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Ein junger Student namens Walter Gilman zieht in ein altes Haus in Arkham, das einst einer Hexe gehörte. Er ist fasziniert von den seltsamen geometrischen Formen des Dachbodens, die ihn an seine Studien über nichteuklidische Mathematik erinnern. Doch bald wird er von albtraumhaften Visionen heimgesucht, die ihn in eine andere Welt voller Schrecken führen. Er glaubt, dass er dort der Hexe begegnet, die ihm ein grausames Schicksal prophezeit. Kann er dem Fluch des Hexenhauses entkommen oder ist er dazu verdammt, seine Seele zu verlieren? "Träume im Hexenhaus" ist eine der unheimlichsten Geschichten von H. P. Lovecraft, dem Meister des kosmischen Horrors. Diese neue Übersetzung bringt die Atmosphäre und den Stil des Originals eindrucksvoll zum Ausdruck.
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Ob nun die Träume das Fieber auslösten oder das Fieber die Träume, das wusste Walter Gilman nicht. Hinter allem lauerte das brütende, schwärende Grauen der alten Stadt und des modrigen und verfluchten Mansardenzimmers, in dem er schrieb und studierte und mit Zahlen und Formeln rang, wenn er sich nicht gerade auf dem kargen Eisenbett wälzte. Seine Ohren entwickelten eine übernatürliche und unerträgliche Empfindlichkeit, und er hatte schon seit Langem die billige Kaminuhr abgestellt, deren Ticken ihm wie das Donnern von Artilleriekanonen vorkam. Nachts genügte das leise Rühren der schwarzen Stadt draußen, das unheimliche Wuseln der Ratten in den wurmstichigen Zwischenwänden und das Knarren der verborgenen Balken in dem jahrhundertealten Haus, um in ihm das Gefühl eines schrillen Pandämoniums hervorzurufen. Unablässig wimmelte die Dunkelheit von unerklärlichen Geräuschen - und doch zitterte er manchmal vor Angst, dass die Geräusche, die er hörte, nachlassen und ihn bestimmte andere, schwächere Laute hören ließen, die er hinter all dem vermutete.
Er wohnte in der alten, sagenumwobenen Stadt Arkham, mit ihren dicht gedrängten Giebeldächern, die sich über den Dachböden wölbten, wo sich die Hexen in den dunklen, alten Tagen vor den Männern des Königs versteckten. Jedoch war kein Ort in dieser Stadt mehr von den makabren Erinnerungen durchdrungen als die Giebelkammer, die ihn beherbergte - denn es war dieses Haus und dieses Zimmer, welches auch die alte Keziah Mason beherbergt hatte, deren Flucht aus dem Gefängnis von Salem sich niemand hatte erklären konnte. Das war im Jahre 1692 - der Wärter war verrückt geworden und hatte von einem kleinen pelzigen Tier mit weißen Reißzähnen geschwafelt, das aus Keziahs Zelle gekrochen war, und nicht einmal Cotton Mather konnte die Kurven und Winkel erklären, die mit einer roten, klebrigen Flüssigkeit auf die grauen steinernen Wände der Zelle geschmiert worden waren.
Möglicherweise hätte Gilman nicht so intensiv studieren sollen. Nichteuklidische Mathematik und Quantenphysik allein reichen aus, um jedes Gehirn zu strapazieren; und wenn man sie mit Volksglauben vermischt und versucht, hinter den schaurigen Andeutungen der fantastischen Geschichten und den wilden Erzählungen aus den Kaminzimmern einen seltsamen Hintergrund der mehrdimensionalen Realität aufzuspüren, kann man kaum erwarten, völlig frei von geistiger Anspannung zu bleiben. Gilman stammte aus Haverhill, aber erst seit er die Universität in Arkham besuchte, begann er, seine Mathematik mit den fantastischen Legenden über alte Zauberkünste zu verbinden. Irgendetwas in der Luft der altehrwürdigen Stadt wirkte auf undurchsichtige Weise auf sein Gemüt. Die Professoren der Miskatonic Universität hatten ihn gedrängt, kürzer zu treten, und er hatte sein Studium an mehreren Stellen freiwillig eingeschränkt. Außerdem hatten sie ihn davon abgehalten, die fragwürdigen alten Bücher über verbotenes Wissen zu studieren, die in einem Kellergewölbe der Universitätsbibliothek hinter Schloss und Riegel aufbewahrt wurden. Aber all diese Vorsichtsmaßregeln kamen zu spät, so dass Gilman einige schreckliche Andeutungen aus dem gefürchteten Necronomicon von Abdul Alhazred, dem fragmentarischen Buch von Eibon und dem verbotenen Buch Unaussprechliche Kulte von Junzt besaß, die er mit seinen abstrakten Formeln über die Eigenschaften des Raumes und die Verbindung von bekannten und unbekannten Dimensionen in Beziehung setzen konnte.
Er wusste, dass sich sein Zimmer in einem alten Hexenhaus befand – und genau dies war auch der Grund, warum er es bezogen hatte. In den Akten von Essex County war viel über Keziah Masons Prozess zu finden, und was sie unter Folter dem Scharfrichter gestanden hatte, faszinierte Gilman über alle Maßen. Sie hatte dem Richter Hathorne von Linien und Kurven erzählt, die durch die Wände des Raumes hindurch in andere Räume führen konnten, und hatte angedeutet, dass solche Linien und Kurven häufig bei bestimmten mitternächtlichen Treffen im dunklen Tal des weißen Steins jenseits von Meadow Hill und auf der unbewohnten Insel im Fluss benutzt wurden. Sie hatte auch vom Schwarzen Mann gesprochen, von ihrem Schwur und von ihrem neuen geheimen Namen: Nahab. Dann hatte sie diese Zeichen an die Wände ihrer Zelle gemalt und war verschwunden.
