Tiergestützte Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen - Diana Ladner - E-Book

Tiergestützte Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen E-Book

Diana Ladner

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Beschreibung

Kinder und Jugendliche haben eine besondere Beziehung zu Tieren. Das kann man in der Therapie von psychischen Erkrankungen nutzen. Das Buch vermittelt dazu die notwendigen Grundlagen: Wie kann man Hund und Pferd gezielt einsetzen? Wann ist die Arbeit mit Tieren sinnvoll? Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Auf Basis des aktuellen Forschungsstandes werden Therapieziele und Interventionen vorgestellt. Dabei wird die tiergestützte Arbeit in den verschiedenen Therapierichtungen - von Verhaltenstherapie zu systemischer und tiefenpsychologisch fundierter Therapie - beschrieben. Fallvignetten zu den wichtigsten Störungsbildern schaffen den Bezug zur Praxis. Ein Serviceteil mit Ansprechpartnern, Verbänden und Ausbildungsinstitutionen schließt das Buch ab.

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Seitenzahl: 249

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Diana Ladner, Tägerwilen (Schweiz), Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Fachkraft für tiergestützte Therapie (ESAAT) sowie pferdegestützte Psychotherapie (IPTh). Sie bietet tiergestützte Behandlungen in ihrer eigenen Praxis an.

Dr. Georgina Brandenberger, Oetwil am See (Schweiz), Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Reittherapeutin (SG-TR) und Psychotherapeutin. Über 20 Jahre lang setzte sie ihre Islandpferde in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen ein

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass der Autor große Sorgfalt darauf verwandt hat, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.dnb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03008-8 (Print)

ISBN 978-3-497-61411-0 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61412-7 (EPUB)

2., überarbeitete Auflage

© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Covermotiv und Abbildung 3.7: Selina Hersperger, Meilen (Schweiz).

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

1. Einleitung

1.1 Was ist Tiergestützte Psychotherapie? Was ist Tiergestützte Psychotherapie?Was ist Tiergestützte Psychotherapie?

1.2 Stand der Forschung

1.3 Wirkfaktoren

1.3.1 Besonderheiten Hund • 1.3.2 Besonderheiten Pferd

2. Häufige Störungsbilder in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

2.1 Internalisierende Störungen

2.1.1 Emotionale Störungen • 2.1.2 Angststörungen • 2.1.3 Depressive Störungen • 2.1.4 Zwangserkrankungen

2.2 Externalisierende Störungen

2.2.1 Aufmerksamkeitsstörungen • 2.2.2 Störung des Sozialverhaltens

2.3 Persönlichkeitsstörungen – emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ

2.4 Essstörungen

2.4.1 Restriktive Essstörungen – Magersucht (Anorexia nervosa) • 2.4.2 Bulimischer Typ – Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)

2.5 Autismus-Spektrum-Störung (ASS)

2.6 Bindungsstörungen

2.7 Traumafolgestörungen

2.8 Ausscheidungsstörungen

2.8.1 Einnässen (Enuresis) • 2.8.2 Einkoten (Enkopresis)

3. Praxisteil

3.1 Ausbildung und Anforderungen

3.1.1 Therapeut • 3.1.2 Hund • 3.1.3 Pferd

3.2 Indikationen und Kontraindikationen

3.3 Ethische Grundsätze

3.4 Rahmenbedingungen

3.4.1 Allgemeines • 3.4.2 Versicherung • 3.4.3 Finanzierung •3.4.4 Ausrüstung und räumliche Bedingungen

3.5 Grundlagen der Therapieplanung

3.6 Therapieziele und Interventionen nach Setting

3.6.1 Ambulant • 3.6.2 Tagesklinisch • 3.6.3 Stationär

3.7 Therapieziele und Interventionen nach Behandlungsphasen

3.7.1 Diagnostik • 3.7.2 Beziehungsaufbau • 3.7.3 Fertigkeiten und Ziele • 3.7.4 Generalisierung und Abschluss

3.8 Therapieziele und Interventionen nach Alter

3.8.1 Kleinkind • 3.8.2 Kindergartenkind • 3.8.3 Schulkind • 3.8.4 Pubertät und Adoleszenz

3.9 Therapieziele und Interventionen nach Störungsbildern

3.9.1 Internalisierende Störungen • 3.9.2 Externalisierende Störungen • 3.9.3 Persönlichkeitsstörungen – emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ • 3.9.4 Essstörungen • 3.9.5 Autismus-Spektrum-Störung (ASS) • 3.9.6 Bindungsstörungen • 3.9.7 Traumafolgestörungen • 3.9.8 Ausscheidungsstörungen

3.10 Therapieziele und Interventionen nach Therapierichtung

3.10.1 Verhaltenstherapie • 3.10.2 Tiefenpsychologisch fundierte Therapie • 3.10.3 Systemische Therapie • 3.10.4 Nondirektive Spieltherapie • 3.10.5 Bindungsgeleitete Therapie • 3.10.6 Schematherapie • 3.10.7 Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) • 3.10.8 Traumatherapie

3.11 Altern und Tod eines Therapiebegleittieres

4. Abschließende Gedanken

Literatur

Anhang

Adressen

Verbände • Forschung • Ausbildungsinstitute

Zeitschriften

Sachregister

1 Einleitung

Die beiden Autorinnen, beides Kinder- und Jugendpsychiaterinnen, arbeiten seit Jahren als Psychotherapeutinnen – auch tiergestützt mit Hunden und Pferden – und zeigen in diesem Buch ihre Erfahrungen praxisnah mit vielen Fallbeispielen auf.

Im einleitenden ersten Teil des Buches werden der Stand der Forschung und die Wirkfaktoren in der tiergestützten Psychotherapie erläutert.

