Unsere Zukunft steht in den Sternen - Kelly Weinersmith - E-Book

Unsere Zukunft steht in den Sternen E-Book

Kelly Weinersmith

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Beschreibung

Der Erde geht's nicht gut. Da lockt die Aussicht, irgendwo weit, weit weg ein neues Leben zu beginnen – fern von Klimawandel, Krieg und X (ehemals Twitter). Zum Glück ist die Besiedlung der Sterne zum Greifen nah. Oder doch nicht? Nach jahrelanger Recherche und Gesprächen mit führenden Weltraumexperten gehen Kelly und Zach Weinersmith der technischen Utopie nüchtern auf den Grund. Zwar entwickelt sich die private Raumfahrt rasant, doch uns fehlt ein solider Plan, wie man im Weltall Kinder bekommt, Nahrung anbaut und die Gesellschaft organisiert. Das Bestsellerduo erforscht so humorvoll wie fundiert, ob der Traum von neuen Planeten uns nicht bald ein böses Erwachen beschert – und erklärt dabei zugleich allerlei spannende und verrückte Fragen, die wir uns noch nie über das Weltall gestellt haben.

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Seitenzahl: 639

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Kelly & Zach Weinersmith

Unsere Zukunftsteht inden Sternen

Kelly & Zach Weinersmith

Die NYT-Bestseller-Autoren

Unsere Zukunftsteht inden Sternen

Wie wir bald den Mars besiedeln(ODER AUCH NICHT)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2024

© 2024 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2023 bei Penguin Press, einem Imprint von Penguin Random House LLC, unter dem Titel A City on Mars. © 2023 by Kelly Weinersmith and Zach Weinsersmith. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Simone Fischer

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: Karina Braun

Umschlagabbildung und Abbildungen im Innenteil: © Zach Weinersmith

Satz: Carsten Klein

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-2699-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2459-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2458-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für die Gemeinschaft der Weltraumsiedler. Ihr habt uns willkommen geheißen und eure Weisheit mit uns geteilt. Und auch eure Daten.

Wir befürchten, dass viele von euch von manchen unserer Schlussfolgerungen enttäuscht sein werden – aber obwohl wir an einigen Stellen von euren Ansichten abweichen, teilen wir weiterhin die Vision einer glorreichen menschlichenZukunft mit euch.

Inhalt

Einleitung: Ein Siedlungsleitfaden für den Roten Planeten?

Kapitel 1: Eine Einführung in die Weltraummythen

Teil I: Rundumversorgung für Weltraumbewohner

Kapitel 2: Erstickung, Knochenschwund und fliegende Schweine: Die Wissenschaft der Weltraumphysiologie

Kapitel 3: Weltraumsex und die Folgen

Kapitel 4: Psychologie der Raumfahrer: Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass Astronauten Lügner sind

Notabene: Die Raketentechnik kommt ins Kino oder: Weltraumkapitalismus in früheren Zeiten, Teil 1

Teil II: Das Weltraumzuhause: Wo werden die Menschen außerhalb der Erde leben?

Kapitel 5: Der Mond: Toller Standort, ein bisschen renovierungsbedürftig

Kapitel 6: Der Mars: Giftlandschaften und ein giftiger Himmel, aber was für eine tolle Gelegenheit!

Kapitel 7: Riesige rotierende Weltraumräder: Gar nicht mal die schlechteste Option

Kapitel 8: Schlechtere Optionen

Notabene: Der Weltraum ist der richtige Ort für Produktpräsentationen oder: Weltraumkapitalismus in früheren Zeiten, Teil 2

Teil III: Taschenparadies: Wie man ein Terrarium für Menschen einrichtet, das gar nicht so schrecklich ist

Kapitel 9: Was rein- und was rausmuss: Kot, Nahrung und der »geschlossene Kreislauf«

Kapitel 10: Zu Hause ist es am schönsten: Wie man Lebensräume im Weltraum baut

Notabene: Das Geheimnis der Tamponschnüre

Teil IV: Weltraumrecht für Weltraumsiedlungen: Seltsam, vage und schwer zu ändern

Kapitel 11: Eine zynische Geschichte des Weltraums

Kapitel 12: Der Weltraumvertrag: Großartig für die Regulierung des Weltraums vor 60 Jahren

Kapitel 13: Mord im Weltraum: Wer tötete den Mondvertrag?

Notabene: Weltraumkannibalismus aus rechtlicher und kulinarischer Sicht

Teil V: Die Möglichkeiten der Zukunft: Unser Aufbruch nach Mondsilvanien?

Kapitel 14: Der Kosmos als Gemeingut

Kapitel 15: Die Aufteilung des Himmels

Kapitel 16: Die Geburt von Weltraumstaaten: Wie die Geburt von Weltraumbabys, nur chaotischer

Notabene: Gewalt in der Antarktis oder: Happy Ends für miese Anfänge

Teil VI: Plan B oder nicht Plan B: Weltraumgesellschaft, Expansion und existenzielles Risiko

Kapitel 17: Auf dem Mars gibt es keinen Pool an Arbeitskräften: Der Weltraum als Firmenstadt

Kapitel 18: Wie groß ist groß? Plan B: Besiedlung ohne genetische oder wirtschaftliche Katastrophen

Kapitel 19: Weltraumpolitik mit anderen Mitteln: Über die Möglichkeit eines Weltraumkriegs

Kapitel 20: Ein kurzer Nachsatz zu einer selten in Betracht gezogenen Alternative: Abwarten und nirgendwohin gehen

Notabene: Von Whirlpools und dem menschlichen Schicksal

Fazit: Von Whirlpools und dem menschlichen Schicksal

Danksagung

Anmerkungen

Ausgewählte Literatur

Einleitung

Ein Siedlungsleitfaden für den Roten Planeten?

Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir den Mond und den Mars besiedeln werden, sondern wann.1

– Tim Peake, Astronaut

Wo auch immer Sie sich auf diesem Planeten befinden, Sie haben sicherlich schon einmal darüber nachgedacht, ihn zu verlassen. Schließlich erscheint der Weltraum zunehmend vielversprechender. Auf dem Mars gibt es keine politische Korruption, auf dem Mond keinen Krieg und auf der Venus keine Umweltverschmutzung. Die Besiedlung des Weltraums ist zweifellos die beste Gelegenheit seit 50 000 Jahren, um etwas völlig Neues auszuprobieren und all die schlechten Dinge hinter sich zu lassen. Nachdem die menschliche Raumfahrt 50 Jahre lang stagnierte, haben wir jetzt die Technologie, das Kapital und den Wunsch, um das Zeitalter der kurzen Exkursionen zum Mond hinter uns zu lassen und unser Schicksal als multiplanetare Spezies in die Hand zu nehmen.

Na ja … vielleicht auch nicht. Wenn es Ihnen wie den meisten Laien geht, mit denen wir während der Recherche für dieses Buch gesprochen haben, haben Sie eventuell eine Vorstellung von der Besiedlung des Weltraums, die nicht ganz richtig ist. Dafür können Sie selbst gar nichts, denn der öffentliche Diskurs über die Weltraumkolonisierung steckt voller Mythen, Fantasien und Missverständnisse über grundlegende Fakten.

Im Jahr 2020 veröffentlichte beispielsweise Starlink, der Internet-Serviceprovider von SpaceX, seine Nutzungsbedingungen, in denen es heißt, dass »keine erdgebundene Regierung Autorität oder Souveränität über die Marsaktivitäten besitzt«.2 Mit dieser Klausel verhält es sich wie mit vielen anderen Aussagen über die Besiedlung des Weltraums: Sie wurde von einem mächtigen Interessenvertreter propagiert, weit verbreitet und kommentiert und ist absolut unzutreffend. Die Regierungen der Erde haben sehr wohl die Autorität über die Aktivitäten auf dem Mars – sie werden durch seit Langem bestehende Verträge geregelt und der Planet selbst ist ein internationales Gemeingut. Zugegebenermaßen sind die Verträge seltsam und vage, aber es gibt sie und sie können nicht durch irgendwelche Nutzungsbedingungen außer Kraft gesetzt werden.

Nicht alle schlechten Argumente zur Besiedlung des Weltraums stammen von Raketenmilliardären. Ein Beispiel dafür ist der Newsweek-Artikel »›Star Wars‹ Class Wars: Is Mars the Escape Hatch for the 1 Percent?« aus dem Jahr 2015, in dem behauptet wird, dass »der Rote Planet wahrscheinlich nur für die Reichen zugänglich sein wird und die Armen darunter zu leiden haben werden, dass die Umwelt auf der Erde zerstört wird und Konflikte ausbrechen«.3 Das kann man nur glauben, wenn man keine Ahnung hat, wie durch und durch, unglaublich, unvorstellbar schrecklich der Mars ist. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur beträgt etwa –60 °C. Es gibt keine Atemluft, dafür aber planetare Staubstürme und eine Schicht aus giftigem Staub auf dem Boden. Eine um 2 °C wärmere Erde für den Mars zu verlassen, wäre so, als würde man ein schmutziges Zimmer verlassen, um in einer giftigen Müllhalde zu leben.

Die Wahrheit sieht vielmehr so aus, dass die Besiedlung anderer Welten mit dem Ziel, autarke, sich selbst versorgende Gesellschaften fernab der Erde zu schaffen, nicht nur ziemlich unwahrscheinlich ist, sondern auch nicht die von den Befürwortern angepriesenen Vorteile bringt: keine großen Reichtümer, keine neuen unabhängigen Nationen, keine zweite Heimat für die Menschheit, nicht einmal ein Sicherheitsbunker für die Superelite.

