Theo Boone und das verschwundene Mädchen - John Grisham - E-Book

Theo Boone und das verschwundene Mädchen E-Book

John Grisham

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Beschreibung

Die Entführung seiner besten Freundin April – auch sein zweiter Fall verlangt Theo Boone alles ab

Theo Boone, Anwaltssohn mit ausgeprägtem Sinn für Recht und Gerechtigkeit, ist erst dreizehn. Aber das hält ihn nicht davon ab, die schwierigsten Kriminalfälle zu lösen und die Strafprozesse live vor Gericht zu verfolgen. Ansonsten gehört Theos Leidenschaft seinem Hund Judge – und natürlich seiner besten Freundin April. Als diese plötzlich spurlos verschwindet, steht Theo vor der bislang größten Herausforderung seiner jungen Karriere.

Mitten in der Nacht werden die Boones von einem Anruf aus dem Schlaf gerissen – April Finnemore, Theos beste Freundin, ist spurlos verschwunden! Und Theo war offenbar der Letzte, der mit ihr gesprochen hat. Noch in derselben Nacht wird er von der Polizei verhört. Obwohl sich Theo eigentlich nichts Spannenderes vorstellen kann, als in seiner verschlafenen Heimatstadt Verbrecher zu jagen, ist diesmal alles anders: Die Sorge um April bringt ihn fast um den Verstand. Und die Polizei hat offenbar nichts Besseres zu tun, als ihn und seine Klassenkameraden mit sinnlosen Befragungen von ihrer Mission abzuhalten: April zu finden, und zwar so schnell wie möglich! Gemeinsam mit seinen Freunden organisiert Theo Suchtrupps, die systematisch das Stadtgebiet durchkämmen. Doch dann taucht ein zwielichtiger Verwandter der Finnemores wie aus dem Nichts auf. Hat er etwas mit Aprils Verschwinden zu tun?

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Seitenzahl: 234

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John Grisham

Theo Boone

und das verschwundene Mädchen

Roman

Aus dem Amerikanischen von Imke Walsh-Araya

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel THEODORE BOONE: THE ABDUCTION bei Dutton Children’s Book / Penguin, New York

Copyright © 2011 by Belfry Holdings, Inc.

Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Redaktion: Charlotte Lungstraß

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-10964-6 V004

www.heyne-fliegt.de

Eins

Die Entführung von April Finnemore ereignete sich mitten in der Nacht, irgendwann zwischen 21.15 Uhr, als sie zum letzten Mal mit Theo Boone sprach, und 3.30 Uhr, als ihre Mutter das Zimmer betrat und feststellte, dass April verschwunden war. Offenbar waren die Entführer in Eile gewesen, denn April hatte ihre persönlichen Dinge zurücklassen müssen. Ihr Laptop war noch da. Ihr Zimmer wirkte halbwegs aufgeräumt, aber es lagen verschiedene Kleidungsstücke herum, sodass sich kaum feststellen ließ, ob sie überhaupt Gelegenheit zum Packen gehabt hatte. Nach Ansicht der Polizei eher nicht. Ihre Zahnbürste lag noch am Waschbecken. Der Rucksack stand neben dem Bett. Da der Schlafanzug auf dem Boden lag, hatte sie sich wohl zumindest anziehen dürfen. Ihre Mutter heulte und tobte abwechselnd, aber die Polizei brachte zumindest aus ihr heraus, dass Aprils blauweißer Lieblingspullover nicht mehr im Schrank lag. Und ihre Lieblingsturnschuhe waren auch verschwunden.

Die Polizei kam bald zu dem Schluss, dass das Mädchen nicht einfach weggelaufen war. Zum einen war sich Aprils Mutter ganz sicher, dass es dafür keinen Grund gab, zum anderen hätte sie dann wohl richtig gepackt.

Eine kurze Inspektion des Hauses ergab keine Hinweise auf einen Einbruch. Alle Fenster waren geschlossen, die drei Türen im Erdgeschoss versperrt. Aprils Entführer hatte die Tür hinter sich zugezogen und sogar abgeschlossen. Nachdem die Beamten die Örtlichkeiten eingehend begutachtet hatten, hielten sie eine Befragung von Theo Boone für angebracht. Immerhin war er Aprils bester Freund, und die beiden telefonierten oder chatteten praktisch jeden Abend vor dem Einschlafen.

Die Digitaluhr neben dem Bett der Eltern zeigte 4.33 Uhr, als das Telefon klingelte. Woods Boone, der den leichteren Schlaf hatte, nahm ab, während sich Marcella Boone auf die andere Seite drehte und überlegte, wer um diese Zeit wohl anrufen mochte.