Im zweiten Teil werden die wichtigsten Störungsbilder in der Kinder- und Jugendpsychiatrie kurz dargestellt.

Praxisorientiert wird im dritten Teil über Ausbildung und Anforderungen, Indikationen, Rahmenbedingungen, ethische Grundsätze und Grundlagen der Therapieplanung in der tiergestützten Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen berichtet. Therapieziele und Interventionen werden nach Setting, Behandlungsphasen, Alter mit Entwicklungsaufgaben und Therapierichtungen dargestellt und anhand anschaulicher Fallvignetten zur Psychotherapie mit Hund und Pferd bei den einzelnen Störungsbildern veranschaulicht. Das Buch soll einen Einblick des Einbezugs von Pferden und Hunden in der Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen vermitteln.

In einem Serviceteil am Ende des Buches sind Adressen zu Verbänden und Ausbildungsträgern zur tiergestützten Psychotherapie zu finden.

Das Buch richtet sich an

˜˜˜˜● Psychotherapeuten (z. B. Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen oder Heilpraktiker), die Kinder und Jugendliche tiergestützt behandeln,

˜˜˜˜● Fachkräfte für tiergestützte Therapie und Pädagogik, die störungsspezifisches Wissen und Behandlungsmöglichkeiten vertiefen möchten und

˜˜˜˜● interessierte Fachpersonen, die mit psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen arbeiten und mehr über die Möglichkeiten und Grenzen der tiergestützten Psychotherapie erfahren möchten.

Abb. 1.1:Assa, Ljufa und Raena (im langjährigen Einsatz bei Georgina Brandenberger)

Abb. 1.2: Jade, Yoly, Zoe, Enya, Pearl und Bloom – die Hunde von Diana Ladner

Zur besseren Lesbarkeit haben wir in diesem Buch für alle Personen die männliche Form verwendet. Selbstverständlich ist die weibliche Form immer mitgemeint.

„Was ist der Mensch ohne die Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an großer Einsamkeit des Geistes. Was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden“ (Indianer-Häuptling Seattle 1855).

An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bedanken bei

˜˜˜˜● Marianne Gäng (1934–2019), Pionierin des Heilpädagogischen und Therapeutischen Reitens in der Schweiz

˜˜˜˜● den Ausbildern in tiergestützter Therapie: Wiebke Buff, Barbara Rufer, Bettina Mutschler, Rainer Wohlfarth, Jan Nijboer und Anette Gomolla

˜˜˜˜● all den Klienten und ihren Familien, die uns ihr Vertrauen geschenkt und uns in unserer Entwicklung als Psychotherapeutinnen weitergebracht haben

˜˜˜˜● unseren Praktikanten, die uns in vielen bereichernden Gesprächen unsere Arbeit immer wieder reflektieren ließen

˜˜˜˜● Manuela Loder vom Ernst Reinhardt Verlag für die aufmerksame Begleitung und Beratung während des Buchprojektes

˜˜˜˜● unseren Hunden und Pferden, ohne die diese erfüllende Arbeit nicht möglich wäre

Abb. 1.3: Veig, Vaenting, Blaer und Toppur – die Pferde von Diana Ladner

1.1 Was ist Tiergestützte Psychotherapie?

DEFINITION

Die amerikanische Delta Society definiert Tiergestützte Therapie als zielgerichtete, evaluierte und dokumentierte Intervention, in welcher ein spezifisch ausgebildetes Tier ein integraler Bestandteil des therapeutischen Prozesses ist (www.deltasociety.org, 22.01.2018).

Seit den 1960er Jahren fanden Tiere Eingang in die Psychotherapie. Mehr zufällig entdeckte der Kinderpsychiater Boris Levinson die Wirkung seines Hundes Jingels bei einem Jungen, der zunächst keine Compliance für eine Psychotherapie zeigte.

EXKURS

Geschichte der tiergestützten Psychotherapie

Levinson hat 1962 den Artikel „The Dog as a Co-Therapist“ veröffentlicht und 1969 sein Buch „Pet-Oriented Child Psychotherapy“. Er gilt als Pionier der tiergestützten Psychotherapie. Durch ihn rückten Tiere als therapeutische Begleiter in das wissenschaftliche Bewusstsein verschiedenster Disziplinen.

Seit Ende der 1990er Jahre hat sich die Bezeichnung „Animal Assisted Therapy (AAT)“ durchgesetzt. Zu AAT gehört aber nicht nur die Psychotherapie sondern auch Komplementärtherapien. Die am meisten in der Psychotherapie eingesetzten Tierarten sind Hunde und Pferde (in Bezug auf den Hund herrscht in der Literatur Einigkeit, dass es sich um die am häufigsten eingesetzte Tierart handelt, das Pferd als zweithäufigste Tierart wird in der Mehrheit angegeben, einzelne Autoren nennen allerdings die Katze als zweithäufigste Tierart).

„Unter Tiergestützter Therapie werden zielgerichtete Interventionen im Zusammenhang mit Tieren subsumiert, welche auf der Basis einer sorgfältigen Situations- und Problemanalyse sowohl das Therapieziel als auch den Therapieplan unter Einbezug eines Tieres festlegen. Sie sind auf eine gezielte Einwirkung auf bestimmte Leistungs- und / oder Persönlichkeitsbereiche, oder auf die umfassende Be- und Verarbeitung von konfliktreichem Erleben ausgerichtet. Sie werden durchgeführt von therapeutisch qualifizierten Personen, die je nach Therapiekonzept das spezifisch trainierte Tier als integralen Bestandteil in die Behandlung einbeziehen. Ziel der tiergestützten Therapie ist die Verhaltens-, Erlebnis- und Konfliktbearbeitung zur Stärkung und Verbesserung der Lebensgestaltungskompetenz“ (Vernooij / Schneider 2010, 44).