Trotzdem leben wir in einer Welt, in der Raumfahrtbehörden, große Unternehmen und mediengewandte Milliardäre etwas anderes versprechen. Sie sagen, dass diese Siedlungen entstehen werden, vielleicht schon im Jahr 2050 oder so. Wenn sie erst einmal gebaut sind, werden sie praktisch alles in Ordnung bringen. Sie werden die Biosphäre der Erde retten oder eine äußerst kreative Pionierzivilisation ermöglichen oder den Vereinigten Staaten oder China oder Indien oder demjenigen, der den ersten großen Schritt macht, enorme wirtschaftliche Vorteile verschaffen.

Wir glauben zwar, dass all diese Behauptungen falsch sind, aber sie werden durch wirklich bahnbrechende technologische Entwicklungen gestützt, die den Zugang zum Weltraum viel billiger gemacht haben. Im nächsten Jahrzehnt wird es mit ziemlicher Sicherheit einfacher als je zuvor sein, Außenposten im Weltraum zu errichten. Das Problem für jeden potenziellen Siedler besteht jedoch darin, dass die meisten Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Biologie und Wirtschaft, weitaus komplexer sind als die Entwicklung größerer Raketen oder billigerer Raumfahrzeuge. Wie wir noch sehen werden, ist es ein Rezept für soziales Unheil und eine potenzielle Gefahr für den Heimatplaneten, wenn diese Probleme bei dem Versuch, eine kurzfristige Besiedlung zu erzwingen, ignoriert werden.

Hinzu kommt, dass die internationalen rechtlichen Strukturen, die den Weltraum regeln, seit den 1970er-Jahren kaum aktualisiert wurden. Das Weltraumrecht ist oft vage, uneindeutig und, wenn man die von den Vereinigten Staaten bevorzugte Auslegung akzeptiert, äußerst freizügig. Die moderne Welt des schnell wachsenden Weltraumkapitalismus und einer ständig wachsenden Zahl von Ländern mit Raumfahrtkapazitäten bietet beste Voraussetzungen für ein neues Mondrennen. Aber das Rennen in den 2020er- oder 2030er-Jahren wird sich stark von dem in den 1960er-Jahren unterscheiden, da es wahrscheinlich darum gehen wird, vorrangigen Zugang zu den äußerst begrenzten besten Teilen des Mondes zu erhalten. Dies birgt das Risiko von Konflikten, ist also weniger mit zwei Kindern vergleichbar, die sich darum streiten, wer am schnellsten rennen kann, sondern eher mit einer wachsenden Gruppe von Kindern, die sich um einen kleinen Haufen Süßigkeiten balgen.

Das ist gefährlich. Wenn wir Sie davon überzeugen, dass sich die Investition nicht auszahlt, dann ist es sogar unnötig gefährlich. Und lassen Sie uns die Metapher noch ein wenig verschlimmern, indem wir davon ausgehen, dass die Kinder auch noch über Atomwaffen verfügen.

Also: Weltraumsiedlungen. Haben wir das wirklich gut durchdacht?

Wenn die Menschheit die nächsten Jahrhunderte überlebt, ist es durchaus wahrscheinlich, dass wir in den Weltraum expandieren werden. Menschen, Nationen und die internationale Gemeinschaft haben dabei die Wahl, wie sie vorgehen wollen. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen – über das Tempo der Expansion und die ihr zugrunde liegenden Regeln –, werden diese Zukunft in einer Weise gestalten, die wir uns jetzt noch nicht vorstellen können. Die falschen Entscheidungen würden uns nicht nur verlangsamen, sie könnten die Menschheit sogar in existenzielle Gefahr bringen.

Wir können diese Entscheidungen nicht vernünftig treffen, wenn die Menschen die Wahrheit über die Besiedlung des Weltraums nicht wirklich kennen. Die ganze Wahrheit. Nicht nur die über die Größe der Rakete oder den Energiebedarf einer Siedlung oder die verfügbaren Mineralien in Asteroiden, sondern auch die Wahrheit über die wichtigen offenen Fragen zu Themen wie Medizin, Fortpflanzung, Recht, Ökologie, Wirtschaft, Soziologie und Kriegsführung. In Büchern und Dokumentationen über die Besiedlung des Weltraums werden ausführliche Informationen, die ehrlich über die erheblichen Schwierigkeiten bei diesen Themen berichten, fast immer ausgelassen.

Warum ist dieser Diskurs so oft mangelhaft? Wir glauben, dass es dafür zwei Hauptgründe gibt. Erstens weiß die breite Öffentlichkeit sehr wenig über den Weltraum. Die meisten Menschen können genau einen Astronauten benennen und mit einer geeigneten Eselsbrücke die Planeten der Reihe nach aufzählen. Abgesehen von ein paar Exzentrikern wissen die meisten von uns nicht, woraus der Mondboden besteht, was der Weltraumvertrag besagt oder wie die Geschichte der Atomwaffendetonationen im Weltraum aussieht.

Angesichts des begrenzten Allgemeinwissens über die grundlegende Weltraumwissenschaft ist das Wissen über ihren seltsamen kleinen Verwandten – die Wissenschaft zur Weltraumkolonisierung – so gut wie gar nicht vorhanden. Und damit sind wir beim zweiten Problem angelangt. Wenn Sie nichts über die Besiedlung des Weltraums wissen und sich weiterbilden wollen, werden Sie feststellen, dass viele der Artikel, die Sie lesen, viele der Dokumentarfilme, die Sie sich ansehen, und so ziemlich jedes einzelne Buch zu diesem Thema von einem Befürworter der Weltraumkolonisierung verfasst worden sind.

Es ist natürlich absolut nichts Falsches daran, sich für etwas einzusetzen. Die Befürworter der Weltraumkolonisierung, die wir getroffen haben, sind kluge, umsichtige Menschen. Zumindest die meisten von ihnen. Aber wenn man heute etwas über die Besiedlung des Weltraums liest, ist das ungefähr so, als würde man Bücher darüber lesen, wie viel Bier man trinken sollte, und alle relevanten Publikationen wurden von Brauereien geschrieben. Selbst wenn die Autoren sich bemühen, unparteiisch zu sein, lassen sie Dinge aus. Eines der bekanntesten Bücher über die Besiedlung des Weltraums, The Case for Mars, ist über 400 Seiten lang und enthält obskure historische Informationen über die Marskonferenzen der 1980er-Jahre sowie detaillierte chemische Gleichungen für die Kunststoffproduktion auf der Marsoberfläche, erwähnt aber an keiner Stelle die Existenz des internationalen Weltraumrechts. Es wird auch kein einziges Wort über die fünf Jahrzehnte rechtlicher Präzedenzfälle verloren, die den politischen Charakter und die geopolitischen Folgen einer möglichen Zukunft auf dem Mars bestimmen werden.

Das Buch, das Sie gerade lesen, welches zugegebenermaßen humorvoll geschrieben ist und eine Erklärung über Weltraumkannibalismus enthält (bleiben Sie am Ball), ist nichtsdestotrotz das einzige uns bekannte populärwissenschaftliche Buch, das ein umfassendes Bild bietet, ohne Ihnen den Gedanken an eine baldige Expansion in den Weltraum schmackhaft machen zu wollen.* Vielmehr versuchen wir, eine Menge falscher Vorstellungen aus dem Weg zu räumen und diese durch eine realistischere Sichtweise darüber zu ersetzen, wie machbar Weltraumsiedlungen sind und was sie für die Menschheit bedeuten könnten.

Aber zuerst sollten wir uns einmal selbst vorstellen. Hi. Wir sind Kelly und Zach Weinersmith. Kelly ist Biologin und Zach ist Cartoonist. Wir sind ein Forscherehepaar, das die letzten vier Jahre damit verbracht hat, herauszufinden, wie die Menschen zu Weltraumsiedlern werden können. Wir haben Konferenzen besucht, endlose Interviews geführt und 27 Regale voller Bücher und Abhandlungen über die Besiedlung des Weltraums und verwandte Themen gesammelt. Wir sind Weltraumfreaks. Wir lieben Raketenstarts und Experimente in der Schwerelosigkeit. Wir lieben die kuriosen Geschichten der Weltraumforschung wie rote Würfel und aneinandergeschnürte Tampons (darauf kommen wir später noch einmal zurück). Wir begeistern uns für visionäre Pläne für eine glorreiche Zukunft. Wir sind allerdings auch sehr skeptische Menschen. Wenn Sie sich ein Bild von uns machen wollen, stellen Sie sich John F. Kennedy vor, wie er eine schöne, aufmunternde Rede über das Segeln auf »diesem neuen Ozean« hält und Sie dann im Hintergrund zwei Menschen sehen, die skeptisch dreinblicken und denken: »Aber ist das wirklich so etwas wie ein Ozean?«

Nach einigen Jahren der Erforschung der Weltraumkolonisierung begannen wir, uns insgeheim als Space Bastards zu bezeichnen, weil wir pessimistischer waren als fast alle anderen im Bereich der Weltraumkolonisierung und besonders skeptisch gegenüber den großartigen Plänen der Weltraumenthusiasten. Wir waren nicht immer so. Die Daten haben uns dazu veranlasst. Ehrlich gesagt sind wir Feiglinge und würden dem Konsens nur zu gerne zustimmen. Wir sind nicht gerne so pessimistisch, vor allem nicht bei einem Vorhaben, von dem so viele Menschen glauben, dass es das Beste der menschlichen Natur verkörpert. Man fühlt sich dann, na ja, wie ein Fiesling.

Wir glauben, dass die Besiedlung des Weltraums möglich ist, dass der Diskurs aber mehr Realismus braucht – nicht um allen den Spaß zu verderben, sondern um sich vor den wirklich gefährlichen Entwicklungen für den Planeten Erde zu schützen.

Wie wir zu Space Bastards wurden … und wie Sie das auch können!

