Vampirträume - - J. R. Ward - E-Book
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Vampirträume - E-Book

J. R. Ward

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Beschreibung

Düster, erotisch, unwiderstehlich: »Black Dagger« macht süchtig!

Während Phury noch zögert, seine Rolle als Primal zu erfüllen, lebt sich Cormia im Anwesen der Bruderschaft immer besser ein. Doch die Beziehung der beiden ist von Zweifeln und Missverständnissen geprägt, und Phury glaubt kaum daran, seiner Aufgabe gewachsen zu sein.

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Seitenzahl: 401

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Redaktion: Natalja Schmidt
Copyright © 2008 by Jessica Bird
Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling ISBN 978-3-641-06774-8 V003
www.heyne.dewww.heyne-magische-bestseller.dewww.penguinrandomhouse.de

Das Buch

Während der Vampirkrieger Phury noch zögert, seine neue Rolle als Primal zu erfüllen, lebt sich die Auserwählte Cormia im Anwesen der Bruderschaft immer besser ein. Doch die Beziehung zwischen Phury und Cormia ist von Zweifeln und Missverständnissen geprägt, und Phury glaubt immer weniger daran, seiner Aufgabe gewachsen zu sein. Seine innere Zerrissenheit lässt ihn schließlich einen furchtbaren Fehler begehen. Unterdessen steigt der ehemalige Vampir Lash zum neuen Anführer der Gesellschaft der Lesser auf. Mit ungeheurer Brutalität geht er gegen die Vampiraristokratie vor, und Wrath und die Bruderschaft der Black Dagger haben schon bald alle Hände voll damit zu tun, ihre Leute zu beschützen. Und dann taucht auch noch der gefallene Engel Lassiter auf, der behauptet, der Bruderschaft einen äußerst kostbaren Verlust ersetzen zu können …

 

Die Autorin

J. R. Ward begann bereits während ihres Studiums mit dem Schreiben. Nach ihrem Hochschulabschluss veröffentlichte sie die BLACK DAGGER-Serie, die in kürzester Zeit die amerikanischen Bestseller-Listen eroberte. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrem Golden Retriever in Kentucky und gilt seit dem überragenden Erfolg der Serie als neuer Star der romantischen Mystery.

 

Besuchen Sie J. R. Ward unter: www.jrward.com

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDie AutorinDANKSAGUNGGLOSSAR DER BEGRIFFE UND EIGENNAMENKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Copyright

Titel der Originalausgabe LOVER ENSHRINED (Part 2)

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Astrid Finke

Gewidmet: Dir.Du warst der perfekte Gentleman und eine Wohltat. Und ich glaube, dass Freude dir gut bekommt –du hast sie definitiv verdient.

DANKSAGUNG

Mit unendlicher Dankbarkeit den Lesern der Bruderschaft der Black Dagger und ein Hoch auf die Cellies!

 

Ich danke euch so sehr: Karen Solem, Kara Cesare, Claire Zion, Kara Welsh.

 

Danke S-Byte und Ventrue und Loop und Opal für alles, was ihr aus der Güte eures Herzens tut!

 

Wie immer Dank an meinen Exekutivausschuss:

Sue Grafton, Dr. Jessica Andersen und Betsey Vaughan.

Und meinen größten Respekt für die unvergleichliche Suzanne Brockmann.

 

DLB – RESPEKT. Ich hab dich lieb xxx Mami

NTM – wie immer in Liebe und Dankbarkeit. Du bist wahrhaftig der Prinz unter den Männern.

P. S. – gibt es irgendetwas, was du nicht findest?

An LeElla Scott – Haben wir’s geschafft? Haben wir’s geschafft? Haben wir’s geschafft?

Remmy: der Tempomat ist unser Freund, und ohne LeSunshine sind wir nichts.

Alles Liebe, mein Herzblatt.

 

An Kaylie – herzlich willkommen in der Welt, kleines Mädchen.

Du hast eine sensationelle Mutter – sie ist mein absolutes Idol, und das nicht nur, weil sie mich mit Haarpflegeprodukten versorgt.

 

An Bub – danke für schwasted!

 

Nichts von all dem wäre möglich ohne:

meinen liebenden Mann, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht, sich um mich kümmert und mich an seinen Visionen teilhaben lässt,

meine wunderbare Mutter, die mir mehr Liebe geschenkt hat, als ich ihr je zurückgeben kann;

meine Familie (die blutsverwandte wie auch die frei gewählte)

und meine liebsten Freunde.

Ach ja, und die bessere Hälfte von WriterDog natürlich.

GLOSSAR DER BEGRIFFE UND EIGENNAMEN

Ahstrux nohtrum – Persönlicher Leibwächter, der vom König ernannt wird.

Attendhente – Auserwählte, die der Jungfrau der Schrift aufwartet.

Bannung – Status, der einer Vampirin der Aristokratie auf Gesuch ihrer Familie durch den König auferlegt werden kann. Unterstellt die Vampirin der alleinigen Aufsicht ihres Hüters, üblicherweise der älteste Mann des Haushalts. Ihr Hüter besitzt damit das gesetzlich verbriefte Recht, sämtliche Aspekte ihres Lebens zu bestimmen und nach eigenem Gutdünken jeglichen Umgang zwischen ihr und der Außenwelt zu regulieren.

Die Bruderschaft der Black Dagger – Die Brüder des Schwarzen Dolches. Speziell ausgebildete Vampirkrieger, die ihre Spezies vor der Gesellschaft der Lesser beschützen. Infolge selektiver Züchtung innerhalb der Rasse besitzen die Brüder ungeheure physische und mentale Stärke sowie die Fähigkeit zur extrem raschen Heilung. Die meisten von ihnen sind keine leiblichen Geschwister; neue Anwärter werden von den anderen Brüdern vorgeschlagen und daraufhin in die Bruderschaft aufgenommen. Die Mitglieder der Bruderschaft sind Einzelgänger, aggressiv und verschlossen. Sie pflegen wenig Kontakt zu Menschen und anderen Vampiren, außer um Blut zu trinken. Viele Legenden ranken sich um diese Krieger, und sie werden von ihresgleichen mit höchster Ehrfurcht behandelt. Sie können getötet werden, aber nur durch sehr schwere Wunden wie zum Beispiel eine Kugel oder einen Messerstich ins Herz.

Blutsklave – Männlicher oder weiblicher Vampir, der unterworfen wurde, um das Blutbedürfnis eines anderen zu stillen. Die Haltung von Blutsklaven ist heute zwar nicht mehr üblich, aber nicht ungesetzlich.

Chrih – Symbol des ehrenhaften Todes in der Alten Sprache.

Die Auserwählten – Vampirinnen, deren Aufgabe es ist, der Jungfrau der Schrift zu dienen. Sie werden als Angehörige der Aristokratie betrachtet, obwohl sie eher spirituell als weltlich orientiert sind. Normalerweise pflegen sie wenig bis gar keinen Kontakt zu männlichen Vampiren; auf Weisung der Jungfrau der Schrift können sie sich aber mit einem Krieger vereinigen, um den Fortbestand ihres Standes zu sichern. Sie besitzen die Fähigkeit zur Prophezeiung. In der Vergangenheit dienten sie allein stehenden Brüdern zum Stillen ihres Blutbedürfnisses, aber diese Praxis wurde von den Brüdern aufgegeben.

Doggen – Angehörige(r) der Dienerklasse innerhalb der Vampirwelt. Doggen pflegen im Dienst an ihrer Herrschaft altertümliche, konservative Sitten und folgen einem formellen Bekleidungs- und Verhaltenskodex. Sie können tagsüber aus dem Haus gehen, altern aber relativ rasch. Die Lebenserwartung liegt bei etwa fünfhundert Jahren.