Als Mr. Boone »Geht in Ordnung, Officer« sagte, wurde sie endgültig wach und krabbelte aus dem Bett. Obwohl sie nur die eine Hälfte des Telefonats mitbekam, war ihr schnell klar, dass es um April Finnemore ging.

»Selbstverständlich«, sagte ihr Mann gerade. »Wir können in einer Viertelstunde da sein.« Er legte auf.

»Was ist los, Woods?«, fragte sie.

»Offenbar ist April entführt worden, und die Polizei möchte mit Theo sprechen.«

»Der war es bestimmt nicht.«

»Falls er nicht oben in seinem Zimmer ist, vielleicht doch.«

Aber Theo war in seinem Zimmer und schlief tief und fest. Vom Klingeln des Telefons hatte er offenbar nichts mitbekommen. Während er hastig in Jeans und Sweatshirt schlüpfte, brachte er seine Eltern auf den aktuellen Stand. Er hatte April am Abend von seinem Handy aus angerufen und ein paar Minuten mit ihr geredet, wie üblich.

Als sie in der frühmorgendlichen Dunkelheit durch Strattenburg fuhren, ging Theo der Gedanke an April und ihr trostloses Familienleben nicht aus dem Kopf. Ihre Eltern waren heillos zerstritten, Bruder und Schwester – beide schwer geschädigt – hatten das Weite gesucht, sobald sie alt genug waren. April war das jüngste von drei Kindern und Tochter von zwei Menschen, die nie eine Familie hätten haben dürfen. Ihre Eltern waren irre, das sagte April selbst, und Theo konnte ihr da nur zustimmen. Beide waren bereits wegen Drogenbesitzes mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Aprils Mutter hielt auf einem kleinen Bauernhof außerhalb der Stadt Ziegen und stellte Käse her, den Theo ungenießbar fand. Um ihn zu verkaufen, fuhr sie mit einem gelb lackierten alten Leichenwagen in der Stadt herum, mit einem zahmen Klammeraffen als Beifahrer. Ihr Vater war ein alternder Hippie, der gemeinsam mit anderen Versagern, die aus den Achtzigern übrig geblieben waren, in einer schlechten Garagenband spielte. Er hatte keine feste Arbeit und war oft wochenlang unterwegs. Die Finnemores standen immer kurz vor der Trennung, Scheidung war ein ständiges Thema.

April vertraute Theo und erzählte ihm Dinge, von denen niemand sonst erfahren durfte.

Die Finnemores wohnten in einem gemieteten Haus, das April hasste, weil ihre Eltern es verkommen ließen. Es stand neben anderen Nachkriegsbauten, die bessere Tage gesehen hatten, in einer tristen Straße eines älteren Viertels von Strattenburg. Theo war nur einmal vor zwei Jahren dort gewesen, zu einer völlig missglückten Geburtstagsfeier, die Aprils Mutter improvisiert hatte. Die meisten der eingeladenen Kinder kamen gar nicht erst, weil ihre Eltern es nicht erlaubten. Schuld daran war der zweifelhafte Ruf der Familie Finnemore.

Als die Boones eintrafen, parkten in der Einfahrt zwei Streifenwagen. Auf der anderen Straßenseite standen die Nachbarn auf den Veranden und beobachteten das Ganze.

Mrs. Finnemore – sie hieß May, wie der Monat, und hatte ihre Kinder April, March und August genannt – saß im Wohnzimmer auf dem Sofa und sprach mit einem uniformierten Beamten, als die Boones, etwas verlegen, hereinkamen. Da Mr. Boone Aprils Mutter nicht kannte, stellten sie sich kurz vor.

»Theo!«, verkündete Mrs. Finnemore höchst dramatisch. »Man hat uns unsere April geraubt!« Dann brach sie in Tränen aus und streckte die Arme nach Theo aus. Der hatte überhaupt keine Lust, sich umarmen zu lassen, wollte aber nicht unhöflich sein. Wie immer trug Mrs. Finnemore ein langes fließendes Gewand, das Theo an ein Zelt erinnerte. Es war hellbraun und sah aus, als wäre es aus Sackleinen. Das lange, von grauen Strähnen durchzogene Haar hatte sie straff aus dem Gesicht gekämmt und zusammengebunden. Theo hatte sie immer wunderschön gefunden, auch wenn sie völlig verrückt war. Anders als seine Mutter tat sie nichts dafür, aber das hatte sie gar nicht nötig. Außerdem war sie sehr kreativ, malte, töpferte und stellte nebenbei noch ihren Ziegenkäse her. April hatte die guten Gene ihrer Mutter geerbt – die schönen Augen und die künstlerische Begabung.

»Was ist passiert?«, erkundigte sich Mrs. Boone bei dem Polizeibeamten, als Mrs. Finnemore wieder saß.

