Tierisch systemisch - Charlotte Darga - E-Book

Tierisch systemisch E-Book

Charlotte Darga

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Beschreibung

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied? Ja, aber nicht allein! Systemische Therapie sieht den Menschen nicht nur als einzelnes Individuum, sondern immer eingebunden in sein soziales Umfeld, sein System. Anstatt auf dem Problem liegt der Fokus auf den vorhandenen Ressourcen im System, die zur Lösung und Zielerreichung beitragen können. Dieses Buch leistet einen innovativen Beitrag zur Zusammenführung systemischer und tiergestützter Arbeit und deren Professionalisierung. Ob Schafe, Hunde oder Hühner, sie alle können dabei kreativ eingesetzt werden. Ein wichtiges Anliegen der Autorinnen ist es, die Tiere konzeptionell sinnvoll und für alle Beteiligten bereichernd in die Interventionen zu integrieren. Dabei zeigen sie vielfältige Interventionsmöglichkeiten auf, die auch im komplexen und multiprofessionellen Setting wirksam sind.

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Seitenzahl: 206

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Charlotte Darga • Dorothea Dapper

Tierisch systemisch

Lösungs- und Ressourcenorientierung in der tiergestützten Intervention

Mit 71 Abbildungen und Online-Material

Ernst Reinhardt Verlag München

Charlotte Darga, Gütersloh, ist Dipl. Pädagogin, Systemische Kinder- und Jugendlichentherapeutin (SG), Systemische Supervisorin (SG), Fachkraft für tiergestützte Intervention (ISAAT) und Coach für Mensch-Hund-Teams sowie Dozentin und Leitung der Weiterbildung „Besuch auf 4 Pfoten“.

Dorothea Dapper, Marl, ist Dipl. Sozialarbeiterin, Systemische Familientherapeutin und Grundzüge der Supervision (DGSF), Fachkraft für tiergestützte Therapie/Intervention (ISAAT) und Leitung des Instituts für systemische und tiergestützte Therapie.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03141-2 (Print)

ISBN 978-3-497-61663-3 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61664-0 (EPUB)

© 2022 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Covermotiv, Abb. 1-18, 20-22, 24-30, 32-44, 50-52, 54-61, 66, 70 und 71 unter Verwendung von privaten Fotos und Illustrationen von Charlotte Darga

Abb. 19, 23, 31, 45-49, 53, 62-65 und 67-69 unter Verwendung von privaten Fotos von Dorothea Dapper

Satz: ew print & medien service gmbh, Würzburg

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 MünchenNet: www.reinhardt-verlag.de  E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort

1 Einführung

2 Die SysTiere: Unsere tierischen Assistenten

3 Grundlagen des systemischen Ansatzes

3.1 Die Verbindung systemischer und tiergestützter Interventionen

3.2 Das Joining

3.3 Systemisch – Eine Frage der Haltung

Wertschätzung und Ressourcenblick

3.4 Muster in Systemen

3.5 Konstruktivismus

4 Das interaktionale Setting in der systemischen TGI

4.1 Kommunikation in der systemisch-tiergestützten Interaktion

Mal angenommen … Oder: Die Kunst des Fragens

Ressourcenorientierte Fragen

Ausnahme- und Bewältigungsfragen

Zirkuläre Fragen

Skalierungsfragen

Hypothesenbildung

4.2 Systemische Interventionen unter Einbezug der Tiere

Externalisierung

Aufstellungsarbeit mit Tieren

Arbeit mit dem inneren Team

Krafttiere

Familie in Tieren

5 Tiergestützte systemische Pädagogik

5.1 TGI aus entwicklungspsychologischer Sicht

5.2 Bedeutung der Spielentwicklung

6 Tiergestützte systemische Familientherapie

7 Die Bedeutung der Reflexion

8 Ausblick

Literatur

Weiterführende Literatur

Sachregister

 

Das Online-Material zum Buch können Sie auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags unter https://www.reinhardt-verlag.de herunterladen. Auf der Homepage geben Sie den Buchtitel oder die ISBN in der Suchleiste ein. Hier finden Sie das passwortgeschützte Online-Material unter den Produktanhängen. Das Passwort zum Öffnen der Dateien finden Sie vor dem Literaturverzeichnis.