Ehros – Eine Auserwählte, die speziell zur Liebeskunst ausgebildet wurde.

Exhile Dhoble – Der böse oder verfluchte Zwilling; derjenige, der als Zweiter geboren wird.

Gesellschaft der Lesser – Orden von Vampirjägern, der von Omega zum Zwecke der Auslöschung der Vampirspezies gegründet wurde.

Glymera – Das soziale Herzstück der Aristokratie, sozusagen die »oberen Zehntausend« unter den Vampiren.

Gruft – Heiliges Gewölbe der Bruderschaft der Black Dagger. Sowohl Ort für zeremonielle Handlungen wie auch Aufbewahrungsort für die erbeuteten Kanopen der Lesser. Hier werden unter anderem Aufnahmerituale, Begräbnisse und Disziplinarmaßnahmen gegen Brüder durchgeführt. Niemand außer Angehörigen der Bruderschaft, der Jungfrau der Schrift und Aspiranten hat Zutritt zur Gruft.

Hellren – Männlicher Vampir, der eine Partnerschaft mit einer Vampirin eingegangen ist. Männliche Vampire können mehr als eine Vampirin als Partnerin nehmen.

Hohe Familie – König und Königin der Vampire sowie all ihre Kinder.

Hüter – Vormund eines Vampirs oder einer Vampirin. Hüter können unterschiedlich viel Autorität besitzen, die größte Macht übt der Hüter einer gebannten Vampirin

Jungfrau der Schrift – Mystische Macht, die dem König als Beraterin dient sowie die Vampirarchive hütet und Privilegien erteilt. Existiert in einer jenseitigen Sphäre und besitzt umfangreiche Kräfte. Hatte die Befähigung zu einem einzigen Schöpfungsakt, den sie zur Erschaffung der Vampire nutzte.

Leahdyre – Eine mächtige und einflussreiche Person.

Lesser – Ein seiner Seele beraubter Mensch, der als Mitglied der Gesellschaft der Lesser Jagd auf Vampire macht, um sie auszurotten. Die Lesser müssen durch einen Stich in die Brust getötet werden. Sie altern nicht, essen und trinken nicht und sind impotent. Im Laufe der Jahre verlieren ihre Haare, Haut und Iris ihre Pigmentierung, bis sie blond, bleich und weißäugig sind. Sie riechen nach Talkum. Aufgenommen in die Gesellschaft werden sie durch Omega. Daraufhin erhalten sie ihre Kanope, ein Keramikgefäß, in dem sie ihr aus der Brust entferntes Herz aufbewahren.

Lewlhen – Geschenk.

Lheage – Respektsbezeichnung einer sexuell devoten Person gegenüber einem dominanten Partner.

Lielan – Ein Kosewort, frei übersetzt in etwa »mein Liebstes«.

Mahmen – Mutter. Dient sowohl als Bezeichnung als auch als Anrede und Kosewort.

Mhis – Die Verhüllung eines Ortes oder einer Gegend; die Schaffung einer Illusion.

Nalla – Kosewort. In etwa »Geliebte«.

Novizin – Eine Jungfrau.

Omega – Unheilvolle mystische Gestalt, die sich aus Groll gegen die Jungfrau der Schrift die Ausrottung der Vampire zum Ziel gesetzt hat. Existiert in einer jenseitigen Sphäre und hat weitreichende Kräfte, wenn auch nicht die Kraft zur Schöpfung.

Phearsom – Begriff, der sich auf die Funktionstüchtigkeit der männlichen Geschlechtsorgane bezieht. Die wörtliche Übersetzung lautet in etwa »würdig, in eine Frau einzudringen«.

Princeps – Höchste Stufe der Vampiraristokratie, untergeben nur den Mitgliedern der Hohen Familie und den Auserwählten der Jungfrau der Schrift. Dieser Titel wird vererbt; er kann nicht verliehen werden.

Pyrokant – Bezeichnet die entscheidende Schwachstelle eines Individuums, sozusagen seine Achillesverse. Diese Schwachstelle kann innerlich sein, wie zum Beispiel eine Sucht, oder äußerlich, wie ein geliebter Mensch.

Rahlman – Retter.

Rythos – Rituelle Prozedur, um verlorene Ehre wiederherzustellen. Der Rythos wird von dem Vampir gewährt, der einen anderen beleidigt hat. Wird er angenommen, wählt der Gekränkte eine Waffe und tritt damit dem unbewaffneten Beleidiger entgegen.

Schleier – Jenseitige Sphäre, in der die Toten wieder mit ihrer Familie und ihren Freunden zusammentreffen und die Ewigkeit verbringen.

Shellan – Vampirin, die eine Partnerschaft mit einem Vampir eingegangen ist. Vampirinnen nehmen sich in der Regel nicht mehr als einen Partner, da gebundene männliche Vampire ein ausgeprägtes Revierverhalten zeigen.

Symphath – Eigene Spezies innerhalb der Vampirrasse, deren Merkmale die Fähigkeit und das Verlangen sind, Gefühle in anderen zu manipulieren (zum Zwecke eines Energieaustauschs). Historisch wurden die Symphathen oft mit Misstrauen betrachtet und in bestimmten Epochen auch von den Vampiren gejagt. Sind heute nahezu ausgestorben.

Tahlly – Kosewort. Entspricht in etwa »Süße«.

Transition – Entscheidender Moment im Leben eines Vampirs, wenn er oder sie ins Erwachsenenleben eintritt. Ab diesem Punkt müssen sie das Blut des jeweils anderen Geschlechts trinken, um zu überleben, und vertragen kein Sonnenlicht mehr. Findet normalerweise mit etwa Mitte zwanzig statt. Manche Vampire überleben ihre Transition nicht, vor allem männliche Vampire. Vor ihrer Transition sind Vampire von schwächlicher Konstitution und sexuell unreif und desinteressiert. Außerdem können sie sich noch nicht dematerialisieren.

Triebigkeit – Fruchtbare Phase einer Vampirin. Üblicherweise dauert sie zwei Tage und wird von heftigem sexuellem Verlangen begleitet. Zum ersten Mal tritt sie etwa fünf Jahre nach der Transition eines weiblichen Vampirs auf, danach im Abstand von etwa zehn Jahren. Alle männlichen Vampire reagieren bis zu einem gewissen Grad auf eine triebige Vampirin, deshalb ist dies eine gefährliche Zeit. Zwischen konkurrierenden männlichen Vampiren können Konflikte und Kämpfe ausbrechen, besonders wenn die Vampirin keinen Partner hat.

Vampir – Angehöriger einer gesonderten Spezies neben dem Homo sapiens. Vampire sind darauf angewiesen, das Blut des jeweils anderen Geschlechts zu trinken. Menschliches Blut kann ihnen zwar auch das Überleben sichern, aber die daraus gewonnene Kraft hält nicht lange vor. Nach ihrer Transition, die üblicherweise etwa mit Mitte zwanzig stattfindet, dürfen sie sich nicht mehr dem Sonnenlicht aussetzen und müssen sich in regelmäßigen Abständen aus der Vene ernähren. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme können Vampire Menschen nicht durch einen Biss oder eine Blutübertragung »verwandeln«; in seltenen Fällen aber können sich die beiden Spezies zusammen fortpflanzen. Vampire können sich nach Belieben dematerialisieren, dazu müssen sie aber ganz ruhig werden und sich konzentrieren; außerdem dürfen sie nichts Schweres bei sich tragen. Sie können Menschen ihre Erinnerung nehmen, allerdings nur, solange diese Erinnerungen im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert sind. Manche Vampire können auch Gedanken lesen. Die Lebenserwartung liegt bei über eintausend Jahren, in manchen Fällen auch höher.