Gilman verdächtigte Keziah unglaublicher Dinge und hatte ein eigentümliches Kribbeln verspürt, als er erfuhr, dass ihre Behausung nach mehr als 235 Jahren noch stand. Als er die verstohlenen Gerüchte aus Arkham über Keziahs fortwährende Anwesenheit in dem alten Haus und den engen Gassen hörte, über die ungewöhnlichen menschlichen Zahnabdrücke, die an einigen Schläfern in diesem und anderen Häusern gefunden worden waren, über die kindlichen Schreie, die man am Abend der Walpurgisnacht und zu Allerheiligen hörte, über den Gestank, der of nach diesen gefürchteten Festen auf dem Dachboden des alten Hauses zu vernehmen war, und über das kleine pelzige Ding mit den scharfen Reißzähnen, das das verfallene Gebäude und die Stadt heimsuchte und die Menschen in den düsteren Stunden vor der Morgendämmerung neugierig beschnupperte, beschloss er, um jeden Preis an diesem Ort zu wohnen. Ein Zimmer war leicht zu bekommen, denn das Haus war unbeliebt, schwer zu vermieten und seit langem als billige Unterkunft bekannt. Gilman hätte nicht sagen können, was er dort zu finden erwartete, aber er wusste, dass er in dem Gebäude wohnen wollte, in dem irgendein Umstand einer einfachen alten Frau aus dem siebzehnten Jahrhundert mehr oder weniger zufällig Einblicke in mathematische Tiefen gegeben hatte, die vielleicht die modernsten Erkenntnisse von Planck, Heisenberg, Einstein und de Sitter übertrafen.
Überall, wo der Putz herunter bröckelte untersuchte er das Gebälk und die groben Wände auf Spuren von geheimnisvollen Mustern und innerhalb einer Woche gelang es ihm, das östliche Mansardenzimmer zu ergattern, in dem Keziah ihre Zauberrituale praktiziert haben soll. Es hatte von Beginn an leer gestanden - niemand war jemals bereit gewesen, dort lange zu verweilen -, und der polnische Hausbesitzer vermietete es nur ungern. Doch bis zur Zeit des Fiebers geschah nichts mit Gilman. Keine gespenstische Keziah huschte durch die düsteren Säle und Kammern, kein kleines pelziges Tier kroch in seinen finsteren Schlafraum, um ihn zu beschnüffeln, und keine einzige Spur von Beschwörungen oder Flüchen der Hexe belohnte seine unausgesetzte Suche. Manchmal unternahm er Spaziergänge durch das schattige Gewirr ungepflasterter, modrig riechender Gassen, in denen uralte gilbige Häuser unbekannten Alters sich neigten und schwankten und spöttisch durch enge, kleine Fenster lugten. Er wusste, dass hier einst seltsame Dinge geschehen waren, und ihn beschlich die leise Ahnung, dass nicht alles von dieser monströsen Vergangenheit - zumindest in den dunkelsten, engsten und verwinkeltsten Gassen - vollständig getilgt worden war. Er ruderte auch zweimal zu der wenig beachteten Insel im Fluss hinaus und fertigte eine Skizze der eigenartigen Winkel an, die von den moosbewachsenen Reihen grauer Menhire beschrieben wurden, deren Ursprung so ungewiss wie uralt war.
Gilmans Zimmer hatte eine ansehnliche Größe, aber eine äußerst seltsam unregelmäßige Form; die Nordwand neigte sich vom äußeren zum inneren Ende hin merklich nach innen, während die niedrige Decke in der gleichen Richtung leicht abfiel. Abgesehen von einem offensichtlichen Rattenloch und den Anzeichen anderer bereits verstopfter Löcher gab es keinen weiteren Zugang zu der kleinen Kammer, die sich zwischen der schrägen Wand und der geraden Außenwand an der Nordseite des Hauses befunden haben musste, obwohl ein Blick von außen zeigte, wo ein Fenster in sehr ferner Vergangenheit zugemauert worden war. Der Dachboden über der Decke seines Zimmers, der einen merkwürdig abfallenden Fußoden haben musste, war ebenfalls unzugänglich. Als Gilman eine Leiter zu dem mit Spinnweben übersäten Dachboden hinaufkletterte, fand er die Überreste einer früheren Öffnung, die fest und dicht mit alten Brettern abgedeckt und mit den in der kolonialen Bauweise üblichen robusten Holzpflöcken gesichert war. Keine noch so große Überredungskunst allerdings konnte den starrsinnigen Hausherrn dazu bringen, Gilman eine der beiden verschlossenen Kammern untersuchen zu lassen.
Mit der Zeit jedoch widmete er sich immer intensiver den unregelmäßigen Wänden und Decken seines Zimmers, denn er bemerkte in der seltsamen Anordnung ihrer Winkel eine mathematische Bedeutung, die ihm vage Hinweise über ihren Zweck zu geben schien. Die alte Keziah, so überlegte er, könnte gute Gründe gehabt haben, in einem Zimmer mit seltsamen Winkeln zu leben; denn war es nicht so, dass sie behauptet hatte, durch bestimmte Winkel die Grenzen der uns bekannten Welt überschritten zu haben? Sein Interesse wandte sich allmählich von den unerforschten Räumen jenseits der schrägen Flächen ab, da es den Anschein hatte, dass der Zweck dieser Flächen die Kammer betraf, in der er sich befand.