Vorwort

Wir, Charlotte Darga (genannt Charly) und Dorothea Dapper (genannt Doro), sind seit vielen Jahren als Pädagogin bzw. Sozialarbeiterin tätig. Wir haben die Liebe zum Tier professionell aufgegriffen, uns zu Systemikerinnen und Fachkräften für die tiergestützte Intervention ausbilden lassen und wir bilden uns nach wie vor mit Begeisterung in beiden Bereichen fort. Die Kombination aus systemischer Haltung und dem gemeinsamen Leben mit Haus- und Hoftieren ist für uns zu einem Lebensmotto geworden, das uns sowohl beruflich als auch privat prägt und trägt.

Im Frühjahr 2019, bei Kaffee und Kuchen, kam uns die Idee, unsere tief verankerte Haltung in einem Buch niederzuschreiben und unser durch die zahlreichen praktischen Erfahrungen angereichertes Wissen auch auf diesem Wege weiterzugeben.

Viele kleinere und auch richtig große Herausforderungen haben wir in der Zwischenzeit gemeistert. Die brennende Idee, ein Handbuch zu schreiben, in dem wir erstmals in der Fachliteratur die beiden Ansätze systemisch und tiergestützt zusammenbringen, hat uns die Energie gegeben, es erfolgreich zu Ende zu bringen. Wir freuen uns, Ihr Interesse geweckt zu haben, und laden Sie recht herzlich ein, etwas von unserem Feuer in Ihrem beruflichen Kontext zu versprühen.

Einführung

Mit diesem Buch möchten wir allen Fachkräften, die tiergestützt mit Kindern, Jugendlichen und Familien arbeiten, die systemische Denkweise oder vielmehr die systemische Haltung näherbringen. Wir möchten Sie neugierig machen, Sie inspirieren – aber Achtung – es könnte sein, dass Sie nach dem Lesen dieses Buches mehr über Systemische Beratung und Therapie wissen wollen …

Wir sind überzeugt davon, dass die systemische Haltung eine gewinnbringende Ergänzung für die tiergestützte Arbeit ist – und zwar unabhängig vom spezifischen Einsatz- oder Fachgebiet – und unabhängig von der eingesetzten Tierart!

Dieses Buch spricht nicht nur TGI-Fachkräfte an, sondern auch alle tierlieben Systemiker sowie alle anderen Neugierigen. Sie erfahren, welche Bereicherung der Einsatz von Tieren in der systemischen Arbeit darstellt und werden überrascht sein, mit wie vielen Techniken und Methoden Sie mit Leichtigkeit tierische Mitarbeiter einbeziehen können – es scheint fast so, als wären sie eigens dafür gemacht!

Nicht immer beziehen wir unsere Tiere aktiv mit ein. Manchmal beziehen wir die Tiere nur sprachlich, gedanklich oder passiv – durch Beobachtung – mit ein. Die Tiere sind Projektionsfläche, schaffen Lebendigkeit, regen unsere Sinne auf ganzheitliche Weise an, kommunizieren nonverbal und laden auf ganz hervorragende Art zu Perspektivwechseln ein. Wir stellen Ihnen in diesem Buch also nicht nur praktische Spiele, Übungen oder Aktionen vor, sondern auch Methoden, bei denen die Tiere nicht unmittelbar involviert sind.

An dieser Stelle weisen wir ausdrücklich auf die Gefahr der Instrumentalisierung von Tieren im tiergestützten Setting hin. Mit den Einblicken in unsere Arbeit werden wir verdeutlichen, dass wir die Bedürfnisse unserer Tiere stets im Blick haben. Denn nur zufriedene, artgerecht lebende Tiere können einen so großen Beitrag in unserer Arbeit leisten und all die positiven Effekte erzielen – manchmal sogar kleine Wunder bewirken –, die wir immer wieder mit Staunen erleben dürfen. Dennoch ist uns bewusst, dass die von uns eingesetzten Tiere einen Job machen. Es war unsere Entscheidung, sie einzusetzen. Umso wichtiger ist es, die Interessen der Tierarten zu berücksichtigen. Ihre sozialen, psychischen und biologischen Bedürfnisse sollten weitestgehend erfüllt sein. Der Aspekt der Ethik in der tiergestützten Intervention geht mit der systemischen Grundhaltung konform. Wir gehen davon aus, dass jedes Individuum Experte für sich selbst und seinen Lebensraum ist.

