Tränen des Kampfes - Brigitte Bardot - E-Book

Tränen des Kampfes E-Book

Brigitte Bardot

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Beschreibung

Zum ersten Mal erforscht Brigitte Bardot ihre sanfte und wilde Seite und erklärt viele der Entscheidungen, Inspirationen und Revolten, die ihr Leben geprägt haben.
Die Co-Autorin Anne-Cécile Huprelle und B.B. verstanden sich vom ersten Augenblick. Über Wochen trafen sie sich zur blauen Stunde in Saint Tropez. Die Aufzeichnungen sind ein letzter Rückblick auf ein bewegtes Leben, was von Ruhm und Glamour geprägt war und in dem Kampf für die Rechte der Tiere seine Erfüllung fand.

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Seitenzahl: 330

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Nagel & Kimche E-Book

 

Brigitte Bardot Anne-Cécile Huprelle

TRÄNEN DES KAMPFES

Autobiografie

Aus dem Französischen von Felix Mayer

 

Die Autorenrechte von Brigitte Bardot wurden der Fondation Brigitte Bardot übertragen:www.fondationbrigittebardot.fr

 

Ich widme dieses Buch all den Tieren, die mein Leben geteilt haben, und denen, die es noch immer teilen.

 

«Erst werden wir die kleinen, einfachen Dinge erledigen. Dann werden wir uns nach und nach den großen Dingen widmen, und wenn diese geschafft sind, wagen wir uns an das Unmögliche.»

Franz von Assisi

 

Vorwort

Die «blaue Stunde»

Die «blaue Stunde» ist dieser ganz besondere Moment, in dem der Tag sich der Nacht hingibt, und die Nacht noch dem Tag gehört. Während dieser flüchtigen Minuten neigt sich der Tag dem Ende zu, der Himmel färbt sich dunkelblau, und die Nacht ist noch nicht angebrochen. In dieser kurzen Zeitspanne zeigt sich die Natur von seltener Schönheit: Die Blumen verströmen einen Duft, der so intensiv ist wie sonst nie, die Vögel singen im Chor und finden anschließend zur Ruhe. Diese Zwischenzeit ist in ihrer Vergänglichkeit so wundervoll, dass es wert ist, den ganzen Tag zu warten, um sie dann, wenn der Abend naht, in all ihrer Fülle zu genießen. Denn diese Zeit liegt außerhalb der Zeit.

Während der blauen Stunde gerät die Natur in Wallung, frohlocken die Tiere, offenbart sich eine Wahrheit ohne Licht. Hat man sie erfasst, erhellt sich alles.

Die blaue Stunde auskosten: den Moment in seiner Flüchtigkeit erfassen.

Im Lauf der sieben Monate, die wir gemeinsam an diesem Buch gearbeitet haben, reihten sich, von Brigitte mit Leben erfüllt, zahlreiche solcher blauen Stunden aneinander. Diese Augenblicke entstanden, weil sie «nichts trägt außer einem Hauch Guerlain im Haar», durch ihre raumgreifende, irritierende und wehmütige Ausstrahlung, aber auch, weil Brigitte verstanden hatte, was ich von ihr erwartete.

Ich habe mich an sie herangepirscht wie an ein wildes Tier. Neugierig, vorsichtig und geduldig. Brigitte ist schwer zu greifen, ist mal Löwin, mal Hirschkuh. Das Buch sollte vor allem zeigen, wie vollkommen authentisch sie in ihrem Handeln ist, was sie zur Rebellion antreibt, wie sie sich mit ihrer Stiftung engagiert und wie sie dafür sorgt, dass diese weiterhin Bestand hat.

Ich schlug ihr vor, ein Buch über den Sinn ihres Kampfes zu schreiben, über ihr Leben mit Tieren und über das Vermächtnis, das sie hinterlassen wird. Ich sprach von ihrer Seele, von ihrer animalischen Natur, aber auch von einem Testament – ein Begriff, den sie zutiefst verabscheut. Ohne Vorbehalte nahm sie meinen Vorschlag an. Ich bot ihr an, für sie zu schreiben, was sie bis dahin stets abgelehnt hatte, und sie war einverstanden.

Brigitte besitzt ein untrügliches Gespür. Sie hat sofort verstanden, worum es mir ging und wie wichtig eine solche Darstellung ist, nicht nur hinsichtlich der Vergangenheit, sondern auch mit Blick auf die Zukunft. Dazwischen liegt ihr einsames, schlichtes und stilles Leben in der Gegenwart. Ich bot ihr meine Worte an, meine Gedanken und meine Sichtweise auf ihr Leben. Im Mittelpunkt unserer Gespräche stand Brigittes Kampf für die Tiere, und nach einer Weile schlichen sich hier und da Erinnerungen und Anekdoten aus ihrer ruhmreichen Vergangenheit ein, die verdeutlichten, dass ihr Engagement weit in die Zeit vor ihrem Abschied aus dem Filmgeschäft zurückreicht. Das drängende Bedürfnis, sich für Tiere einzusetzen, hatte sie schon seit jeher verspürt.

Jeden Sonntagnachmittag trafen wir uns und sprachen miteinander. Dabei ließen wir uns viel Zeit und gingen bedächtig vor. Nie zuvor hatte ihr jemand so viel Zeit gewidmet, was sie aber auch gezielt vermieden hatte, wahrscheinlich aus Angst, sich zu langweilen. Sie ist nämlich nicht nur ein Tier, sondern ihre Seele hat auch etwas Kindliches und sie langweilt sich sehr schnell. Wir haben diskutiert, gemeinsam Gedanken entwickelt, haben geatmet und geschwiegen.

Denn oft erfährt man am meisten über Brigitte, wenn man ihrem Atem und ihrem Schweigen lauscht. An der Zusammenarbeit mit Brigitte Bardot reizte mich die Aussicht auf einen langen Austausch mit ihr sowie die Möglichkeit, sie von all ihren Seiten kennenzulernen. So wie sie früher Gefangene ihres Körpers war, wird sie heute von ihrem impulsiven Wesen beherrscht. Ich habe versucht, in ihr Inneres vorzudringen, in das Untergründige, zu den Fundamenten ihrer Persönlichkeit. Dabei war ich weder auf der Jagd nach besonders prägnanten oder provokanten Aussagen, noch wollte ich ein Interview in Form eines offenen Schlagabtausches führen, wie es heutzutage zwar üblich ist, aber ganz und gar nicht dem privaten und oft diffusen Gebaren der Dame entspricht, die Brigitte geworden ist. Sie redet viel und antwortet meist sofort, weshalb wir unsere Gespräche von ihrem Esprit, ihrem regen und wachen Denken leiten ließen. Wo in ihrer Persönlichkeit verläuft die Grenze zwischen Mensch und Tier, wo entspringt das Tierische in ihr, wo nimmt das Menschliche seinen Anfang? Diesem Leitfaden folgten wir, und durch diese Fragen habe ich verstanden, welche Art von Frieden sie sucht, wenn sie, klug und zartfühlend, in ihr Inneres blickt.