Daraufhin gab dieser ihnen eine kurze Zusammenfassung der wenigen Informationen, die bisher zur Verfügung standen.

»Hast du gestern Abend mit ihr geredet?«, fragte der Beamte, ein gewisser Sergeant Bolick, den Theo vom Gericht kannte. Theo kannte die meisten Polizisten in Strattenburg – und die meisten Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Richter, Hausmeister, Pförtner und Justizangestellten am Gericht.

»Ja, Sir. Um 21.15 Uhr, sagt meine Anrufliste. Wir reden praktisch jeden Abend vor dem Schlafengehen miteinander«, gab Theo zurück.

Bolick war als Klugschwätzer bekannt, und Theo hatte nichts für ihn übrig.

»Ist ja niedlich. Hat sie irgendwas gesagt, was uns weiterhelfen könnte? War sie beunruhigt? Hatte sie Angst?«

Und schon steckte Theo in der Zwickmühle. Er wollte die Polizei nicht belügen, aber auch keinen Vertrauensbruch begehen.

»Ich kann mich an nichts Derartiges erinnern«, erwiderte er ausweichend.

Mrs. Finnemore hatte aufgehört zu weinen und ließ Theo nicht aus den Augen.

»Worüber habt ihr geredet?«, fragte Sergeant Bolick. Ein Detective in Zivil kam ins Zimmer und hörte aufmerksam zu.

»Das Übliche. Schule, Hausaufgaben, so genau weiß ich das nicht mehr.« Bei den Gerichtsverhandlungen, die er als Zuschauer besucht hatte, hatte er gelernt, dass man sich besser nicht festlegte. Häufig reichten »Ich kann mich nicht erinnern« oder »Das weiß ich nicht mehr« völlig aus.

»Habt ihr online gechattet?«, wollte der Detective wissen.

»Nein, nicht gestern Abend. Da haben wir nur telefoniert.« Sie benutzten häufig Facebook und Textnachrichten, aber Theo wollte nicht mehr Informationen liefern als nötig. Warum Fragen beantworten, die gar nicht gestellt worden waren? Das sagte seine Mutter auch immer zu ihren Mandanten.

»Gibt es Hinweise auf einen Einbruch?«, erkundigte sich Mr. Boone.

»Nein«, erwiderte Bolick. »Mrs. Finnemore schlief tief und fest in ihrem Schlafzimmer im Erdgeschoss und hörte nichts. Als sie irgendwann nach April sehen wollte, war das Kind verschwunden.«

Theo sah Mrs. Finnemore an, die ihn erneut mit einem flehentlichen Blick bedachte. Er kannte die Wahrheit, und sie wusste es. Das Problem war, dass er April versprochen hatte, nicht darüber zu reden.

Tatsächlich war Mrs. Finnemore seit zwei Nächten nicht mehr zu Hause gewesen. April war allein und völlig verängstigt gewesen. Türen und Fenster waren verrammelt, unter ihre Türklinke hatte sie einen Stuhl geklemmt. Am Fußende ihres Bettes lag ein alter Baseballschläger, und das Telefon stand in Griffweite, damit sie sofort den Notruf wählen konnte. Außer Theodore Boone, der Stillschweigen geschworen hatte, durfte niemand davon erfahren. Ihr Vater war mit seiner Band unterwegs. Ihre Mutter stopfte sich mit Tabletten voll und drehte langsam durch.

»Hat April in den letzten Tagen davon gesprochen wegzulaufen?«, fragte der Detective in Zivil.

Und ob. Ununterbrochen. Sie will nach Paris und Kunst studieren. Sie will nach Los Angeles und bei ihrer großen Schwester March wohnen. Sie will nach Santa Fe und Malerin werden. Sie will weg, Punkt.

»Ich kann mich an nichts Derartiges erinnern«, sagte Theo. Das kam der Wahrheit sehr nahe, weil »in den letzten Tagen« so gut wie alles heißen konnte– eine vage Frage verlangte keine präzise Antwort. Das wusste Theo vom Gericht. Seiner Meinung nach gingen Sergeant Bolick und der Detective bei ihrer Befragung viel zu schlampig vor. Bisher hatten sie ihn nicht so in die Enge getrieben, dass er hätte lügen müssen.

May Finnemore wurde von ihren Gefühlen überwältigt und brach in dramatisches Schluchzen aus. Bolick und der Detective erkundigten sich bei Theo nach Aprils anderen Freunden, etwaigen Problemen, schulischen Leistungen und so weiter. Theo antwortete kurz und knapp, ohne überflüssiges Gerede.

Mittlerweile war eine uniformierte Beamtin aus dem oberen Stock nach unten ins Wohnzimmer gekommen und setzte sich zu Mrs. Finnemore, die vor Kummer zu zerfließen drohte.