Das psychotherapeutische Setting ist ein Konstrukt, das einen durchaus wechselnden Einbezug des Tieres beinhalten kann. Der Einbezug ist je nach Therapierichtung (nondirektive Spieltherapie vs. Gesprächspsychotherapie) unterschiedlich, aber auch abhängig vom Therapieprozess (Anfang der Therapie, mittlere Therapiephase, Endphase / Abschluss / Konsolidierung). Nach Beate Pottmann-Knapp hat Tiergestützte Psychotherapie

„das Potenzial, die Effizienz und Effektivität des Psychotherapieprozesses zu steigern, die Dauer der Therapie zu verkürzen […]. Tiere beschleunigen und intensivieren den Beziehungsaufbau und das Urvertrauen, erleichtern die verbale Kommunikation, evozieren implizites Wissen, verdeckte und verdrängte Erfahrungen, Gefühle und Muster, entlarven Doppelbotschaften und nicht-authentisches Verhalten, erlauben den Zugang zu Grundbedürfnissen und Trieben […]. Alle Tiergestützten Psychotherapierichtungen und Schulen arbeiten nach derselben Grundannahme, dass psychische Veränderungen eines Individuums im jeweiligen Psychotherapiegeschehen innerhalb von Beziehungen und eingebettet ins ,Hier und Jetzt’ durch das Erleben oder das Wiedererleben von Gefühlen, Gefühlszuständen und Erfahrung evoziert werden, beziehungsweise stattfinden. Tiere existieren ausschließlich im Hier und Jetzt und sind ergo dessen nur im Hier und Jetzt erreichbar. Beziehung, Interaktion und Kommunikation mit ihnen kann also nur im Hier und Jetzt stattfinden. Klient und Therapeut sind demnach gezwungen, aus der Erinnerung oder der Fantasie in die Gegenwart einzutauchen, wo das trianguläre Beziehungsgeschehen alle drei Beteiligten erfasst und sich neue Arbeitsperspektiven für die Psychotherapie eröffnen, die es zu erforschen gilt. Dem Psychotherapeuten steht in der TGPT als zusätzliches Arbeitstool die Steuerung der Explikation der dialogisch-analogen Kommunikation zwischen Mensch und Tier zur Verfügung, die noch weitgehend unbeforscht ist“ (Pottmann-Knapp 2013, 303 f.).

Abb. 1.4: Beziehungsdreieck

Im Beziehungsdreieck gilt:

˜˜˜˜● Interaktion läuft immer in mehreren Richtungen.

˜˜˜˜● Alle Akteure interagieren miteinander.

˜˜˜˜● Grundlage bildet die Beziehung zwischen Therapeut und Tier.

˜˜˜˜● Der Therapeut dient als Vorbild.

1.2 Stand der Forschung

Die Tiergestützte Psychotherapie hat sich aus den Erfahrungen von Psychotherapeuten heraus entwickelt. So bestand auch die Forschung zunächst aus Einzelfallberichten.

Ergebnisse aus der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung haben in der Folgezeit verschiedene Wirkfaktoren benennbar gemacht und belegen positive Wirkungen von Tieren auf Menschen. Hier muss jedoch bedacht werden, dass Forschungsergebnisse aus der Heimtierhaltung nicht unbedingt eins zu eins auf ein psychotherapeutisches Setting übertragen werden können. Einige Ergebnisse aus der Heimtierhaltung legen jedoch positive Effekte von Tieren auf die Wirksamkeit in der Psychotherapie nahe.

Frau Pottmann-Knapp hat in ihrem Buch „Tiergestützte (Psycho)Therapie“ den Forschungsstand zusammengefasst und Effekte tiergestützter Psychotherapie benannt:

„Eindeutig gezeigt werden konnte die Steigerung von Empathie durch regelmäßigen Tierkontakt sowie die Nachentwicklung von Mitgefühl im Menschen durch AAT. Die Neuropsychologie bestätigt die Erhöhung der Fähigkeiten der nonverbalen Kommunikation, sowie die Sensibilisierungssteigerung insgesamt, bei Menschen mit einer Bindung zu einem Tier (erstmals Guttmann et al. 1983 […]). In der Medizin sind gesundheitsbringende Effekte durch tiergestützte Interventionen bestätigt. Dies umfasst positive Entwicklungen des körperlich-motorischen, kognitiven, emotionalen und des sozialen Bereichs wie auch die Stabilisierung des Herz-Kreislaufsystems und die Stabilisierung von Blutdruck und Pulsfrequenz (Levinson 1962; Guttmann et al. 1983; Friedmann et al. 2010)“ (Pottmann-Knapp 2013, 228 f.).

McCulloch erkannte den Zusammenhang zwischen Tierkontakt und dem neuro-endokrinen Regelmechanismus bei psychosozialen Belastungen. Tiere helfen, zu den eigenen Gefühlen zu kommen, und fördern positive, hormonell gesteuerte Regulationsmechanismen wie Pulsregulierung, Stressreduktion, Schmerzreduktion, Steigerung des Glücksgefühls sowie Bindungsgefühle (McCulloch 1983).