Daher wird Brigitte Bardot auf den folgenden Seiten bisweilen nicht wiederzuerkennen sein. Denn diese bilden unsere gemeinsamen blauen Stunden ab, diese einzigartigen, knappen Momente tiefen Erlebens, in denen ich den Eindruck hatte, auf Tuchfühlung mit Brigittes innerstem Wesen zu sein. Wir haben dieses Buch nicht ohne Grund vierhändig geschrieben. Es erfordert Mut, im eigenen Inneren zu graben, verletzliche Stellen offenzulegen und Wunden nicht zu verbergen, und es erfordert Standhaftigkeit, Bilanz zu ziehen und das eigene Testament zu akzeptieren. Daher verspürte Brigitte oft das Bedürfnis nach einem Gegenüber, einem Spiegel oder jemandem, der ihr Trost spendete. Ich erfüllte diese Rolle. Unsere Beziehungen zu anderen Lebewesen sagen sehr viel über uns aus. Und als die Arbeit zu Ende ging, fühlten wir uns wie Waisenkinder, weil wir der gemeinsam verbrachten, wie aus der Zeit gefallenen Momente beraubt waren.

Wir erhaschten die flüchtigen Momente, das Schauspiel des Herbstes, die Zeit des Aufschubs, die Erholungspause vor der Neuschöpfung. Von einer Ecke des großen Wohnzimmers in La Madrague aus konnte ich Brigitte beobachten, wie sie sich noch immer sinnlich und wie ein Luftgeist bewegt. Ich betrachtete sie in ihrer Anmut und erkannte, dass diese Schauspielerin immer Tänzerin geblieben ist, dass sie als Frau vor allem ein Wildtier ist und man sie als solches begreifen muss.

Wir erhaschten die flüchtigen Momente, die verfliegen wie das Bonmot aus ihrem Mund, das noch immer gültig ist: «Man wechselt die Liebhaber, niemals jedoch das Parfüm», oder wie die entwaffnende Offenheit, mit der sie darüber spricht, dass ihr früher jeder mütterliche Instinkt gefehlt hat. Als sie mich eines Tages fragte, ob ich für meine Kinder einen solchen Instinkt verspüre, antwortete ich, dass er uns nicht angeboren ist, sondern wir ihn erwerben, aufbauen und erlernen müssen, und dass sie dazu einfach nicht die Gelegenheit gehabt hatte. Als wir uns verabschiedeten, bedankte sie sich für diese Worte und meinte: «Dann war ich also vielleicht doch nicht durch und durch ein Monster …»

Wir erhaschten die flüchtigen Momente, die stets zu intensiv sind, zu kurz, zu schön. Wir erhaschten die wortlosen Momente und verwandelten sie in ein Buch. Ich durfte die blaue Stunde dieses zartfühlenden, nachdenklichen und wilden Tieres miterleben, für eine Weile aus meinem eigenen Leben ausscheren, um die Essenz von Brigittes Leben ins Licht zu rücken, um dem Schweigen Worte an die Seite zu stellen, eins mit der Natur zu werden und nach dem Himmel zu greifen.

Die blaue Stunde ist ein Anfang, und sie ist ein Ende. Sie birgt die Möglichkeit der Erneuerung. Sie ist nicht mehr Morgengrauen, doch auch noch nicht Abenddämmerung.

Anne-Cécile HuprelleToulon, 7. November 2017

 

1. Der Sinn meines Kampfes

Der Sinn meines Lebens

Ich gehöre nicht zur menschlichen Gattung. Ich will nicht zu ihr gehören. Ich fühle mich andersartig, fast anormal. Solange Tiere als minderwertige Arten gelten, solange wir ihnen auf so vielfältige Weise Schmerz und Leid zufügen, sie zu unserem Nutzen, zu unserer Unterhaltung und zu unserem Vergnügen töten, kann und will ich einer so anmaßenden und blutrünstigen Gattung nicht angehören. Abgesehen davon habe ich mich ihr noch nie besonders nahe gefühlt, ganz im Gegenteil.

Mit den meisten Menschen verbindet mich kaum etwas, mit einigen bestimmten dagegen umso mehr. Wenige Male in meinem Leben bin ich Menschen begegnet, mit denen ich auf derselben Wellenlänge lag und an denen ich einen aufrührerischen Geist und einen Weltekel entdeckte, wie auch ich sie in mir trage. Meist jedoch finde ich mich in unserer Welt nicht wieder, die von Erfolgsstreben, Oberflächlichkeit und Konkurrenzdenken geprägt ist und in der es an Tiefe und Offenherzigkeit in Gefühlsdingen mangelt.

Ich bin mir bewusst, dass ich früher selbst ein oberflächliches Leben geführt habe. Und ich stehe dazu. Aber ich war in dieser Zeit sehr unglücklich. Obwohl ich mir immer größte Mühe gab, fand ich mich in dieser Art zu leben nie wirklich zurecht. Mein Leben war unvergleichlich, oft boulevardesk, manchmal weltläufig. Doch im Grunde entsprach mir das nicht. Nie war ich so sehr im Reinen mit mir wie heute, wo ich fast ganz allein in La Madrague lebe. Diese Art zu leben, schlicht und im Einklang mit der Natur, hat mich schon immer angezogen.

Mein erster Lebensabschnitt gleicht einem Entwurf meines gesamten Daseins, er enthält im Kern alles, was mein heutiges Leben ausmacht. Schon als Jugendliche und während meiner Zeit beim Film fühlte ich mich stets zu Tieren hingezogen, war empfindsam für ihr Wohlergehen in der Gegenwart und sorgte mich um ihre Zukunft. So weit meine Erinnerung zurückreicht, besaß ich stets die untrügliche Gewissheit, dass der Mensch die Tiere schützen sollte und nicht, wie ich es überall erlebte, misshandeln.