Mit diesem Buch möchten wir in erster Linie unser tierisch-systemisches Wissen und unsere gesammelten Erfahrungen aus der systemischen Praxis weitergeben, die wir in tiergestützten Settings gewonnen haben. Von deren Effektivität und Sinnhaftigkeit sind wir überzeugt – sowohl als Sozialarbeiterin bzw. Pädagogin, als systemische Therapeutin, als Coach und Supervisorin als auch als Fachkraft für tiergestützte Intervention.

Ein weiterer Hinweis, der uns wichtig ist: Die erfolgreiche systemische Arbeit hat in den letzten Jahren regelrecht zu einem „Boom“ geführt, weshalb der Zusatz systemisch immer häufiger in verschiedensten Zusammenhängen erscheint und somit scheinbar inflationär benutzt wird – alles scheint neu und besser zu sein, wenn man das Wörtchen systemisch davorsetzt (Schlippe/Schweitzer 2019b, 17). Zum einen ist dies eine erfreuliche Entwicklung, da es für die Effektivität, den Erfolg der systemischen Praxis spricht und nicht zuletzt auch dadurch zu mehr Bekanntheit und Anerkennung systemischer Beratungs- und Therapieansätze führt. (Seit 2018 ist die Systemische Therapie als Psychotherapieverfahren für Erwachsene anerkannt und kann von approbierten Psychotherapeuten als Kassenleistung abgerechnet werden.) Zum anderen droht der Begriff, dadurch einer gewissen Abnutzung zu unterlaufen und nicht mehr ausschließlich fachlich korrekt verwendet zu werden.

Systemisches Arbeiten ist mehr als der Einsatz einiger systemischer Methoden oder Techniken; auch wenn wir in diesem Buch einige davon vorstellen, die ohne weitere Grundkenntnisse umsetzbar sind, macht der Einsatz die tiergestützte Arbeit nicht gleich grundlegend systemisch und den Menschen noch lange nicht zum Systemiker. Dies zu erwähnen, ist uns vor dem Hintergrund der Fachlichkeit und Professionalität unserer Arbeit besonders wichtig und gilt im Übrigen ebenso für die Begrifflichkeit der Tiergestützten Intervention (TGI): Allein die Anwesenheit eines Hundes während eines Beratungsgesprächs oder die systemische Therapiesitzung auf dem Bauernhof oder im Tierpark macht die Arbeit noch lange nicht zu einer tiergestützten Intervention. Auch hier gehört selbstverständlich mehr dazu. Somit stimmen wir den Psychologen Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer bezüglich folgender Aussage ausdrücklich zu:

„Wenn sich systemische Praxis darauf begrenzt, systemische Interventionstechniken anzuwenden, fehlt jedoch eine wichtige Reflexionsebene, auf der man sich bewusst wird, warum man so interveniert, wie man es tut“ (Schlippe/Schweitzer 2019b, 18).

Den Begriff Systemiker gibt es als solchen eigentlich nicht. Ein einzelner Begriff vermag gar nicht all das auszudrücken, was dem systemischen Ansatz, der systemischen Haltung und der systemischen Praxis zugrunde liegt. Es gibt schließlich auch nicht die Systemtheorie. Wir werden den Begriff dennoch häufig der Einfachheit halber verwenden, um alle systemisch ausgebildeten und arbeitenden Fachkräfte (Berater, Familientherapeuten, Kinder- und Jugendlichentherapeuten, Psychotherapeuten, Erzieher, Sozialarbeiter etc.) in einem Wort zusammenzufassen und gleichermaßen anzusprechen.

Übrigens: Wir sprechen im Buch mal von systemisch-tiergestützten Settings, mal von tiergestützten systemischen Interventionen und ähnlichen Begrifflichkeiten. Mal steht das eine Wörtchen, mal das andere vorn und mal ist ein Bindestrich dazwischen, mal nicht. Das ist uns bewusst! Und es ist mit voller Absicht so. Denn es macht genauso Sinn, wie wir es jeweils im entsprechenden Kontext formulieren. Der Bindestrich verbindet und stellt das Setting als etwas Eigenständiges dar, das aus beiden Bereichen neu erwachsen ist, das sich zusammengefügt hat zu einem großen Ganzen. Manchmal geht es jedoch auch explizit um systemische Interventionen, zu denen Tiere hinzugezogen werden oder andersherum um tiergestützte Interventionen, die durch systemische Methoden bereichert werden.