„Die vorliegende Arbeit hat ausführlich hergeleitet und gezeigt, dass höhere Tiere, insbesondere geschulte Therapietiere, mit den Menschen mit denen sie in Kontakt stehen, eine Beziehung eingehen. Beziehung, Interaktion und Kommunikation zwischen den Spezies Mensch und Tier finden aus denselben existentiellen Gründen (Bedürfnisbefriedigung) und zu demselben existentiell notwendigen Zweck – sich zur und innerhalb einer sozialen Organisation mitteilend – beim Aufeinandertreffen fortwährend willkürlich und unwillkürlich statt. Für diesen Austausch gibt es artspezifische Kommunikationsmöglichkeiten. Menschen wie Tiere sind mit denselben basalen Lern- und Motivationsstrategien sowie denselben Reaktionsmechanismen des endokrinen Systems ausgestattet, die im Falle der Interaktion mit sich und anderen kommunizieren“ (Pottman-Knapp 2013, 232 f.).

Literatur zur Mensch-Tier-Beziehung

Im Artikel „Human-Animal Relationships: From Daily Life to Animal-Assisted Therapies“ (Grandgeorge / Hausberger 2011) wird darauf eingegangen, dass Haustiere positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden ihrer Besitzer haben und für die Entwicklung sozialer Fertigkeiten bei Kindern hilfreich sind. Im Rahmen Tiergestützter Therapie wird versucht, diese Effekte auf Patienten auf der Basis der Mensch-Tier-Interaktion zu übertragen. Hierfür gibt es Belege, die Datenlage ist aber nicht ganz klar: Es fehlen Studien mit ausreichend großen Patientenzahlen und einem Studiendesign, aus dem das therapeutische Vorgehen ersichtlich ist und auch der Benefit genau benannt wird. Ebenso muss auf das Wohlergehen der eingesetzten Tiere geachtet werden.

Studien aus der Psychotherapieforschung, die den Ansprüchen der modernen Evidence-Based Medicine gerecht werden, fehlen heute leider immer noch weitgehend, auch wenn die Zahl der Publikationen deutlich gestiegen ist und ein reges Forschungsinteresse herrscht. 2016 und 2017 sind vor allem Publikationen für den Einsatz von Therapiebegleittieren bei autistischen Störungen und bei Traumafolgestörungen erschienen, die einen positiven Effekt durch die Integration eines Therapiebegleittieres beschreiben, jedoch zumeist ohne nachvollziehbar zu machen, was wie wirkt, damit der Effekt zustande kommt. Das größte Problem liegt darin, dass die Studien methodische Schwächen aufweisen und von mangelnder bis mäßiger Qualität sind. Die Patientenzahlen sind oft gering oder es fehlen Kontrollgruppen. Ebenso ist das Vorgehen in der Therapie oft nicht ausreichend nachvollziehbar und damit nicht replizierbar.

Im Artikel „Childhood Attachment to Pets: Associations between Pet Attachment, Attitudes, Compassion and Human Behaviour“ von Hawkins / Williams (2017) wird die Bindung von Kindern an Haustiere näher untersucht. Diese Bindung hat eine wichtige Rolle für die soziale, emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern, die psychische Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität. Die Studie untersucht Zusammenhänge zwischen Bindung von Kindern an Haustiere, Fürsorge und Freundschaftsverhalten, Mitgefühl und Einstellung gegenüber Tieren. Es werden ebenso soziodemographische Unterschiede, insbesondere im Hinblick auf Tierbesitz und Tierart, untersucht. Über eintausend Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren, die in Schottland leben, haben einen Fragebogen ausgefüllt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Bindung an Haustiere durch Mitgefühl und Fürsorge und auf das Haustier ausgerichtetes Freundschaftsverhalten ermöglicht wird und dass dieses Bindungsverhalten signifikante Vorhersagen in Bezug auf positives Verhalten gegenüber Tieren allgemein ermöglicht. Es ergeben sich Implikationen für die Förderung von prosozialem und menschlichem Verhalten. Wenn Kinder ermutigt werden, sich an der Pflege eines Haustieres zu beteiligen, fördert dies die Bindungsbeziehung, was sich wiederum positiv auf die Kinder (reduzierte Aggressivität, besseres Wohlbefinden und Lebensqualität) und die Tiere (bessere Behandlung) auswirkt. Diese Studie verbessert das Verständnis von der Bindung von Kindern zu Haustieren, hat Auswirkungen für menschengemäße Erziehung (Humane Education) und fördert sichere emotionale Bindungen in der Kindheit.

Reviews zu Tiergestützter Therapie

Verschiedene Tierarten: In einem Review von Kamioka et al. (2014) wurde die Effektivität von Tiergestützter Therapie untersucht. Hier wurden aus den Jahren 1990 bis 2012 nur elf randomisierte, kontrollierte Studien gefunden. Sieben davon befassten sich mit psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten. Vorkommende Tierarten waren Hunde, Katzen, Delphine, Vögel, Kühe, Hasen, Frettchen und Meerschweinchen. Alle Studien waren von relativ niedriger Qualität und sehr heterogen. Es wurden nur Patienten tiergestützt behandelt, die Tiere gemocht haben. Die Autoren halten fest, dass in einem solchen Setting Tiergestützte Therapie eine wirksame Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit Depression, Schizophrenie und Suchterkrankungen sein kann und auf einem ganzheitlichen Ansatz, der Interaktion mit einem Tier in der Natur, basiert.

In der Metaanalyse „Animal-Assisted Therapy: a Meta-Analysis“ von Nimer / Lundahl (2007) wurden 49 Studien (aus 250 durchgesehenen Studien) herangezogen, die die Einschlusskriterien erfüllt haben. Insgesamt gesehen zeigten sich moderate Effektgrößen für Tiergestützte Therapie in vier Bereichen: Autismus-Spektrum-Störungen, körperliche Erkrankungen, Verhaltensprobleme und emotionales Wohlbefinden. Entgegen der ursprünglichen Vermutung zeigten unterschiedliche Patientengruppen und Studien den gleichen Benefit. Tiergestützte Therapie scheint ein vielversprechender Ansatz in Kombination mit etablierten Interventionen.