Heute kann ich sagen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, als ich 1973 das Filmgeschäft verließ und mich Tag und Nacht dem Aufbau einer Tierschutzorganisation widmete. Diese Entscheidung hat mir so manches erspart, was ich später bereut hätte, und sie hat mich in vielerlei Hinsicht bereichert. Ich habe außergewöhnliche Menschen wie etwa den Dalai Lama getroffen, aber auch andere sehr kluge Menschen, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen und denen ich viel verdanke. Menschen, die dem Humanismus verpflichtet sind und die in Schönheit und Schlichtheit im Einklang mit der Natur leben. Oft hatte ich auch berührende Begegnungen mit Menschen, deren Denken mystisch geprägt war und deren Handeln weit über nur spirituelles Wirken hinausging. Von ihnen habe ich gelernt, dass die Welt unermesslich groß und voller Wunder ist und wir uns nicht anmaßen dürfen, engstirnig mit ihr um-zugehen.

Im zweiten Lebensabschnitt fand ich dann, durch Begegnungen und Entscheidungen, die ich traf, die Antworten auf die Fragen, die ich mir bis dahin gestellt hatte. Die Triebfedern meines Handelns in dieser Zeit waren immer die Sorge um das Wohl der Tiere und das Streben nach Weitsicht. Ich sagte mir stets, dass das Leben keinesfalls so belanglos sein konnte, wie es sich mir darbot. Belanglosigkeit war mir schon immer ein Gräuel. Zugegeben, ich war der Inbegriff der Frivolität, ich amüsierte mich, spielte, sang, tanzte, liebte … Ich lebte mein Leben, war mir aber immer der Bedeutung gewisser Dinge bewusst. Mein Leben beruhte nie auf Oberflächlichkeit, ganz im Gegenteil, es war stets von einem gewissen Ernst bestimmt. Meine Umgebung beobachtete ich mit äußerst kritischem Blick. Der Eindruck, ich hätte meinen Spaß, täuschte oft.

Daher hat die grundlegende Entscheidung, die ich im Frühjahr 1973 mit achtunddreißig Jahren traf, selbst die Menschen überrascht, die mich gut kannten. Auch der Mann, mit dem ich damals zusammenlebte, hielt sie für eine bloße Laune. Viele meinten, ich handele nur aus Trotz, und prophezeiten mir, nach drei Tagen hätte ich meine Meinung wieder geändert. Die Menschen, die mir am nächsten standen, erlebten damals die Geradlinigkeit, die mich seit jeher kennzeichnet, in einem sehr persönlichen Zusammenhang, aber nur wenige unter ihnen konnten sie wirklich erkennen – nur diejenigen, die mein Anliegen teilten. Meine Freunde, meine Liebhaber und meine Eltern waren häufig nicht auf derselben Wellenlänge wie ich. Sie taten meine Ansichten als bloße Ausbrüche von Gefühlsduselei ab, mit denen es früher oder später wieder vorbei wäre. Daher habe ich mich immer zu Persönlichkeiten hingezogen gefühlt, die Tiefgang besitzen und deren Introvertiertheit es ihnen ermöglicht, das Licht der Öffentlichkeit zu fliehen – auch wenn sie Berühmtheiten sind – und sich ins Private und Verborgene zurückzuziehen.

Mitgefühl

Warum führe ich diesen Kampf? Wahrscheinlich aus Mitgefühl, und weil ich Antworten auf die Fragen suche, die mich mein Leben lang beschäftigen: «Wer bin ich, wer soll ich nach Ansicht der anderen sein, und wer will ich sein?» Als ich eine junge Frau war, erzählte mir Roger Vadim, wie es in den Schlachthöfen zuging, wobei er vermutlich vieles beschönigte, um mich nicht zu schockieren. Er erzählte mir, wie man die Tiere dort umbrachte, dass ausgewachsene Rinder oft lange mit dem Tod rangen und dass die Schweine um sich traten. Ich war damals unfassbar naiv und glaubte, die Tiere würden mit einem einzigen Schuss umgebracht und wären auf der Stelle tot. Ich wusste nichts über die verschiedenen Arten der Schlachtung, dass man die Tiere ausbluten ließ und sie lange Todeskämpfe durchmachten. Vadim öffnete mir auch die Augen hinsichtlich der Bedingungen, unter denen Tiere in Zoos gehalten werden. Mit der Zeit stellten sich mir immer mehr Fragen. Ich habe mich schon immer zu Tieren hingezogen gefühlt, und Vadim erzählte mir Geschichten, so wie man Kindern Geschichten erzählt. Er sagte, die Menschen würden nicht dafür sorgen, dass Tiere ein glückliches Leben hätten, und sie sogar misshandeln. In seiner Rolle als Ehemann spielte er zuweilen mit meiner Unbedarftheit. Er behauptete sogar, dass Ratten Eier legten …

Später war es mein Freund Jean-Paul Steiger, der Gründer des Club des Jeunes Amis des Animaux, der Vereinigung junger Tierfreunde, der mich wachrüttelte, was den abscheulichen Umgang mit Tieren in Schlachthöfen betraf. Anfang der 60er-Jahre arbeitete er einige Tage lang in einem Schlachthof. Dabei bekam er Unbeschreibliches zu Gesicht: ein widerwärtiges Abschlachten, bei dem die Tiere mit maßloser Grausamkeit behandelt wurden, sowohl wenn sie noch lebten, als auch im Todeskampf, der oft mehrere Minuten dauerte. Über fünfzig Jahre vor den schockierenden Kampagnen der Tierschutzvereinigung L214 machte Steiger mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, Fotos vom Alltag in den Schlachthöfen. Angesichts dieser Bilder packte mich das blanke Entsetzen. Ich musste etwas unternehmen. Das war 1962. In meiner Eigenschaft als öffentliche Person ging ich in die Fernsehsendung «Cinq colonnes à la une», um die mittelalterliche Methode anzuprangern, bei der man Kälbern, Schafen und anderen Tieren die Kehle durchtrennt und sie dann langsam ausbluten lässt, was den Tieren unvorstellbare Schmerzen bereitet. Ich war ganz krank vor Angst und Lampenfieber. Damals war ich noch nicht in einer Organisation engagiert, sondern eine Schauspielerin, ein Filmstar, und mein Handeln stützte sich nur auf meinen Willen zur Revolte. Voller Furcht und mit der ganzen Autorität meiner achtundzwanzig Jahre erklärte ich zwei «Schlächtern», dass es besser war, wenn die Tiere vor dem Ausbluten das Bewusstsein verloren, etwa durch einen Bolzenschuss in den Schädel. Ich erwähnte auch die Möglichkeit, die Tiere durch Gas zu töten. Später brachte ich dieselben Argumente beim damaligen Innenminister Roger Frey vor. Als ich die mit Gold verzierten Räume des Ministeriums betrat, hatte ich einen Elektroschocker dabei. Es war die Hochphase der OAS, und die Sicherheitskräfte glaubten, ich wolle einen Anschlag verüben … Wie viele andere Tierschützer wollte ich erreichen, dass ein Dekret erlassen wurde, das die Schlachtung ohne vorhergehende Betäubung untersagte. Im April 1964 war es dann so weit, und der verabschiedete Text schrieb vor, dass nur betäubte Tiere abgestochen werden durften.