Und noch eine letzte Sache: Wenn wir in den nachfolgenden Kapiteln das Pronomen wir benutzen, meinen wir damit nicht ausschließlich uns selbst, sondern sprechen in erster Linie von uns Systemikern, von uns pädagogischen und therapeutischen Fachkräften, die tiergestützt arbeiten oder die besonderen Fähigkeiten unserer tierischen Mitlebewesen wertschätzen und sinnvoll und bereichernd einsetzen möchten – mit einem Mehrwert sowohl für die fachliche Arbeit als auch für die Beziehung, das Miteinander und vor allem auch mit einem Mehrwert für das Tier. Mit wir sind all diejenigen gemeint, die sich angesprochen fühlen, die neugierig und interessiert durchs Leben gehen und mehr wissen wollen. Mit dem Wir schließen wir außerdem auch all unsere geschätzten Kollegen mit ein, die so großartige Arbeit mit Mensch und Tier leisten und uns in unseren wie auch immer gearteten Begegnungen inspiriert haben.

Wir möchten Sie als Leser einladen, die spannenden Aspekte und Wechselwirkungen der systemisch-tiergestützten Interventionen mit uns gemeinsam zu betrachten.

Wir verwenden in diesem Buch Personen- oder Berufsbezeichnungen geschlechtsneutral, benennen diese aufgrund der besseren Lesbarkeit aber entweder in maskuliner (der Mensch) oder in femininer Form (die Person), meinen damit jedoch selbstverständlich immer alle Geschlechter gleichermaßen.

Die SysTiere: Unsere tierischen Assistenten

Unsere SysTiere sind unsere tierischen Assistenten und werden in diesem Buch die Funktion übernehmen, wie ein roter Faden durch die Inhalte zu führen. Sie veranschaulichen die wesentlichen Kernaussagen der systemisch-tiergestützten Intervention. Bevor wir die SysTiere einzeln vorstellen, erläutern wir unsere Assoziationen, die wir mit den SysTieren verbinden:

  S wie systemisch: Wir Systemiker orientieren uns an den Grundlagen der Systemtheorie und dem Konstruktivismus und betrachten unsere Klienten nie isoliert, sondern immer als Teil eines Systems mit Wechselwirkungen, in dem sie sich gegenseitig beeinflussen und für den Prozess hilfreich sein können. In erster Linie ist die systemische Intervention jedoch eine Frage der Haltung: Wir begegnen unserem Klienten interessiert, neugierig und vor allem wertschätzend. Wir würdigen sein Problem und erkennen seine Bewältigungsstrategien an, ohne aber in eine Problemtrance zu verfallen. Stattdessen fokussieren wir uns gemeinsam mit dem Klienten auf die Lösungsoptionen und Ziele und begleiten ihn unterstützend auf seinem Weg, indem wir ihm helfen, sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden und ihn sich als selbstwirksam erleben zu lassen.

  Y wie Yes-Set: Zu Beginn einer Sitzung im Rahmen des Joinings ist ein Yes-Set (sozusagen eine Ja-Haltung) als Methode sehr hilfreich, um die Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft und das Selbstwertgefühl des Klienten zu steigern und ihm Wertschätzung entgegenzubringen: Es werden geschlossene Fragen gestellt oder Feststellungen geäußert, die voraussichtlich mit Ja oder einem zustimmenden Nicken beantwortet werden, z. B.: „Sitzen Sie gut?“ – „Wir haben jetzt etwa eine Stunde Zeit.“ – „Wenn es für Sie okay ist, würde ich jetzt beginnen“ (Erickson/Rossi 2010, 18 ff.).

