Totschlagargumente für Anfänger - Mario Herger - E-Book

Totschlagargumente für Anfänger E-Book

Mario Herger

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Beschreibung

Ob Corona-Impfung oder Tempolimit, Erbschaftsteuer oder Aktienrente: Debattierfreudige Zeitgenossen finden in diesen Zeiten Themen en masse. Manche wollen wirklich debattieren, überzeugen und auch lernen. Andere sind da eher simpler gestrickt und erklären jeden, der nicht ihrer Meinung ist, für dumm, ungebildet oder einfach einen schlechten Menschen. Und eine dritte Spezies hat die Kunst des Totschlagarguments perfektioniert – und erstickt damit die meisten Diskussionen schnell in betretenem Schweigen. Floskeln von "Das haben wir schon immer so gemacht" bis hin zu "Das trifft wieder nur den kleinen Mann" begleiten uns zuhauf. Wie sie funktionieren, was man dagegen tun kann – und wie man sie im Notfall auch selber nutzt –, erklärt der Autor von "Sorry not sorry" augenzwinkernd in diesem Buch.

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Seitenzahl: 151

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DR. MARIO HERGER

Wie Sie erfolgreich jede Diskussion im Keim ersticken

Praxistaugliche Tipps

und Tricks des Autors von„Sorry not sorry“

Copyright 2022:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Gestaltung Cover: Timo Boethelt

Gestaltung und Satz: Timo Boethelt

Vorlektorat: Jana Siegemund

Korrektorat: Claus Rosenkranz

ISBN 978-3-86470-813-8eISBN 978-3-86470-814-5

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: [email protected]

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www.instagram.com/plassen_buchverlage

Für Sebastian, Darian und Gabriel.And for May Kou.

INHALT

Einleitung

Lernen von den Besten

Killerphrasen-Kategorien

Schrödingers Killerphrasen

Killerphrasen-Kunstgriffe

Eskalationsstufe I: Nicht darauf eingehen

Eskalationsstufe II: Verzögerungstaktiken

Eskalationsstufe III: Bleib sachlich und kritisiere die Idee

Eskalationsstufe IV: Führe Systemgründe an

Eskalationsstufe V: Lass Nebelgranaten steigen

Eskalationsstufe VI: Werde persönlich

Eskalationsstufe VII: Ohne Sachargumente geht es auch

Eskalationsstufe VIII: Appelliere an höhere Instanzen

Eskalationsstufe IX: Passive Aggressivität

Eskalationsstufe X: Atomschlag

Bonus-Kunstgriffe

Schlussplädoyer

Literatur und Referenzen

EINLEITUNG

Ein weiser Mann sagte einst, „Bienen verschwenden nicht ihre Zeit damit, Fliegen zu erklären, dass Honig besser schmeckt als Scheiße“.

Klimakrise, Überbevölkerung, Krieg, Hunger, Pandemie, Gendersternchen, Männerschnupfen. Schenkt man den Medien Glauben, dann sind das die größten Probleme der Menschheit. Das ist Pipifax! Diese Probleme, bis auf das letzte, sind keine. Sie sind das Ergebnis des Kerns des eigentlichen Problems, das wir in der vermeintlichen Flut an Problemen so leicht übersehen.

Fragen wir uns nämlich, warum wir vor diesen Krisen stehen, dann landen wir zumeist bei den falschen Antworten. Sind wir in all den Schlamassel durch Kohlekraftwerke geraten? Oder wegen furzenden Kühen, die unser unersättliches Verlangen nach billigem Schnitzel stillen? Oder weil wir in den sozialen Medien jede Zurückhaltung zu Grabe tragen und damit das letzte Bisschen Anstand zum Fenster hinauswerfen? Oder gar wegen der überhandnehmenden politischen Korrektheit, um weiblichen Wählern und sonstigen Sensibelchen ihre Stimmen abzuluchsen?