Dieser Erfolg war jedoch leider nur von kurzer Dauer. Weil der höllische Arbeitsrhythmus, dem diese Schlachtfabriken heutzutage unterworfen sind, es nicht erlaubt, sorgfältig Tier für Tier vorzugehen, werden die Tiere wie am Fließband im Minutentakt getötet, und in Rekordzeit schneidet man ihnen die Köpfe ab, reißt ihnen die Pfoten ab, schlitzt ihnen die Bäuche auf und nimmt sie aus. Die Schlachter müssen so schnell arbeiten, dass sie kaum hinterherkommen, weshalb sie früher oder später aus den Augen verlieren, welche Qualen sie den Tieren mit ihrer Arbeit zufügen.

Mitarbeiter meiner Stiftung, die regelmäßig Schlachthöfe besuchen, haben mir berichtet, dass die Pistolen, mit denen die Rinder getötet werden, oft defekt sind, so wie auch die Elektroschockgeräte, mit denen Schafe betäubt werden. Die Abläufe in der modernen Schlachtindustrie sind bekanntlich nach dem Vorbild der Autoindustrie organisiert. Nur dass es hier nicht um Karosserien und Motoren geht, sondern um Lebewesen.

Der Mensch, dieses kleine, unbedeutende Nichts

Ich bin sehr empfänglich für die Vorstellung von Transzendenz, von dem, was über unsere Welt hinausreicht. Ich bin mir stets der Tatsache bewusst, dass wir Teil eines großen Ganzen sind. Die Natur, unser Planet Erde und das Weltall bilden eine zusammengehörige Einheit. Mein Denken geht über das Alltägliche hinaus, und ich weiß zwar, dass das Universum auch aus schwarzen Löchern besteht, dass es unendlich und leer ist, aber all das macht mir keine Angst. Vielmehr macht es mir Angst, ein Teil der Menschheit zu sein. Man hat mir oft vorgeworfen, ich verachtete die Menschen, dabei fehlt mir einfach nur jede Wertschätzung für Leute, die sich nur mit sich selbst beschäftigen, die engstirnig sind, narzisstisch oder arrogant. Ich verachte den Menschen, wenn er sich verleugnet und sich weigert, seine Ursprünge und das, was ihn seinem Wesen nach ausmacht, anzuerkennen.

In der Unendlichkeit des Universums sind wir Menschen nichts. Ich bin sicher, wenn wir uns morgens beim Aufstehen als Erstes diese Tatsache vor Augen führen würden, bliebe uns so manche Unannehmlichkeit erspart. Ich fliege nicht gern und habe immer versucht, Reisen mit dem Flugzeug zu vermeiden. Doch jedes Mal, wenn ich durch die Lüfte schwebte, war ich verblüfft, wie winzig wir sind. Von dort oben aus gesehen sind wir Menschen nichts, nicht mehr als Ameisen oder Sandkörner.

Vermutlich rührt daher auch meine Faszination für das Weltall. Sterne, Planeten und Monde beeinflussen uns auf ganzer Linie. Der Mond bestimmt die Gezeiten und die Regel der Frauen, und wenn Vollmond herrscht, wirkt sich das manchmal auf unser Befinden und das Verhalten bestimmter Tiere aus. Vom Himmel gehen Strahlungen aus, ob man das nun anerkennt oder nicht. Das Universum erfüllt eine Funktion: Jedes Element in der Unendlichkeit des Alls übt seinen Einfluss auf unsere Erde aus. Bei jeder Geburt eines Menschen hinterlässt der Reigen der Sterne seine Prägung. In dem Moment, in dem wir auf die Welt kommen, wandern Planeten über das Firmament, manche unter ihnen im Einklang miteinander, andere nicht, und die Schwingungen, die genau in diesem Augenblick von ihnen ausgehen, schreiben sich für immer in uns ein. Zeit meines Lebens war ich überzeugt, dass die Astrologie mit ihren Geburtshoroskopen sehr präzise Aussagen über uns trifft. Ich meine hier nicht die Sternzeichenhoroskope in den Zeitschriften, sondern die Astrologie, die Grundlegendes beschreibt. In meinen Memoiren habe ich davon erzählt, wie einmal eine Zigeunerin in einem Bistro die Hände meines Vaters nahm und ihm voraussagte, dass sein Name jenseits des Atlantiks und auf der ganzen Welt berühmt würde. Er glaubte damals, in den Bardot-Fabriken würde sich ein Unglück ereignen. Als ich elf Jahre alt war, gab meine Mutter bei einer Koryphäe der Astrologie, einem gewissen Raps, ein Geburtshoroskop in Auftrag. Dieser prophezeite, ich würde in einem künstlerischen Metier weltberühmt. Weil ich damals sehr viel tanzte, glaubte meine Mutter, ich würde eine Primaballerina. Raps sagte mir auch ein äußerst bewegtes und sehr chaotisches Leben voraus. So kam es dann auch. Mein Leben war nie ein langer, ruhiger Fluss …

Ich galt lange Zeit als einer der größten Filmstars der Welt, und bin aber doch nichts. Diese Tatsache habe ich immer sehr klar gesehen. Trotz meiner außergewöhnlichen Stellung bin ich nichts. Dieser realistische Blick gründet auf den Erfahrungen, die ich mit dem Leben und seiner Zerbrechlichkeit gemacht habe. Als mein Vater 1975 im Sterben lag und ich ihm tage- und nächtelang nicht von der Seite wich, habe ich gelernt, dass die Eitelkeit des Menschen zu nichts führt. Als mein geliebter Pilou, der noch wenige Monate zuvor so wachsam und eine so poetische Seele 1 gewesen war, das Leben aushauchte, wurde mir klar, dass es sinnlos ist, in etwas anderem Halt zu suchen als in der reinen Liebe.