Im tiergestützten (wie auch im rein systemischen Setting) ist es zudem immer wichtig, das Einverständnis des Klienten einzuholen, was ebenfalls im Rahmen des Joinings und des Yes-Sets geschehen kann: „Ist es in Ordnung, wenn ich den Hund jetzt ableine?“ – „Ist es okay für dich, wenn das Schaf bei dir ist?“ – „Bist du einverstanden, wenn das Huhn uns bei unserer heutigen Sitzung begleitet?“ – „Für unseren heutigen Termin habe ich die Schnecke eingeladen, okay?“

Sollte etwas davon verneint werden, geht es darum herauszufinden, was passieren müsste, damit der Klient einverstanden ist und was er braucht, um sich wohl und sicher zu fühlen. Damit zeigen wir ihm, dass er uns wichtig ist und wir ihn so akzeptieren und annehmen, wie er bei uns ist. Auch diesen Dialog kann man gut mit einer geschlossenen Frage, die bejaht wird, abschließen: „Dann machen wir es so, okay?“

  S wie spielerisch: Unsere Tiere fordern unsere kreative und verspielte Seite in uns heraus. In der Interaktion mit ihnen begegnen wir Kindern, Jugendlichen und Familien somit auf Augenhöhe und holen sie da ab, wo sie sich gerade in ihrer Entwicklung befinden. Spielerisch fordern wir sie heraus, ihre Stärken und Fähigkeiten zu entdecken, neue Verhaltensweisen zu trainieren und alternative Handlungsstrategien zu festigen. Intrafamiliäres Miteinander kann spielerisch entdeckt und überdacht werden. Und auch Erwachsene profitieren von der Begegnung mit Tieren, da das innere Kind in ihnen angesprochen wird und sie sich im Kontakt mit den Tieren authentisch und selbstwirksam erleben und so angenommen werden, wie sie sind. Das schafft Vertrauen und eine angenehme, einladende Atmosphäre.

  T wie tierisch: Im systemisch-tiergestützten Setting nutzen wir die Tiere und deren Eigenschaften und Fähigkeiten, um das Setting lebendig zu gestalten und die Klienten ganzheitlich anzusprechen. Tiere begegnen uns und kommunizieren mit uns nonverbal und auf einer anderen, einer analogen Ebene, als wir es in rein zwischenmenschlichen Interaktionen tun. Dies kann sehr wertvoll für den Beratungs- oder Therapieprozess sein, da wir so die Blickwinkel verändern, Muster aufbrechen und zu neuen zielorientierten Perspektiven anregen.

  I wie interaktiv: Tiere regen zur Kommunikation an. Systemische Beratung und Therapie basiert auf Gesprächen und Dialogen und beinhaltet viele interaktive Methoden, bei denen der Klient zur aktiven Mitarbeit und Mitgestaltung aufgefordert wird. Tiere schaffen einen gemeinsamen Fokus und bieten immer ein Gesprächsthema. Wir Systemiker beobachten unsere Tiere und die Interaktion mit uns und unseren Klienten. Die daraus gewonnenen Informationen und Interpretationen können wir in Form von Hypothesen unseren Klienten zur Verfügung stellen.

  E wie erdend: Tiere erden uns. Sie entschleunigen und lassen uns auf das Wesentliche besinnen. Sie führen uns zurück zu unseren Wurzeln und der Verbundenheit zur Natur und dem Leben im Einklang mit ihr. Sie können uns jedoch auch anregen, uns auf Explorationen einzulassen. Sie machen uns neugierig und mutig.

  R wie reflexiv: Unsere Tiere begegnen uns authentisch und helfen uns selbst dabei, authentischer zu sein. Sie laden uns ein, über uns selbst und unser Verhalten nachzudenken und vermeintlich negative Eigenschaften in einem anderen Licht zu betrachten. Sie reagieren stets prompt und ehrlich auf unser Verhalten und geben uns unmittelbar und direkt Rückmeldung dazu. Tiere bieten mit ihrer Vielfalt an Eigenschaften, Fähigkeiten und Besonderheiten nicht nur eine Projektionsfläche, sondern auch eine bunte Palette an Vergleichs- und Identifizierungsmöglichkeiten, die in der Ressourcenarbeit ungemein hilfreich sind und die Arbeit mit dem inneren Team einleiten können.