Papperlapapp! Alles nur Nebelgranaten. Um zu den Ursachen zu gelangen, müssen wir in Grundbegriffen denken, den sogenannten „ersten Prinzipien“. Schreiten wir die ganze Kette von der Klimakrise über Kohlekraftwerke zurück zu den Anfängen, dann enden wir bei einem Menschen, der einen Einfall hatte. Wir haben sie dem ersten Neandertaler zu verdanken, der nach einem Blitzeinschlag den brennenden Holzstock aufgesammelt hat und dem die Idee kam, ein Lagerfeuer zu machen. Die erste Idee – und jede weitere, die folgte. Das Stück Fleisch, das er darüber briet, brachte ihn auf die Idee, wilde Kühe zu zähmen. Das Ergebnis: flatulierende Rinderherden. Mit dem wärmenden Feuer in der Höhle kam er auf die Idee, sich der dicken Felljacken zu entledigen. Und was passiert, wenn diese urzeitlichen Nudistencamps zu viel Zeit haben? Die Menschheit vermehrte sich wie Covid unter Ungeimpften. Ein Wildwuchs an Problemen ist die Folge. Und all das wegen dieses einen Neandertalers, den ein Geistesblitz getroffen hatte.

Ideen liegen allem Übel zugrunde.

Vorschlag, Projekt, Einfall, Überlegung, Gedanke, Inspiration, Geistesblitz, Konzept, Vorhaben, göttlicher Fingerzeig: Ideen hüllen sich in unterschiedliche Mäntelchen, um uns zu überrumpeln. Wie auch immer sie sich kleiden, wir müssen sie erkennen und verhindern.

Zugegeben: Die überwiegende Mehrheit der Ideen erblickt nicht das Tageslicht und stirbt von selbst. Die meisten Ideen sind einfach dumm. Sie brauchen kein Zutun, um ihnen den Garaus zu machen. Selbst wenn, dann genügt zumeist ein einfaches „Nein“, um ihnen die Luft abzuschnüren. Doch gelegentlich kommt eine Idee durch, wie das eine Spermium zur Eizelle, und dann haben wir den Salat. Diese Idee hält sich nicht nur hartnäckig, sondern teilt sich zuerst in Debatten und dann in Aktivitäten auf, die wachsende Veränderungen bringen und uns letztendlich die großen Krisen aufdrängen, die unser Leben, unseren Planeten und vor allem unsere Ruhe gefährden.

Dieses Buch widmet sich genau diesen hartnäckigen Ideen und liefert Anleitungen, wie man ihnen die Luft abschnürt, die Kehle durchschneidet, die Halsschlagader rausreißt und das Herz durchbohrt. Damit ist aber nicht Genüge getan. Es muss vor den Augen derjenigen passieren, die die Idee hatten, um weitere Ideen im Voraus zu unterbinden. Die vorgestellten Kunstgriffe führen vor, wie Ideen und ihre Schöpfer öffentlich zermalmt werden können.

Das ist bitter notwendig. Es entstand in den letzten Jahren ein Kult, bei dem uns Start-up-Gründer, Hipster, Elon Musk und sonstige Scharlatane einreden wollen, dass Ideen und deren Umsetzung jedes Übel der Menschheit lösen werden. Der süße Sound der Schlangenzungen klingt betörend und zu viele ansonsten kluge Menschen verfallen ihnen regelmäßig, wie es auch schon bei Adam und Eva sowie Eva und der Schlange passierte.

Die Gefahr ist real, denn die Schlagworte „Innovation“ und „Disruption“ nisteten sich ein und werden als Quacksalber-Werte verkauft. Innovation hier, Disruption da. Heutzutage ist man selbst in Kochbüchern oder Kräuterpfarrer-Magazinen nicht mehr vor diesen Begriffen sicher. Die Hippies, Hipster und sonstigen Übermotivierten infiltrieren selbst altehrwürdige Institutionen und verblenden uns mit ihrer Ideologie, dass nur Änderungen gut seien und Althergebrachtes auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen sollte.

Die Menschheit war nicht immer so leichtgläubig. Im finsteren Mittelalter hatten die Stadtväter von Danzig den Klarblick: Sie verweigerten 1586 dem Erfinder des Bandwebstuhls nicht nur ein Patent auf seine Erfindung, sie verurteilten ihn sogleich zum (heimlich herbeigeführten) Tod durch Ertränken, weil sie Angst davor hatten, mit dieser Erfindung würden viele Handwerker arbeitslos gemacht werden1. In Hamburg ging man sogar so weit, dass die Räte einen Bandwebstuhl öffentlich verbrennen ließen.

