsmarkt ein, jedoch wird der Beschäftigungsgrad nicht sinken. Freilich wird hier die Rentabilität des Kapitals in den ausgeschalteten oder in ihrem Absatz beeinträchtigten Betrieben herabgesetzt werden, und insofern werden diese Profite verschwinden. Da aber Kapital in den neuen Betrieben investiert wird und dort Gewinn abwirft, tritt ein neues Kapitaleinkommen an die Stelle des wegfallenden. Die Profitsumme in der ganzen Volkswirtschaft wird jedenfalls nicht verringert werden. Auf das Ganze der Volkswirtschaft gesehen, werden daher Erfindungen dieser Art den Beschäftigungsgrad nicht herabsetzen, sondern ihn sogar vorübergehend während der Dauer der Investitionen erhöhen.2 Geht doch hier die neue Nachfrage nach Arbeitskräften zeitlich voraus, so dass auch keine vorübergehende Arbeitslosigkeit eintritt. Zwar wird in einem solchen Falle keine dauernde zusätzliche Arbeitsgelegenheit geschaffen, doch der Arbeitsfassungsraum der Volkswirtschaft wird auch nicht verringert. Wir könnten nur in dem Sinne von einer technologischen Arbeitslosigkeit sprechen, dass durch die Absorption neu gebildeten Kapitals in dieser Art von Betrieben der Gesamtbeschäftigungsgrad keine Erhöhung erfahren kann, so dass bei wachsendem Angebot auf dem Arbeitsmarkt Beschäftigungslosigkeit eintreten wird. Es werden indes nicht Arbeiter freigesetzt, sondern es sind nur die Wege versperrt, auf denen neue zusätzliche Arbeiter Beschäftigung finden können. Es wird also im Sinne der unten entwickelten Terminologie sekundäre Arbeitslosigkeit eintreten. Dementsprechend wird auch die weitere Steigerung des Sozialproduktes, die im Zuge der Entwicklung zu erfolgen pflegt, unterbleiben. Sofern freilich die neue Produktion dieselben Produktionsmengen, die zum Ersatz anderer dienen, mit weniger Arbeit herstellt, wird derselbe Sachverhalt wie unter 2 vorliegen, d.h., in einem solchen Falle wird eine Erfindung sich mit technischem Fortschritt in dem oben entwickelten Sinn verbinden, und insofern wird auch eine Freisetzung mit allen später zu erörternden Konsequenzen eintreten.
Soweit Erfindungen zur zweiten Untergruppe der Gruppe 1 gehören, eröffnen sie ein neues Feld der Warenerzeugung. Dabei spielt sich etwa folgender Prozess ab: Eine neue Industrie, z.B. die Fahrradindustrie oder die Radioindustrie, wird geschaffen. Diese Industrie wird, wie alle neuen Wirtschaftszweige, normalerweise, vom Fall zusätzlichen Kredits abgesehen, durch Investition von Ersparnissen aufgebaut. Kommt sie in Gang und finden ihre Produkte Absatz, so wird dadurch für eine Anzahl von Arbeitern dauernd Beschäftigung geschaffen. Nehmen wir nun selbst den ungünstigsten Fall an, dass nämlich das Einkommen aller übrigen Konsumenten, der Arbeiter und Unternehmer, ungeändert bleibt. Auch dann wird die so eingeleitete Entwicklung in der Volkswirtschaft keine Störung hervorrufen. Denn die bisherigen Produzenten werden als Konsumenten jetzt nur ihr Einkommen anders verwenden, sie werden ihre Nachfrage umstellen, um die neuen Produkte kaufen zu können. Wenn, in der Sprache der Grenznutzenlehre, das neue Produkt für sie einen höheren Wert repräsentiert als der innerhalb ihres Einkommens realisierbare Grenznutzen, so werden sie weniger an andern Produkten verbrauchen, z.B. ihren Konsum an Nahrungsmitteln oder Kleidung einschränken. (Es scheint, dass eine solche Umschichtung der Nachfrage in den Vereinigten Staaten seit der Verbilligung des Automobils beobachtet werden kann: Bei gleichem Einkommen werden häufig kleinere Wohnungen nachgefragt, um den Ankauf und den Betrieb eines Automobils finanzieren zu können. Oder es werden Häuser in billigerer Lage gemietet, was die Zahlungen für Grundrente und Dienste verringert, beziehungsweise ein weiteres Ansteigen der Grundrente hemmt.)
Diese Einschränkung der Nachfrage in der Verwendung der »alten« Einkommen wird aber dadurch kompensiert, dass jetzt die zusätzlich beschäftigten Arbeiter sowie die neuen Unternehmer Nachfrage entfalten, die sich zum größten Teil, soweit sie nämlich nicht Erzeugnisse ihrer eigenen Tätigkeit verbrauchen, auf diejenigen Produkte richten wird, deren Verbrauch von den alten Konsumenten eingeschränkt wurde. Mit einigen wenigen Verschiebungen (die sich in der Wirklichkeit durch das Vorhandensein von Reserven reibungslos abwickeln können) wird also die bisherige Produktion ihrem Umfang nach neben der neuen Produktion ungeändert aufrechterhalten bleiben, und die Gesamtzahl der Arbeiter und Unternehmer wird vermehrt sein, ebenso aber die Zahl der Angestellten, die Menge der notwendigen Transportleistungen und der öffentlichen Dienste usw.