Alle Regierenden dieser Welt, alle Entscheidungsträger werden eines Tages sterben. Sie werden verwesen und wieder zu Staub werden. Es ist erstaunlich, wie wir in der kurzen Zeit, die wir auf dieser Erde verbringen, fortwährend verdrängen, dass wir alle jämmerlich sterben werden. Menschen mit großer Machtfülle sowie Stars glauben oft, sie würden ewig leben. Ich selbst habe meinen Ruhm nie begriffen, und genau das hat mich gerettet. Noch heute spricht man über mich, und ich verstehe nicht, warum. Dass Fotos von mir kursieren und Statuen errichtet werden, interessiert mich nicht. Viel wichtiger wäre mir, dass der Verzehr von Pferdefleisch verboten wird, oder dass Tiere, die auf unseren Tellern landen, nicht mehr bei lebendigem Leib abgestochen werden dürfen. Das ist wie mit dem Orden der Ehrenlegion, den ich nie entgegengenommen habe.

Mein Traum ist der Rückzug in die vollkommene Anonymität. Ich fühle mich als Gefangene meiner selbst. Aber so geht es ja wohl den meisten berühmten Menschen. Und wenn ich mich nun darauf einlasse, über mich zu sprechen, auch über sehr Persönliches, wenn ich einwillige, dass dieses letzte Buch unter meinem Namen veröffentlicht wird, dann aus einem bestimmten Grund: Ich muss es tun, um jede Mehrdeutigkeit in Hinsicht auf mein Leben und meine Absichten zu beseitigen, ich will aufrichtig sein und Klarheit schaffen. Ich will unmissverständlich darlegen, warum ich diesen Kampf führe, und unermüdlich aufzeigen, welchen Platz wir den Tieren einräumen müssen.

Egoismus und Narzissmus

Angesichts der Tatsache, dass wir ein Nichts sind und das Leben so kurz ist, sollten wir alle unser Dasein nutzen, um den Zustand der Natur zu verbessern und den tierischen und menschlichen Lebewesen ihr Schicksal zu erleichtern. Selbst die Fortpflanzung entspringt einem egoistischen Bedürfnis, wenn man dabei nicht an das «große Ganze» denkt, von dem wir alle ein Teil sind. Ich wünsche mir, dass wir im Leben Maß halten und uns dabei die Beschränktheit unserer Ressourcen bewusst machen, unsere Gier zügeln und unsere Gewohnheiten anpassen. Die Grenzen sind längst erreicht: Die Natur stirbt, die Umweltverschmutzung nimmt zu, Lebensräume werden ausgebeutet und gehen zugrunde, immer mehr Tierarten sterben aus. Durch sein egozentrisches Denken zerstört der Mensch sich selbst.

Tag für Tag sehen wir diese Katastrophe mit an, und wie mir scheint, regt sich bei niemandem Widerstand. Oder es sind nur wenige, vereinzelte Menschen, die sich dieser Zustände bewusst sind. Mit jedem Tag schreitet das Massaker an den noch verbliebenen Elefanten voran, wodurch die Ausrottung dieser Tiere unmittelbar bevorsteht. Eigentlich müsste die gesamte Welt aufbegehren und gegen diese drohende Auslöschung einer ganzen Art kämpfen. Auch Giraffen, Löwen und Nashörner sind in Gefahr, und wir müssten Soldaten und ganze Armeen schicken, nicht um anzugreifen, sondern um Leben zu retten. Hat das Leben eines Tieres einen Wert? Wenn man die Leute auf der Straße danach fragt, antworten sie mit «Ja» und meinen das auch so. Aber solange sich nicht eine größere Gruppe engagiert, engagiert sich niemand. Die Menschen sind nun einmal tierischer Natur – sie laufen mit der Herde.

Der Mensch ist im Grunde seines Wesens egoistisch. Die meisten Leute reagieren erst, wenn ein Ereignis sie direkt betrifft: ein Streik, die Verlagerung des Firmensitzes, der Verlust des Arbeitsplatzes, Einschränkungen im Alltag. In diesen Fällen gehen die Leute auf die Straße, aber nicht, um für das Überleben von Elefanten oder anderer Tierarten zu kämpfen. Ich will, dass die Menschen sich empören, ihre Bequemlichkeit ablegen, ihre Nabelschau beenden und nicht mehr nur an den Gaszähler und die Waschmaschine denken.

Während meiner Zeit als Schauspielerin war mir nichts unerträglicher als das Licht der Öffentlichkeit. Die ständige Aufmerksamkeit, die auf meine schmächtige Erscheinung gerichtet war, fraß mich von innen her auf. Nichts liegt meiner Natur ferner als Narzissmus. Ich fand es furchtbar, wenn ich zu Filmpremieren gehen musste, bei denen sämtliche Scheinwerfer auf mich gerichtet waren. Wenn ich überlegte, ob ich hingehen sollte oder nicht, gab mir meine Agentin einen Tritt in den Hintern. Der Kult um meine Person und dieses Leben, in dem es immer nur um mich ging, nahmen mir die Luft zum Atmen. Lange Zeit habe ich mich dagegen gesperrt, dass ich bewundert wurde, berühmt war, mir durch ein paar Filme oder das Bild der modernen Frau, das ich für manche verkörperte, Anerkennung verschafft hatte.

Die zweite Hälfte meines Lebens war für mich eine Befreiung. Ich erlebte, dass meine Berühmtheit zu etwas nutze war und ich während meines Aufenthaltes auf dieser Erde das Leid einiger Tiere lindern konnte. Egoismus ist grausam. Wenn man nur sich selbst im Blick hat – warum sollte man da den gedeihlichen Umgang mit anderen suchen?

Grausamkeit

Ende der 60er-Jahre begann ich, mich ernsthaft um das Wohlergehen der Tiere zu sorgen. Ich empfand die Art, wie wir mit ihnen umgehen, als ungerecht, musste jedoch feststellen, dass das niemanden kümmerte. Ich war empört, weil ich zu hören bekam, Tiere zu töten sei unumgänglich, und ich solle mich lieber gar nicht damit beschäftigen. Damals wie heute galt die Nutzung von Tieren als der effizienteste Weg, den wir haben, um uns zu ernähren, zu amüsieren, zu kleiden … Tiere zu töten, Tag für Tag, in milliardenfacher Zahl, galt als völlig normal.