Vergeltung – Akt tödlicher Rache, typischerweise ausgeführt von einem Mann im Dienste seiner Liebe.

Wanderer – Ein Verstorbener, der aus dem Schleier zu den Lebenden zurückgekehrt ist. Wanderern wird großer Respekt entgegengebracht und sie werden für das, was sie durchmachen mussten, verehrt.

Zwiestreit – Konflikt zwischen zwei männlichen Vampiren, die Rivalen um die Gunst einer Vampirin sind.

1

In ihrem Schlafzimmer im Obergeschoss des Hauses der Bruderschaft setzte sich Cormia auf den Boden vor ein Architekturmodell, das sie am Abend zuvor begonnen hatte, eine Schachtel Zahnstocher in der Hand, eine Schüssel Erbsen neben sich. Doch sie baute nicht weiter. Wie lange sie schon einfach nur dasaß und den Deckel der Schachtel auf-und wieder zuklappte, mochte die gütige Jungfrau wissen. Auf, zu … auf, zu.

Ausgebremst und praktisch handlungsunfähig, spielte sie nun schon eine kleine Ewigkeit mit diesem Pappdeckel, ihr Daumennagel hatte die Klappe schon ganz dünn geschabt.

Wenn sie nun nicht länger die Erste Partnerin des Primals war, dann gab es keinen Grund mehr für sie, auf dieser Seite zu bleiben. Sie erfüllte keine offizielle Funktion, und nach allen gültigen Regeln sollte sie im Heiligtum wohnen und mit ihren Schwestern meditieren, beten und der Jungfrau der Schrift dienen.

Sie gehörte nicht in dieses Haus und nicht in diese Welt. Das hatte sie noch nie.

Sie wandte den Blick von der Zahnstocherschachtel ab und richtete ihn auf das Modell vor sich, musterte die einzelnen Bausteine und dachte an die Auserwählten und ihr Netzwerk von Aufgaben: von der Einhaltung des spirituellen Kalenders über die Verehrung der Jungfrau der Schrift und die Aufzeichnung Ihrer Worte und Ihrer Geschichte … bis hin zum Gebären von Black-Dagger-Brüdern und künftigen Auserwählten.

Cormia sah ihr Leben im Heiligtum vor sich und hatte das Gefühl, einen Rückschritt zu machen statt nach Hause zurückzukehren. Und seltsamerweise machte ihr das, was sie am meisten stören sollte – nämlich, dass sie als Erste Partnerin versagt hatte – gar nicht so sehr zu schaffen.

Cormia warf die Zahnstocher auf den Boden. Beim Aufprall klappte die Schachtel auf und ein Haufen Hölzer flog heraus und landete kreuz und quer auf dem Teppich.

Tumult. Unordnung. Chaos.

Sie sammelte die Hölzer ein, räumte das Durcheinander auf und kam zu dem Schluss, dass sie dasselbe mit ihrem Leben tun musste. Sie würde mit dem Primal sprechen, ihre drei Roben packen und gehen.

Als sie den letzten Zahnstocher in die Schachtel steckte, hörte sie ein Klopfen an der Tür.

»Herein«, rief sie, ohne extra aufzustehen.

Fritz steckte seinen Kopf ins Zimmer. »Guten Abend, Auserwählte, ich bringe eine Nachricht von der Herrin Bella. Sie fragt an, ob Ihr der Herrin zum Ersten Mahl auf ihrem Zimmer Gesellschaft leisten möchtet?«

Cormia räusperte sich. »Ich weiß nicht so –«

»Wenn Ihr gestattet«, murmelte der Butler. »Doktor Jane war gerade bei ihr. Soweit ich informiert bin, warf die Untersuchung einige Fragen auf. Vielleicht würde die Gegenwart der Auserwählten unsere werdende Mahmen trösten?«

Cormia sah auf. »Schon wieder eine Untersuchung? Nicht die vom vergangenen Abend?«

»Genau.«

»Dann sag ihr, ich werde gleich kommen.«

Fritz senkte ehrfürchtig den Kopf. »Danke, Madame. Ich muss jetzt einen Botendienst erledigen, doch das wird nicht lange dauern, und dann koche ich für Euch und die Herrin Bella.«

Cormia duschte rasch, trocknete ihr Haar und steckte es hoch, dann zog sie eine frisch gebügelte Robe an. Als sie aus ihrem Zimmer trat, hörte sie das Geräusch von Stiefeln in der Eingangshalle und warf einen Blick über die Brüstung. Der Primal war dort unten und überquerte mit langen Schritten das Apfelbaummosaik auf dem Fußboden. Er trug eine schwarze Lederhose und ein schwarzes Hemd, und sein Haar – diese wunderbare, weiche Farbfülle – leuchtete hell im Licht und hob sich von den dunklen, breiten Schultern ab.

Als hätte er sie gewittert, blieb er stehen und hob den Kopf. Seine Augen blitzten wir Zitrine, funkelnd, faszinierend.

Und dann verblasste das Leuchten darin.

Cormia war diejenige, die sich abwandte, weil sie es allmählich satthatte, immer stehengelassen zu werden. Im Umdrehen entdeckte sie Zsadist, der eben aus dem Flur mit den Statuen kam. Seine Augen waren schwarz, als er sie ansah, und sie musste nicht fragen, wie es Bella ging; angesichts seiner düsteren Miene waren Worte unnötig.

»Ich wollte mich zu ihr setzen«, sagte sie zu dem Bruder. »Sie hat nach mir gefragt.«

»Ich weiß. Und es freut mich. Danke.«

In der kurzen Stille betrachtete sie die Dolche, die er überkreuz auf die Brust geschnallt trug. Und er hatte natürlich noch weitere Waffen bei sich, dachte sie, obwohl sie sie nicht sehen konnte.

Der Primal hatte keine Waffen bei sich gehabt. Keine Dolche, keine verräterischen Beulen unter den Kleidern.

Sie fragte sich, wohin er wohl ging, der Primal. Nicht auf die Andere Seite, da er nicht entsprechend gekleidet war. Aber wohin dann? Und wozu?

»Wartet er unten auf mich?«, fragte Zsadist.

»Der Primal?« Auf das Nicken des Bruders hin erwiderte sie: »Äh … ja. Ja, er wartet.«

Seltsam, diejenige zu sein, die wusste, wo er war … und die man danach fragte.

Sie dachte wieder an seine fehlenden Waffen.

»Passt gut auf ihn auf«, forderte sie Zsadist ohne höfliche Zurückhaltung auf. »Bitte.«

Zsadists Miene verhärtete sich, dann neigte er einmal den Kopf. »Ja, das werde ich.«

Als Cormia sich verbeugte und sich schon dem Flur mit den Statuen zuwandte, hörte sie Zsadists leise Stimme hinter sich und blieb wie angewurzelt stehen. »Das Kleine bewegt sich kaum. Nicht seitdem, was auch immer gestern Nacht passiert ist.«

Cormia blickte über die Schulter und wünschte, sie könnte mehr tun. »Ich werde den Raum rituell reinigen. Das tun wir auf der Anderen Seite, wenn … ich werde ihn reinigen.«

»Sag ihr nicht, dass du es weißt.«

»Das werde ich nicht.« Cormia hätte dem Mann am liebsten die Hand entgegengestreckt. Doch sie ergänzte nur:

»Ich werde mich gut um sie kümmern. Geht und erledigt, was immer Ihr mit ihm zu schaffen habt.«

Der Bruder neigte den Kopf und lief die Treppe hinunter.