Hund: Im Review „Patient Benefit of Dog-Assisted Interventions in Health Care: a Systematic Review“ halten Lundqvist et al. (2017) fest, dass lediglich 18 Studien die qualitativen Anforderungen erfüllt haben. Hiervon beziehen sich drei Studien auf kinder- und jugendpsychiatrische Patienten, die im Rahmen einer Tiergestützten Therapie behandelt wurden. In einer Studie von Schuck et al. (2015) wurden Kinder mit einer ADHS untersucht, eine weitere Studie (Stefanini et al. 2015) beschäftigt sich mit Jugendlichen mit einer akuten psychischen Erkrankung. Die letzte Studie erfasst Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer akuten psychischen Erkrankung hospitalisiert wurden (Stefanini et al. 2016).

Diese Studien zeigen allesamt einen signifikanten positiven Effekt in Bezug auf die untersuchten Variablen im Vergleich zur Kontrollgruppe. Verbessert haben sich das globale Funktionsniveau, der Schulbesuch sowie emotionale Symptome und Verhaltensauffälligkeiten (Studien von Stefanini et al. 2015; 2016). In der Studie mit ADHS-Kindern zeigte sich eine deutlichere Reduktion der Symptome der ADHS im Vergleich zu einer verhaltenstherapeutischen Behandlung ohne Tier. Im Gegensatz dazu zeigen sich in anderen Studien mit erwachsenen Patienten oder auch einem nicht-therapeutischen Herangehen zum Teil nur geringe oder keine signifikanten Effekte.

Pferd: Ein weiteres Review beschäftigt sich mit pferdegestützter Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen (Lentini / Knox 2015). Hier wurden 47 Studien eingeschlossen und in der Mehrzahl der Artikel positive Effekte in Bezug auf eine Vielzahl von Symptomen und Störungen gesehen. Die meisten Studien beziehen sich auf Risikopopulationen und Patienten mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Da so viele verschiedene Vorgehensweisen gewählt wurden und unterschiedlichste Patientengruppen behandelt wurden, ist es schwer, aus diesen Studien Ableitungen zu treffen, wie pferdegestützte Therapie am besten funktioniert.

Viele Studien zeigten Verbesserungen in Bezug auf Angst, Depression, Unaufmerksamkeit, soziale Fertigkeiten, Selbstwert, Empathie und Selbstregulation. Als Gründe dafür wurden der aktive Einbezug der Patienten, körperliche und visuelle Möglichkeit der Nachahmung, unmittelbare Rückmeldung, Bindung / Oxytocinausschüttung, Fürsorgeverhalten in Bezug auf das Tier, wirksames Training von Kommunikation / Grenzen / sozialen Fertigkeiten, Einbezug von Metaphern und Geschichten (um Ähnlichkeiten aufzuzeigen und Fertigkeiten zu transportieren), Ermutigung und Erfolg beim Einsetzen neuer Fertigkeiten sowie ein entspannendes und motivierendes Therapiesetting genannt. Zusammenfassend sprechen die Autoren der pferdegestützten Therapie eine vorläufige empirische Basis zu.

Pferd: Im Review „Emotional Transfer in Human-Horse Interaction: New Perspectives on Equine Assisted Interventions“ von Scopa et al. (2019) geht es um emotionale Abstimmungsprozesse zwischen Mensch und Pferd. Die Hypothese des emotionalen Transfers legt eine gegenseitige Koordination der emotionalen Zustände von Mensch und Pferd nahe, die während einer Interaktion einen Kopplungsprozess durchlaufen. Auch wenn diese „Kopplung“ durch nur wenige existierende Studien zur emotionalen Feinabstimmung zwischen Mensch und Pferd unterstützt wird, könnte sie bei pferdegestützten Interventionen eine Schlüsselrolle spielen. Es wird vorgeschlagen, diese Koordination durch die Überwachung physiologischer Variablen (Herzschlagrate und Herzratenvariabilität) zu messen. Dies wurde in einer Untersuchung (Lanatà et al. 2016) in drei unterschiedlichen Bedingungen gemacht:

˜˜˜˜● Phase 1: Der Mensch sitzt auf einem Stuhl in der Box neben der Box, in der das Pferd steht.

˜˜˜˜● Phase 2: Das Pferd betritt die Box, in der der Mensch sitzt.

˜˜˜˜● Phase 3: Der Mensch putzt das Pferd.

In der zweiten Phase zeigte sich eine Abstimmung der Herzratenvariabilität, welche in der dritten Phase wieder abbrach. Eine mögliche Theorie für diese Variation zwischen den Phasen kann sein, dass das Pferd in Phase 2 die Freiheit hat, sich zu bewegen, und selbst entscheiden kann, ob es sich dem Menschen nähern will oder nicht. In Phase 3 wird das Pferd zum Kontakt mit dem Menschen ‚gezwungen‘. Diese Wahlmöglichkeit ist eine der neuen Herausforderungen, auch im Rahmen der tiergestützten Therapie. Es ist wichtig, für das Wohlbefinden der Tiere zu sorgen und ihren emotionalen Bedürfnissen zu entsprechen.

Aktuelle Studien zur Traumatherapie

Hunde und Pferde: In einem Review von O’Haire et al. 2015 „Animal-Assisted Intervention for Trauma: a Systematic Literature Review“ wurden lediglich zehn Studien eingeschlossen, die meisten davon mit Hunden und Pferden. Die Ergebnisse zeigten eine reduzierte depressive Symptomatik, PTBS-Symptomatik und Angst. Bessere Ergebnisse wurden erzielt, wenn der Hund sinnvoll integriert wurde, z. B. durch Geschichten, im Vergleich zur bloßen Anwesenheit (Dietz et al. 2012). Die Autoren bemerkten, dass AAI nicht gut definiert ist und einer Verfeinerung der Technik und der Protokollstandardisierung bedarf.