Sergeant Bolick gab den Boones mit dem Kopf ein Zeichen, ihm in die Küche zu folgen. Der Detective schloss sich ihnen an.

»Hat das Mädchen jemals einen Verwandten erwähnt, der in Kalifornien im Gefängnis sitzt?«, fragte Bolick leise, wobei er Theo durchdringend ansah.

»Nein«, erwiderte Theo.

»Bist du sicher?«

»Natürlich bin ich sicher.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«, mischte sich Mrs. Boone ein. Sie hatte nicht vor, untätig zuzusehen, wie ihr Sohn drangsaliert wurde. Auch Mr. Boone stand kurz davor einzugreifen.

Der Detective zückte ein Schwarz-Weiß-Foto im Format zwanzig mal fünfundzwanzig, ein Verbrecherfoto einer zwielichtig wirkenden Gestalt. Offenbar ein abgebrühter Krimineller. »Das ist Jack Leeper, ein ziemlich übler Charakter. Ein entfernter Cousin von May Finnemore, die Verwandtschaft mit April ist also noch weitläufiger. Hat hier seine Kindheit verbracht, lebt aber schon lange woanders. Ein Berufsverbrecher. Fing mit kleinen Diebstählen an, stieg dann auf Drogenhandel um und so weiter. Wurde vor zehn Jahren in Kalifornien wegen Entführung zu lebenslänglich ohne Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verurteilt. Vor zwei Wochen ist er ausgebrochen. Heute Nachmittag haben wir einen Tipp bekommen, dass er sich möglicherweise in der Gegend aufhält.«

Beim Anblick der Furcht einflößenden Visage von Jack Leeper wurde Theo übel. Wenn dieser Gangster April hatte, sah es wirklich schlecht aus.

Bolick fuhr fort: »Gestern Abend gegen 19.30 Uhr spaziert dieser Leeper in den koreanischen Mini-Supermarkt vier Straßen weiter und holt sich Zigaretten und Bier. Dabei lässt er sich von den Überwachungskameras filmen. Der Hellste ist er nicht. Wir wissen also jetzt, dass er definitiv in der Gegend ist.«

»Aber was sollte der von April wollen?«, stammelte Theo. Sein Mund war wie ausgedörrt, und seine Knie drohten unter ihm nachzugeben.

»Die kalifornischen Behörden haben Briefe von April in seiner Gefängniszelle gefunden. Die beiden waren Brieffreunde. Wahrscheinlich hat ihr der Kerl leidgetan, weil er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen muss. Also hat sie ihm geschrieben. Wir haben ihr Zimmer oben durchsucht, aber nichts gefunden, was von ihm stammen könnte.«

»Das hat sie dir gegenüber nie erwähnt?«, fragte der Detective.

»Nie«, gab Theo zurück. Er hatte lernen müssen, dass Aprils merkwürdige Familie viele Geheimnisse hatte, Dinge, die April lieber für sich behielt.

Zu seiner Erleichterung steckte der Detective das Foto weg. Theo wollte diese Visage nie wiedersehen, aber so schnell würde er sie wohl auch nicht vergessen.

»Wir vermuten, dass April ihren Entführer kannte. Das ist die einzige Erklärung dafür, dass es keine Einbruchsspuren gibt.«

»Meinen Sie, er tut ihr etwas an?«, fragte Theo.

»Das wissen wir nicht, Theo. Dieser Mann hat den Großteil seines Lebens im Gefängnis verbracht. Sein Verhalten ist unberechenbar.«

»Zum Glück ist er bisher immer erwischt worden«, setzte der Detective hinzu.

»Wenn April bei ihm ist, wird sie sich bei uns melden«, sagte Theo. »Sie findet schon einen Weg.«

»Dann gib uns bitte Bescheid.«

»Keine Sorge.«

»Entschuldigen Sie«, mischte sich Mrs. Boone ein, »aber ich dachte, in solchen Fällen werden zuerst die Eltern überprüft. Vermisste Kinder werden doch fast immer von einem Elternteil entführt.«

»Das stimmt«, bestätigte Bolick. »Wir suchen auch nach dem Vater. Laut Aussage der Mutter hat sie jedoch gestern mit ihm gesprochen, da war er angeblich mit seiner Band irgendwo in West Virginia. Sie ist davon überzeugt, dass er nichts mit der Sache zu tun hat.«

»April kann ihren Vater nicht ausstehen«, platzte Theo heraus, verwünschte sich aber sofort dafür.

Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten, doch es gab nicht mehr viel zu sagen. Die Beamten bedankten sich bei den Boones für ihr Kommen und versprachen, sich wieder zu melden. Mr. und Mrs. Boone sagten, sie seien den ganzen Tag in der Kanzlei zu erreichen, falls sie gebraucht würden. Theo müsse natürlich zur Schule.