  E wie einladend: Der Wohlfühlfaktor wird sowohl im systemischen Kontext als auch im tiergestützten Setting großgeschrieben. Wir möchten unsere Klienten einladen. Daher liegt es uns am Herzen, eine besonders angenehme und einladende Atmosphäre zu schaffen. Wir holen uns stets das Einverständnis ein, bevor wir handeln. Wir fordern nicht auf, sondern laden ein – diesen Begriff nutzen wir tatsächlich auch in unserer Sprache: „Ich möchte Sie zu Beginn unserer heutigen Sitzung gerne einladen, einmal gemeinsam mit mir darüber nachzudenken, was sich seit unserem letzten Treffen verändert hat. Ist das okay, wenn wir so starten?“ Und auch in der Kommunikation mit unseren Tieren laden wir ein. Unsere Tiere haben stets die Wahl, mitzumachen oder nicht. Wir befehlen es ihnen nicht, sondern laden sie ein. Wenn sie nicht mitmachen, hat das einen guten Grund und ist okay!

Dies sind unsere SysTiere:

Abb. 1: Hühner

Hühner: Sie kommen sehr gut ohne uns Menschen zurecht. Sie sind nicht auf uns angewiesen. Hühner wissen, was sie brauchen, was gut für sie ist und sorgen selbst für sich und einen bedürfnisorientierten Tagesablauf – wenn man sie lässt und ihr Lebensumfeld natürlich so gestaltet, dass sie alle Möglichkeiten dazu haben. Hühner sind also Experten für sich selbst. Diese Grundhaltung aus dem systemischen und lösungsfokussierten Ansatz, jeder sei Experte für sich selbst (de Shazer/Dolan 2020), können wir von den Hühnern besonders gut lernen bzw. mit Hilfe der Hühner lebendig vermitteln. Ebenso die positive Sichtweise auf die Dinge und der grundlegende Gedanke, dass nie alles schlecht ist. Es gibt immer Ausnahmen, Momente, die zumindest ein bisschen weniger schlecht waren oder Phasen, in denen es etwas besser lief. Hühner sind äußerst gut darin, gezielt ein gutes Körnchen zu finden, sei es auch noch so klein. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen!

Abb. 2: Esel

Esel: Sie werden bzw. ihr Verhalten wird oftmals als stur fehlinterpretiert. Eigentlich verhalten sie sich sehr schlau, logisch und verhaltensökonomisch sinnvoll.

Ein Esel fragt immer nach dem guten Grund, etwas zu tun und wägt ab, welche Verhaltensreaktion vermutlich am Sinnvollsten wäre, bevor er handelt. Er überlegt, ob es sich für ihn lohnt, Energie aufzuwenden und wenn ja, wie viel davon. Dies entspricht der „Annahme des guten Grundes“ (Hemsoth 2021, 17), die die systemische Grundhaltung prägt, mit der Systemiker Klienten begegnen.

Abb. 3: Schweine

Schweine: Sie sind überaus intelligent und lernfreudig und können sehr geschickt sein, man könnte auch sagen clever. „Könnte es sein, dass du Futter für mich hast …?“ So würden Schweine uns begrüßen, wenn sie sprechen könnten. Sie fordern uns immer wieder freundlich, aber auch beharrlich auf, ihnen etwas zu geben. Auf die gleiche Art und Weise können wir im systemischen Kontext unsere Klienten zu neuen Sichtweisen anregen – stets freundlich, clever (kreativ) und mit einer gewissen Beharrlichkeit nach Futter – in unserem Fall Informationen – fragen, um die Hypothesen zu überprüfen. Systemiker arbeiten gerne damit, Hypothesen aufzustellen, um Verhalten, Handlungen und Systeme zu verstehen, Ressourcen zu finden und mögliche Lösungswege zu erarbeiten. Damit dies in der Gesprächsführung zielführend Anwendung finden kann, kommt es darauf an, clever zu fragen, anstatt Vorurteilen zu verfallen oder vermeintliche Behauptungen aufzustellen oder Aussagen zu treffen, die den Eindruck von Unterstellungen erwecken könnten, also lieber clever formulieren wie z. B. „Könnte es sein, dass …?“ Damit kann der Systemiker seine Hypothesen überprüfen und lässt dem Klienten genügend Freiraum, ggf. zu verneinen oder etwas richtig zu stellen. Zugleich regt eine offene und fragende Formulierung zum weiteren Nachdenken an.