Heute ist es nicht mehr der Bandwebstuhl, sondern Ideen, die sich in modernen Formen von Technologien manifestieren möchten. Der deutsch-amerikanische Investor und Philanthrop Nicolas Berggruen sagte2:

[…] es ist nicht die Technologie, die die Welt verändert hat; es sind die Ideen. Und hier ist die Frage, ob die Technologie, sagen wir soziale Netzwerke, wirklich Befähiger sind. Die Idee ist immer noch das Individuum. Und die Idee ist, den Zugang und die Stimmen zu demokratisieren, alle auf die gleiche Stufe zu stellen, aber ein paar Stimmen zu ermächtigen, wiederum aufgrund des Netzwerks. Es ist also dieser Tanz zwischen Technologie und Menschen und den Ideen. Am Ende müssen wir wissen, dass Technologie wirklich nur ein Werkzeug ist, auch wenn einige dieser Werkzeuge selbst zu potenziellen Agenten werden.

Es gibt eine Korrelation zwischen einer Idee und dem Ideenhaber: Der Wert einer Idee ist direkt proportional mit der Intelligenz desjenigen, dem die Idee eingefallen ist. Es wird zur absolut bedrohlichsten Gefahr für die Menschen, wenn man dumme Ideen auch noch dumm anwendet. Der bereits verstorbene Berkeley-Professor Carlo M. Cipolla beschäftigte sich mit Dummheit und definierte fünf Grundgesetze menschlicher Dummheit:3

1.Wir alle unterschätzen immer und unvermeidlich die Anzahl an dummen Personen unter uns.

2.Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Person dumm ist, ist unabhängig von anderen Eigenschaften dieser Person.

3.Eine dumme Person ist eine Person, die einer anderen Person oder Gruppen von Personen Schaden zufügt, ohne dabei selbst davon zu profitieren oder die dabei sogar selbst Schaden erleidet.

4.Nicht-dumme Personen unterschätzen immer die mögliche Schadensauswirkung von dummen Personen. Speziell nicht-dumme Personen vergessen jedes Mal, dass zu jeder Zeit, an jedem Ort und unter allen Umständen der Umgang und die Assoziation mit dummen Personen sich immer als teurer Fehler herausstellen wird.

5.Eine dumme Person ist der gefährlichste Typ von Person. Daraus folgt: Eine dumme Person ist gefährlicher als ein Bandit.

Wir sind somit geradezu verpflichtet, dumme Ideen von dummen Personen zu massakrieren. Wir bewahren die Menschheit und den Planeten vor schädlichen Auswirkungen. Wir sind die letzte Verteidigungslinie der Zivilisation. Von wem aber können wir lernen, wie wir Ideen abmurksen? Natürlich von den Besten.

Lernen von den Besten

Diskutieren Sie nie am Esstisch, denn derjenige, der keinen Hunger hat, bekommt immer die besten Möglichkeiten, seine Argumente vorzutragen.

Richard Whately

Entgegen der weit verbreiteten Meinung müssen wir uns nicht erst auf die beschwerliche Reise ins ferne China machen, um uns in einem entlegenen Bergkloster bei einem Shifu des Totschlagarguments in die Lehre zu begeben. Oder etwa nach Indien gehen, um einem barfüßigen Killerphrasen-Guru zu lauschen. Meistens reicht schon der Blick auf die andere Seite des Ehebetts. Welcher Frau wurde nicht schon mal der Wunsch nach einer neuen Designerhandtasche oder mehr Kuscheln durch ein verbales oder nonverbales Gegenargument des Partners vermiest? Oder einem Mann seine Freude auf den Herrenabend oder den flotten Dreier (ohne Gattin) aus dem Kopf getrieben?

Was, wenn niemand das Bett mit einem teilt? Auch den Singles kann geholfen werden. Einfach mal den Chef um eine Gehaltserhöhung bitten. Die Jüngeren können bei ihren Eltern um einen Taschengeldvorschuss anfragen. Umgekehrt trage man doch mal seinem Nachwuchs auf, den Müll runterzutragen. Solche Flausen im Kopf werden einem sehr rasch ausgetrieben.