 

Unten in der Eingangshalle rieb Phury sich die Brust, dann reckte er sich, versuchte, das Ziehen in der Herzgegend loszuwerden. Es war überraschend schwierig, Cormia dabei zuzusehen, wie sie sich abwandte.

Merkwürdig schmerzhaft, um genau zu sein.

Er dachte an die Auserwählte, die er im Morgengrauen getroffen hatte. Der Unterschied zwischen ihr und Cormia war unübersehbar. Selena war begierig darauf, die Erste Partnerin zu werden, ihre Augen hatten aufgeleuchtet, als sie ihn von Kopf bis Fuß begutachtet hatte wie einen Zuchtbullen. Er hatte all seine Beherrschung aufbieten müssen, um überhaupt mit ihr in einem Raum zu bleiben.

Sie war keine schlechte Frau und auch mehr als schön genug, aber ihr Gebaren … Mannomann, als wollte sie ihm auf der Stelle auf den Schoß kriechen und zur Sache kommen. Besonders, als sie ihm versichert hatte, dass sie mehr als bereit war, ihm und ihrer Tradition zu dienen … und dass »jede Faser ihres Körpers es wünschte.«

Wobei mit »es« eindeutig sein Geschlecht gemeint war.

Und gegen Ende dieser Nacht würde bereits die nächste Anwärterin warten.

Herrgott im Himmel.

Zsadist tauchte am Kopf der Treppe auf und rannte herunter, seine Windjacke in der Hand. »Gehen wir.«

Den zusammengezogenen Brauen seines Zwillingsbruders nach zu urteilen, ging es Bella nicht gut.

»Ist Bella –«

»Darüber will ich nicht mit dir sprechen.« Energisch marschierte Z durch die Halle und an ihm vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. »Wir beide haben was zu erledigen.«

Phury runzelte die Stirn und folgte ihm, ihre Stiefel hallten so synchron im Foyer, als liefe nur einer, nicht zwei. Trotz Phurys Prothese hatten er und Z immer dieselbe Schrittlänge gehabt, dieselbe Art, von der Ferse bis zu den Zehen abzurollen, dasselbe Schwingen der Arme.

Zwillinge.

Doch die Ähnlichkeiten beschränkten sich strikt auf die Biologie; im Leben hatten sie völlig unterschiedliche Richtungen eingeschlagen.

Die beide totale Sackgassen gewesen waren.

Urplötzlich verschob sich die Logik in Phurys Kopf, und er sah die Dinge in einem anderen Licht.

Verdammt, die ganze Zeit hatte er sich wegen Zs Schicksal selbst gemartert … hatte im kalten, alles beherrschenden Schatten ihrer Familientragödie gelebt. Er hatte gelitten, verflucht noch mal … auch er hatte gelitten, und das tat er heute noch. Und obwohl er die Unantastbarkeit der Vereinigung seines Zwillingsbruders mit Bella respektierte, begehrte er unversehens dagegen auf, sich wie einen Wildfremden ausschließen zu lassen. Noch dazu wie einen wildfremden Feind.

Als er den Kies draußen im Hof betrat, blieb er abrupt stehen. »Zsadist.«

Z lief einfach weiter zum Escalade.

»Zsadist.«

Jetzt hielt sein Bruder an, stützte die Hände in die Hüften, drehte sich aber nicht um. »Wenn es um dich und diesen Lesser-Dreck geht, dann kannst du dir deine Entschuldigung sparen.«

Phury lockerte den Kragen um seinen Hals. »Darum geht es nicht.«

»Von deinem roten Rauch will ich auch nichts hören. Oder davon, dass du aus der Bruderschaft geflogen bist.«

»Dreh dich um, Z.«

»Warum?«

Lange sprach keiner der beiden ein Wort. Dann presste Phury zwischen den Zähnen hervor: »Du hast dich nie bedankt. «

Zs Kopf schnellte herum. »Wie bitte?«

»Du hast dich nicht bedankt.«

»Wofür denn?«

»Dafür, dass ich dich gerettet habe. Gottverflucht, ich habe dich vor deiner Hurenherrin und dem, was sie dir angetan hat, gerettet. Und du hast dich nie bedankt.« Phury trat dicht vor seinen Zwillingsbruder, seine Stimme wurde immer lauter. »Ich habe ein geschlagenes Jahrhundert lang nach dir gesucht, und dann habe ich deinen Arsch aus diesem Keller rausgeholt und dir das Leben gerettet –«

Zsadist lehnte sich in seinen schweren Stiefeln nach vorn und hielt den Zeigefinger ausgestreckt wie eine Pistole. »Du willst gelobt werden, weil du mich gerettet hast? Vergiss es. Ich hab dich nie um diesen blöden Gefallen gebeten. Dabei ging es doch nur um deinen Barmherziger-Samariter-Komplex. «

»Wenn ich dich nicht rausgeholt hätte, dann hättest du Bella nicht!«

»Und dann bestünde jetzt nicht die Gefahr, dass sie stirbt! Du willst Dankbarkeit? Dann klopf dir lieber selbst auf die Schulter, denn ich habe da keinerlei Bock drauf.«

Die Worte wehten durch die Nacht, als suchten sie nach Ohren, in die sie kriechen konnten.

Phury blinzelte, dann kamen ihm unwillkürlich Sätze über die Lippen, die er schon sehr lange hatte sagen wollen. »Ich habe unsere Eltern allein begraben. Ich war es, der sich um ihre Überreste gekümmert hat, der den Rauch des Feuers roch –«

» Und ich kannte sie gar nicht! Für mich waren sie Fremde, genau wie du, als du aufgetaucht bist …«

»Sie haben dich geliebt!«

»Klar – und zwar so sehr, dass sie die Suche nach mir eingestellt haben! Vergiss sie! Glaubst du, ich wüsste nicht, dass er aufgegeben hat? Ich bin zu diesem Haus gegangen, das du niedergebrannt hast, und habe die Spur von dort zurückverfolgt. Ich weiß, wie weit unser Vater damals gekommen ist. Der Kerl ist mir scheißegal. Er hat mich aufgegeben!«

»Du warst realer für unsere Eltern als ich es jemals war! Du warst überall in diesem Haus, du hast ihnen alles bedeutet !«

»Dann heul doch!«, fauchte Zsadist. »Komm mir bloß nicht auf die Mitleidstour. Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, wie mein Leben war?«

»Ich hab deinetwegen mein verdammtes Bein verloren!«

»Du bist mir doch freiwillig gefolgt! Wenn es dir nicht passt, wie alles gekommen ist, dann beschwer dich bloß nicht bei mir.«

Phury atmete heftig aus, er war wie vom Donner gerührt. »Du undankbares Arschloch. Du undankbarer Wichser … Willst du mir etwa ernsthaft weismachen, du wärst lieber bei deiner Herrin geblieben?« Als darauf nur Schweigen folgte, schüttelte er den Kopf. »Ich dachte immer, das Ganze wäre meine Opfer wert gewesen. Das Zölibat. Die Panik. Die physischen Kosten.« Wieder stieg die Wut auf. »Ganz zu schweigen davon, wie mies ich mich gefühlt habe, wenn du mal wieder von mir verlangt hast, dich windelweich zu prügeln. Und jetzt erzählst du mir, du wärst lieber ein Blutsklave geblieben?«

»Ach, darum geht es? Ich soll deinen selbstzerstörerischen Helferkomplex rechtfertigen, indem ich dankbar bin?« Z lachte freudlos auf. »Von mir aus. Glaubst du, mir macht es Spaß, dir zuzuschauen, wie du dich in ein frühes Grab rauchst und säufst? Glaubst, mir gefällt, was ich neulich nachts in dieser Sackgasse gesehen habe?« Z fluchte. »Da mach ich nicht mit. Wach auf, Phury. Du bringst dich um. Hör auf, nach Krücken zu suchen und Lügen zu erzählen, und wirf lieber mal einen gründlichen Blick in den Spiegel.«

Irgendwo tief in seinem Inneren erkannte Phury, dass diese Kollision mit Zsadist längst überfällig gewesen war. Und dass sein Zwilling nicht ganz Unrecht hatte.