Abb. 4: Meerschweinchen

Meerschweinchen: Sie leben in großen sozialen Gruppen zusammen. Viele Individuen bringen unterschiedliche Fähigkeiten mit, erfüllen jeweils eine wichtige Funktion im System. Sie ergänzen sich gegenseitig und stärken so das Gruppengefüge. Sie nutzen, neben ihrer Körpersprache, viele verschiedene Pfeif-, Fiep- und Brummtöne, um zu kommunizieren. Manche Meerschweinchen haben ständig etwas zu sagen und andere sind eher still. In jedem System sind verschiedenste Ressourcen vorhanden, die oft aber ungenutzt oder unentdeckt bleiben. Sowohl in uns selbst als auch innerhalb unseres Systems, in dem wir interagieren, werden wir beim genauen Hinsehen wertvolle Ressourcen finden, die uns helfen können. Systemische Interventionen sind ebenso wie tiergestützte Interventionen immer ressourcenorientiert. Somit ist die Frage „Wer oder was könnte hilfreich sein?“ eine ganz wesentliche im systemisch-tiergestützten Arbeiten.

Abb. 5: Schafe

Schafe: Sie sind Fluchttiere und leben im Herdenverband. Beide Tatsachen bringen Aspekte mit sich, die es ihnen ermöglichen, schnelle und effiziente Handlungsentscheidungen zu treffen, die ihnen das Überleben sichern. Schafe liefern eine schöne Veranschaulichung des systemischen Ansatzes – ähnlich wie ein Mobilé: Wenn sich ein Schaf in der Herde bewegt, es auf eine bestimmte Art und Weise agiert, löst dies Verhaltensreaktionen bei allen anderen Mitgliedern der Schafherde aus. Als Fluchttiere sind Schafe stets achtsam und halten sich für den Fall der Fälle möglichst viele (Flucht- und Handlungs-)Optionen offen: „Was wäre, wenn …?“ ist eine wesentliche Kernfrage in der systemischen, lösungs- und ressourcenorientierten Arbeit. Ebenso wie das genaue Ausmalen des Lösungsbildes. Schafe haben instinktiv Lösungen parat, um auf bestimmte Ereignisse zu reagieren. Dabei wird immer das Ziel im Auge behalten, sowohl das Ziel jedes einzelnen Individuums als auch das Ziel der gesamten Herde zur Aufrechterhaltung des funktionierenden Systems.

Abb. 6: Ziegen

Ziegen: Sie sind bekannt dafür, sehr neugierig zu sein, dabei recht forsch und oft auch ziemlich frech und hartnäckig. Dabei sind sie aber i. d. R. nicht aggressiv, sondern bleiben irgendwie charmant und bringen uns gelegentlich mit ihren Ideen zum Lachen. Genauso stellen Systemiker und lösungsfokussierte Berater ihren Klienten Fragen. Sie fragen neugierig und interessiert nach, möchten es ganz genau wissen und lassen es sich vom Klienten möglichst exakt beschreiben. Dabei ist eine der wahrscheinlich am häufigsten gestellte Frage: „Was noch?“ Der systemische Berater oder Therapeut bleibt hartnäckig, etwas frech, aber niemals unverschämt am Ball und oftmals auch mit einer gut dosierten Portion Humor.

Abb. 7: Hasen/Kaninchen

Hasen/Kaninchen: „Mein Name ist Hase – ich weiß von nichts!“ Diese Redewendung ist recht treffend für den Kern einer lösungsfokussierten Haltung. Natürlich arbeiten wir nicht mit Hasen, aber auf unsere Kaninchen trifft es gleichermaßen zu. Sie passen immer gut auf, beobachten ihre Umwelt genau und sind interessiert an dem, was um sie herum passiert. Dazu nehmen sie eine aufrechte, unaufdringliche, eher zurückhaltende, aber dennoch aktive Haltung ein. Ihre großen Ohren sind aufmerksam gespitzt, um alles Wesentliche aufzunehmen. Mit dieser Haltung begegnet der Systemiker seinen Klienten besonders wertschätzend, denn er würdigt das Problem und die bisher bewältigten Herausforderungen, ist ehrlich interessiert daran, mehr zu erfahren und offen für individuelle und kreative Lösungswege.

