Tiere (eBook) - Rafik Schami - E-Book

Tiere (eBook) E-Book

Rafik Schami

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Beschreibung

Der zweite Band der Sechs-Sterne-Reihe: Wie kam Heinrich der Löwe zu seinem Löwen? Wie befreite Gottfried sein Dorf von den Schlangen? Und wohin kann die häusliche Gemeinschaft von Hund, Affe und Schwein führen? Die Antwort liegt in Kurzgeschichten. Und nicht in irgendwelchen. Sie liegt in den faszinierend kreativen, klugen und kunstvollen Kurzgeschichten sechs renommierter Autorinnen und Autoren, die in sich hineingehorcht haben und hineingespürt. Die den Tieren ihren Geist und ihr Herz geöffnet, ihnen ihre Erfindungsgabe und ihre literarische Sprachkraft gewidmet haben. Die der Spur zum Tier in uns ebenso gefolgt sind wie den Spuren vieler kleiner und großer Tiere, die uns im Außen begegnen, uns Zeichen zu geben scheinen - und deren Innerstes wir doch nie ergründen werden. Und so erzählen Nataša Dragnic´, Michael Köhlmeier, Monika Helfer, Root Leeb, Franz Hohler und Rafik Schami von ihren Eindrücken, Gedanken und Fantasien rund um Hund und Katze, Möwe, Schildkröte und Wolf: Eine Frau schlüpft hin und wieder in einen Vogelkörper, ein Kind verwandelt sich im Lauf der Jahre in ein Schaf, Gorilladame Cosima wird zur Vertrauten in Liebesdingen, eine Katze weist den Weg zum erschlichenen Mutterglück, und Zierfische in der Zoohandlung helfen einem Mann, zarte Liebesbande zu knüpfen - mit unabsehbaren Folgen. - Sechs Autoren - sechs Bände: Pro Jahr und Band inspiriert ein Mitglied der literarischen Runde zu Geschichten rund um ein faszinierendes Thema - Es folgen vier weitere spannende Themen bis 2020 - Edle Ausstattung: Feinleinenbände mit farbigem Vorsatzpapier und Lesebändchen

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Seitenzahl: 211

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Tiere

 

Kurzgeschichten

 

Sechs poetische Stimmen

Nach einer Themenidee von Nataša Dragnić

Herausgegeben von Rafik Schami

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ars vivendi

 

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (Erste Auflage Februar 2016)

 

© 2016 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

 

Lektorat: Dr. Felicitas Igel

Umschlaggestaltung: Philipp Starke, Hamburg unter Verwendung eines Fotos von © plainpicture/KNSY Bande

Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

 

eISBN 978-3-86913-695-0

 

Inhalt

 

Nataša Dragnić

Die Unbeschwertheit des Himmels

 

Michael Köhlmeier

Heinrich der Löwe

Der schwarze Käfer

Die Fenggen

Der die Schlangen tötet

Musikant und Wolf

Die Bamberger Weberskatz

 

Monika Helfer

Cosima und ich

 

Root Leeb

Der Schneck

Linien

Das Ungeheuer

Das Schaf

 

Franz Hohler

Ein Telefongespräch

 

Rafik Schami

Die Augensprache der Hunde

Einsamkeit

 

Nachwort des Herausgebers

 

Die Autorinnen und Autoren

 

Nataša Dragnić

Die Unbeschwertheit des Himmels

 

Die Unbeschwertheit des Himmels

Eines Morgens.

Ich erinnere mich noch genau. Eines Morgens, ich war vier Jahre alt, stand ich auf einem Bänkchen vor dem Spiegel im Badezimmer. Grün. Alles war grün. Grasgrün, smaragdgrün. Grün und federweich. Ich neigte den Kopf nach links, nach rechts, die schwarzen Augen folgten, ohne zu blinzeln. Der orangegelbe Schnabel. Ich machte ihn auf, und nichts kam heraus, kein Wort, nur ein Ton, wie bei einer Vogelwasserpfeife. Zu meinem vierten Geburtstag habe ich von meiner Oma eine bekommen. Man pustete in ihren gefächerten Schwanz hinein, und in ihrem Keramikbauch gluckerte das Wasser, und ein Piepsen war zu hören, ein Piepsen, das mich entzückte. Meine Mutter mochte es nicht, zu viel verschüttetes Wasser auf dem Parkettboden. Bald durfte ich nur noch im Freien mit ihr spielen, was ich nicht tat: Ich hatte Angst, sie fallen zu lassen. Ich hatte Angst, sie würde auf dem harten Asphalt vor unserm Wohnhaus zerbrechen. Ich hatte sie auf das Regal neben meinem Bett gestellt und sie vergessen, wie es nur ein vierjähriges Kind kann. Aber jetzt, mich im Spiegel betrachtend, erinnerte ich mich kurz daran, nur wegen dieses merkwürdigen Tons, der aus meinem glitzernden Schnabel kam. Tief und dunkel. Ich breitete die Flügel aus. Meine Brust war rot, ein kräftiges Rot, das mich an das Kleid meiner Mutter denken ließ, das Kleid, das sie noch nie anhatte, das in ihrem Schrank hing und sie angeblich vorwurfsvoll ansah, jedes Mal, wenn sie ihn aufmachte. Ich verstand es nicht. Ich hatte es geprüft, und es war nichts geschehen, absolut gar nichts: Das Kleid hing leblos und augenlos zwischen den anderen Kleidern meiner Mutter, und das Einzige, wodurch es sich von diesen unterschied, war das knallige Rot, so rot, als würde der Schrank brennen. Ich bewegte die Flügel, es fühlte sich leicht an. Ich hob ab, ganz wenig, aber genug, um meinen langen Schwanz zu sehen. Ich drehte eine Pirouette, und er schlug auf das Becken, streifte die Badewanne, blieb fast an der offenen Tür der Waschmaschine hängen. Ich landete wieder sanft auf der Bank, während sich meine Kopfhaare aufstellten, wie eine Haube sahen sie aus. Ich fand es lustig, richtete sie immer wieder auf. Wild sah ich aus, wild, aber nicht gefährlich. Und auch wenn unser Badezimmer vollkommen weiß und ich beinahe vollkommen grün war, fühlte ich mich gut versteckt, außer Gefahr, als könnte mich niemand finden. Mir meine Federn, meine wunderschönen langen Schwanzfedern entreißen. Ich blinzelte ein paarmal und entdeckte die roten Pünktchen in meinen Augen, ich neigte mich über das Waschbecken, kam dem Spiegel näher. Ja, tatsächlich rot. Taubengroß und prächtig, so war ich in dem Augenblick, an dem frühen Nachmittag. Während meine Eltern im Schlafzimmer stritten, der Holzboden knarrte und etwas in die Brüche ging. Aber ich war in Sicherheit, verschwand unter den weißen Fliesen und Kacheln und zwitscherte mal tief, mal schrill, an meine Wasserpfeife denkend. Während meine Mutter weinte, ganz laut und ohne Zurückhaltung, und mein Vater auf die Möbelstücke schlug. Jedenfalls dachte ich, er wäre das, diese dumpfen Schreie des Bettes, der Kommode unter dem Fenster, des Schrankes. Dunkles Holz, das älter war als ich, viel älter, was nicht schwierig war. Ich war erst vier. Erst vier, und schon so schön grün. Erst vier, und schon flügge.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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