Wenn das Thema der Weltraumforschung für Sie neu ist, haben Sie möglicherweise keine Kenntnis darüber, in welchem Ausmaß sich die Kosten für den Zugang zum Weltraum und das Weltraumgeschäft im Allgemeinen seit Mitte der 2010er-Jahre verändert haben.

Die meisten von uns haben noch in Erinnerung, dass die 1950er- und 1960er-Jahre von glorreichen Weltraumversprechen überschwemmt waren: Mondbasen, Urlaub in der Umlaufbahn, Pioniere auf dem Mars und, vor allem in den Weltraumbüchern der späten 1960er-Jahre, seltsame erotische Möglichkeiten bei Schwerelosigkeit. All dies wich dem jämmerlichen Elend der 1970er-Jahre und 40 Jahren mäßiger und ausgesprochen dürftiger menschlicher Präsenz im Weltraum. Dieses Scheitern wird manchmal auf einen Verlust an Fantasie oder Ehrgeiz zurückgeführt, aber eine ziemlich einfache Erklärung dafür ist der Kostenfaktor. Veränderungen bei den Startpreisen erklären sowohl die wilden Träume der frühen Ära nach der Mondlandung als auch die 40 Jahre der Enttäuschung. Betrachtet man nur den Zeitraum von der ersten Erdumkreisung 1957 bis zum Ende der 1960er-Jahre, so sanken die Kosten für den Abschuss in die Erdumlaufbahn um etwa 90 bis 99 Prozent. Wenn jedes nachfolgende Jahrzehnt ähnlich verlaufen wäre, wäre es heute billiger, ein Paket ins All zu schicken als auf einen anderen Kontinent. Aus diesem Grund wurden auch die besten Bücher über extravagante Ideen zur Weltraumkolonisierung in den groovigen Anfangsjahren veröffentlicht.

Zum Leidwesen vieler Weltraumenthusiasten fielen die Preise seit den frühen 1970er-Jahren aber nicht mehr. Das Spaceshuttle, das Raumflüge zur Routine, billig und sicher machen sollte, scheiterte in allen drei Punkten und blieb Schätzungen zufolge jahrzehntelang der teuerste Weg, etwas in die Umlaufbahn zu bringen. Das war der Stand der Dinge bis in die 2010er-Jahre, als die Kosten für die Beförderung von Material ins All vor allem dank eines politischen Kurswechsels in den USA und insbesondere dank SpaceX wieder drastisch sanken.

Das bedeutet nicht nur mehr Raketenstarts, sondern auch mehr Weltraumflugkörper. Im Jahr 2015 gab es etwa 1400 aktive Satelliten. Im Jahr 2021 waren es etwa 5000 und im Mai 2023 mehr als 7500. Im Januar 2024 wurden rund 5700 aktive Satelliten von Starlink, dem Internet-Satellitendienst von SpaceX, kontrolliert.

Der Weltraumtourismus, der seit Langem versprochen, aber bisher kaum realisiert wurde, scheint tatsächlich Wirklichkeit zu werden. Jeff Bezos’ Raketenfirma Blue Origin schickt regelmäßig Menschen auf rund 100 Kilometer hohe Flüge, und SpaceX hat Verträge abgeschlossen, um Touristen auf Rundreisen um den Mond zu schicken. Wo früher nur einige wenige Regierungsbehörden Weltraumstarts durchführten, gibt es jetzt eine wachsende Zahl privater Unternehmen, die miteinander im Preiswettbewerb stehen. Gleichzeitig wächst der Appetit der Menschheit auf der ganzen Welt auf Hochgeschwindigkeitsdaten. In einer Studie wurde festgestellt, dass die Menschen in den Vereinigten Staaten durchschnittlich 36 Mal pro Tag mit Satelliten interagieren. Die Schätzungen variieren, aber die Anlageprospekte der Finanzinstitute stimmen in der Regel darin überein, dass das gesamte Raumfahrtgeschäft bis zum Jahr 2040 mindestens eine Billion Dollar wert sein wird, vorausgesetzt, das Wachstumstempo nimmt nicht rasant zu.

Kurz gesagt: Der Hype ist real. Im Jahr 2005 wäre es sehr verfrüht gewesen, sich über die Gesetze für die Expansion der Raumfahrt Sorgen zu machen. Aber 2025 wird das ganz anders aussehen.

Für uns war es eine seltsame Erfahrung, diesen Trend zu beobachten. Als er sich zu entwickeln begann, schrieben wir gerade ein Buch mit dem Titel Bald! über futuristische Technologien, in dem wir uns auch mit den Auswirkungen eines billigeren Zugangs zum Weltraum beschäftigten. Ende 2015 waren wiederverwendbare Raketen, einer der Schlüssel zu einem billigen Weltraumzugang, Realität geworden. Als das Buch in die Läden kam, waren sie bereits Routine. Was würde die Menschheit mit diesen neuen Kräften anfangen?

Einen Hinweis lieferten unsere Nachforschungen zum Asteroidenbergbau, dem Versuch, wertvolle Materie aus dem Asteroidengürtel oder aus erdnahen Objekten zu gewinnen. Unsere Analyse ergab, dass der Abbau auf Asteroiden zur Gewinnung von Rohstoffen für die Erde wirtschaftlich betrachtet nicht sinnvoll ist. Und außerdem, stellen Sie sich nur mal vor, Sie erklären einem Hadrosaurier Ihren Plan, schwere Weltraumobjekte zur Verarbeitung auf die Erde zu schleudern.

Wenn man allerdings eine Siedlung im Weltraum gründen will, sind Asteroiden tatsächlich sehr interessant. Der Asteroidengürtel enthält über 2 Sextillionen Kilogramm an Material: Metalle, Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasser – alles bereits weit von der Erde entfernt und bereit zur Nutzung. Mit der neuen Raketentechnologie und den riesigen Geldsummen, die in das Geschäft fließen, verfügt man über einen Weg, um in den Weltraum zu gelangen, und über Baumaterialien, die quasi vor Ort warten.

Auch die rechtliche Situation für die Besiedlung des Weltraums schien sich zu verbessern. Obwohl es eine Debatte darüber gab, ob die bestehenden internationalen Weltraumverträge die Gewinnung von Ressourcen zu Profitzwecken erlauben oder nicht, verabschiedeten die Vereinigten Staaten 2015 ein Gesetz, das ausdrücklich festschreibt, dass die Amerikaner unbegrenzt Weltraumressourcen ausbeuten dürfen. Und zumindest Luxemburg schien dem zuzustimmen, indem es ein ähnliches Gesetz verabschiedete und eine Menge Geld in zwei in den USA ansässige Asteroiden-Bergbauunternehmen steckte. Der Zugang zum Weltraum wurde einfacher, die Ressourcen im Weltraum waren reichlich vorhanden, die Länder gaben den Entwicklern grünes Licht, sich auszutoben, und der Chef des größten Raketenunternehmens war Elon Musk – ein umtriebiger Technikfreak, dessen erklärtes Ziel die Besiedlung des Mars zu seinen Lebzeiten war.

Okay, natürlich war der Weg zu Weltraumsiedlungen, im Gegensatz zu Weltraumhotels oder Forschungsbasen, etwas komplizierter, aber immerhin floss enorm viel Geld in die Entwicklung von Raketen, Raumschiffen und sogar einigen lebenserhaltenden Technologien. Zumindest rückte die Besiedlung des Weltraums immer näher. Die Träume der 1950er-Jahre schienen sich bis zu den 2050er-Jahren endlich zu verwirklichen.

Wir wollten etwas dazu beitragen. Wir hielten die Besiedlung des Weltraums in naher Zukunft für möglich und hatten vor, eine Art soziologische Roadmap zu schreiben, wie man auf 100, 1000, 10 000 Menschen und darüber hinaus skalieren kann. Ein kleiner Leitfaden, um der Öffentlichkeit zu erklären, was als Nächstes kommt. Aber wir hatten auch ein paar Bedenken – Dinge, die wir nicht verstanden, zum Beispiel die Frage, wie man die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet, dass es sicher ist, in einem Sonnensystem zu leben, in dem Dutzende von Nationen, Unternehmen und möglicherweise auch Einzelpersonen Objekte auf den Heimatplaneten schleudern können, die so groß sind wie die, die die Dinosaurier auslöschten. Ein klares Protokoll wäre schön. Wir mussten feststellen, dass diese Bedenken bis auf wenige Ausnahmen von den Befürwortern der Weltraumkolonisierung ignoriert und manchmal sogar feindselig behandelt wurden.

Je intensiver wir uns mit dem Thema beschäftigten, desto größer wurde der Umfang unserer Bedenken. Wie funktioniert die Demokratie in einer Gesellschaft, in der die Atemluft rationiert ist – und möglicherweise von Unternehmen kontrolliert wird? Wie verändert sich die Soziologie, wenn sich die Menschen nicht fortpflanzen können, sofern sie sich nicht in der normalen Schwerkraft der Erde befinden? Wie vermeiden wir ein Gerangel um Territorien, wenn einige Regionen des Weltraums besser sind als andere? Wie sieht eigentlich das heutige Weltraumrecht aus, wie ist es dazu gekommen und wird es sich möglicherweise ändern? Diese Fragen schienen grundlegend für die Besiedlung des Weltraums zu sein und waren, offen gesagt, wirklich interessant, wurden aber in der Regel als Punkte übergangen, die sich mit der Entwicklung größerer Raketen von selbst regeln würden. So wandelte sich das Buch, in dem es nun weniger darum gehen sollte, das Geschäft mit den zukünftigen Weltraumsiedlungen zu erklären, sondern vielmehr darum, den unerforschten Fragen auf den Grund zu gehen, deren Erforschung uns an einige seltsame Orte führte.