Abb. 8: Hunde

Hunde: Sie trainieren gerne mit ihren Menschen neue Fähigkeiten. Sie freuen sich, wenn sie mit ihrer Verhaltensstrategie erfolgreich waren und eine Belohnung bekommen. Ein Grundprinzip der klassischen Lerntheorie ist: Verhalten, das sich lohnt, wird häufiger gezeigt! Was so simpel klingt, ist – erst einmal bewusst gemacht und verstanden – eine unglaublich wertvolle Erkenntnis. Auch der systemische Ansatz verfolgt die Idee des Trainierens und Einübens von neuen Fähigkeiten, die für die Bewältigung des Problems hilfreich und nützlich sein könnten und bedient sich dabei einer im wahrsten Sinne des Wortes kinderleichtenHerangehensweise, nämlich dem So-tun-als-ob. Menschen, die so tun, als ob sie ihr Ziel bereits erreicht hätten, verhalten sich anders und werden entsprechende Reaktionen erhalten, die ihr Verhalten bestärken – d. h., es lohnt sich! Ebenso kann es bestärkend sein, hinzuschauen, was man bereits alles erreicht hat, und sich für kleine Schritte oder erreichte Teil-Ziele tatsächlich zu belohnen. Die kleinen Erfolgserlebnisse und somit die sich lohnenden Verhaltensänderungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Verhaltensänderung und die Motivation, selbst etwas dafür zu tun.

Abb. 9: Schnecken

Schnecken: Sie sind so vollkommen anders als wir, was unweigerlich Faszination bei uns auslöst. Sie scheinen in ihrer eigenen Welt zu leben, in ihrem eigenen Tempo. Schnecken sind soziale, in Gruppen lebende und friedliche Tiere. Sie können uns dabei helfen, die konstruktivistische Sichtweise zu veranschaulichen und sie verständlich und bewusst werden zu lassen: Die systemische Haltung basiert auf der Grundannahme des Konstruktivismus, dass es nicht die eine, allgemeingültige Wirklichkeit gibt, sondern dass wir uns unsere (gemeinsame) Wirklichkeit selbst schaffen und sie auch aktiv kreieren und mitgestalten können. Die Schnecke weist uns darauf hin, dass wir achtsam sein und uns Zeit nehmen sollen, die Dinge um uns herum wahrzunehmen und mit Achtsamkeit und Wertschätzung zu beobachten.

„Ich fragte eine Schnecke, warum sie so langsam wäre. Sie antwortete, dadurch hätte sie mehr Zeit, die Welt zu sehen“ (Reus o. A.).

Grundlagen des systemischen Ansatzes

Der systemische Ansatz oder auch die systemische Praxis ist nicht auf der Grundlage einer einzelnen Theorie zu verstehen. Vielmehr setzt sich die systemische Denkweise aus verschiedenen Theorien zusammen. Auf lange theoretische Ausführungen soll insgesamt verzichtet werden. Doch ganz ohne theoretischen Hintergrund kommen wir trotz der Praxisorientierung des systemischen Ansatzes leider – oder zum Glück – auch nicht aus. Denn die Arbeit auf der Grundlage systemischen Denken und Handelns beruht schließlich auf wissenschaftstheoretischen Erkenntnissen. Allen Theoretikern und wissenschaftlich Interessierten sei an dieser Stelle gesagt, dass sich ein Blick in das ausführliche Literaturverzeichnis lohnt, denn dort sind viele wertvolle Grundlagenwerke und auch weiterführende Literatur zu den in diesem Buch behandelten Themen zu finden.

Es geht in diesem Buch nicht um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den einzelnen Theorien und auch nicht um die Vermittlung von vertiefendem Wissen der Systemtheorie, sondern um eine kurzweilige, aber informative Einführung in die Thematik mit Bezug zur Tiergestützten Intervention. Ziel ist es, ein Verständnis des Begriffs systemisch zu vermitteln und eine Idee darüber zu erlangen, aus welchen guten Gründen sich der systemische Ansatz so sinnvoll mit der tiergestützten Arbeit verbinden lässt. Daher werden einige wesentliche Aspekte genauer beleuchtet, die aus Sicht vieler Praktiker und Fachkräfte so bedeutungsvoll für die TGI (Tiergestützte Intervention) sind.