Pferde: Ein weiteres Review beschäftigte sich mit pferdegestützter Therapie bei Traumapatienten („Equine Facilitated Therapy and Trauma: Current Knowledge, Future Needs“; Staudt / Cherry 2017), neun Studien wurden hier eingeschlossen, hiervon bezogen sich vier Studien auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Yorke et al 2013; McCullough et al. 2015; Goodkind et al 2012; Kemp et al. 2014).

In der Studie von Yorke et al. (2013) wurden bei vier Kind-Pferd-Paaren über den Therapieverlauf Werte zu Herzfrequenz und Cortisolspiegel erhoben. Es zeigte sich nach der zwölftägigen Intervention eine Korrelation zwischen Kind-Pferd-Paaren. Die Autoren schlussfolgerten, dass pferdegestützte Therapie besonders für Kinder mit neurophysiologischen Regulationsproblemen von Vorteil sein kann.

McCullough et al. (2015) hatten ein Studiendesign mit acht wöchentlichen Therapiestunden mit einem Pferd (elf Kinder / Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren). Die pferdegestützte Therapie wurde in Anlehnung an die Objekt-Beziehungs-Theorie und Realitätstherapie durchgeführt. Bei neun von elf Kindern zeigte sich ein signifikanter Abfall der posttraumatischen Symptomatik.

Goodkind et al. (2012) untersuchten ein achtmonatiges Gemeindeprojekt für 18 Kinder und Jugendliche indianischer Abstammung (13 Familien mit Kindern zwischen 7 und 17 Jahren). Hier zeigten sich Verbesserungen in der kulturellen Identität, bei den Bewältigungsstrategien, der Lebensqualität und der sozialen Anpassung. Pferdegestützte Therapie wurde in sechs Sitzungen durchgeführt, parallel wurden 21 Sitzungen Gruppentherapie durchgeführt.

Kemp et al. (2014) untersuchten 15 Kinder im Alter von 8 bis 11 Jahren und 15 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren. Alle Patienten wurden zunächst vollstationär mit wöchentlicher nicht näher spezifizierter Therapie behandelt (für sechseinhalb Wochen) und erhielten anschließend über neun bis zehn Wochen pferdegestützte Therapie nach dem EAGALA-Therapieprogramm. Signifikante Verbesserungen zeigten sich bei Kindern in Bezug auf Depression, die internalisierenden und externalisierenden Symptome sowie den Gesamtwert der Child Behavior Checklist (CBCL) – allerdings im Vergleich vor der pferdegestützten Therapie zu nach Abschluss der pferdegestützten Therapie, nicht für vor der stationären Behandlung zu nach der stationären Behandlung. Bei den Jugendlichen zeigten sich signifikante Verbesserungen sowohl für den Zeitraum vor / nach stationärer Behandlung wie auch vor / nach pferdegestützter Therapie. Nur bei der depressiven Symptomatik zeigte sich während des stationären Aufenthaltes keine signifikante Verbesserung. Die Verbesserung über den Zeitraum der pferdegestützten Therapie war aber signifikant grösser im Vergleich zum Benefit der stationären Behandlung. Es wurde festgehalten, dass pferdegestützte Therapie besonders für Kinder hilfreich sein kann.

Kendall et al. (2015) haben 15 Studien in ihrem Review „A Systematic Review of the Efficacy of Equine-Assisted Interventions on Psychological Outcomes“ untersucht.

Obwohl viele Studien die positiven Effekte pferdegestützter Interventionen auf körperliche Entwicklung und Motorik bestätigen, gibt es wenige Informationen darüber, wie sich die Beschäftigung mit Pferden, etwa über das therapeutische Reiten oder einfacheren Interaktionen, psychologisch auf die Klienten auswirkt. Trotz eines gewissen öffentlichen Konsenses zu den positiven Effekten von Pferden, ist dieses Feld bislang mehr oder weniger unerforscht und basiert in den meisten Fällen lediglich auf Einzelfallberichten. Das wenige empirische Material, was bisher Auskunft über positive Ergebnisse pferdgestützter Interventionen gibt, erscheint tendenziell eher nicht valide und ist meist schwierig zu interpretieren – was auch teilweise dem nicht allzu präzisen Forschungsdesign geschuldet ist.

Der Zweck dieses Reviews war es, relevante Forschungsergebnisse im Hinblick auf die psychologischen Effekte pferdgestützter Interventionen abzuklopfen und darauf aufbauend Empfehlungen für künftige Forschungen abzuleiten. Die Ergebnisse aus diesem Review weisen darauf hin, dass pferdegestützte Interventionen durchaus Potenzial besitzen, besonders in Bezug auf soziale und verhaltensbedingte Sachverhalte bei Kindern und Jugendlichen, sowie möglicherweise auch affektiven Störungen bei Erwachsenen. Dennoch erlauben die derzeitigen Forschungsergebnisse nicht zwangsläufig den Schluss, dass pferdegestützte Interventionen per se wirksam sind. Gerade deshalb bedarf es auf diesem Gebiet randomisierter kontrollierter Studien, also der Notwendigkeit der Standardisierung und Dokumentation pferdegestützter Interventionen sowie der Ergebnisse bei zukünftigen Forschungen.