Aber er ebenfalls nicht.

Wieder schüttelte er den Kopf. »Ich finde es nicht verkehrt, um etwas Anerkennung zu bitten. Ich war mein gesamtes Leben lang in unserer Familie unsichtbar.«

Ausgedehnte Stille.

Dann stieß Z aus: »Verfluchter Mist, steig vom Kreuz runter. Jemand anderes braucht das Holz.«

Der abschätzige Tonfall fachte Phurys Zorn wieder an, und sein Arm schwang aus eigenem Antrieb hoch. Er erwischte Z mit der Faust am Kiefer, es knackte wie bei einem Baseballschläger, der einen Homerun schlägt.

Z wurde herumgewirbelt und landete auf Rhages GTO wie ein nasser Sack.

Während der Bruder sich noch aufrappelte, ging Phury in Angriffsstellung und schüttelte sich die Knöchel aus. In circa eineinhalb Sekunden wären sie beide in eine heftige körperliche Auseinandersetzung verkeilt. Statt verbaler Gemeinheiten würden die Fäuste hin und her fliegen, bis einer von ihnen oder auch sie beide zusammenbrachen.

Und was genau würde das bringen?

Phury ließ langsam die Arme sinken.

In genau diesem Moment fuhr Fritz den Mercedes durch das Hoftor.

Im Licht der Scheinwerfer zog Zsadist seine Jacke glatt und lief seelenruhig zur Fahrertür des Escalade. »Wenn ich Cormia nicht gerade ein Versprechen gegeben hätte, dann würde ich dir die Fresse polieren.«

»Was?«

»Steig in das verfluchte Auto.«

»Was hast du zu ihr gesagt?«

Als Z sich hinter das Steuer setzte, durchschnitten seine schwarzen Augen die Nacht wie Messer. »Deine Freundin macht sich Sorgen um dich, deshalb musste ich ihr versprechen, auf dich aufzupassen. Und im Gegensatz zu anderen Leuten halte ich mein Wort.«

Autsch.

»Und jetzt steig ein.« Z knallte die Wagentür zu.

Fluchend zog Phury die Beifahrertür auf und bemerkte dabei Qhuinn, der gerade aus dem Mercedes stieg. Die Augen des Jungen wurden so groß wie Untertassen, als er das Haus sah.

Ganz klar war er wegen seines Prozesses hier, dachte Phury, während er sich neben seinen tödlich schweigsamen Zwillingsbruder setzte.

»Du weißt, wo Lashs Eltern wohnen, oder?«, fragte Phury.

»Klar.«

Das Klappe jetzt blieb ungesagt.

Der Escalade fuhr auf das Tor zu, und die Stimme des Zauberers klang todernst in Phurys Kopf: Um Dankbarkeit zu ernten, muss man ein Held sein, und du bist nicht gerade ein Ritter in schimmernder Rüstung. Das wärst du nur gern.

Phury sah aus dem Fenster, die wütenden Worte, die er und Z sich gerade an den Kopf geworfen hatten, hallten wie Pistolenschüsse in einer engen Gasse nach.

Tu ihnen allen einen Gefallen und hau ab, fuhr der Zauberer fort. Hau einfach ab, mein Freund.

Du willst ein Held sein? Dann sorg dafür, dass sie sich nicht mehr länger mit dir herumschlagen müssen.

2

Qhuinn war sich hundertprozentig sicher, dass seine Eier heute Abend auf Wraths Speisekarte standen; trotzdem bestaunte er das Trainingszentrum der Bruderschaft wie ein Weltwunder. Es hatte die Ausmaße einer mittleren Kleinstadt, die einzelnen Steine des Gemäuers waren so groß wie der Rumpf eines ausgewachsenen Mannes, die Fenster sahen aus, als wären sie mit Titanium oder etwas Ähnlichem verstärkt. Die Gargoyles auf dem Dach und die ganzen Schatten waren einfach perfekt. Genau wie man es erwarten würde.

»Sire?«, meldete sich der Butler und deutete auf den Eingang zum Haus, der an eine Kathedrale erinnerte. »Sollen wir eintreten? Ich müsste zu kochen beginnen.«

»Kochen?«

Der Doggen schraubte sein Sprechtempo herunter, als hätte er einen Grenzdebilen vor sich. »Ich koche für die Bruderschaft, so wie ich auch ihr Heim pflege.«

Himmel … Das war nicht das Trainingszentrum; das war das Privathaus der Bruderschaft.

Ach nein. Check mal die Überwachungsausrüstung. Über den Türen und unter dem Dach waren Kameras installiert, und die Mauer um den Innenhof sah aus wie die Kulisse für einen Alcatraz-Film. Fast rechnete er damit, eine Horde Dobermänner mit triefenden Lefzen um die Ecke schießen zu sehen.

Andererseits nagten die Köter wahrscheinlich noch an den Knochen des letzten unartigen Burschen, den sie filetiert hatten.

»Sire?«, wiederholte der Butler. »Sollen wir eintreten?«

»Ja … ja, klar.« Qhuinn schluckte heftig und stapfte los, bereit, sich dem König zu stellen. »Ähm, also, ich lasse meine Sachen einfach im Auto.«

»Wie Ihr wünscht, Sire.«

Gott sei Dank musste Blay nicht sehen, was hier abging.

Eine Seite der Mammut-Flügeltür schwang auf, und ein guter Bekannter hob die Hand.

Na, ganz toll. Blay würde die Show zwar verpassen, aber John hatte offenbar einen Logenplatz.

Sein Freund trug die Jeans und eines der Hemden, die sie zusammen bei Abercrombie gekauft hatten. Seine nackten Füße sahen auf den schwarzen Steinstufen bleich aus, und er wirkte relativ ruhig, was ein bisschen ärgerlich war. Der Kerl könnte wenigstens den Anstand besitzen, Schweißperlen auf der Stirn oder Solidaritätszittern zu haben.

Hey, zeigten Johns Hände.

»Hey.«

John trat zurück und gab den Weg frei. Wie geht’s dir?

»Ich wünschte, ich würde rauchen.« Denn dann könnte er die Sache noch um eine Kippenlänge hinauszögern.

Ach, Quatsch. Du findest Rauchen furchtbar.

»Wenn ich vor dem Erschießungskommando stehe, überlege ich mir das vielleicht noch mal.«

Klappe.

Qhuinn lief durch eine Vorhalle, in der er sich völlig falsch angezogen vorkam, zwischen all dem Marmor und dem Kronleuchter aus – war das echtes Gold? Vermutlich –

Himmel, dachte er und blieb ruckartig stehen.

Das Foyer vor ihm war wie ein Palast. Russischer Zarenprunk mit leuchtenden Farben und unfassbarem Blattgoldzeug, Mosaikfliesen und einem Gemälde an der Decke … oder vielleicht sah es auch eher aus wie aus einem Roman von Danielle Steel, wegen der ganzen romantischen Marmorsäulen und der hohen Gewölbedecke.

Nicht dass er je ein Buch von ihr gelesen hätte.

Na ja, gut, dieses eine damals, aber da war er zwölf Jahre alt und krank gewesen und hatte sich nur auf die Sexszenen konzentriert.

»Hier oben«, ertönte eine tiefe, hallende Stimme.