»Das arme Mädchen«, sagte Mrs. Boone, als sie losfuhren. »Aus dem eigenen Zimmer entführt.«

Mr. Boone, der am Steuer saß, warf einen Blick über die Schulter. »Alles in Ordnung, Theo?«

»Glaub schon«, antwortete der.

»Natürlich ist nicht alles in Ordnung, Woods. Seine Freundin ist gerade entführt worden.«

»Ich kann für mich selbst sprechen, Mom«, protestierte Theo.

»Natürlich kannst du das, Schätzchen. Ich hoffe nur, sie finden sie, und zwar bald.«

Im Osten schimmerte der Himmel schon ein wenig heller. Während sie durch die Straßen des Wohnviertels rollten, hielt Theo nach dem abgebrühten Gesicht von Jack Leeper Ausschau. Aber es war kein Mensch zu sehen. In den Häusern gingen allmählich die Lichter an. Die Stadt erwachte.

»Es ist fast sechs«, stellte Mr. Boone fest. »Ich schlage vor, wir gehen zu Gertrude und frühstücken die weltberühmten Waffeln. Was meinst du, Theo?«

»Ich bin dabei«, erwiderte Theo, der eigentlich gar keinen Appetit hatte.

»Tolle Idee, Schatz«, sagte Mrs. Boone, obwohl alle drei wussten, dass sie nur Kaffee trinken würde.

Zwei

Gertrude’s war ein altes Diner in der Main Street, sechshundert Meter westlich vom Gericht und dreihundert Meter südlich von der Polizeistation. Angeblich waren die dort servierten Nusswaffeln weltberühmt, aber Theo hatte da so seine Zweifel. Kannten die Menschen in Japan und Griechenland wirklich Gertrudes Waffeln? Kaum vorstellbar. Theo hatte sogar Schulfreunde in Strattenburg selbst, die noch nie von Gertrude’s gehört hatten. Ein paar Kilometer westlich der Stadt stand direkt an der Hauptausfallstraße ein altes Blockhaus mit einer Zapfsäule, an dem ein großes Schild für »Dudleys weltberühmte Karamellbonbons« warb. Als Theo kleiner war, hatte er fest geglaubt, die ganze Stadt sei wild auf diese Karamellbonbons und rede von nichts anderem. Wie sonst hätten sie weltberühmt werden sollen? Bis eines Tages im Unterricht das Gespräch zufällig auf das Thema Import und Export kam. Theo erwähnte Mr. Dudley mit seinen Karamellbonbons als großen Exporteur. Laut Plakat vertrieb er schließlich ein Produkt von Weltruf. Zu seiner Überraschung hatte nur ein Einziger seiner Klassenkameraden je von diesen Karamellbonbons gehört. Theo dämmerte, dass Mr. Dudley wohl ein wenig übertrieben hatte. Allmählich verstand er, was irreführende Werbung war.

Seit damals war er misstrauisch, wenn jemand großspurig mit seiner Bekanntheit prahlte.

Aber an diesem Morgen interessierte er sich weder für Waffeln noch für Karamellbonbons, ob sie nun berühmt waren oder nicht. Seine Gedanken kreisten um April und diesen schmierigen Jack Leeper. DieBoonessaßen in dem überfüllten Lokal an einem kleinen Tisch. Der Geruch von Speck und starkem Kaffee hing in der Luft, und April Finnemores Entführung war– wie Theo feststellte, kaum dass er saß– das große Thema. Rechts von ihnen unterhielten sich vier uniformierte Polizeibeamte lautstark über die Möglichkeit, dass sich Leeper in der Stadt herumtrieb. Die älteren Männer am Tisch links von ihnen kannten sich offenbar mit allem aus, aber auch hier drehte sich das Gespräch vor allem um die Entführung.

Die Speisekarte prahlte mit den weltberühmten Waffeln. Da Theo solch betrügerische Machenschaften nicht unterstützen wollte, bestellte er Rührei mit Würstchen. Sein Vater nahm die Waffeln, seine Mutter weißen Toast ohne alles.

Als die Kellnerin gegangen war, knöpfte sich Mrs. Boone Theo vor. »Raus mit der Sprache. Mit irgendwas hältst du hinter dem Berg.«

Theo fand diese Fähigkeit seiner Mutter immer wieder verblüffend. Wenn er eine Halbwahrheit erzählte, suchte sie sofort nach der anderen Hälfte. Jeder kleine Schwindel, den er ihr ohne große Hintergedanken, nur so zum Spaß, auftischte, wurde instinktiv hinterfragt und auseinandergenommen. Versuchte er es mit einer ausweichenden Antwort, prasselten drei neue Fragen auf ihn ein. Vermutlich hatte sie das in ihren Jahren als Scheidungsanwältin gelernt. Wie sie selbst sagte, erwartete sie gar nicht, dass ihre Mandanten ehrlich zu ihr waren.