Die dialektische Elite findet sich allerdings in den heimischen Ämtern. Das Repertoire, das das Kennerherz schneller schlagen lässt, reicht vom gekonnten Blick über den Brillenrand bis zum ständig griffbereiten Stempelset mit entsprechenden Zurückweisungen – von „Abgelehnt“, „Abgelaufen“, „Nicht zuständig“, „Füllen Sie zuerst mal das Formular dort aus“ über „Dafür sind wir nicht zuständig“ und „Nur zwischen den Amtszeiten“ bis hin zu „Zurück an den Start“. Kein Wunder, dass „Mensch ärgere Dich nicht“ ein deutsches Brettspiel ist.

Der öffentliche Diskurs scheint eine Renaissance der Vereinfachung zu erleben, wie wir es in den USA, Großbritannien, aber auch in Deutschland erleben. Corona zeigte deutlich, wie sich manche ohne Fakten ereiferten und die Diskussion kaperten. Auch in den USA brauchten die Medien fast vier Jahre, um die in rascher Abfolge von Trump ausgelegten falschen Fährten nicht einfach nur atemlos zu verfolgen, sondern halbwegs eine Strategie zu finden, wie man damit umgeht und die wesentlichen Fragen stellt. Österreich hat diese Erfahrung in den 90er-Jahren mit dem rechten FPÖ-Politiker Jörg Haider gemacht, der die „TTT-Methode“ meisterhaft anwandte. „Touch, Turn und Talk“: Eine gestellte Frage wird kurz berührt, indem man sie erwähnt und bewertet, dann ein anderes Thema anschneidet und nun hauptsächlich darüber spricht.4

Unter den besten Killerphrasen-Ninjas identifizierten Forscher unterschiedliche Typen, die bestimmte – der in den nächsten Kapiteln vorgestellten – Kunstgriffe besonders gern anwenden. Diese Typen können wir wie folgt einteilen:

Der Scharfschütze

Ein Typus, der aus dem Hintergrund durch scharfe Bemerkungen auffällt. Der Scharfschütze ist zumeist wenig sichtbar und oft still, aber im richtigen Moment macht er einen Kommentar, der Luftschlösser schlagartig in sich zusammenfallen lässt. Besonders effektiv ist der Scharfschütze, wenn das Ziel ein niedriges Selbstwertgefühl hat und unsicher ist.

Der Alleswisser

Der heißt nicht nur so, der weiß wirklich alles. Und das macht ihn für neue Ideen so gefährlich. Vor den Augen des Vorschlagenden zerlegt er jeden einzelnen Aspekt der Idee und führt Unmengen an Studien zu jedem davon an. Zu jeder vorgebrachten Studie hat er fünf Gegenstudien parat, jede Zahl wird durch Nachrechnen verifiziert. Dieser Typus ist allerdings sehr rar und muss gut gehätschelt werden, damit er seine volle Wirkung entfalten kann.

Der (vermeintliche) Besserwisser

Jemand, der versucht, sich wie ein Alleswisser zu verhalten, sich aber wegen fehlenden Wissens auf dünnes Eis begibt. Solch ein Totschläger hat nur bei ebenso wenig intellektuell begabten Ideenüberbringern eine Chance, sie zu besiegen. Streut er Zitate von berühmten Persönlichkeiten à la Steve Jobs ein, dann kann er seine Siegeschancen erhöhen.

Der Panzer

Sein Name geht auf die Art zurück, wie der Panzer auf andere Menschen zusteuert. Seinen ausgestreckten Arm hält er wie ein Kanonenrohr auf den Ideenüberbringer zeigend und bringt seine Totschlagargumente vor. Im Gegensatz zu den anderen Typen ist er primär nicht daran interessiert, eine Idee zu killen, sondern die Leute zum Arbeiten zu bewegen. Er ist meistens ein Chef.

Die Fassade

Dieser Typus ist von Angesicht zu Angesicht freundlich, gibt sich verständnisvoll und hilfsbereit, führt sein Tötungshandwerk aber hinter dem Rücken aus. Stets mit einem Lächeln auf den Lippen, ist er umso blutrünstiger, wenn er intrigiert.