Wir lasen Berichte über Höhlen auf dem Mond, unangenehm detaillierte Konzepte zur Paarung im Orbit und Abhandlungen über Weltraumwahnsinn, Mondgesetze, Pläne für marsianische Firmenstädte und Hoffnungen auf neue Lebensformen in fernen Welten. Wir nahmen uns Dutzende von alten Weltraumbüchern vor, die bis in die 1920er-Jahre zurückreichen und von denen viele eine baldige Besiedlung des Weltraums vorhersagten. Wir sprachen mit Experten aus Wirtschaft und Politik, die wenig Interesse an der Raumfahrt hatten, aber auch mit Raumfahrtbefürwortern und Raumfahrtunternehmern. Wir platzen praktisch vor seltsamem Weltraumwissen. Wussten Sie, dass die kolumbianische Verfassung einen Anspruch auf eine bestimmte Region des Weltraums erhebt? Wussten Sie, dass die erste Frau, die eine Raumstation betrat, eine Schürze »geschenkt« bekam und gefragt wurde, ob sie für den Rest ihrer Mission das Kochen und Putzen übernehmen würde? Wussten Sie, dass ein frühes Konzept zur Lebenserhaltung im Weltraum eine Substanz vorsah, die sowohl als Lagerfläche als auch als Frühstück dienen konnte? Wussten Sie, dass der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei der USA, Barry Goldwater, einst dafür plädierte, Stiersamen in den Orbit zu schicken, um Spermien für die Geschlechtsselektion zu separieren?

Wir verliebten uns zwar in das Forschungsgebiet der Weltraumsiedlung, aber wir machten uns immer mehr Sorgen über all die Vorschläge, wie dies in den kommenden Jahrzehnten umgesetzt werden könnte. Wenn man nur über technische Dinge spricht, wie die Größe von Raketen oder die Frage, ob es auf dem Mars Wasser und Kohlenstoff gibt, kann das Gesamtbild ziemlich solide aussehen. Wenn man sich aber mit den schwammigen Details der menschlichen Existenz befasst, sieht die Sache, nun ja, schwammig aus.

Ein Beispiel hierfür sind Weltraumbabys. Können wir sie erzeugen? Bei Vorschlägen für Weltraumsiedlungen wird oft einfach davon ausgegangen, dass man problemlos ein natürliches Bevölkerungswachstum erreichen kann. Wir wissen nicht, ob das stimmt, und es gibt gute Gründe für die Annahme, dass es nicht so ist. Ein Start-up namens SpaceLife Origin gab 2018 sein Ziel bekannt, bis 2024 die erste menschliche Geburt im Weltraum zu erreichen. Im Jahr 2019 verließ der CEO das Unternehmen unter Berufung auf »ernsthafte ethische, sicherheitstechnische und medizinische Bedenken«.4 Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Von allen NASA-Astronauten haben nur fünf Astronauten neun aufeinanderfolgende Monate im Weltraum verbracht, nur zwei dieser fünf waren Frauen, und keiner von ihnen musste dies tun, während er ein Fötus war. Auch die Menschen, die den Fötus austragen, könnten Bedenken haben. Mütter auf der Erde machen sich Sorgen über Dinge wie ob es in Ordnung ist, Sushi zu essen oder ein Bier zu trinken. Und nun stellen Sie sich einmal 1 Prozent Knochenschwund pro Monat vor, während Sie jeden Tag mehrere Stunden Widerstandstraining in einer Atmosphäre mit hoher Strahlung und hohem Kohlendioxidgehalt ohne erdnahe Schwerkraft absolvieren. Es ist sicherlich möglich, dass alles gut geht, aber wir würden nicht darauf wetten wollen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Bevölkerungswachstum es erfordert, dass Babys nicht nur geboren werden, sondern auch aufwachsen, um später selbst Babys zu bekommen, würde es Jahrzehnte dauern, angemessene Sicherheitsprotokolle zu erstellen, selbst wenn wir ab morgen unethischerweise mit Experimenten an Menschen beginnen würden. Aber das tun wir nicht. Der derzeitige Stand der Technik umfasst kurze, unsystematische Experimente im Orbit wie das, bei dem Geckos für eine genau dokumentierte gemeinsame Zeit nach oben geschickt wurden, bevor das Experiment scheiterte und alle erfroren. So läuft das im Weltraum.

Elon Musk sagt, dass wir im Jahr 2029 unsere Füße auf dem Mars haben werden und eine Millionenstadt 20 oder 30 Jahre später möglich ist. Wir nehmen an, dass er die Weltraumbabys erst einmal im Griff hat, sodass wir uns mit einem größeren Problem befassen können: Der Weltraum ist schrecklich. Wenn wir mit Menschen sprechen, die keine Weltraumfreaks sind, haben wir den Eindruck, dass sie zwar wissen, dass der Weltraum ziemlich mies ist, aber dass sie das Ausmaß der Scheußlichkeit unterschätzen. Wir haben vorhin gesagt, dass man verrückt wäre, die Erde für den Mars zu verlassen. Das stimmt, aber wir sollten hinzufügen, dass der Mars mit Abstand der einladendste Ort für eine Weltraumsiedlung ist. Den zweiten Platz belegt der Mond, der neben vielen anderen Mängeln sehr arm an Kohlenstoff ist, dem Grundbaustein des Lebens.

Die allgemein schreckliche Beschaffenheit des Weltraums hat zur Folge, dass man dort wahrscheinlich unterirdisch leben muss, damit man nicht mit der Umwelt in Berührung kommt. Das Überleben von Millionen von Menschen erfordert eine sehr gute Abdichtung, enorme Mengen an Elektrizität, wahnsinnig große Strukturen und – was am schwierigsten ist – ein künstliches Ökosystem, um alle Bewohner zu versorgen. Können wir das schaffen? Das größte System dieser Art, das jemals gebaut wurde, war Biosphäre 2, das in den 1990er-Jahren errichtet wurde und insgesamt acht Menschen zwei hungrige Jahre lang ernährte. Ist es realistisch, dass wir das in den nächsten 30 Jahren von acht Menschen auf eine Million skalieren können? Wie bei den Weltraumbabys besteht das Problem hier nicht nur darin, dass die Technologie eine Herausforderung darstellt. Auch Computer und Flugzeuge waren mal eine Herausforderung, aber wir haben sie trotzdem gebaut. Das Problem liegt vielmehr darin, dass wir, um von acht auf eine Million zu skalieren, ein extrem komplexes biologisches System verstehen müssen, auf das die Siedler angewiesen sein werden, um Nahrung, sauberes Wasser und Luft zu erhalten und generell zu überleben. Wir können das schaffen, aber im Tempo der Ökologie, nicht des Risikokapitals. Wo wir gerade dabei sind: Wie bei den Weltraumbabys gibt auch hier niemand das Geld aus, das erforderlich ist, um schnelle Antworten zu erhalten, vielleicht weil es keinen offensichtlichen Profit bei Dingen wie orbitaler Geburtshilfe oder luftdichten Gewächshäusern von der doppelten Größe Singapurs gibt.*

Wir haben immer noch keine Ahnung von vielen grundlegenden Aspekten, und dieses Wissen zu erlangen, wird teuer, zeitaufwendig und ohne offensichtliche Rendite sein. Wenn es Ihnen wie uns geht, denken Sie an diesem Punkt: Okay, die Wissenschaft und die Technik sind zwar kompliziert, aber wir können es trotzdem tun, und wir sollten es tun, weil es großartig ist. Das führt leider zu einem Problem, das größer als die Wissenschaft oder die Technologie ist: das Recht.

Ob Sie es glauben oder nicht, es gibt tatsächlich ein Weltraumrecht und sogar Weltraumanwälte. Das sind keine Aktenkoffer tragenden Leute in Raumanzügen, sondern Gelehrte des internationalen Rechts. Sie halten Konferenzen, Institute und simulierte Gerichtsverhandlungen ab und sind, soweit wir das beurteilen können, sehr verärgert darüber, dass die Fans der Weltraumkolonisierung oft so tun, als gäbe es sie nicht. Wir werden später auf die Einzelheiten eingehen, aber das übergeordnete Problem besteht darin, dass die Art und Weise, wie das Weltraumrecht mit moderner Technologie und Geopolitik interagiert, praktisch darauf ausgelegt ist, eine Krise zu erzeugen, wenn die Menschheit sich in Richtung Weltraumsiedlungen bewegt. Der Grund dafür ist folgender: Der Weltraum ist ein Gemeingut. Er gehört allen. Niemand hat das Recht, sich ein Gebiet anzueignen. Nach vielen modernen Interpretationen – und insbesondere nach der amerikanischen Interpretation – kann jedoch jeder so viel von der Oberfläche nutzen, wie er will. Darüber sollten wir mal kurz nachdenken: Sie können die gesamte Mondoberfläche nach Belieben nutzen, solange Sie nicht sagen: »Das ist meins«, im Sinne von: Das ist mein Territorium. Rechtlich gesehen könnten wir wahrscheinlich in riesigen, von der Erde aus sichtbaren Buchstaben schreiben: »Der Mond gehört den Weinersmiths, ihr Deppen auf der Erde«, solange wir nicht behaupten, dass wir das tatsächlich glauben.