Hinzu kommt die sinnlose Grausamkeit. Oft habe ich mich gefragt, worin Gewalt, Bösartigkeit und Grausamkeit ihren Ursprung haben. Der Mensch ist das einzige Raubtier, das mit anderen Tieren auf so widernatürliche und grausame Weise umgeht. Gewalt dient hier nur einem Zweck: das andere Wesen zu besitzen, zu benutzen oder zu vernichten.

Im Internet finden sich zuhauf Bilder, die grausames Verhalten gegenüber Tieren zeigen. Was dort zu sehen ist, ist blanker Sadismus. Eine Krankheit. Wie kann ein normal empfindendes Wesen Freude daran haben, ein wehrloses Tier zu überwältigen und es zu quälen? Aber auch andere, perfidere Formen grausamen Verhaltens gegenüber Tieren bereiten mir Entsetzen: solche, die in der Tradition wurzeln oder in der Industrie und in Laboren an der Tagesordnung sind.

Der «traditionsreiche» Stierkampf ist nichts anderes als ein grässliches, blutrünstiges und schmerzensreiches Schauspiel der Agonie, des Leidens und des Todes. Die Spieße im Widerrist des Stieres, die banderillas, stammen dabei nicht von einem sadistischen Einzeltäter, sondern sind Teil eines Schauspiels, eines niederträchtigen Rituals. Der Stier hat scheinbar die Möglichkeit, sich zu retten, und falls ihm das nicht gelingt, stirbt er einen «würdevollen» Tod … und das Publikum ergötzt sich an der Grausamkeit.

Diese geduldete Grausamkeit findet sich auch in der Massentierhaltung. Männliche Küken etwa werden lebendig geschreddert, weil sie weder Eier legen noch die Qualitäten von Hennen besitzen, die wegen ihres Fleisches gezüchtet werden. Schweinen werden bei lebendigem Leib die Schwänze kupiert und die Zähne abgefeilt. Küken werden verstümmelt, ihnen wird mit einer glühenden Klinge der Schnabel gekürzt, um zu vermeiden, dass sie ihre Exkremente fressen oder die Kadaver ihrer Artgenossen anpicken, die tot zu ihren Füßen liegen, in Legebatterien, in denen Tausende Tiere zusammengepfercht werden.

Und was in Tierversuchslaboren vor sich geht, ließe den abgefeimtesten Serienmörder erschaudern. Die Misshandlungen, denen Hunde, Katzen, Affen und Nagetiere dort ausgesetzt sind, übersteigen jede Vorstellungskraft. Dass die dort begangenen Grausamkeiten nicht, wie oft behauptet wird, «unumgänglich» sind, werde ich in dem Abschnitt über Tierversuche darlegen.

Wer sich um das Wohlergehen der Tiere sorgt, muss mit langen schlaflosen Nächten rechnen. Bilder ziehen vor dem geistigen Auge vorüber, man hört Schreie. Ich habe tränenreiche Momente schlimmsten Grauens erlebt, in denen mich vor allem eine Frage beschäftigt hat: Wer sind diese kaltherzigen und raffgierigen Roboter, die die Befehle ihrer Auftraggeber ausführen, und was empfinden sie dabei? Vermutlich fühlen sie sich der entsetzlichen Verbrechen, die sie begehen, gar nicht schuldig. Sie sagen sich, dass sie nur den Anweisungen folgen, und vermeiden so, sich moralische Fragen zu stellen und Schuldgefühle zu entwickeln. Kürzlich habe ich gelesen, dass es bei den meisten Menschen das Gemüt beruhigt, wenn sie sich Regeln oder Ideologien unterwerfen. So verhindern sie, dass sie ins Nachdenken geraten und sich isoliert fühlen, sollten sie plötzlich den Drang verspüren, aufzubegehren.

Die Industrialisierung und die Globalisierung der Grausamkeit betäuben das Gewissen der Menschen und vernichten das Leben der Tiere. Tiere werden nur noch als Objekte angesehen, als Automaten, und nicht mehr als lebende Wesen. Daher zolle ich allen Tierschützern Respekt, was auch immer sie zu ihrem Handeln bewegt. Denn sie sind Aufständische, Menschen, die Nein sagen zu Dingen, die als etabliert gelten, zu der organisierten Grausamkeit, die von den meisten Leuten hingenommen wird, und zu einer Ideologie, die den Menschen als ein allmächtiges Wesen ansieht, das die natürlichen Ressourcen plündert und, solange das noch möglich ist, die Tiere ausbeutet. Mein Respekt und meine Liebe gelten denen, die Tiere in ihrem Recht belassen und ihrem eigenen menschlichen Gewissen verpflichtet bleiben.

Pionierarbeit

Tiere als minderwertig anzusehen, ist unmoralisch, widernatürlich und unmenschlich. Als ich in den 60er-Jahren anfing, mich für die Wertschätzung von Tieren einzusetzen, kam mich diese Pionierarbeit teuer zu stehen. Ich wurde dafür verlacht und verachtet. Ich sah mich heftigen Anfeindungen ausgesetzt, denn ich war Brigitte Bardot und niemand hörte mir zu, wenn ich mich zu diesem Thema äußerte. Außerdem war es damals, wie mir heute klar ist, noch zu früh. Niemand machte sich zu dieser Zeit Gedanken über die Rechte von Tieren. Ich glaube, ich war für die Tierschutzbewegung etwas Ähnliches wie für das Kino: eine Vorreiterin, und damit eine Provokation. Für viele Menschen war es undenkbar, dass eine schöne Frau, die auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes steht, sich für Tiere einsetzt und mit einer Betäubungspistole in der Hand durch Filmstudios stöckelt. Auf meine Weise habe ich dadurch schockiert und Menschen in ihren vorgefassten Meinungen erschüttert. Durch den Film … und immer lockt das Weib (Et Dieu créa la femme, 1956) habe ich einen gewaltigen Skandal ausgelöst, der das Bild der Frau und ihre Rolle im Film grundlegend verändert hat. Vadims Art der Inszenierung und die Ästhetik des Films haben in der Folge viele Filmschaffende beeinflusst. Mit den Tieren verhielt es sich ähnlich. Damals betrachtete man meinen Einsatz für sie als bedeutungslos, dumm und oberflächlich, doch mittlerweile wird ernsthaft über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier diskutiert.