Am oberen Absatz einer feudalen Freitreppe, die Stiefel aufgepflanzt, als gehörte ihm die ganze Welt, in schwarzer Lederhose und schwarzem T-Shirt, stand der König.

»Los, bringen wir’s hinter uns«, befahl Wrath.

Heftig schluckend folgte Qhuinn John in den ersten Stock.

Als sie oben ankamen, verkündete Wrath: »Ich will mit Qhuinn allein reden. John, du bleibst hier.«

John hob die Hände zu einem Einwand: Ich möchte sein Zeuge —

Wrath wandte sich ab. »Nein. So was gibt’s hier nicht.«

Shit, dachte Qhuinn. Ihm wurden noch nicht mal Zeugenaussagen zu seiner Verteidigung zugestanden?

Dann warte ich hier auf dich, sagte John.

»Danke, Mann.«

Qhuinn blickte durch die offene Tür, die der König durchschritten hatte. Der Raum vor ihm war … genau das, was seiner Mutter gefallen hätte: blassblau, mit schmalen Mädchenmöbeln und verschnörkelten Kristallleuchtern, die aussahen wie Ohrringe.

Nicht unbedingt der Stil, den man sich für Wraths Wirkungsstätte vorstellen würde.

Als der König sich an einem zierlichen Schreibtisch niederließ, trat Qhuinn ein, schloss die Tür hinter sich und verschränkte die Hände vor dem Bauch. Die ganze Sache kam ihm völlig surreal vor. Es war ihm ein absolutes Rätsel, wie sein Leben diese Wendung hatte nehmen können.

»Wolltest du Lash töten?«, fragte Wrath.

So viel zum Thema Einleitung. »Äh …«

»Ja oder nein?«

In schneller Abfolge rasten Qhuinn die verschiedenen Antwortmöglichkeiten durch den Kopf: Nein, natürlich nicht, das Messer hat sich selbstständig gemacht, ich wollte es sogar noch festhalten … Nein, ich wollte ihn nur mal gründlich rasieren … Nein, mir war nicht klar, dass das Aufschlitzen der Halsschlagader zum Tod führen würde …

Qhuinn räusperte sich. Zweimal. »Ja, wollte ich.«

Der König verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn Lash sich nicht an Johns Hose zu schaffen gemacht hätte –hättest du dann dasselbe getan?«

Qhuinns Lungen stellten vorübergehend die Arbeit ein. Er hätte nicht überrascht sein dürfen, dass der König genau Bescheid wusste, was passiert war, aber diese Worte zu hören, war doch irgendwie ein Schock. Außerdem war es ganz schön heftig, über diese Sache zu sprechen, in Anbetracht dessen, was Lash gesagt und getan hatte. Es ging immerhin um John.

»Also?«, grollte die Stimme über den Schreibtisch. »Hättest du ihn trotzdem aufgeschlitzt?«

Qhuinn riss sich zusammen. »Nun, John hatte mir gesagt, ich soll mich raushalten, und solange der Kampf fair verlief, ging das von mir aus auch in Ordnung. Aber …« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Was Lash da abgezogen hat, war nicht fair. Das war wie ein verstecktes Messer aus dem Stiefel zu ziehen.«

»Aber du hättest ihn ja nicht gleich umbringen müssen. Du hättest ihn einfach von John wegzerren können. Ihm ein paar verpassen. Ihn aus dem Duschraum treten.«

» Stimmt.«

Wrath streckte einen Arm seitlich aus, wie um ihn zu lockern, und seine Schulter knackte vernehmlich. »Du wirst jetzt absolut ehrlich zu mir sein. Wenn du lügst, merke ich das, weil ich es riechen würde.« Wraths Augen brannten hinter seiner Sonnenbrille. »Ich weiß sehr gut, dass du deinen Cousin gehasst hast. Bist du ganz sicher, dass du keine persönlichen Beweggründe hattest, um ihn anzugehen? «

Qhuinn zog sich die Hand durchs Haar und erinnerte sich, so gut er konnte, an die Ereignisse im Duschraum. Es gab in seinem Kopf einige Gedächtnislücken, blanke Flächen, glattgeschliffen von den Emotionen, die ihn dazu gebracht hatten, sein Messer zu ziehen und Lash damit anzugreifen; aber er wusste durchaus noch genug.

»Um ehrlich zu sein … Mist, ich konnte doch nicht zulassen, dass John so verletzt und gedemütigt wird. Er war wie zur Salzsäule erstarrt. Als Lash seine Hose anfasste, wurde er stocksteif. Die beiden waren in der Dusche, und Lash hielt John an die Fliesen gedrückt, und plötzlich wurde er totenstill. Ich weiß nicht, ob Lash wirklich … du weißt schon … weil ich ja nicht in seinem Kopf gesteckt habe, aber er war absolut der Typ, der so was versuchen würde.« Qhuinn schluckte sichtbar. »Ich sah es vor mir, ich sah, dass John nichts machen konnte und … irgendwie herrschte in meinen Kopf völlige Leere … ich hab einfach – Shit – das Messer lag plötzlich in meiner Hand, und dann hing ich über Lash, und der Rest ging blitzschnell. Ganz im Ernst. Klar hab ich Lash gehasst, aber es wäre mir völlig egal gewesen, wer so etwas mit John macht. Ich hätte mir jeden vorgeknöpft, der das tut. Und ehe du fragst – ich weiß schon, was jetzt kommt.«

»Und wie lautet deine Antwort?«

»Ja, ich würde es wieder tun.«

»So, so, würdest du das.«

»Ja.« Qhuinn sah sich in dem blassblau gestrichenen Raum um und überlegte sich, dass es eigentlich nicht in Ordnung war, über so hässliche Dinge in einem so irrsinnig hübschen Raum zu sprechen. »Das heißt dann wohl, dass der Mörder keine Reue zeigt, oder? … Also, was hast du jetzt mit mir vor? Ach übrigens, meine Familie hat mich verstoßen. Aber vermutlich weißt du das schon«

»Ja, das ist mir zu Ohren gekommen.«

Ein langes Schweigen entstand; Qhuinn vertrieb sich die Zeit damit, seine Schuhe zu betrachten und dem Schlagen seines Herzens in seiner Brust zu lauschen.

»John möchte, dass du hierbleibst.«

Qhuinns Augenbrauen schnellten hoch. »Was?«

»Du hast mich gehört.«

»Blödsinn, das kannst du nicht erlauben. Ich kann unmöglich hierbleiben.«

Schwarze Augenbrauen trafen sich in der Mitte. »Wie bitte?«

»Ähm … Verzeihung.« Qhuinn hielt die Klappe und ermahnte sich, dass der Kerl da vor ihm zufällig der König war, was bedeutete, er konnte tun und lassen, was zum Henker er wollte, einschließlich Sonne und Mond umzubenennen oder sich in Zukunft von jedem mit dem Daumen im Hintern begrüßen zu lassen … oder eben, Abschaum wie Qhuinn unter seinem Dach aufzunehmen, wenn ihm danach war.

Das Wort König buchstabierte man B-l-a-n-k-o-v-o-l-l-m-a-c-h-t in der Welt der Vampire.

Außerdem – warum sollte er etwas ablehnen, was ihm helfen würde? Du Volltrottel.

Wrath stand auf, und Qhuinn musste dagegen ankämpfen, einen Schritt zurückzutreten, obwohl zwischen ihnen ungefähr acht Meter Perserteppich lagen.

Herr im Himmel, der Kerl war aber auch riesig.