Andere Akteure könnten dies ebenfalls tun: China, Indien, die Europäische Weltraumorganisation oder auch private Raumfahrtunternehmen. Wenn man dann noch bedenkt, dass nur ein winziger Teil der Mondoberfläche von besonderem Nutzen ist und dass die wahrscheinlichsten Streitparteien Atommächte sind, ergibt sich eine interessante Situation. Kelly besuchte 2019 den Internationalen Astronautenkongress IAC – eine Art Abschlussball der nerdigen Weltraumszene mit wichtigen Vertretern der Weltregierung und der Raumfahrtbehörden –, wo sie an einer Sitzung zum Thema Weltraumrecht teilnahm. Die gängige Meinung unter den US-amerikanischen Vertretern? Das Weltraumrecht ist zu langsam, und man ist sich untereinander nicht einig, wie es weitergehen soll; also sollten wir einfach nationale Regeln verabschieden, versuchen, befreundete Nationen dazu zu bringen, diesen zuzustimmen, und unser Ding machen. Das Problem, das wir dabei sehen, ist, dass wir damit quasi territoriale Ansprüche erheben können, die die Auslegung des internationalen Rechts sprengen.

Besonders besorgniserregend ist, dass diese Entscheidung, sich kopfüber in eine Krise zu stürzen, auch dann getroffen werden kann, wenn es keinen guten wirtschaftlichen oder militärischen Grund dafür gibt. Zach sprach einmal mit einem Wissenschaftler für internationale Sicherheit darüber, warum Nationen Dinge tun, die keinen Sinn ergeben. Seine konkrete Frage bezog sich auf Helium-3, eine Substanz, die mehrere Regierungen, Unternehmen und Raumfahrtbehörden wegen ihres wirtschaftlichen Wertes auf dem Mond abbauen wollen. Aus Gründen, die wir später noch erläutern werden, sind wir der Meinung, dass diese Überlegung schlichtweg albern ist, und wir haben uns gefragt, warum all diese verschiedenen Akteure angeblich daran ein Interesse haben. Die Antwort lautete in etwa: »Na ja, die Einstellung ist … wenn China es macht … dann müssen wir es auch machen.« Auch die Raumfahrtbehörden sind in dieser Hinsicht nicht zurückhaltend. In einem Interview mit der New York Times aus dem Jahr 2022 sagte der NASA-Administrator Bill Nelson über die chinesische Präsenz auf der Mondoberfläche: »Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass sie sagen könnten: ›Dies ist unsere exklusive Zone. Haltet euch fern davon.‹«5

Wenn man den Weltraum sicher besiedeln will, ist die richtige Technologie schon schwierig, aber das ist noch nicht alles. Wir brauchen auch zumindest einigermaßen harmonische internationale Beziehungen. Es sieht allerdings auf der Erde gerade nicht gut aus, und im Weltraum sieht es vielleicht nicht viel anders aus. In einem 2022 von der Defense Innovation Unit herausgegebenen Bericht, der von Workshop-Teilnehmern aus Organisationen wie der US Space Force und der Air Force verfasst wurde, vertreten die Autoren die Ansicht, dass ein neues »Weltraumrennen« mit China bereits begonnen hat. Dazu schreiben sie: »Der Wettbewerb stellt einen wichtigen Wendepunkt nicht nur für das 21. Jahrhundert, sondern für die gesamte Menschheitsgeschichte dar. Das Ziel des neuen Wettlaufs im Weltraum besteht in nichts Geringerem als der dauerhaften Etablierung der ersten menschlichen Siedlung außerhalb des Planeten, die von einer florierenden Wirtschaft zum, im und aus dem Weltraum angetrieben und unterstützt wird.«6

Doch es gibt auch Raum für Optimismus. Die Menschheit hat es geschafft, die Antarktis und den Meeresboden friedlich zu reglementieren – Gebiete, die dem Weltraum insofern ähneln, als sie im Grunde genommen schrecklich sind und bis Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend unzugänglich waren. Ob wir das im Weltraum, der seit den 1950er-Jahren eng mit nationalem Prestige verbunden ist, künftig auch tun können, ist allerdings komplizierter. Aber nehmen wir einmal an, wir schaffen das alles. Wir haben Blasen-Ökosysteme, China und die Vereinigten Staaten verstehen sich dank eines brillanten neuen Rechtsrahmens prächtig, und wir machen lauter erstklassige Weltraumbabys. Dann bleibt nur noch ein letztes Problem: wir.

Angesichts der Schwierigkeit, den Weltraum zu besiedeln, kommen die Befürworter in der Regel mit ehrgeizigen Zielen für die Menschheit an den Verhandlungstisch. Eines der plausibelsten Ziele lautet, dass eine zweite menschliche Zivilisation im Wesentlichen eine Sicherungskopie für den Fall ist, dass wir die Zivilisation auf der Erde versehentlich vernichten. Oder sie verschmoren lassen. Oder sie von einem Asteroiden getroffen wird. In dieser Vision ist die Besiedlung des Weltraums ein Plan B für unsere Spezies, was die Besiedlung des Weltraums zu einem lohnenswerten Ziel macht, ungeachtet des Risikos oder der kurzfristigen Rentabilität der Investition.

Aber sind wir sicher, dass eine Plan-B-Strategie tatsächlich die Wahrscheinlichkeit des Überlebens unserer Spezies erhöht? Vielleicht nicht.

Eine ausführliche Betrachtung des Space-Bastardtums

Die wohl ausführlichste Behandlung dieses Themas findet sich im Buch Dark Skies: Space Expansionism, Planetary Geopolitics, and the Ends of Humanity von Dr. Daniel Deudney, einem Wissenschaftler für internationale Beziehungen. Es ist ein kompliziertes Argument, aber der Grundgedanke ist folgender: Da wir Menschen so sind, wie wir sind, führt der Vorstoß in den Weltraum zu mindestens zwei Formen existenzieller Gefahren: das Risiko eines nuklearen Konflikts auf der Erde aufgrund eines Gerangels um das Weltraumterritorium und das Risiko, dass schwere Objekte auf die Erde geschleudert werden, wenn es den Menschen erlaubt wird, Dinge wie Asteroiden und massive Raumstationen im Orbit zu kontrollieren.

Der erste Punkt könnte zumindest im Prinzip durch eine angemessene rechtliche Regelung gelöst werden, aber der zweite Punkt ist schwieriger. Je mehr Möglichkeiten wir im Weltraum haben, desto mehr Möglichkeiten zur Selbstvernichtung stehen uns offen. Dafür ist nicht einmal ein interplanetarischer Krieg erforderlich. Eine terroristische Handlung würde ausreichen und wäre wahrscheinlich schwieriger zu bekämpfen.

Deudney ist unter den Fans der Weltraumkolonisierung nicht sehr beliebt,* aber wir sind der Ansicht, dass er ernst genommen werden muss. Wenn er recht hat, gibt es selbst dann, wenn wir die benötigte Technologie herstellen und die rechtlichen Voraussetzungen schaffen können, immer noch ein starkes Argument gegen eine massive menschliche Präsenz im Weltraum. Dabei gibt es mindestens zwei verschiedene Möglichkeiten, wie es schiefgehen könnte: Erstens erhöht mehr menschliche Präsenz im Weltraum einfach die Wahrscheinlichkeit eines schlechten Ausgangs. Das zweite Problem ist das, was man als Tendenz zur »Weltraum-Bastardokratie« bezeichnen könnte. Darauf werden wir noch näher eingehen, aber es gibt Gründe für die Annahme, dass die Besiedlung des Weltraums, so wie man sie sich im Allgemeinen vorstellt, mit größter Wahrscheinlichkeit grausame oder autokratische Regierungen hervorbringt.

Besonders besorgniserregend an Deudneys Argumenten ist die Tatsache, dass es unter den Befürwortern der Besiedlung des Weltraums – zu denen zwei der reichsten Männer der Erde gehören, die beide Eigentümer von Raumfahrtunternehmen sind – alle möglichen fragwürdigen Überzeugungen darüber gibt, wie der Weltraum die Menschheit verbessern wird. Die Besiedlung des Weltraums ist etwas, das die Menschen schon seit der viktorianischen Ära anstreben. Es gibt seit Langem bestehende Gesellschaften, die sich dieser Idee verschrieben haben und die im Laufe der Jahre alle möglichen Argumente dafür entwickelt haben, warum die Menschen ins All aufbrechen müssen, und das schon bald, und wie großartig alles sein wird, wenn wir erst einmal dort sind.

Je nachdem, welcher Theorie man Glauben schenkt, soll der Weltraum Folgendes ermöglichen: die Wahrscheinlichkeit von Kriegen verringern, die Politik verbessern, der Knappheit ein Ende setzen, uns vor dem Klimawandel bewahren, eine homogenisierte und schnell verweichlichende Erde wiederbeleben und nach einer weitverbreiteten Vorstellung, die als »Overview-Effekt« bezeichnet wird, uns alle so weise wie Philosophen machen. Wenn auch nur eine dieser Behauptungen wahr wäre, könnte sie Deudneys Argumente widerlegen. Wenn wir da oben alle Philosophen sein werden, warum sollten wir uns dann Gedanken über Krieg machen? Oder wenn wir eine Chance haben, die Knappheit zu beseitigen, ist das Existenzwagnis vielleicht die Gefahr wert. Das Problem ist nur, dass diese Thesen aus Gründen, auf die wir im weiteren Verlauf des Buches eingehen werden, mit ziemlicher Sicherheit falsch sind.

Aber sie sind nach wie vor weit verbreitet und haben Einfluss auf mächtige Technologen in der Weltraumsiedlungsbewegung und in den Raumfahrtbehörden. Eine seit Langem bestehende Überzeugung der Weltraumsiedlungsideologie ist weitgehend libertär und konservativ. Sie sieht die moderne Erde als zunehmend homogenisiert und bürokratisiert an, die den Einfluss einer Pionierzivilisation im Weltraum benötigt, um uns einen stärkeren, freieren und besseren Weg aufzuzeigen. Elon Musk glaubt wahrscheinlich in irgendeiner Form daran. Denken Sie nur an seinen Tweet, in dem er behauptet: »Wenn er nicht gestoppt wird, wird der Woke-Mind-Virus die Zivilisation zerstören und die Menschheit wird niemals den Mars erreichen.«7 Eine verwandte Version dieser Vorstellung sieht so aus, dass der Weltraum wie der alte amerikanische Westen sein wird, der die Vereinigten Staaten angeblich zu ihrem modernen, dynamischen und robusten individualistischen Selbst gemacht hat. Diese Idee geht auf das 19. Jahrhundert zurück, ist aber seit den 1980er-Jahren unter Historikern nicht mehr verbreitet. Dennoch lebt sie in Regierungs- und Militärdokumenten, politischen Reden und in der Philosophie der National Space Society weiter und wird von Dr. Robert Zubrin, dem Präsidenten der Mars Society, vertreten.