Oft waren es «Intellektuelle», die sich für eine höhere Wertschätzung von Tieren eingesetzt haben. Ich mag diesen Ausdruck nicht, weil er oft etwas Prätentiöses an sich hat und nicht unbedingt auf Erfahrung verweist. Dennoch verneige ich mich vor den Frauen und Männern, die ihre Zeit und ihre Worte diesem Anliegen gewidmet haben: Leonardo da Vinci, Marguerite Yourcenar, Romain Gary, Victor Hugo, Émile Zola, aber auch Victor Schœlcher, der sich für die Abschaffung der Sklaverei in Frankreich eingesetzt hat. Auch die Verhaltensbiologen sind hier zu nennen, von denen sich seit einiger Zeit etliche für den Tierschutz engagieren. In ihren Büchern entwerfen sie die Vision einer Gemeinschaft aller Lebewesen, ohne das Wohlergehen der Tiere von dem der Menschen zu trennen. Aber trotz all dieser Bemühungen wurde das Wohlergehen der Tiere noch nie wirklich ernst genommen und ausreichend erforscht. Inzwischen kommen die Dinge jedoch in Bewegung, und ich kann nur hoffen, dass sich durch diese Vorstöße immer mehr Menschen zum Tierschutz berufen fühlen.

Intellektuelle, die sich für den Tierschutz einsetzen, sprechen den Geist der Menschen an, ich dagegen ihre Herzen. Ich mache keinen Unterschied zwischen den Arten und bin insoweit überzeugte Anhängerin des Antispeziesismus 2, vertrete diese Auffassung jedoch seit vierundvierzig Jahren auf andere Weise als die Gelehrten, und ohne wissenschaftliche Ausdrücke zu benutzen. Mein Engagement zielt direkt auf das Wesentliche. Weder damals mit meinen strohblonden Haaren noch heute mit meinen Wutausbrüchen habe ich mir den Respekt der Intellektuellen verschafft. Das soll mir nur recht sein. Meine Gedanken erwachsen aus meiner Erfahrung und dem, was ich erlebt habe.

Ich bin froh über mein langes Leben, in dem ich vieles sehen durfte, vieles lesen, in dem ich die Debatte über den Antispeziesismus hautnah miterlebt habe, wie auch die Verbreitung der vegetarischen und den Aufschwung der veganen Lebensweise. Manchmal, wenn mich der Mut verlässt, wenn ich es nicht mehr erwarten kann, dass die Unterjochung der Tiere ein Ende hat, sage ich mir, dass letztlich doch alles einen guten Weg nimmt. Indem ich Missstände benannt habe, demonstriert habe, immer wieder dieselben Forderungen erhoben habe und mich mit zahlreichen Tieren habe fotografieren lassen, habe ich die Menschen berührt und den Tierschutz im kollektiven Unbewussten verankert. Wenn ich sehe, wie Tierschutzvereine die Grausamkeit in den Schlachthöfen anprangern, wie Aktivisten in Stierkampfarenen eindringen, wie Menschenmengen verhindern, dass ein Zirkus in einer Stadt Station macht, dann sage ich mir bisweilen, ohne jede Anmaßung, aber doch mit einer Art zärtlichem Stolz, dass all diese Menschen in gewisser Weise ein wenig meine Kinder sind.

Ob man Bücher schreibt, sich als Aktivist oder als Vertreter einer Organisation betätigt, jede Stimme, die sich gegen die Unterdrückung der Tiere erhebt, bringt die Sache des Tierschutzes voran. Und diese Sache ist eine der zentralen Fragen unserer Zeit, denn den Tieren Achtung entgegenzubringen und ihnen das Recht auf Leben zu gewähren, ist unumgänglich und ein zwingender Schritt in der Entwicklung der Menschheit.

Tränen

Ich weine nie. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Ich vermeide das. Es wäre in meinen Augen ein Zeichen von Schwäche. Es ist nicht meine Art, mich zu beklagen, und ich finde es entsetzlich, in aller Schamlosigkeit Gefühle zur Schau zu stellen. Ich zeige anderen nicht gern, welche Schmerzen mich tief in meinem Inneren quälen. Nicht einmal meinem Mann. In der Zurückgezogenheit meines Schlafzimmers oder der Geborgenheit meines Arbeitszimmers dagegen kommt es manchmal durchaus vor, dass ich mich rückhaltlos gehen lasse.

Ich bin in vielerlei Hinsicht äußerst feinfühlig, doch aufrichtige Tränen vergieße ich niemals wegen meines eigenen Schicksals, sondern nur angesichts der Schmerzen und des Leidens anderer. Ich weine, wenn ich Dinge mitansehen muss, die es nicht geben dürfte, gewaltsame Zerstörung, Barbarei und Ungerechtigkeit. Ich vergieße Tränen für die Schwachen, seien es Tiere oder Menschen.

Meine besondere Sorge gilt den Tieren, und manchmal habe ich dabei das Gefühl, als würde mein Leben mit einem Mal aus mir weichen. Ich habe so oft und so sehr um Tiere geweint, dass mir ein Augenarzt eines Tages sagte, ich hätte keine Tränen mehr. Ich hatte das Maß überschritten. Seitdem habe ich manchmal Tränen in den Augen, kann sie jedoch nicht vergießen. Ich habe meine Vorräte erschöpft, weil ich zu viel geweint habe. Schon vor 1973 und dem Beginn meines Engagements konnte es geschehen, dass ich Weinkrämpfe bekam. Aber niemals war ich so niedergeschlagen wie 1977 in Kanada, während meiner ersten, turbulenten Pressekonferenz vor Journalisten und ortsansässigen Jägern. Einer von ihnen hatte mich angegriffen, in der Hand eine Plastiktüte, in der ein kurz zuvor getötetes, blutverschmiertes Robbenbaby lag. Ich floh in einen Nebenraum und bekam einen fürchterlichen Weinkrampf. Das Schluchzen wollte kein Ende nehmen. Allein in einer Ecke kauernd, schrie ich meine Wut gegen die Brutalität der Menschen hinaus.

An diesem Tag habe ich begriffen, dass tiefer Schmerz still ist, und dass es sinnlos ist, ihn nach außen zu tragen.