»Ganz meine Meinung«, pflichtete Mr. Boone bei. Theo hatte keine Ahnung, ob er selbst zu diesem Schluss gekommen war oder sich– wie so oft– nur seiner Frau anschloss. Mr. Boone war Anwalt für Immobilienrecht und ging nie vor Gericht. Er war ziemlich gewieft, aber wenn es darum ging, Theo auszuquetschen, war ihm seine Frau meistens ein oder zwei Schritte voraus.

»April hat gesagt, ich darf es niemandem erzählen.«

Die Antwort seiner Mutter kam wie aus der Pistole geschossen: »Und April steckt jetzt in großen Schwierigkeiten, Theo. Wenn du was weißt, raus damit. Und zwar sofort.« Ihre Augen verengten sich, sie zog die Brauen hoch.

Theo wusste, wohin das führen würde, und im Grunde war ihm sowieso klar, dass er seinen Eltern gegenüber besser aufrichtig war.

»Mrs. Finnemore war nicht zu Hause, als ich gestern Abend mit April gesprochen habe.« Theo hatte den Kopf gesenkt und vermied jeden Blickkontakt. »Und in der Nacht davor auch nicht. Sie nimmt Tabletten und führt sich total merkwürdig auf. April war ganz allein.«

»Wo ist ihr Vater?«, wollte Mr. Boone wissen.

»Mit seiner Band unterwegs, den hat sie seit einer Woche nicht mehr zu Gesicht bekommen.«

»Hat er denn keine Arbeit?«, fragte Mrs. Boone.

»Er handelt mit antiken Möbeln. April sagt, wenn er ein paar Dollar verdient hat, verschwindet er immer für ein oder zwei Wochen mit seiner Band.«

»Das arme Kind«, sagte Mrs. Boone.

»Informiert ihr jetzt die Polizei?«, erkundigte sich Theo.

Beide Eltern gönnten sich einen ausgiebigen Schluck Kaffee und wechselten fragende Blicke, während sie überlegten, wie sie reagieren sollten. Schließlich kamen sie überein, das später in der Kanzlei zu besprechen, wenn Theo in der Schule war. Offensichtlich log Mrs. Finnemore die Polizei an, aber die Boones wollten sich nur ungern einmischen. Mit der Entführung hatte das wohl kaum etwas zu tun. Mrs. Finnemore wirkte völlig verzweifelt. Vermutlich plagten sie Schuldgefühle, weil sie nicht dagewesen war, als ihre Tochter entführt wurde.

Das Essen kam, und die Kellnerin schenkte Kaffee nach. Theo trank Milch.

Für Theo war es eine Erleichterung, dass er sich nicht mehr allein mit dieser höchst komplizierten Situation herumquälen musste.

»Sonst noch was, Theo?«, fragte sein Vater.

»Nicht dass ich wüsste.«

»War sie verängstigt, als du gestern Abend mit ihr geredet hast?«, wollte seine Mutter wissen.

»Ja. Sie hatte ganz furchtbare Angst und machte sich außerdem Sorgen um ihre Mutter.«

»Warum hast du uns nichts davon erzählt?«, hakte sein Vater nach.

»Weil ich ihr versprochen hatte, nichts zu sagen. April hat es nicht leicht, aber sie redet nicht gern darüber. Außerdem schämt sie sich für ihre Familie und versucht, ihre Eltern zu schützen. Sie hat gedacht, ihre Mutter kommt gleich. Es war wohl jemand anderer.«

Theo war schlagartig der Appetit vergangen. Er hätte mehr tun müssen. Er hätte versuchen sollen, April zu helfen. Wenn er seinen Eltern oder vielleicht einem Lehrer von der Sache erzählt hätte, hätte schon irgendjemand etwas unternommen. Er hätte ihr helfen können. Aber er hatte April Stillschweigen geschworen, und sie war überzeugt gewesen, dass ihr nichts passieren konnte. Schließlich waren Fenster und Türen geschlossen, und überall brannte Licht.

»Ich glaube, heute kann ich nicht zur Schule gehen«, sagte Theo während der Heimfahrt vom Rücksitz aus.

»Das musste ja kommen«, erwiderte sein Vater.

»Und welchen Grund hast du diesmal?«, erkundigte sich seine Mutter.

»Erstens habe ich heute Nacht nicht genug geschlafen. Seit wann sind wir auf, seit halb fünf?«

»Du willst also nach Hause gehen und dich hinlegen?«, fragte sein Vater.