Jeff Bezos hat seine Theorie der Weltraumbesiedlung wahrscheinlich von Dr. Gerard K. O’Neill übernommen, einem Princeton-Professor, dessen Vorlesungen Bezos als junger Student besuchte. O’Neills Weltraumphilosophie drehte sich um große, solarbetriebene Raumstationen als Mittel zur Rettung der Wirtschaft und Ökologie der Erde. Dieses Argument mag um 1970 herum plausibel gewesen sein, als die Meinung weit verbreitet war, dass der Weltraum immer billiger werden würde und dass Energie- und Nahrungsmittelkrisen in den 1980er-Jahren zu beispiellosen weltweiten Hungersnöten führen würden. Heute kann man die Biosphäre der Erde viel besser mit erdgebundener Sonnen- und Windenergie retten. Selbst wenn wir glauben, dass Weltraumsiedlungen den Druck von den Meeren und Böden der Erde nehmen könnten, werden sie auf keinen Fall rechtzeitig entstehen, um mögliche Umweltkatastrophen zu verhindern.

Was auch immer man sonst über diese Vorstellungen sagen mag, sie scheinen ernst gemeint zu sein. Unserer Erfahrung nach denken die Leute oft, dass Weltraummilliardäre Gauner, Lügner oder sogar Investmentbetrüger sind. Und es macht natürlich keinen Spaß, in der Position zu sein, sagen zu müssen: »Leute, wartet! Diese Milliardäre werden missverstanden!« Aber abgesehen von dem Hype und der Effekthascherei gibt es allen Grund zu der Annahme, dass den Raketenmilliardären die Besiedlung des Weltraums wirklich am Herzen liegt. Jeff Bezos hielt seine Abschiedsrede als Highschool-Schüler zum Thema Weltraumkolonien und ist heute der wichtigste Fürsprecher für große, rotierende Raumstationsiedlungen, wie sie O’Neill befürwortete. Als Elon Musk durch den Verkauf von PayPal reich wurde und lange bevor er SpaceX gründete, dachte er darüber nach, eine Mäusekolonie oder ein kleines Gewächshaus auf den Mars zu bringen. Mit so etwas lässt sich kein Geld verdienen. Musk wollte, dass die Menschen seine Vision für den Weltraum in einer Zeit wahrnehmen, in der die Weltraumaktivitäten nicht besonders ausgeprägt waren.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen glauben, SpaceX sei eine Art von Betrug und nutze eine alte, von der Regierung geschaffene Raumfahrttechnologie zur persönlichen Bereicherung oder verheimliche irgendwie die wahren Kosten der Raketenstarts, um die öffentlichen Kassen zu schröpfen. Auf diese Auffassung sind wir immer wieder gestoßen, und wir können nur sagen, dass sie den reinen Fakten so sehr widerspricht, dass sie an eine Verschwörungstheorie grenzt. Wie auch immer Sie zu Musk stehen, SpaceX hat den Weltraumstart wirklich revolutioniert, und keine Raumfahrtbehörde auf der Erde, einschließlich der NASA, hat es geschafft, deren Technologie zu kopieren. Fairerweise muss man sagen, dass Musks SpaceX, Bezos’ Blue Origin und andere Raketenstartunternehmen viele Regierungsaufträge erhalten haben, was aber in den Vereinigten Staaten seit den Anfängen der Raumfahrt dem Standard entspricht. Die Revolution in der Preisgestaltung kam erst mit SpaceX.

Sowohl Bezos als auch Musk machen natürlich einen zu großen Aufriss um das Thema, aber die Beweise sprechen dafür, dass sie tatsächlich an eine Zukunft mit Weltraumsiedlungen glauben. Was uns beunruhigt, ist nicht, dass sie lügen, sondern dass sie seltsame Vorstellungen von der menschlichen Soziologie haben, die die Zukunft auf unerwünschte Weise beeinflussen könnten.

Ein Plädoyer für ein gemäßigtes Tempo im Weltraum

Wir stehen also vor folgender Situation: Die Kolonisierung des Weltraums wird nicht dazu beitragen, die Knappheit zu beseitigen, uns klug zu machen oder die Umwelt zu retten. Selbst wenn es möglich wäre, sind die technologischen und wissenschaftlichen Hindernisse für eine sichere Besiedlung in naher Zukunft sehr groß und werden unterschätzt. Und selbst wenn wir die Technologie hätten, würden die derzeitigen rechtlichen Strukturen wahrscheinlich zu einem Konflikt führen, da die verschiedenen Parteien um das Territorium ringen. Wenn wir wirklich Pech haben, könnte der internationale Wettbewerb zu einer unnötigen geopolitischen Eskalation zwischen den Atommächten führen. Und sogar wenn all diese Dinge geregelt wären, gäbe es immer noch gute Gründe, unsere Ambitionen langfristig einzuschränken. Doch trotz alledem drängen sehr mächtige Leute, unterstützt durch die neuesten nationalen Gesetze und multilateralen Abkommen, darauf, dass diese Dinge so schnell wie möglich geschehen.

Wir sind nicht der Meinung, dass dies bedeuten muss, dass Weltraumsiedlungen niemals entstehen sollten. Wir sind jedoch der Meinung, dass Weltraumsiedlungen wahrscheinlich ein Projekt für Jahrhunderte und nicht für Jahrzehnte sind und sein sollten. Insbesondere werden wir argumentieren, dass wir, wenn die Menschheit Weltraumsiedlungen anstrebt, einen Ansatz des »Abwartens und Großangehens« wählen sollten. Wir sollten die großen Entwicklungen in Wissenschaft, Technologie und internationalem Recht abwarten und dann viele Siedler auf einmal losschicken.

Doch dieses Abwarten besteht nicht nur aus Herumsitzen. Auf den folgenden Seiten erfahren wir etwas über Spinnenroboter auf dem Mond, die Zeugung von Babys auf marsianischen Achterbahnen, die Anzahl der Menschen, die für eine lebensfähige Fortpflanzungspopulation erforderlich sind, und auch über andere seltsame Dinge. Selbst wenn unsere Spezies den Mars niemals besiedeln sollte, ist die Entscheidung, wie wir das tun könnten, ein Projekt, das objektiv großartige und bizarre Forschung und Entwicklung in fast jedem Bereich menschlicher Bestrebungen erfordert – von künstlichen Gebärmüttern bis zum internationalen Recht. Keine noch so große wissenschaftliche Anstrengung garantiert, dass wir ein langfristiges existenzielles Risiko ausschließen können, aber wenn die Pläne für die Besiedlung des Mars auf Hunderte von Jahren angelegt sind, haben wir zumindest Zeit, Lösungen für diese Aufgabe zu entwickeln.

Ein Zitat, das in 99,9999 Prozent aller Bücher über die Besiedlung des Weltraums verwendet wird, stammt vom Gründervater der Raketentechnik, Konstantin Ziolkowski, der 1911 in einem Artikel schrieb: »Die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber man kann nicht ewig in der Wiege bleiben.« Mag sein. Aber wir sollten uns daran erinnern, dass das, was aus der Wiege kommt, kein ausgereifter Erwachsener ist, sondern ein Kleinkind – ohne Wissen, ganz zappelig und anfällig für Selbstzerstörung. Wenn wir vorhaben, diesen Ort zu verlassen, sollten wir dies besser als Erwachsene tun. Lassen Sie uns die schwierigen Jahre damit verbringen, zu lernen und dann zu neuen Ufern aufzubrechen.

Ihre Einführung in das Space-Bastardtum

Betrachten Sie dieses Buch als einen unverblümten Siedlungsleitfaden für den Rest des Sonnensystems. Wenn Sie sich noch nicht mit dem Thema der Weltraumkolonisierung befasst haben, wird Ihnen das meiste davon unbekannt sein und Sie hoffentlich überraschen. Wenn Sie sich bereits ein wenig mit der Besiedlung des Weltraums auskennen, dann werden Sie hier eine realistischere und ganzheitlichere Sichtweise vorfinden als in jedem anderen Buch zu diesem Thema.

Das Buch ist in sechs Abschnitte unterteilt. Im ersten geht es darum, was der Weltraum mit dem menschlichen Körper und Geist macht. Der zweite beschäftigt sich damit, wo wir diese Körper und Köpfe im Weltraum unterbringen könnten. Im dritten Abschnitt wird erläutert, wie wir dafür sorgen können, dass sie nicht alle sterben. Im vierten Abschnitt wird die Frage behandelt, ob irgendetwas davon legal ist oder sein sollte. Der fünfte Abschnitt befasst sich mit der Überlegung, wie wir die Gesetzgebung aktualisieren können, um die Ansiedlung von Menschen besser zu ermöglichen, ohne die Menschen zu Hause aus den Augen zu verlieren. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit der Soziologie, dem Wachstum und der Frage, ob wir einen Plan B für die Menschheit entwickeln können und ob dies wünschenswert ist.

Da wir versuchen, so viele Themen abzudecken, ohne dabei zu viele Details zu vernachlässigen, schließen wir jeden Abschnitt mit einem Notabene ab – einem kuriosen Beitrag aus unseren Recherchen, der nicht unbedingt zum Gesamtbild beiträgt, aber eine Atempause von der Flut an Informationen bietet und an dem Sie sicher Freude haben werden.