Fast dreißig Jahre später und wiederum in Kanada rann erneut eine Flut von schweren Tränen über mein Gesicht. Wieder während einer Pressekonferenz, bei der ich alles daran setzte, um dem Massaker an den Robben ein Ende zu bereiten. Ich sprach mit so viel Leidenschaft, dass mich schließlich meine Empfindungen überwältigten. Niemand verstand, was in mir vorging. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Die Vorstellung, dass die anwesenden Journalisten nicht begriffen, was ich sagte, verursachte mir seelische und körperliche Schmerzen. So kamen die Tränen ganz von selbst, wie ein stummer Vorwurf der Niedertracht. Ich habe vor den Augen der ganzen Welt geweint und dabei nicht nur geschnieft, sondern echte Tränen vergossen. Tränen des Kampfes.

Womit alles begann: der Kampf für die Robbenbabys

In der Rückschau wird mir klar, dass ich mit der Entscheidung, mich für das Wohl der Tiere einzusetzen, nicht einfach nur meinem Leben eine neue Richtung gegeben habe. Vielmehr habe ich damit eine Mission angetreten: meinen Mitlebewesen und Nächsten, den Tieren, zu helfen. Ich musste so handeln. Es gab für mich keinen anderen Weg.

Das prominenteste Symbol meines Engagements für Tiere sind bis heute die Robbenbabys. 1977 ging ein Foto um die Welt, das mich mit einem weißen Robbenbaby auf dem kanadischen Packeis zeigt. Als Neugeborene haben die Robben noch ein weißes Fell, damit sie in den Weiten der Eislandschaft nicht zu entdecken sind. In den ersten Lebenswochen werden sie von der Mutter beschützt und gesäugt, dann werden sie erwachsen und ihr wasserabweisendes Fell färbt sich grau. Robbenbabys sind extrem verwundbar, vor allem, wenn ihre Mütter auf Fischjagd gehen. Dann bleiben sie allein auf dem Eis zurück und harren in ihren Pelz gekuschelt aus, geplagt von der Angst vor zahlreichen Raubtieren wie etwa Bären oder eben auch Menschen. Junge Robben zu erlegen, ist fast schon lächerlich leicht, denn sie setzen sich nicht zur Wehr. Sie sind noch Babys und keine zwei Wochen alt. In ihrer Ahnungslosigkeit fliehen sie nicht, wenn die Jäger sich ihnen nähern, sie niederknüppeln und dann, meist sogar noch bei lebendigem Leib, häuten. Die hierfür verwendeten Waffen heißen Hakapik. Sie ähneln einer Axt und besitzen einen metallenen Kopf, der auf einer Seite in einen Stumpf ausläuft, mit dem der Schädel der Robbe zertrümmert wird, und auf der anderen Seite in eine Art Fleischerhaken, an dem der Körper des Tieres über das Eis gezogen wird. Die kleinen, verletzlichen Robben, die auf ihre Mütter warten, werden bei lebendigem Leib gehäutet. Die hilflosen Mütter harren anschließend mehrere Tage neben den kleinen, zerfetzten und blutüberströmten Körpern aus, versuchen zitternd, sie zu wärmen und manchmal auch zu säugen, weil sie glauben, ihrem Kleinen dadurch wieder Leben einhauchen zu können.

Daher ist der Kampf für Tiere durch und durch eine ethische Frage. Und daher habe ich für mich keinen anderen Weg gesehen, als mich zu engagieren.

Schönheit und Güte

«Wie wundervoll ist es doch, wenn Schönheit und Anmut zugleich auch Güte verkörpern.» Mit diesen Worten beendete Marguerite Yourcenar den Brief, den sie mir am 24. Februar 1968 schrieb. Darin bat sich mich, meine Berühmtheit zu nutzen, um gegen das Massaker an den Robben zu protestieren. Nachdem ich mich öffentlich gegen die Misshandlung der Tiere in den Schlachthöfen ausgesprochen hatte, war Marguerite Yourcenar der Ansicht, ich sei genau die Richtige, um die Frauen davon zu überzeugen, keine Pelze mehr zu tragen. In ihrem Brief, der – so wie sie selbst – lebhaft, tiefgründig und leidenschaftlich war, sprach sie von der Pelzindustrie, die den Schmerz und den Todeskampf der Tiere in Kauf nimmt, und hielt mir die «Brutalitäten» und die «rohen Grausamkeiten» vor Augen, die der Mensch begeht, um seine Ziele zu erreichen. Sie bat mich, beim kanadischen Premierminister vorzusprechen oder irgendetwas anderes zu unternehmen, damit die Nutzung von Robbenfellen verboten würde.

Neun Jahre später nahm ich den Kampf auf und hätte mir dabei nicht vorstellen können, dass bereits einmal jemand an mich gedacht hatte, was diese Aufgabe anging. Durch eine Laune des Schicksals erreichte mich der genannte Brief nämlich erst sehr viel später, und als ich Marguerite Yourcenar einmal an einem denkwürdigen Abend begegnete, sprach sie mich auf den Brief an und war überrascht, dass ich nicht wusste, was sie meinte. «Aber habe nicht ich Sie dazu gebracht, ins Packeis zu reisen?», fragte sie mich …

1980 wurde Marguerite Yourcenar als erste Frau in die Académie française aufgenommen. Nachdem sie ihre Antrittsrede gehalten hatte, wurde sie gefragt, ob sie einen Wunsch habe. Ihre Antwort lautete: «Ich würde gern Brigitte Bardot treffen.» Ich lebte zurückgezogen in La Madrague, und nach Paris zu fahren, hätte mir den letzten Nerv geraubt. Ich respektierte diese Frau natürlich, aber ich hatte nichts von ihr gelesen und fand nichts furchtbarer als solche Einladungen, solche Cocktailpartys und Empfänge in gediegener Atmosphäre. Ich lehnte ihre Einladung ab, was sie aber nicht entmutigte, ganz im Gegenteil. Eines stürmischen Abends kam ich von La Garrigue nach Hause zurück, von Kopf bis Fuß durchnässt und verdreckt wie meine Hunde. Ich machte gerade ein Feuer im Kamin, als mein Hausmeister kam und sagte, dass eine Dame an der Tür sei. Um diese Uhrzeit und bei diesem Regen?

«Wer ist es denn?»

«Sie sagt, sie heißt Marguerite Yourcenar.»