Der Ahnungslose

Sich dämlich zu stellen und naiv nachzufragen hat schon so manchen Mörder zur Strecke gebracht und Ideen ertränkt. Man gibt sich blöde, ist es aber nicht. Man täuscht vor, die Idee nicht zu verstehen, hat ihre Gefahr aber sehr wohl verstanden und arbeitet bereits an den Gegenmaßnahmen. Der Ahnungslose wiegt den Ideenüberbringer durch seine gespielte Naivität in Sicherheit.

Der Unterbrecher

Seine Taktik ist es, ohne Rücksicht den eine Idee Vorschlagenden zu unterbrechen, ins Wort zu fallen oder abfällige Bemerkungen zu machen. Diese Taktik hilft, den Vortragenden zu verunsichern. Die ganz gewieften Unterbrecher kapern auch das Argument, indem sie den unterbrochenen Satz weiterführen und ihr eigenes Argument einbringen, das die Idee ad absurdum führt. Mit Regelmäßigkeit erlauben kann sich das nur ein Vorgesetzter, deshalb ist dieser Typus unter ihnen häufig anzutreffen.

Der Jammernde

Einer, der sich ständig lautstark darüber beklagt, dass diese Idee schon mal probiert wurde, dass sie so nicht funktionieren kann und generell vieles einen Eingriff in seine ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung bedeutet. Dieser Typus hat es in jahrelanger Kleinarbeit geschafft, dass seine Befindlichkeiten über alles gestellt und berücksichtigt werden.

Der Zyniker

Ein Typus, der ein Auge dafür hat, die vom Ideenhaber und der Idee ausgehende (unfreiwillige) Komik zu sehen, und das auch ohne Zögern die Umstehenden wissen lässt. Damit legt er für alle die Absurdität der Idee offen.

Killerphrasen-Kategorien

Der Philosoph späht eher nach dem Spatz auf dem Dach als nach der Taube in der Hand.

Reiner Klüting

Dieses Buch ist nicht das erste, das sich mit Totschlagargumenten beschäftigt. Schon die alten Griechen verfassten lange Traktate darüber, gefolgt von den Römern, die es den Griechen nachmachten. Auch Arthur Schopenhauer verfasste vor fast 200 Jahren das kleine, aber feine Büchlein „Eristische Dialektik oder Die Kunst, Recht zu behalten“.

Und wie es bei Philosophen üblich ist, erstellen sie Kategorien und erfinden griechische oder lateinische Namen für das Thema, mit dem sie sich beschäftigen. Keine Sorge: Sie müssen nun nicht Ihr Schullatein oder griechische Buchstaben aus den Untiefen der Erinnerung hervorkramen. Dafür haben wir Computer und Viren, die sie mit „Beta“-Software und „Delta“-Varianten für uns auffrischen. Ich möchte aber doch einige der Vollständigkeit halber nennen, bevor wir zu den mit vielen Beispielen bestückten Kunstgriffen kommen, die ich etwas anders, nämlich in Eskalationsstufen eingeteilt habe. Ich führe sie deshalb hier an, damit nachher niemand sagen kann, ich hätte an dieser Stelle mit einigen Killerphrasen spekuliert, die ich zuvor ausgelassen habe.

Das Ad-hominem-Argument nimmt keine Rücksicht auf sachliche Argumente, sondern attackiert direkt die Person aufgrund ihrer charakterlichen Eigenschaften.

Bei allem Respekt, du bist ein Trottel!

Beim Ad-ignorantiam-Argument gilt Nichtwissen nicht. Wir erklären eine These für richtig, weil sie bislang keiner widerlegen konnte, oder umgekehrt, wir erklären sie für falsch, weil sie bislang nicht bewiesen wurde.

„Gott ist tot“, sprach Nietzsche. Als Nietzsche starb, höhnte Gott: „Wer ist jetzt tot?“ – Manfred Schröder

Will man nicht ad hominem attackieren, führe man das Verhalten anderer – idealerweise Leuten wie dem rhetorischen Gegner – an, um deren Argument zu entkräften. Das nennt man Tu-quoque-Argument oder „auch du“. Kehre bitte vor deiner eigenen Tür.

Sie predigen Wasser und trinken Wein, das sollte allen eine Lehre sein.

Andere kann man nicht nur gegen, sondern auch für ein Argument heranziehen. Im Ad-populum-Argument legitimiert man sein Argument, indem man auf die zahlreichen anderen verweist, die es auch so machen oder dieser Meinung sind.