Außerdem möchten wir Ihnen Stella vorstellen:

Stella ist eine Weltraumsiedlerin, die bereit ist, sich von diesem blassblauen Punkt zu verabschieden. Mit jedem weiteren Kapitel werden wir sie verändern, um zu veranschaulichen, was wir bisher gelernt haben. Dabei gehen wir von ihrer Kleidung über den Ort, an dem sie lebt, bis hin zu ihrer neuen Weltraumnation, die hoffentlich nicht von der Erde bombardiert wird. Am Ende werden Sie selbst entscheiden können, ob Stellas Entschluss, das Sonnensystem zu besiedeln, eine kluge Entscheidung war, entweder für sie selbst oder für die Welt, die sie verlassen hat.

Kapitel 1

Eine Einführung in die Weltraummythen

Idyllische Zukunftsvisionen scheinen immer mit der versteckten Annahme einherzugehen, dass sich die menschliche Natur ändern wird. Dass die Schwächen der Menschheit irgendwie mit der Ehrfurcht vor dem Leben inmitten der Sterne verschmelzen werden. Die Menschen werden weltliche Schwächen wie Alkohol und Drogen aufgeben, und außerdem wird jeder supereffizient sein, so wie es sich die Umweltschützer erträumen. Aber das war noch nie der Fall, während wir vorwärtsgeschritten sind, also wüsste ich nicht, warum das in der Zukunft passieren sollte.8

– Andy Weir, weltberühmter Science-Fiction-Autor, der auch sehr aufschlussreiche Buchkommentare über Alkohol im Weltraum schreibt

Skurrile Ideen über die Besiedlung des Weltraums dienen oft als Rechtfertigung für das ganze Projekt. Sie versprechen in der Regel großen Reichtum, eine bessere Menschheit oder eine Flucht vor der Schrecklichkeit der Erde. Da dieses Buch weitgehend von der Annahme ausgeht, dass es keine dringende Notwendigkeit für die Besiedlung des Weltraums gibt, werden wir versuchen, Sie davon zu überzeugen, dass die meisten Argumente der Besiedlungsbefürworter falsch sind. Einige dieser Argumente werden Ihnen vielleicht nicht bekannt sein, aber alle haben zumindest einige mächtige Fürsprecher in Regierungs-, Militär- oder Wirtschaftskreisen.

Schlechte Argumente für die Weltraumkolonisierung

Argument 1: Der Weltraum rettet die Menschheit vor der drohenden Katastrophe, indem er ihr eine neue Heimat bietet

Die Vorstellung, dass eine multiplanetare Menschheit besser vor dem Aussterben bewahrt werden kann, ist weit verbreitet und auf lange Sicht plausibel. Kurzfristig hilft die Besiedlung des Weltraums jedoch nicht gegen eine der Katastrophen, die Sie sich in dieser Sekunde vielleicht ausmalen. Sie hilft nicht bei der globalen Erderwärmung, bei einem Atomkrieg, bei Überbevölkerung und wahrscheinlich nicht einmal bei einem Asteroideneinschlag wie bei den Dinosauriern. Und warum? Vereinfacht gesagt, weil der Weltraum so schrecklich ist, dass eine einzige Katastrophe nicht ausreicht, um eine bessere Option als die Erde zu sein. Eine Erde mit Klimawandel, Atomkrieg und mit so was wie Zombies und Werwölfen ist immer noch ein viel besserer Ort als der Mars. Um auf der Erde zu überleben, braucht man Feuer und einen spitzen Stock. Um im Weltraum zu überleben, braucht man alle möglichen Hightechgeräte, die wir auf der Erde kaum herstellen können. Wir werden das alles im Laufe des Buches näher erläutern, aber im Grunde geht es darum, dass keine außerweltliche Siedlung in absehbarer Zeit den Verlust der Erde überleben kann. Es wird schon schwer genug sein, überhaupt eine große Siedlung aufzubauen, aber für eine wirtschaftliche Unabhängigkeit sind möglicherweise Millionen von Menschen erforderlich.

Wir sind der Meinung, dass es durchaus gute Argumente für einen Plan B der Menschheit außerhalb der Erde gibt, dass es aber keine guten Gründe gibt, diesen schnell umzusetzen. Ein häufig vorgebrachtes Argument für die Dringlichkeit ist das sogenannte »kurzes Zeitfenster«-Argument. Die Grundannahme ist, dass »goldene Zeitalter« historisch gesehen nicht lange andauern, sodass unser derzeitiges Zeitalter der Raumfahrt zu Ende gehen könnte, bevor wir den Mars erreichen. Wir wissen nicht, ob das eine gute Analyse der Geschichte ist, aber was wir festhalten können, ist, dass das gegenwärtige Zeitalter einfach nicht golden genug ist, um eine unabhängige Marswirtschaft zu schaffen. Wenn man einen Mars schaffen will, der den Tod der Erde überleben kann, sollte man dafür sorgen, dass die Erde noch eine sehr lange Zeit nicht stirbt.

Urteil der Weinersmiths:

Argument 2: Die Weltraumkolonisierung rettet die Umwelt auf der Erde durch die Verlagerung von Industrie und Bevölkerung ins All

Von diesem Argument existieren verschiedene Varianten, von denen viele bei den Befürwortern rotierender Raumstationen, darunter Jeff Bezos, beliebt sind.

Eine Version dieser These besagt, dass das Sonnensystem mehr als genug Masse enthält, um rotierende Raumstationen zu errichten, die eine nahezu endlose Anzahl von Menschen im Weltraum beherbergen können. Das ist insofern tatsächlich möglich, als es im Weltraum jede Menge Material gibt, das in Raumstationen umgewandelt werden könnte – aber wir sollten hier einmal die Proportionen betrachten. Auf die Erde des Jahres 2022 kommen etwa 80 Millionen Menschen pro Jahr. Wenn wir zur Rettung unserer Ökologie die menschliche Bevölkerung auf der Erde reduzieren müssen, dann müssen wir täglich 220 000 Freiwillige in den Weltraum schicken und unterbringen, nur um über die Runden zu kommen.

Eine verwandte Theorie besagt, dass der Weltraum für die Schwerindustrie genutzt werden sollte, während die Erde in einen unverschmutzten, paradiesischen Zustand zurückkehrt. Der gesamte unliebsame Bergbau und die Produktion können woanders stattfinden, und die Nebenprodukte werden sauber in der riesigen Mülldeponie des Sonnensystems entsorgt. Wie Jeff Bezos erklärt: »Die Erde wird in Wohngebiete und leichte Industriegebiete aufgeteilt.«9 Auch das ist theoretisch möglich, und solange man nur über große Konzepte wie Umweltverschmutzung und Masse nachdenkt, klingt es vielleicht auch machbar. Aber die Schwierigkeiten liegen hierbei in den Details. Nehmen wir zum Beispiel Zement. Er trägt wesentlich zur globalen Erderwärmung bei. Können wir ihn also im Weltraum herstellen?

Technisch gesehen gibt es die meisten Bestandteile von Zement auf dem Mond, aber sie werden nicht leicht zu finden sein. Die Baumaschinen müssen so gebaut werden, dass sie in einer luftleeren Umgebung mit geringer Schwerkraft und äquatorialen Temperaturschwankungen von –130 °C bis 120 °C funktionieren. In diesem Zusammenhang sind es nur Kleinigkeiten, die ins Gewicht fallen. Es ist fast unmöglich, ein Schmiermittel zu finden, das diesen Temperaturschwankungen standhält, ohne sich zu zersetzen. Das Gleiche gilt für die Maschinen selbst. Bei extremer Kälte können einige Metalle an Duktilität verlieren und an Sprödigkeit zunehmen; unterhalb einer bestimmten Temperatur verhalten sich Metalle eher wie Stein. So stark sie auch sein mögen, sie können sich nicht mehr biegen und verformen. Es wird spekuliert, dass die Titanic gesunken ist, weil ihr Stahlrumpf einen Übergang von duktil zu spröde erlebte, bevor er auf den berüchtigten Eisberg traf. Das ist ein nicht unerhebliches Problem, wenn man Baumaschinen einsetzen will, die regelmäßig gegen harte Oberflächen prallen.

Und das ist nur ein kleines Detail von wiederum einem Teil des Prozesses, ganz zu schweigen davon, all diese Fabriken zu bauen. Wie schnell können wir diese Probleme lösen und dann auf den Bedarf der Erde skalieren, die derzeit über 3,5 Milliarden Tonnen Zement pro Jahr benötigt? Und wäre dieser Zement wirtschaftlich wettbewerbsfähig mit dem auf der Erde hergestellten Zement, selbst wenn wir ihn herstellen könnten? Und, nebenbei bemerkt, wie sehen die Regeln für den Abwurf von 3,5 Milliarden Tonnen Gestein pro Jahr auf der Erde aus?

Ein Teil dessen, was diese Pläne zum Funktionieren bringen soll, ist billige, reichlich vorhandene Energie dank weltraumbasierter Solarenergie. Auch das ist eine schlechte Idee. Die weltraumbasierte Solarenergie spielt eine wichtige Rolle in den Vorschlägen zur Besiedlung des Weltraums durch riesige rotierende Raumstationen. Sie wird auch häufig von Regierungen und privaten Raumfahrtunternehmen als eine Möglichkeit vorgeschlagen, Geld zu verdienen und gleichzeitig den Planeten ökologisch zu entlasten. Vielleicht haben Sie ja bereits einen Bericht über chinesische Universitäten, die Europäische Weltraumorganisation oder ein neues Start-up-Unternehmen gelesen, die diese Technologie in naher Zukunft einsetzen wollen. Das sollten diese Akteure besser nicht tun.