Theoretisch müsste zwar eine Ausdehnung des Produktionssystems bei steigender Bevölkerung auch ohne den Aufbau neuer Produktionen glatt erfolgen können. In der Wirklichkeit aber stößt eine solche Ausweitung auf Reibungsschwierigkeiten, während Erfindungen eine besonders vorteilhafte, reibungslose Form des Wachstums eines Produktionssystems mit sich bringen. Ihre Wirkung wird noch größer sein, wenn das System derart entfaltet werden kann, dass die alten Konsumenten in der Lage sind, ihren bisherigen Verbrauch aufrechtzuerhalten. Das kann der Fall sein, wenn ihre eigene Effizienz steigt oder wenn sie in der Lage und bereit sind, mehr Arbeitsleistungen aufzuwenden, und wenn diese in der Produktion Aufnahme finden können. Nun ist eine allgemeine Senkung des Konsums einer breiten Konsumentenschicht bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Absatzes derjenigen Industrien, deren Produkte von der betreffenden Schicht nicht mehr in demselben Umfang aufgenommen werden können wie bisher, einer der stärksten Antriebe zur Wiederherstellung der alten Konsumhöhe. Insbesondere ist es günstig, wenn sich dieser Wunsch nach Wiederherstellung des alten Konsums über einen weiten Kreis von Industrien verteilt, weil dann eine gleichmäßige Steigerung der Arbeitsleistungen eintreten kann. Wenn die »alten« Konsumenten gar noch ihren Konsum an den Produkten, die sie bisher konsumierten, aus Ersparnissen wenigstens zeitweilig aufrechterhalten, so erleichtert das jene Ausdehnung des gesamten Produktionsvolumens, das ihnen zugleich das Einkommen zuschwemmt, aus dem sie einen dauernd gestiegenen Konsum bestreiten können. Es wird dann eine allgemeine Ausweitung der Produktion erfolgen können, ohne dass es zu wesentlichen Störungen, insbesondere zu Freisetzung, kommt.
Endlich noch zur psychologischen Seite dieses Prozesses: Im normalen Verlauf des Wachstums einer Volkswirtschaft werden zwar alle Wirtschaftssubjekte den Wunsch haben, ihren Konsum auszudehnen. Sie werden aber nicht in allen Fällen bereit sein, ihre Arbeitsleistung entsprechend zu erhöhen. Selbst wenn sie es wären, so werden sowohl der Steigerung der Arbeitsintensität als auch der Verlängerung des Arbeitstages erhebliche Hindernisse entgegenstehen. Anders, wenn aus neu auftauchenden Bedürfnissen heraus auch der Antrieb zur Steigerung der Arbeitsleistung wächst. Vermutlich hätten die dynamischen Kräfte, soweit sie bei dem Wachstumsprozess der modernen Volkswirtschaften lebendig waren, nie eine solche Stärke erlangt, wenn nicht die fortgesetzte Weckung neuer Bedürfnisse die psychologischen Antriebe zur Mehrerzeugung permanent und geradezu zu einer sozialen Gewohnheit gemacht hätte. Es ist richtig, dass diese psychologischen Antriebe nur bei Eigenproduktion unmittelbar wirken. Aber sie wirken in einem gewissen Umfange auch in die kapitalistische Erzeugung hinein. Außerdem ist der Sektor der Eigenerzeugung, insbesondere in der Landwirtschaft, nicht so gering.
Was diese neuen Produktionen anlangt, so kann man annehmen, dass im Zuge der Entwicklung einer Volkswirtschaft sowohl die Kapitalien als auch die Arbeitskräfte für die Ingangsetzung der neuen Betriebe zur Verfügung stehen werden. Soweit diese Voraussetzung nicht zutrifft, wird die Entwicklung abgebremst sein.
Auch dieses Wachstum der Erzeugung wird natürlich, wie jede Etappe der Entwicklung, einen Finanzierungsprozess voraussetzen. Die Finanzierung der Investitionen wird in der Entwicklung an sich angelegt sein. Soweit nur Ersparnisse zum Aufbau dieser neuen Industrien verwendet werden, steht die Kaufkraft zur Erzeugung der Produktionsmittel zur Verfügung. Vielleicht findet eine Ablenkung aus anderen Verwendungen, wie dem Häuserbau, statt; jedenfalls bietet jedoch die Finanzierung keine Schwierigkeiten und kann auch keine Störungen mit sich bringen. Im Gegenteil, ist doch eine glatte Investition von Ersparnissen eine wichtige Voraussetzung zur Erhaltung des Gleichgewichts in der Entwicklung.
Aber auch der Umschlag der neu erzeugten Produkte bietet keine Schwierigkeiten. Allerdings wird die Kaufkraft jetzt einen andern Weg einschlagen, und der Weg, den sie zurücklegen muss, um alle Produkte umzuschlagen, wird über eine Station mehr führen als bisher.
ABCDE seien die bisher bestehenden Produktionszweige; deren Erzeugnisse tauschen sich unter den Produzenten aus. Auch bei einer gewissen Wachstumsrate der Geldeinkommen und der Produktmengen werden die Wege, welche die einzelnen Geldmengen zurücklegen, ungeändert bleiben. Tritt nun die neue Produktion F