In einem Review von Lentini / Knox (2015) „Equine-Facilitated Psychotherapy with Children and Adolescents: an Update and Literature Review“ wurden 47 Publikationen untersucht. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass pferdegestützte Therapie eine hilfreiche Behandlungsoption für Kinder und Jugendliche darstellt. Verbesserungen wurden für eine Vielzahl an Symptomen und Störungen gefunden, besonders häufig untersuchte Populationen waren Risikojugendliche und Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen.

1.3 Wirkfaktoren

Levinson (1962) hat als erster die Effekte im Zusammenhang mit dem Einsatz eines Hundes im ambulanten kinder- und jugendpsychiatrischen Rahmen beschrieben. Anke Prothmann et al. (2006) haben vor allem Untersuchungen zu einer speziellen Form der Tiergestützten Psychotherapie durchgeführt, der nondirektiven Spieltherapie. Es liegen aber schlüssige Modelle vor, die Wirkfaktoren benennen und damit die Wirkung des Tieres im therapeutischen Kontext erklärbar machen. Frau Pottmann-Knapp (2013, 247) unterscheidet in ihrem Buch „Tiergestützte (Psycho)Therapie“ zwischen Wirkfaktoren I. und II. Ordnung:

„Der Wirkfaktor Beziehung / Allianz […] spielt in der MTB (Anm. der Autorinnen: Mensch-Tier-Beziehung) eine Schlüsselfunktion und kann als Wirkfaktor 1. Ordnung angenommen werden.“

Als Wirkfaktoren II. Ordnung benennt Pottmann-Knapp (2013, 237 ff.):

„Glaubwürdigkeit, Authentizität, Echtheit, Eindeutigkeit, Akzeptanz, Empathie, empathisches Einfühlen, Wertschätzung, Vertrauen.

Tiere wirken durch spezifisches Agieren: Sie bringen sich unverfälscht ein, sie schenken ungeteilte Aufmerksamkeit, sie handeln im Hier und Jetzt, sie schwingen empathisch mit, sie wertschätzen den Menschen unvoreingenommen ohne zu werten.

Tiere wirken im psychodynamischen Sinne indirekt auf den Menschen, in dem dieser sich durch den Kontakt zum Tier verstanden / angenommen fühlt, sich respektiert fühlt.

Weitere indirekte psychodynamische Wirkfaktoren von Tieren auf den Menschen sind: die Reduzierung des Isolationsgefühls / Einsamkeit; Beruhigung und Entspannung; Beziehung und die Qualität der Beziehung; Affektive Bindung / Affektkontrolle / Affektregulation; Anerkennung von Grundprinzipien und Grenzen; Aufdeckung des inneren Bezugssystems; Neubewertung der Selbsteinschätzung sowie Feedback richtig geben; Verhaltensregulation; Kognitive Beherrschung; Erfolgserlebnisse und eine positive Erwartungshaltung; Engagement / Motivation / Flexibilität; Ressourcenaktivierung; Lernprozesse / Übung / Struktursetzung; Rapport; Nachahmen / Modellieren.“

Tiergestützte Therapie hat physische bzw. physiologische Wirkungen. Diese sind noch am besten untersucht, da sie leicht messbar sind. Gefundene Effekte betreffen (Prothmann 2012, 27)

˜˜˜˜● die Herzkreislauffunktionen: Senkung des Blutdruckes und der Herzfrequenz, Kreislaufstabilisierung.

˜˜˜˜● den Bewegungsapparat: Muskelentspannung, Abnahme von Spastik, Besserung des Gleichgewichtes.

˜˜˜˜● das Nervensystem: Neuroendokrine Wirkungen, Ausschüttung von Endorphinen, Änderung der Schmerzwahrnehmung.

˜˜˜˜● das Gesundheitsverhalten: Motorische Aktivierung, Bewegung an frischer Luft, Training der Muskulatur, Aktivierung der Verdauung, Anregung zu besserer Ernährung, besserer Körperpflege, Reduzierung von Übergewicht, Förderung einer regelmäßigen Tagesstruktur, Verminderung von Alkohol und Nikotingenuss.

˜˜˜˜● die lebenspraktische Hilfe: Ersatz gestörter Sinnesfunktionen, Führung und Leitung beeinträchtigter Personen (Blinde, Gehörlose, Rollstuhlfahrer).

Die psychischen und psychologischen Wirkfaktoren für Tiergestützte Therapie sind im Prinzip für alle domestizierten Tierarten gültig. Im Folgenden werden sie jedoch für Hund und Pferd getrennt dargestellt und vor dem evolutionären Hintergrund des Hundes und des Pferdes betrachtet.

1.3.1 Besonderheiten Hund

Der Hund ist als sozial lebendes Rudeltier besonders geeignet, in einem therapeutischen Setting zu unterstützen. Hunde haben eine lange gemeinsame Geschichte mit dem Menschen, eine gemeinsame Evolution und Entwicklung von Hund und Mensch in einer nahezu identischen Umwelt.

Der bekannte Hundeforscher Adam Miklosi bezeichnet verschiedene Fähigkeitsbereiche, welche die Basis für Ähnlichkeiten zwischen Hunden und Menschen bilden (Miklosi 2011):

˜˜˜˜● Das Bedürfnis nach sozialer Interaktion und die Fähigkeit, individuelle Bindungen einzugehen.

˜˜˜˜● Die Fähigkeit, sich auf das Gegenüber einzustellen und sich ihm anzupassen, d. h. die Fähigkeit, sich im Verhalten und gefühlsmäßig auf den anderen einzustimmen (Synchronisation), soziales Lernen zu vollziehen, die Fähigkeit Regeln zu befolgen.