»Das habe ich nicht gesagt, aber in der Schule kann ich bestimmt nicht wachbleiben.«

»Ich wette doch. Deine Mutter und ich müssen arbeiten, uns bleibt auch nichts anderes übrig.«

Um ein Haar wäre Theo eine Bemerkung über das Nickerchen herausgerutscht, das sein Vater tagtäglich hinter verschlossener Tür an seinem Schreibtisch machte, normalerweise so gegen drei Uhr nachmittags. Alle Mitarbeiter der Kanzlei Boone & Boone wussten, dass Woods Boone im ersten Stock die Schuhe auszog und die Füße auf den Schreibtisch legte, das Telefon auf »Nicht stören« stellte und eine halbe Stunde vor sich hinschnarchte.

»Du schaffst das«, setzte sein Vater hinzu.

Zurzeit versuchte Theo, sich, wann immer es ging, vor der Schule zu drücken. Kopfschmerzen, Husten, Lebensmittelvergiftung, Muskelzerrungen, Blähungen – Theo hatte alles versucht und würde es wieder tun. Im Grunde hatte er nichts gegen die Schule; wenn er erst einmal dort war, fühlte er sich sogar recht wohl. Er war ein guter Schüler und genoss es, seine Freunde zu treffen. Viel lieber wäre er jedoch am Gericht gewesen, hätte Verhandlungen und Anhörungen verfolgt, den Ausführungen von Anklage, Verteidigung und Richtern gelauscht, sich mit Polizeibeamten und Justizangestellten, Hausmeistern und Pförtnern unterhalten. Theo kannte einfach jeden.

»Es gibt noch einen Grund, warum ich nicht zur Schule gehen kann«, sagte er, obwohl er wusste, dass er verloren hatte.

»Nur raus damit«, ermutigte ihn seine Mutter.

»Ich muss suchen helfen. Wie oft passiert so was in Strattenburg schon? Meine beste Freundin ist verschwunden, da kann ich doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich werde bei der Suche nach April gebraucht. Das würde sie von mir erwarten. Außerdem kann ich mich in der Schule unmöglich konzentrieren. Totale Zeitverschwendung. Ich denke sowieso nur an April.«

»Netter Versuch«, sagte sein Vater.

»Nicht schlecht«, stimmte seine Mutter zu.

»Hört mal, ich meine es ernst. Ich muss dabei sein.«

»Das verstehe ich nicht«, erklärte sein Vater, was natürlich ironisch gemeint war. Das war ein Standardsatz von ihm, wenn er mit Theo redete. »Für die Schule bist du zu müde, aber für eine Vermisstensuche nicht?«

»Das ist doch Haarspalterei. Auf jeden Fall kann ich nicht zur Schule gehen.«

Eine Stunde später stellte Theo sein Fahrrad vor der Schule ab und marschierte widerwillig ins Gebäude, als die Schulglocke läutete. 8.15 Uhr. In der Eingangshalle kamen ihm drei heulende Achtklässlerinnen entgegen, die wissen wollten, was mit April war. Er musste sie enttäuschen.

Offenbar hatte die ganze Stadt die Morgennachrichten gesehen und wusste genauso viel wie er. In den aktuellen Meldungen waren ein Schulfoto von April und ein Verbrecherfoto von Jack Leeper gezeigt worden. Immer wieder war von Kidnapping, also erpresserischem Menschenraub, die Rede gewesen, was Theo gar nicht verstand. Zum Kidnapping gehörte normalerweise eine Lösegeldforderung, das hatte er eigens noch einmal nachgeschlagen. Für die Freilassung der festgehaltenen Person wurde also Geld verlangt. Nachdem die Finnemores noch nicht einmal die laufenden Rechnungen bezahlen konnten, war kaum vorstellbar, wie sie April hätten freikaufen sollen. Außerdem hatte sich der Entführer bisher nicht gemeldet. Wie Theo aus dem Fernsehen wusste, erfuhr die Familie üblicherweise ziemlich schnell, wenn sich ihr Kind in der Gewalt von Gangstern befand. Die mussten ja ihre Lösegeldforderung stellen.

In einem anderen Beitrag war eine weinende Mrs. Finnemore vor ihrem Haus zu sehen. Die Polizei hielt sich bedeckt und erklärte nur, man gehe allen Hinweisen nach. Ein Nachbar behauptete, sein Hund habe um Mitternacht angefangen zu bellen, immer ein schlechtes Zeichen. Die ganze hektische Aktivität der Journalisten hatte offenbar nur wenig über das vermisste Mädchen zutage gefördert.