»Ich habe vor einer Stunde mit Lashs Vater gesprochen«, erklärte Wrath. »Deine Eltern haben ihm gegenüber durchblicken lassen, dass sie die Entschädigung nicht zahlen werden. Da sie dich verstoßen haben, sind sie der Ansicht, dass du für das Geld aufkommen musst. Fünf Millionen. «

»Fünf Millionen?«

»Lash wurde vergangene Nacht von den Lessern entführt. Niemand rechnet damit, dass er zurückkommt. Die Anklage gegen dich lautet zurechenbarer Mord, da man davon ausgehen kann, dass die Jäger keine Leiche mitgenommen hätten. «

»Ach du …« Mein Gott, Lash … und das war verdammt viel Asche. »Ich besitze nur die Klamotten auf meinem Leib und noch ein paar Sachen in meiner Reisetasche. Das Zeug können sie gern haben, wenn sie es wollen –«

»Lashs Vater weiß um deine finanzielle Situation. Deshalb möchte er, dass du als Schuldknecht in ihren Haushalt kommst.«

Sämtliches Blut floss aus Qhuinns Kopf ab. Ein Sklave … für den Rest seines Lebens? Bei Lashs Eltern?

»Das käme natürlich zum Tragen«, fuhr Wrath fort, »nachdem du deine Gefängnisstrafe abgesessen hast. Und übrigens haben wir tatsächlich noch ein Gefängnis in Betrieb. Ganz oben an der kanadischen Grenze.«

Qhuinn stand einfach nur da, völlig betäubt. Mann, Mann, das Leben konnte auf so unterschiedliche Art und Weise vorbei sein, dachte er. Der Tod war nicht der einzige Weg, um es zu beenden.

»Was sagst du zu der ganzen Sache?«, wollte Wrath wissen.

Gefängnis … an einem gottverlassenen Ort für wer weiß wie lange Zeit. Schuldknechtschaft … in einem Haushalt, der ihn bis in alle Ewigkeit hassen würde; bis er endgültig ins Gras biss.

Qhuinn dachte an den Weg durch den Tunnel in Blays Elternhaus und an die Entscheidung, die er getroffen hatte, als er am anderen Ende heraustrat.

»Ich habe unterschiedliche Augen«, wisperte er und hob seinen Blick zum König. »Aber ich habe dennoch Ehre. Ich werde tun, was erforderlich ist, um es wieder gutzumachen … vorausgesetzt«, sagte er mit plötzlicher Kraft, »dass niemand mich zu einer Entschuldigung zwingt. Das … kann ich nicht tun. Was Lash getan hat, war jenseits von falsch. Es war vorsätzlich grausam, er wollte Johns Leben ruinieren. Es tut mir nicht leid.«

Wrath kam um den Schreibtisch herum und schritt quer durch den Raum. Im Vorbeigehen sagte er munter: »Das war die richtige Antwort, mein Sohn. Warte draußen bei deinem Kumpel. Ich hole euch gleich rein.«

»Wie b… was?«

Der König öffnete die Tür und nickte ungeduldig. »Raus jetzt.«

Qhuinn taumelte aus dem Raum.

Wie lief’s?, fragte John und sprang von einem Stuhl an der gegenüberliegenden Wand auf. Was ist passiert?

Qhuinn würde seinem Freund nicht erzählen, dass er ins Gefängnis ging und dann in die Obhut von Lashs Eltern übergeben wurde, um den Rest seiner Tage von ihnen gequält zu werden. »Ach, es war gar nicht so übel.«

Du lügst.

»Stimmt nicht.«

Du bist aschfahl.

»Hallo – ich wurde gestern operiert.«

Ach, komm schon. Was ist hier los?

»Um die Wahrheit zu sagen: Ich habe keinen Schimmer.«

»Verzeihung.« Beth, die Königin, kam mit ernster Miene näher. In ihren Händen lag eine längliche, flache Lederschachtel. »Jungs? Ich müsste da mal rein.«

Die beiden traten zur Seite, und Beth schlüpfte ins Arbeitszimmer und machte die Tür zu.

John und Qhuinn warteten. Und dann warteten sie … und warteten.

Der Himmel mochte wissen, was da drin vorging. König und Königin bereiteten wohl seinen nächsten Spielzug für ihn vor: Gehen Sie ins Gefängnis. Gehen Sie nicht über Los. Ziehen Sie keine 500 $ ein.

John holte sein Handy aus der Tasche, als müsste er seine Hände beschäftigen, und runzelte die Stirn beim Blick auf das Display. Nachdem er eine SMS eingetippt hatte, steckte er es wieder weg.

Komisch, dass Blay sich noch nicht gemeldet hat.

Eigentlich nicht, dachte Qhuinn. Er fühlte sich wie ein Riesenarschloch.

Da hielt der König die Tür weit auf. »Rein mit euch, Herrschaften. «

Sie gehorchten eilig und folgten Wrath ins Arbeitszimmer. Der König setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch auf den Puppenstuhl und legte seine gigantischen Stiefel auf einem Stapel Papierkram ab. Als Beth sich neben ihn stellte, nahm er ihre Hand.

»Sagt euch Jungs der Begriff Ahstrux Nohtrum was?«

Als beide wie zwei Esel den Kopf schüttelten, verzog Wrath den Mund zu einem kalten, gemeinen kleinen Grinsen. »Das ist ein ziemlich antiquiertes Konzept. Eine Art persönlicher Leibwächter, allerdings mit der Erlaubnis zum Töten, wenn es um das Leben seines Meisters geht. Quasi ein Killer mit Genehmigung.«

Qhuinn fragte sich, was zum Teufel das mit ihm und John zu tun hatte.

Doch der König fuhr fort. »Ein Ahstrux Nohtrum darf nur per königlichem Erlass eingesetzt werden, und die Voraussetzungen sind ungefähr wie beim Personenschutz des amerikanischen Secret Service: Der Betroffene muss eine Person des öffentlichen Interesses sein, und der Leibwächter ein fähiger Mann.« Wrath küsste die Hand seiner Königin. »Als Person des öffentlichen Interesses gilt jemand, dessen Existenz vom König als bedeutsam angesehen wird. Und der König bin wohl ich, wie? Also gut … meine Shellan hier ist für mich das Kostbarste auf der ganzen Welt, und es gibt nichts, was ich nicht tun würde, um ihr Herz zu beschützen. Im Hinblick auf das Volk als Ganzes ist sie außerdem die Königin. Daher fällt ihr einziger Bruder definitiv in die Kategorie ›Person des öffentlichen Interesses‹.

Was die Befähigung des Leibwächters angeht … ich weiß rein zufällig, Qhuinn, dass du – abgesehen von John – der beste Kämpfer der gesamten Trainingsklasse warst. Du bist hochgefährlich im Nahkampf, ein großartiger Schütze«, an dieser Stelle wurde der Tonfall des Königs ironisch, »und dass du nicht ungeschickt mit dem Messer bist, wissen wir ja alle.«

Qhuinn spürte ein merkwürdiges Rauschen in sich, als hätte sich der Nebel gelichtet und einen unverhofften Pfad aus der Wildnis enthüllt. Er legte die Hand auf Johns Arm, um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren, auch wenn er dadurch wirkte wie ein amtlich bestätigtes Weichei.

»Eine Sache gibt es aber noch«, sagte der König. »Von einem Ahstrux Nohtrum wird erwartet, dass er sein Leben für den opfert, den er beschützt. Wenn es mal wirklich ernst wird, dann muss er den tödlichen Hieb einstecken. Ach ja, außerdem ist das eine Verpflichtung auf Lebenszeit, solange ich nichts Gegenteiliges verfüge. Ich bin der Einzige, der hier einen Entlassungsschein ausstellen kann, kapiert?«

Qhuinns Mund sprach ganz von alleine. »Natürlich. Auf jeden Fall.«

Wrath lächelte und griff nach der Schachtel, die Beth ihm gebracht hatte. Darin lag ein dicker Bogen Papier, geschmückt mit einem goldenen Siegel mit roten und schwarzen Seidenbändern. »Na, so was, seht euch das an.«

Lässig schleuderte er das hochoffiziell wirkende Dokument auf den Schreibtisch.