Es ist natürlich richtig, dass es im Weltraum jede Menge Sonnenlicht gibt, das nicht durch störende irdische Faktoren wie das Wetter und die Atmosphäre beeinträchtigt wird. Wie viel mehr Energie man pro Solarpanel erhalten kann, hängt davon ab, welche Annahmen man zu treffen bereit ist; verschiedene Schätzungen gehen jedoch von einer zehnfachen Steigerung aus. Das klingt nach viel, bis man sich fragt, wie groß der Kostenunterschied zwischen einem Panel im Weltraum und einem Panel in Australien ist.

Es ist denkbar, dass man in einer Welt, in der Solarpanels unglaublich teuer sind und die Kosten für den Transport von Objekten in den Weltraum extrem sinken, versucht, die Energie pro Panel zu maximieren, indem man sie oberhalb der Atmosphäre anbringt. Aber die Panels sind billig, und selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Kosten für den Weltraumstart ziemlich stark sinken, geht die Rechnung nicht auf. Das wird besonders deutlich, wenn man an die Wartung denkt. Stellen Sie sich Hektar um Hektar an Glaspanels im Weltraum vor, die regelmäßig von intensiver Strahlung und Weltraummüll getroffen werden, während sie der extremen Hitze des ewigen Sonnenlichts ausgesetzt sind.* Sie müssen entweder von Astronauten oder von einer Armee fortschrittlicher Roboter repariert und gepflegt werden. Solarzellen in Australien können von einem Teenager mit einem Wischer gereinigt werden.

Wenn man den Solarstrom zurück auf die Erde leitet, hat man ein weiteres Problem. Solarmodule auf der Erde können ihren Strom direkt in das Stromnetz oder in Batterien einspeisen. Der Strom aus dem Weltraum muss zu riesigen Empfängern auf der Erde geleitet werden und verliert auf dem Weg dorthin Energie. Er kann allerdings auch nicht mit einer zu hohen Intensität ausgestrahlt werden, um Vögel und Flugzeuge nicht zu gefährden.

Solarenergie aus dem Weltraum ist dann wertvoll, wenn man sich bereits im Weltraum befindet, um Energie zu erzeugen, ohne Treibstoff zu verbrennen. Auch auf der Erde kann sie in einigen sehr begrenzten Fällen nützlich sein, beispielsweise um Energie zu Militärbasen zu leiten, bei denen die Lieferung fossiler Brennstoffe eine Gefahr darstellen würde. Für praktischere Anwendungen ist es besser, auf konventionelle, langweilige erneuerbare Energien zurückzugreifen. Wenn wir erst einmal alle Dächer mit Solaranlagen ausgestattet haben und dann die Wüste Sahara ebenfalls, dann können wir über den Weltraum reden, sollte der Planet trotzdem noch mehr Energie benötigen.

Wir sind skeptisch, dass es jemals wirtschaftlich sinnvoll sein wird, riesige Mengen an Sonnenenergie im Weltraum zu gewinnen und diese Energie dann zu nutzen, um Mondstaub in Zement, Stahl oder Industriechemikalien zu verwandeln. Aber selbst wenn wir glauben, dass dies eines Tages geschehen wird, wird dieser Tag nicht rechtzeitig kommen, um uns von den heutigen Umweltproblemen zu befreien.

Urteil der Weinersmiths:

Argument 3: Die Weltraumressourcen werden uns alle reich machen

Das ist sicherlich möglich, aber im Moment sieht es wirtschaftlich nicht gut aus. Wie wir später noch sehen werden, gibt es nirgendwo im Weltraum so etwas wie einen riesigen Brocken reines Platin oder Gold. Die Ressourcen, die es im Weltraum gibt, sind wahrscheinlich sehr teuer im Abbau und werden es auch bleiben, selbst wenn sich die Technologie stark verbessert.

Außerdem besteht ein erheblicher Unterschied zwischen dem Zugang zu Rohstoffen und allgemeinem Wohlstand. Nehmen wir als Beispiel Aluminium. Es wurde 1825 entdeckt und war anfangs so wertvoll, dass es sich nur die Wohlhabenden leisten konnten. In den Schmuckstücken der viktorianischen Zeit wurde Aluminium bisweilen als Edelmetall verwendet. Heute kann man mit Alufolie eine Lasagne abdecken. Das liegt daran, dass Aluminium im späten 19. Jahrhundert durch industrielle Verfahren unglaublich billig geworden war und der Markt mit dem ehemaligen Luxusgut regelrecht überschwemmt wurde. Das ist eine großartige Entwicklung, und natürlich bietet Aluminium unzählige wertvolle Anwendungsmöglichkeiten, von der Küche bis zu Flugzeugen. Aber die Tatsache, dass die meisten von uns große Mengen eines einst so wertvollen Metalls kaufen können, bedeutet nicht, dass wir alle Millionäre sind.

Unserer Erfahrung nach neigen die Menschen zu der Annahme, dass Rohstoffe der wichtigste Faktor für das menschliche Wohlergehen sind. Obwohl sie ein notwendiger Bestandteil unserer Wirtschaft sind, machen nicht erneuerbare Ressourcen, sprich wertvolle Stoffe, die im Boden gefunden werden, laut einem aktuellen Bericht der Weltbank nur etwa 2,5 Prozent des Reichtums der Erde aus.10 Und bei einem großen Teil davon handelt es sich um fossile Brennstoffe, die im Weltraum nicht verfügbar sind. Das wirklich Wertvolle für die Volkswirtschaften sind die Menschen, unsere Ideen und unsere Technologie. Sie können sich selbst davon überzeugen, indem Sie Ihr Handy einschmelzen und den Wert des daraus entstehenden Glases, Metalls und Plastiks ermitteln.

Selbst wenn der Weltraum einen kostengünstigen Zugang zu allen Arten von Rohstoffen bietet, die irgendeinen Menschen reich machen, gibt es keinen Grund, von einer annähernd gleichen Verteilung des Reichtums auf der Erde auszugehen. Wenn Sie glauben, dass im Weltraum das große Geld zu holen ist, dann sieht es so aus, dass die Vereinigten Staaten die besten Voraussetzungen haben, es sich zu holen. Und dies könnte wiederum der Wirtschaft der weniger entwickelten Länder schaden, die von der Rohstoffgewinnung abhängig sind. Einigen Lesern wird dies wichtiger sein als anderen, aber selbst wenn Sie der Meinung sind, dass die Verteilung des Reichtums keine große moralische Bedeutung hat, kann sie dennoch von geopolitischer Bedeutung sein. Wie wir später sehen werden, können Veränderungen im Machtgleichgewicht zwischen den Nationen unter bestimmten Bedingungen einen Krieg wahrscheinlicher machen. Wenn der Weltraum ein Land wirklich besonders reich macht, müssen die Folgen nicht zwangsläufig nur gut sein.

Urteil der Weinersmiths:

Argument 4: Die Weltraumkolonisierung wird Kriege beenden oder zumindest reduzieren

Von diesem Argument gibt es mehrere Versionen, doch wir haben festgestellt, dass die folgenden drei am häufigsten vorkommen: Die Besiedlung des Weltraums wird mehr Territorium schaffen, sodass wir weniger um Territorium kämpfen werden; die Besiedlung des Weltraums wird uns reich machen, sodass wir gar nicht mehr kämpfen wollen; die Besiedlung des Weltraums wird es unzufriedenen Bürgern ermöglichen, einfach an anderen Orten zu siedeln, was die Spannungen auf der Erde verringern wird.

Das Argument des größeren Territoriums ist das dümmste. Nationen kämpfen nicht einfach um Land, sie kämpfen um ein bestimmtes Land. Man kann Streitigkeiten über Jerusalem, Kaschmir oder die Krim nicht lösen, indem man den beteiligten Parteien gleich große Teile der Antarktis verspricht. Das wäre so, als würde man in einem schwierigen Scheidungsverfahren versuchen, den Streit um das Sorgerecht zu lösen, indem man anbietet, einfach ein paar andere Kinder zu nehmen. Und wenn wir Land als »gebaute Strukturen, in denen Menschen leben« definieren, was die Definition ist, die man für Weltraumhabitate verwenden muss, dann erzeugen wir auf der Erde die ganze Zeit über Land. Selbst durch einzelne Gebäude wird weitaus mehr Fläche geschaffen als durch jede Weltraumsiedlung, die in naher Zukunft gebaut werden könnte. Und wenn Sie persönlich einfach irgendeine Art von Land wollen, dann gibt es genug davon. Googeln Sie das mal. In manchen Industriestaaten wie Kanada oder Japan bieten kleine Ortschaften kostenloses Land für Menschen an, die bereit sind, aus den Großstädten dorthin zu ziehen.

Das Argument des Reichtums mag verlockend klingen: Wenn die Menschen reich sind, warum sollten wir dann kämpfen? Aber nicht alle Kriegswissenschaftler glauben an das Argument »Geld macht uns alle zu Freunden«. Kriege werden aus allen möglichen Gründen begonnen, die nichts damit zu tun haben, dass eine Gruppe von Menschen auf ihre Ressourcen schaut und sagt: »Hey, das sieht doch ganz gut aus.« Eine nicht vollständige Liste von Kriegsursachen umfasst: religiöse Differenzen, Anführer, die selbst nicht die Kosten der Gewalt tragen, und falsche Vorstellungen über die Stärken oder Absichten der anderen Partei. Selbst wenn es durch die Weltraumaktivitäten allen besser ginge, würde dies die Nationen nicht davon abhalten, religiöse Differenzen, schlechte Staatsführer oder Misstrauen gegenüber Rivalen zu haben.