Theos Klassenlehrer war Mr. Mount, der auch Sozialkunde unterrichtete. Als sich die Jungen halbwegs beruhigt hatten, verlas er die Anwesenheitsliste. Alle sechzehn waren anwesend. Das Gespräch kam schnell auf April, und Mr. Mount erkundigte sich bei Theo, ob er etwas gehört hatte.

»Nichts«, erwiderte dieser, was seine Mitschüler zu enttäuschen schien. Theo war einer der wenigen Jungen, die mit April sprachen. Die meisten Achtklässler, Mädchen und Jungen gleichermaßen, mochten April, fanden den Kontakt mit ihr jedoch schwierig. Sie war ein stiller Mensch, zog sich mehr wie ein Junge an als wie ein Mädchen und interessierte sich weder für Mode noch für Teenagermagazine. Außerdem kam sie, wie jeder wusste, aus einer merkwürdigen Familie.

Die Glocke läutete, und Theo, der bereits erschöpft war, schleppte sich zum Spanischunterricht.

Drei

Um 15.30 Uhr war endlich Unterrichtsschluss. Um 15.31 Uhr saß Theo auf seinem Rad und flitzte durch Gassen und Nebenstraßen, um dem Verkehr im Stadtzentrum auszuweichen. Er schoss über die Main Street, winkte dem Polizisten an der Kreuzung zu und stellte sich taub, als der ihm »Langsam, Theo!« nachrief. Er nahm die Abkürzung über einen kleinen Friedhof und bog in die Park Street ein.

Seine Eltern waren seit fünfundzwanzig Jahren verheiratet und arbeiteten seit zwanzig Jahren als Partner der kleinen Kanzlei Boone & Boone in der 415 Park Street im Herzen des alten Strattenburg zusammen. Früher hatte es noch einen dritten Partner gegeben, Ike Boone, Theos Onkel, aber der hatte sich auf eine zwielichtige Affäre eingelassen und war deswegen aus der Kanzlei ausgeschieden. Jetzt hatte die Kanzlei nur noch zwei gleichberechtigte Partner: Marcella Boone, die im Erdgeschoss in einem eleganten modernen Büro residierte und in erster Linie als Scheidungsanwältin tätig war, und Woods Boone, der im ersten Stock ganz allein in einem großen, vollgestopften Raum saß, in dem sich die Regale unter ihrer Last bogen und Aktenstapel den Boden bedeckten, während eine allgegenwärtige Wolke duftenden Pfeifenrauchs unter der Decke schwebte. Unterstützt wurden die beiden von Elsa – die für das Telefon zuständig war, die Kunden begrüßte, die Büroarbeit erledigte, gelegentlich Schreibarbeiten übernahm und den Hund Judge im Auge behielt –, Dorothy, einer auf Immobilien spezialisierten Sekretärin, die für Mr. Boone Aufgaben erfüllte, die Theo unerträglich langweilig erschienen, und Vince, dem Anwaltsassistenten, der für Mrs. Boones Fälle zuständig war.

Der Mischling Judge, der Theo, der Familie und der ganzen Kanzlei gehörte, verbrachte seine Tage im Büro. Manchmal schlich er unauffällig von einem Raum zum anderen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Gern folgte er einem menschlichen Wesen in die Küche, wo Essbares zu erwarten war. Die meiste Zeit verschlief er jedoch in einem kleinen eckigen Körbchen am Empfang, wo sich Elsa mit ihm unterhielt, während sie tippte.

Und dann gehörte natürlich noch Theo dazu, der sehr zufrieden damit war, der vermutlich einzige Dreizehnjährige in Strattenburg mit eigenem Büro in einer Kanzlei zu sein. Natürlich war er zu jung, um als Anwalt zu arbeiten, aber manchmal war er sehr nützlich. Er holte Akten für Dorothy und Vince. Er suchte in langen Dokumenten nach Schlüsselwörtern oder -sätzen. Er nutzte seine hervorragenden Computerkenntnisse, um Rechtsfragen und Fakten zu recherchieren. Bei Weitem am liebsten war ihm jedoch, wenn er zum Gericht laufen durfte, um für die Kanzlei Schriftsätze einzureichen. Theo liebte das Gericht und träumte von dem Tag, an dem er in dem großen prächtigen Gerichtssaal im ersten Stock seine Mandanten verteidigen würde.

Punkt 15.40 Uhr stellte Theo sein Fahrrad auf der schmalen Veranda vor Boone & Boone ab und wappnete sich innerlich. Elsa begrüßte ihn jeden Tag mit einer kräftigen Umarmung und einem schmerzhaften Kniff in die Wange, gefolgt von einer raschen Inspektion seiner Kleidung. Er öffnete die Tür, trat ein und ließ die Begrüßung über sich ergehen. Wie immer wartete auch Judge auf ihn, der aus seinem Körbchen sprang und zu Theo lief.