Biophilie: Der Begriff Biophilie bedeutet wörtlich übersetzt „Liebe zum Leben“. Wilson (1984) beschreibt, dass sich die Menschen im Laufe der Evolution stets gemeinsam mit anderen Lebewesen entwickelt haben, dadurch habe sich eine biologisch begründete Affinität zur Natur und zum Leben entwickelt. Er postuliert, dass Menschen das Bedürfnis haben, mit anderen Lebewesen in Verbindung zu sein.

Du-Evidenz: Der Begriff der Du-Evidenz wurde von Bühler (1922) entwickelt und bezog sich damals auf zwischenmenschliche Interaktion und die Fähigkeit eine andere Person als Individuum wahrzunehmen und zu respektieren. Geiger (1931) und Lorenz (1965) übertrugen das Konzept auf die Mensch-Tier-Beziehung. Maßgeblich sind nach deren Aussagen die persönlichen Erlebnisse mit dem Tier, die subjektive Einstellung zu ihm und die authentischen Gefühle ihm gegenüber. Dies alles wirkt hauptsächlich auf der emotionalen Ebene und scheint die Grundlage für die Ausbildung von Empathie und Mitgefühl anderen Lebewesen gegenüber darzustellen. Dies kommt vor allem zum Tragen, wenn Ähnlichkeiten bei spezifischen Bedürfnissen (z. B. Nähe, Berührung, Bewegung, Kommunikation und Interaktion) bestehen. Dies erklärt, wieso Menschen vor allem mit Hunden und Pferden, die in Sozialverbänden leben und ähnliche emotionale und soziale Grundbedürfnisse besitzen, eine solche Du-Beziehung eingehen.

Wirkung der Spiegelneurone: Die Entdeckung der Spiegelneurone liegt noch nicht lange zurück und geschah eher zufällig im Jahr 1996, als italienische Forscher Neuronen in der Großhirnrinde entdeckten, die aktiv wurden, wenn eine bestimmte Bewegung ausgeführt wurde – aber auch, wenn diese Bewegung bei einem anderen anatomisch ähnlichen Lebewesen beobachtet wurde. Beim Menschen wird ein umfangreiches Spiegelneuronensystem vermutet (Gaschler 2006). Es handelt sich um ein emotionales Resonanzphänomen, das unwillkürlich abläuft und die Grundlage für Empathie bildet. Nach Beetz (2006) gibt es Hinweise darauf, dass eine wechselseitige Spiegelung bei Mensch und Tier erfolgt, beispielsweise die „Joint Attention“, die gemeinsame Aufmerksamkeits- und Blickorientierung mit dem eigenen Hund.

Tiere als Angst- und Spannungsminderer: Grundlage für die Annahme, dass Tiere als Angst- und Spannungsminderer dienen, sind zum einen die Biophilie-Hypothese (wenn Menschen entspannte Tiere beobachten sind sie selbst auch entspannter) sowie hormonelle Untersuchungen, die belegen, dass das Streicheln eines Hundes über eine Oxytocin-Ausschüttung einer Stressreaktion entgegen wirkt, den Cortisolspiegel senkt und somit Entspannung unterstützt. Oxytocin wird als Schlüsselfaktor der positiven Interaktion von Mensch und Tier angesehen. Es entsteht mehr Vertrauen und soziale Interaktion, weniger Aggression und Depression, bessere Stimmung sowie eine Reduktion von Stress und Angst. In der Umgebung von Tieren stabilisiert sich der menschliche Kreislauf, über Lachen und Spielen werden körpereigene Opiate ausgeschüttet.

Bindung: Neben der Biophilie-Hypothese und dem Konzept der Du-Evidenz führt das Konzept der Bindung einen Schritt weiter. Bindung benötigt eine funktionierende Kommunikation (die aber nicht an Worte gebunden ist), wechselseitige Abstimmungsprozesse und Bezogenheit.

EXKURS

Binden sich Hunde an Menschen?

Adam Miklosi hat einen Bindungstest für Mensch-Hund-Paare in Anlehnung an die „Fremde Situation“ von Mary Ainsworth durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass Hunde ähnliche Trennungsreaktionen wie Kleinkinder zeigen, wenn die Tierbesitzer das Zimmer verließen. Als Grund wird die bindungsähnliche Beziehung zwischen Mensch und Hund angenommen (Topal et al. 1998).

Der Bindungstheorie folgend (Ainsworth 1991; Hazan / Shaver 1994) gibt es vier Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um aus einer Beziehung eine Bindungsbeziehung werden zu lassen:

1.Die Nähe der Bindungsfigur wird gesucht und genossen, vor allem in Notzeiten.

2.Die Bindungsfigur stellt in Notzeiten einen „sicheren Hafen“ dar, gibt Sicherheit, Schutz, Unterstützung, Entlastung und Hilfe.

3.Die Bindungsfigur stellt eine „sichere Basis“ dar, die dem Kind erlaubt in einem sicheren Umfeld zu explorieren.

4.Die Trennung von der Bindungsfigur führt zu Stress.

Ob Tiere im Rahmen der Therapie als Bindungsfigur agieren, ist nicht ganz klar wissenschaftlich erwiesen. Dafür spricht, dass ein positiver Mensch-Hund-Kontakt mit einem positiven Gefühl und einer hormonellen Reaktion (Oxytocinausschüttung) wie bei einer Aktivierung des Bindungssystems und dem Kontakt von Mutter und Kind einhergeht. Hier scheint vor allem der Körperkontakt wichtig zu sein (Julius et al. 2014).

In einer Studie von 2008 untersuchte Nancy Parish-Plass, ob tiergestützte Psychotherapie eine hilfreiche Therapieoption bei Kindern mit einem unsicheren Bindungsstil infolge von Missbrauch oder Vernachlässigung darstellen und damit einer transgenerationalen Weitergabe entgegenwirken kann.