Qhuinn und John beugten sich gemeinsam vor. In der Alten Sprache verkündete das Schreiben, dass …

»Shit«, hauchte Qhuinn, dann hob er ruckartig den Kopf und sah Beth an. »Verzeihung, ich wollte nicht fluchen.«

Sie lächelte und küsste ihren Hellren auf den Scheitel. »Ist schon okay. Ich bin Schlimmeres gewohnt.«

»Seht euch das Datum an«, forderte Wrath sie auf.

Es war rückdatiert … das Dokument war um zwei Monate rückdatiert. Dem Pergament zufolge hatte Qhuinn, Sohn des Lohstrong, seit Ende Juni in seiner Funktion als Ahstrux Nohtrum des John Matthew, Sohn des Darius, Sohn des Marklon, gehandelt.

»Ich bin wirklich eine totale Niete, was diesen Papierkram angeht«, meinte Wrath. »Ich hatte völlig vergessen, euch beiden zu erzählen, was los ist. Mein Fehler. Das heißt jetzt natürlich, dass du, John, verantwortlich für die finanzielle Entschädigung bist, weil der Beschützte alle Schulden, die aus seinem Schutz resultieren, begleichen muss.«

Sofort erwiderte John: Ich zahle –

»Nein, Moment mal«, unterbrach Qhuinn. »So viel Geld hat er doch gar nicht –«

»Dein Kumpel hat momentan ungefähr vierzig Millionen auf der hohen Kante, also mach dir mal keine Sorgen.«

Qhuinn drehte sich zu John um. »Was? Warum hast du denn dann im Büro gearbeitet, um dir ein bisschen Taschengeld für Klamotten zu verdienen?«

Auf wen soll ich den Scheck ausstellen?, fragte John, ohne ihn zu beachten.

»Lashs Eltern. Beth als Finanzmanagerin der Bruderschaft wird dir sagen, von welchem Konto du es nehmen kannst, richtig Lielan?« Wrath drückte die Hand der Königin und lächelte sie an. Als er sich wieder Qhuinn und John zuwandte, war der liebevolle Gesichtsausdruck verschwunden. »Qhuinn zieht auf der Stelle hier im Haus ein, und er bekommt ein Gehalt von fünfundsiebzigtausend pro Jahr, das John bezahlen wird. Und Qhuinn, das Trainingsprogramm ist für dich selbstverständlich gestorben, aber das heißt nicht, dass die Brüder und ich nicht … ach, du weißt schon, hier und da mal ein kleines Sparring mit dir veranstalten, nur damit du nichts verlernst. Denn wir kümmern uns um unsere Leute. Und du gehörst jetzt zu uns.«

Qhuinn holte tief Luft. Und noch mal. Und dann … »Ich muss … ich muss mich setzen.«

Wie betäubt taumelte er zu einem der hellblauen Sofas. Alle starrten ihn an, als wollten sie ihm entweder eine Papiertüte gegen das Hyperventilieren oder ein Taschentuch reichen. Er legte die Hand auf die Operationsnarbe, in der Hoffnung, es sähe aus, als machte ihm die Verletzung zu schaffen, nicht seine Gefühle.

Das Blöde war nur … er bekam nicht genug Luft. Was genau da in seinen Mund strömte, konnte er nicht sagen, aber jedenfalls half es nicht wirklich, um den Schwindel aus seinem Kopf oder das brennende Gefühl aus seinem Brustkorb zu vertreiben.

Seltsamerweise kam nicht John zu ihm und kniete sich vor ihn hin. Auch nicht Beth. Es war Wrath. Der König tauchte plötzlich in seinem Gesichtsfeld auf, die dunkle Sonnenbrille und die brutale Miene im krassen Gegensatz zu seiner sanften Stimme stehend.

»Leg deinen Kopf zwischen die Knie, mein Sohn.« Die Hand des Königs landete auf seiner Schulter und drückte ihn nach unten. »Komm, mach schon.«

Qhuinn gehorchte und fing plötzlich an, so heftig zu zittern, dass er zu Boden gefallen wäre, wenn Wraths riesige Pranke ihn nicht festgehalten hätte.

Er würde nicht weinen. Er weigerte sich, eine einzige Träne fließen zu lassen. Stattdessen keuchte er und zitterte, und der kalte Schweiß brach ihm aus.

Ganz leise, so dass nur Wrath ihn hören konnte, flüsterte er: »Ich dachte … ich wäre … ganz allein.«

»Aber nein«, antwortete Wrath ebenso leise. »Wie ich schon sagte, du gehörst jetzt zu uns, verstehst du mich?«

Qhuinn hob die Augen. »Aber ich bin ein Niemand.«

»Ganz im Gegenteil.« Langsam schüttelte der König den Kopf. »Du hast Johns Ehre gerettet. Deshalb gehörst du jetzt zur Familie, mein Sohn.«

Qhuinn ließ den Blick zu Beth und John wandern, die dicht nebeneinanderstanden. Durch die unvergossenen Tränen hindurch erkannte er die Ähnlichkeit in ihren dunklen Haaren und den tiefblauen Augen.

Familie …

Endlich drückte Qhuinn sein Rückgrat durch, kam auf die Füße und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er strich sein Hemd glatt, dann seine Haare und trat vollkommen gefasst zu John.

Mit gestrafften Schultern streckte er seinem Freund die Hand entgegen. »Ich würde mein Leben für dich geben. Mit oder ohne dieses Stück Papier.«

Als die Worte über seine Lippen kamen, wurde ihm bewusst, dass es die ersten waren, die er je als erwachsener Mann gesagt hatte, der erste Schwur, den er je abgelegt hatte. Und er hätte keinen Besseren gewusst, dem gegenüber er ihn aussprechen wollte. Außer vielleicht Blay.

John blickte nach unten, dann umschloss er die Hand, die ihm angeboten wurde, mit festem, starkem Griff. Sie umarmten sich nicht, und sie sprachen auch nicht.

Und ich für dich, formte John mit den Lippen. Und ich … für dich.

 

»Du kannst mir Fragen über Phury stellen, wenn du willst. Wenn du damit fertig bist.«

Cormia richtete sich über der weißen Kerze, die sie eben angezündet hatte, auf, und blickte sich über die Schulter. Bella lag auf dem Rücken in dem großen Bett, ihre schmale, blasse Hand ruhte auf dem rundlichen Bauch.

»Ehrlich, mach nur«, wiederholte sie mit einem zarten Lächeln. »Das lenkt mich ab. Und genau das kann ich jetzt gut gebrauchen.«

Cormia blies das Streichholz aus. »Woher weißt du, dass ich an ihn denke?«

»Du hast das, was ich eine »Männerstirn« nenne. Nämlich ein Stirnrunzeln, das man hat, wenn man an seinen Mann denkt und ihm entweder einen kapitalen Tritt in den Hintern versetzen oder ihn so fest umarmen will, dass er keine Luft mehr bekommt.«

»Der Primal ist nicht mein.« Cormia nahm die goldene Räucherpfanne und ließ sie dreimal um die Kerze kreisen. Der Singsang, den sie dazu anstimmte, war leise, aber nachdrücklich. Er rief die Jungfrau der Schrift an und bat sie, über Bella und ihr Kleines zu wachen.