Esst mehr Scheiße! 100 Milliarden Fliegen können nicht irren!

Wenn unter den „anderen“ ein Prominenter herausgefischt wird, und damit das Argument Bestätigung erhalten kann, dann haben wir es mit einem Ad-verecundiam-Argument zu tun. Dieses „auf die Ehrfurcht“ bezogene Argument benötigt keinen Prominenten mit Fachwissen, Hauptsache prominent!

Was ein prominenter Dummkopf von sich gibt, gilt beim Volke allemal mehr als das, was ein unbekannter Gescheiter sagt.

– Waltraud Puzicha

Unter einem Falsches-Dilemma-Argument wird eine Auswahl verstanden, bei der es nur zwei Optionen gibt. Es gibt hier nur ein Schwarz-Weiß-Denken, keine Graustufen oder Farbschattierungen. Nur eine davon kann ausgeführt werden, die Möglichkeit anderer Optionen ist nicht denkbar.

Bevor wir zum Mars fliegen, sollten wir zuerst Männerschnupfen heilen.

Beim Strohmann-Argument gibt man vor, der Idee und den Argumenten des Gegenübers zu folgen. Man drückt sie dann in eigenen Worten aus, um sie einem fiktiven Gegner – nämlich dem Strohmann – zu erläutern, verfälscht und widerlegt dabei aber die Argumente in ihrem eigentlich gemeinten Sinn.

Alle Kreter lügen. Ich lüge, bin aber kein Kreter. Bumm, ich habe recht!

Will man Zusammenhänge konstruieren, die es so nicht gibt, die uns aber dabei helfen, eine Diskussion zu gewinnen, dann können wir uns auf das Post-hoc-ergo-propter-hoc-Argument verlassen.

Im Sommer machten wir Urlaub in einem Bauernhaus.

Zuerst sind drei Gänse gestorben, da gab es ein paar Tage nur Gans.

Dann ist ein Schwein gestorben, da gab es nur Schweinsbraten.

Später ist ein Rind gestorben, so gab es dann Schnitzel.

Und dann wurde die Großmutter krank, da bin ich dann gefahren.

– Karl Farkas und Ernst Waldbrunn, „Doppelconférence“

Für die Geschichtenerzähler unter meinen Lesern ist das Dammbruch-Argument ein hervorragendes Werkzeug, die eigene Fantasie voll auszuleben. Man macht die Mücke zum Elefanten, indem man die Idee des Gegenübers aufgreift und sich laut die Konsequenzen ausmalt, die mit jedem Schritt an Dramatik zunehmen.

Ich soll noch Milch einkaufen? In der klirrenden Kälte verkühl ich mich sicherlich und während ich nach einem Taschentuch suche, rutsche ich auf einer Eisplatte aus, breche mir das Bein und muss dort hilflos liegen bleiben. Selbst wenn ich mich zur nächsten Kreuzung retten kann, übersieht mich ein Auto, fährt über mich drüber, zerquetscht mir die Rippen, knackst mir die Schädeldecke an und ich ende auf der Intensivstation zuerst im Koma und dann im Leichenschauhaus. Und unsere Kinder wachsen ohne Vater auf, haben kein Geld, um ihre Ausbildung zu finanzieren und müssen mit minderbezahlten Gelegenheitsjobs auskommen. Und das alles nur, weil du Milch für deinen Kaffee wolltest. Ist das wirklich, was du willst?

Uff, jetzt aber zu Schrödingers Kätzch… Pardon … Killerphrasen. Was das ist, erfahren Sie nun.

Schrödingers Killerphrasen

Wie wir in den nächsten Kapiteln bemerken werden, stellen einige der Kunstgriffe Gegensatzpaare dar. Damit ist der Dualismus gemeint, der uns gelegentlich bei Sprichwörtern, Bauernweisheiten und moralischen Lehren aus Märchen unterkommt.

Gleich und gleich gesellt sich gern. vs. Gegensätze ziehen sich an.

Die rührende Austro-Twitter-Influencerin @Joanalistin verglich Aussagen konservativer Politiker zu Frauenarbeit und Familie und zeigte damit die Dualismus-Taktik bei Totschlagargumenten in der aktuellen Praxis auf: