Verfassungsgeschichte Europas - Anita Ziegerhofer - E-Book

Verfassungsgeschichte Europas E-Book

Anita Ziegerhofer

4,7
17,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Französische Revolution von 1789 war der Startschuss für die europaweite Forderung nach einer modernen Verfassung. In den Revolutionen des 19. Jahrhunderts war diese der entscheidende Streitpunkt, die Krisen des 20. Jahrhunderts führten zu radikalen Neuorientierungen in der Verfassungsfrage und die europäische Union stellt die Mitgliedsstaaten vor eine ganz neue Situation. So wird deutlich, dass die Verfassungsentwicklung nur gesamteuropäisch betrachtet werden kann, da jede neue Verfassung sich an anderen europäischen Vorbildern orientierte. Anita Prettenthaler-Ziegerhofer zeichnet die grundlegenden europäischen Verfassungsentwicklungen von 1789 bis heute nach. Sie beschreibt die richtungweisenden Verfassungen und ihren jeweiligen Einfluss auf andere Staaten. Darüber hinaus zeigt sie die Auswirkungen der Entwicklung auf den heutigen Stand des modernen Verfassungsstaates und auf die Bemühungen um eine gesamteuropäische Verfassung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 320

Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Geschichte kompakt

Herausgegeben vonKai Brodersen, Martin Kintzinger,Uwe Puschner, Volker Reinhardt

Herausgeber für den Bereich 19./20. Jahrhundert:Uwe Puschner

Beratung für den Bereich 19./20. Jahrhundert:Walter Demel, Merith Niehuss, Hagen Schulze

Anita Prettenthaler-Ziegerhofer

Verfassungsgeschichte Europas

Vom 18. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg

unter Mitwirkung von Otto Fraydenegg-Monzello

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

In Erinnerung an Univ-Prof. DDr. Mag. Gernot Hasiba

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

© 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem PapierRedaktion: Christina Kruschwitz, BerlinSatz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-20484-7

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-73720-8eBook (epub): 978-3-534-73721-5

Menü

Buch lesen

Innentitel

Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Informationen zur Autorin

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Geschichte kompakt

Einleitung

  I. Was versteht man unter „Verfassung“?

  1. Der Staat, die Staatstheoretiker und deren Rezeption

  2. Die Entstehung des Verfassungsstaates

 II. Die frühkonstitutionelle Phase – Von den ersten Verfassungen bis 1814

III. Von der Restauration bis zur Zwischenrevolution (1814 bis 1830)

IV. Von den Zwischenrevolutionen 1830 zu den Revolutionen 1848/49

 V. Die Verfassungsfrage von 1866 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914

VI. Die Verfassungsentwicklung während der Zwischenkriegszeit bis zum Zweiten Weltkrieg (1918–1939)

  1. Die Demokratisierung Europas

  2. Staatsgründungen und Konstitutionalisierungsprozess

  3. Der Weg vom Rechtsstaat zum Unrechtsstaat: Totalitäre und autoritäre Staaten

VII. Zusammenfassung

Auswahlbibliographie

Personenregister

Geschichte kompakt

 

In der Geschichte, wie auch sonst,dürfen Ursachen nicht postuliert werden,man muss sie suchen.  (Marc Bloch)

Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden.

Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen, europäischen und globalen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte.

Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissensstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden.

 

Kai BrodersenMartin KintzingerUwe PuschnerVolker Reinhardt

Einleitung

Verfassungsvergleich

Die österreichische Staatsrechtsprofessorin Anna Gamper bezeichnet die Verfassungsvergleichung im engeren Sinne als Zwillingsschwester der Verfassungsgeschichte. Wenn Verfassungsvergleich den Vergleich im Raum meint, so beschreibt die Verfassungsgeschichte Verfassungen in unterschiedlichen historischen Perioden, es handelt sich um einen Vergleich in der Zeit. In diesem Buch werden Verfassungsvergleichung und Verfassungsgeschichte im Mittelpunkt stehen, also aus der Perspektive des Raumes und der Zeit betrachtet. Es wird hier nicht darum gehen, um mit Bernd Wieser zu sprechen, den „nackten Normenbestand des untersuchten Staates“ zu untersuchen, sondern auch die „politischen, ideologischen, historischen und kulturellen Hintergründe“ zu beleuchten. Der Konstitutionalisierungsprozess, das ist die schriftliche Ausgestaltung von Verfassungen, wird dargestellt, indem die Verfassungen in Tradition und System verglichen werden. Der Vergleich bietet mit seiner empirischen Ausrichtung eine wertvolle Methode, um verschiedene Phänomene von Staaten, Verfassungen und deren Ausformungen zu umreißen, um Gemeinsamkeiten oder Unterschiede herausarbeiten und um dergestalt Modelle und Typologien erstellen zu können.

Verfassungen als evolutionäre Errungenschaften

Verfassungen werden demnach als evolutionäre Errungenschaft betrachtet, aber auch als Gegenstand planmäßiger Gestaltung. Die Legitimation dafür liefert Niklas Luhmann, der Verfassung als Produkt einer Verschmelzung von Politik und Recht betrachtet. Verfassungen gelten im europäischen Bewusstsein als staatsordnende Einrichtungen des Rechtssystems oder auch des politischen Systems von Recht und Unrecht bzw. der Macht und Ohnmacht. Daher erfolgt die vergleichende Darstellung des Konstitutionalisierungsprozesses unter Berücksichtigung der politischen Staatengeschichte und liefert somit eine Verknüpfung von Recht und Politik!

Q

VerfassungQuelle: Niklas Luhmann, Verfassung als evolutionäre Errungenschaft, in: Rechtshistorisches Journal 9, Frankfurt/Main 1990, 176, 193

 Kaum eine der vielen Errungenschaften moderner Zivilisation ist so sehr das Ergebnis absichtlicher Planung wie die Verfassungen, mit denen sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die modernen Staaten ausstatten. (…) Juristen werden Verfassungen eher als Gegenstand planmäßiger Gestaltung ansehen, auch wenn sie heute gerne zugeben, dass dies nicht ein einmaliger Vorgang sein kann, sondern durch Interpretation und gegebenenfalls durch Verfassungsänderung nachgeplant werden muss.

Im europäischen Bewusstsein gelten Verfassungen nicht nur als Einrichtungen des Rechtssystems, sondern auch, ja vor allem, als Einrichtungen des politischen Systems. Auch das hat seine Berechtigung. Rechtssystem und politisches System sind und bleiben jedoch verschiedene Systeme. Sie folgen verschiedenen Codes, nämlich dem von Recht/Unrecht auf der einen Seite und dem von Macht/Ohnmacht auf der anderen.

Europäistik

Der vorliegende Band ist nicht im Verständnis einer nationalen Geschichtsschreibung zu lesen, sondern im Verständnis der „Europäistik“ (Wolfgang Schmale). Dieser terminus technicus aus der Linguistik wird seit der Mitte der 1970er verwendet. Damit versucht man jenen Vorgang zu benennen, der seit dem europäischen Integrationsprozess eingesetzt hat, nämlich den „European turn“ in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Europäistik schafft somit einen neuen Wissenschaftszweig: Es geht darum, das gemeinsame Europäische multidisziplinär darzustellen – ohne den Schwerpunkt auf die Entwicklung von und in Nationalstaaten zu legen. Wenngleich die jeweiligen Staatstheoretiker nicht das genuin Europäische vor Augen hatten, sondern ihre Staatstheorien immer aufgrund der Kenntnisse der Rechtsverhältnisse und des Rechtsverständnisses ihres Landes formulierten, entwickelte sich daraus ein europäisches Gemeingut – wurden doch ihre Staatstheorien in allen Verfassungsstaaten Europas rezipiert. Die Aufklärung etwa stellt eine typisch europäische Signatur dar. Die Feststellung von Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) aus den Considérations sur le gouvernement de Pologne (1770/71) bestätigt dies anschaulich und eindrucksvoll: „Es gibt heute keine Franzosen, Deutschen, Spanier und selbst keine Engländer mehr, was man auch sagen möge, sondern nur noch Europäer.“ Damit bringt Rousseau nicht nur die europäische Dimension der Aufklärung zum Ausdruck, sondern verweist auch auf die europäischen, transnationalen Netzwerke der Aufklärer.

Aufklärerisches Gedankengut wird als europäisches Gemeingut verstanden. Ausgehend von den Niederlanden, über England und Frankreich überzog es Gesamteuropa und wurde im Zuge bzw. als Folge der Französischen Revolution in die entstehenden (National-)Staaten implementiert. So muss vom Europäischen auf das Nationale geschlossen werden, um dann das gemeinsame Europäische darzustellen. Diese Vorgangsweise funktioniert nur unter Berücksichtigung der politischen Nationalgeschichten, durch Verknüpfung der politischen Staatengeschichte mit dem Konstitutionalisierungsprozess.

Eine europäische Staaten- und Verfassungsgeschichte zu schreiben, stellt ein komplexes Unterfangen und eine Herausforderung an die Wissenschaft dar. Dies umso mehr, um mit Peter Cornelius Mayer-Tasch zu sprechen, als eine vergleichende Darstellung durch den weitgehend divergierenden Formalcharakter der europäischen Verfassungen erschwert wird.

Allgemeine Darstellung der gesamteuropäischen Verfassungsentwicklung, des Verfassungsvergleichs

Nationale Rechtsgeschichten beinhalten meist nur die Entwicklungsgeschichte des Konstitutionalismus des jeweiligen Landes – großteils äußerst detailliert aufbereitet oder auf einen bestimmten Schwerpunkt konzentriert, wie etwa Staatsform, Grundrechtsentwicklung, Wahlrecht und/oder basisdemokratische Mitbestimmung etc. Eine allgemeine Darstellung der gesamteuropäischen Verfassungsentwicklung in einer konzisen Form ist bisher noch nicht erfolgt.

Der oftmals konstatierte Mangel eines Vergleiches europäischer Verfassungen wird durch die jüngst erschienenen Publikationen allmählich behoben. Hier sei etwa auf das Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte verwiesen, das im Auftrag des Archivs der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Dimitris-Tsatsos-Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften der Fern-Universität in Hagen unter der Federführung von Werner Daum herausgegeben wird. Mittlerweile liegen zwei Bände vor, in denen eingehend die Verfassungsentwicklung im Europa des 18. Jahrhunderts bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts aufbereitet wird. Darüber hinaus seien auch die wesentlichen Quellensammlungen genannt: Etwa das Standardwerk von Dieter Gosewinkel/Johannes Masing mit einer prägnanten Einleitung über die europäische Verfassungsentwicklung. Die dort abgedruckten Verfassungen dienten als Vorlage sämtlicher in diesem Band zitierten Verfassungen. Die Europäische Verfassungsgeschichte von Dietmar Willoweit/Ulrike Seift enthält nach einer konzisen Einleitung eine Sammlung von Verfassungsdokumenten in chronologischer Epochisierung. Weitere Vorarbeiten leisteten etwa Fritz Hartung oder Otto Hintze mit einigen Beiträgen; Peter Mayer-Tasch oder Adolf Kimmel/Christiane Kimmel liefern einen Überblick über die europäischen Verfassungen, gehen aber auf die jeweilige Landesgeschichte nicht explizit und tiefgehend ein. Bei Albrecht Weber findet man einen rechtshistorischen Überblick sowie den Fokus der Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Entwicklung im Vergleich mit der Europäischen Union.

Politische Staatengeschichte und Verfassungsentwicklung

Eine kurze und prägnante Darstellung des europäischen Konstitutionalisierungsprozesses liegt bislang noch nicht vor. Ein Grund dafür könnte in der Auffassung liegen, dass die Verfassungsentwicklung nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Staatengeschichte sinnvoll erscheint. Dies verlangt aber, die Verfassungsentwicklung um die jeweilige Staatengeschichte zu erweitern. Bereits Georg Jellinek hat darauf hingewiesen, dass eine komparatistische Verfassungsgeschichte nur dann Sinn macht, wenn man Staaten mit geschichtlich gemeinsamem Boden miteinander vergleicht:

Q

Komparatistische VerfassungsgeschichteAus: Jellinek, Staatslehre, 38–39

 Alle menschlichen Institutionen, und daher auch der Staat, sind dynamischer Natur, d.h. sein Wesen ist nicht ein für alle Zeiten festes, sondern ändert sich, bildet sich um, indem es sich dem ganzen Umwandlungsprozesse anschmiegt, den die Menschheit in ihrer Geschichte durchmacht. Um daher ein reich entfaltetes typisches Bild vom Staate zu erhalten, muß man gleichzeitige oder doch zeitlich nicht weit auseinander liegende staatliche Gebilde miteinander vergleichen.

In diesem Band wird daher das Hauptaugenmerk primär auf politische Gesichtspunkte der Staatenentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Verfassungsentwicklung gelegt werden. Im Mittelpunkt steht das Werden der heutigen europäischen Staatenwelt ab dem Ende des 18. Jahrhunderts, nicht jedoch der einzelnen Staaten. Diese Darstellung setzt mit dem Zeitalter der Aufklärung ein.

Der Sinn des Verfassungsvergleichs

Der Verfassungsvergleich in diesem Band dient zunächst als Leitfaden, durch den Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden sollen, um dadurch die eigenen, aber auch fremden Rechtsordnungen zu verstehen. Darüber hinaus gilt es, das Verständnis für die Entwicklung von Verfassungen zu wecken, gekoppelt an die jeweilige politische Staatenentwicklung. Der Vergleich dient außerdem dazu, so etwas Ähnliches wie eine „Europäische Signatur“ auszuarbeiten, Entwicklungsstränge freizulegen, die eindeutig „europäisch“ und nicht nationalstaatlich tendiert sind – im Sinne der Europäistik.

Der Anbeginn des Konstitutionalisierungsprozesses

AufbauDie Darstellung folgt einem chronologischen Aufbau, differenziert nach Zeitepochen. Den Ausgangspunkt der Betrachtungen liefert die Entwicklung in England und in den bis ins zweite Drittel des 18. Jahrhunderts zu Großbritannien gehörenden 13 Kolonien in Amerika. In Europa setzte der Konstitutionalisierungsprozess und somit die Kodifizierungswelle mit der Französischen Revolution ein. Seit diesem Zeitpunkt steht fest, dass der moderne Verfassungsstaat, wenngleich nicht sofort, doch kontinuierlich, dauerhaft etabliert worden ist. Fest steht auch, dass alle darauffolgenden Verfassungen bis heute mittels Hoheitsakt und nicht selten aufgrund eines revolutionären Aktes zustande gekommen sind. In diese frühkonstitutionelle Phase fallen die Menschenrechtserklärungen, vorrevolutionäre Verfassungsdokumente, Verfassungen der Revolutionsepoche, Verfassungen der Napoleonischen Zeit und Dokumente monarchischer Verfassungsstaaten sowie Bundesverfassungen. Alle Verfassungen beinhalten die wesentlichsten Parameter, die einen „modernen“ Nationalstaat ausmachen: Bestimmungen über die Grenzen der Staatsgewalt, Gewaltenteilung über Staatsform, Struktur des Staatsverbandes, Staatsorgane, fundamentale Rechte sowie programmatische Ziele.

Die Darstellung endet mit dem Jahr 1939

Nach der allgemeinen Einleitung folgt eine kurze Darstellung der Verfassungsentwicklung in England, um dann auf die Entwicklungen in Nordamerika und Frankreich einzugehen. Diese Ereignisse sind Ausgangspunkt für die Darlegung der frühkonstitutionellen Epoche in Gesamteuropa, der die restaurative Epoche folgt. Mit der Darstellung der konstitutionellen Epoche ab dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 schließt dieses Buch.

Das Jahr 1939 erscheint als sinnvolle Zäsur einer Verfassungsgeschichte Europas: Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges brachte den Verfassungsprozess beinahe in Gesamteuropa zu Fall. Viele europäische Staaten waren schon zuvor zu Diktaturen geworden, teilweise ohne Verfassungen. Jene Diktaturen, die über eine Verfassung verfügten, bedienten sich dieser nur zum Schein! Sie hatten lediglich formelle Bedeutung und keine materiell-rechtliche. Erst nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges folgte die Installation von Demokratien, die die Überleitung in oder Neuerarbeitung von Verfassungen vornahmen. Dies gilt allerdings für Europa nach 1945 nur für seinen westlichen Teil, mit Ausnahmen etwa von Portugal, Spanien und Griechenland.

Frankreich als „Laboratorium“

Jede Epoche umfasst die Darstellung der wesentlichen Verfassungen Europas unter Hinweis auf Gemeinsamkeiten und Besonderheiten, eingebettet in die wichtigsten staatspolitischen Ereignisse. Der Verfassungsentwicklung in Frankreich wird eine zentrale Rolle eingeräumt, nahm doch von hier aus der nachhaltige Konstitutionalisierungsprozess seinen Ausgang. Frankreich diente lange Zeit als Vorbild für die gesamteuropäische Entwicklung: Es bot geradezu ein „Laboratorium“ an Verfassungen, dieser Befund gilt in erster Linie für die frühkonstitutionelle Phase. Auch England nimmt innerhalb des Konstitutionalisierungsprozesses einen wichtigen Platz als role model ein: Es gilt nicht nur als Wiege des Parlamentarismus, sondern hat auch Vorbildcharakter etwa für die Weiterentwicklung der Grundrechte, wie persönliche Freiheit, Eigentumsgarantie, Meinungsäußerungsfreiheit. England wird Vorbild für demokratisch legitimierte Justiz, monokratische Regierungsstruktur oder Ministerverantwortlichkeit.

Eine kurze Beschreibung der wichtigsten Verfassungstheorien wird der Darstellung der Staaten- und Verfassungsgeschichte vorangestellt; die wichtigsten Theoretiker und die Rezeption der Staats- und Verfassungstheorien werden erörtert.

I.  Was versteht man unter „Verfassung“?

Nach herrschender Staatsrechtslehre versteht man unter der Verfassung eines Staates die Summe der geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen, die die staatliche Grundordnung, das sind Staats- und Gesellschaftsform, samt den wesentlichen Organisationsprinzipien festlegen. Verfassung bedeutet ganz allgemein die Grundordnung eines Staates, in der geregelt wird, wer wie Recht erzeugt, regiert, kontrolliert. Sie enthält die „Spielregeln“ des staatspolitischen Prozesses und ist somit Rechtsnormerzeugungsregel.

Verfassung als Ordnung des Gemeinwesens

Allgemein wird seit Aristoteles (384–322 v. Chr.) Verfassung als Ordnung des Gemeinwesens verstanden. Diese Ordnung stellten Herrscher und Beherrschte auf. Hinsichtlich der Frage, welches Verfassungsmodell das beste sei, entschied sich Aristoteles für die politie, eine Mischform aus Demokratie (Volksherrschaft) und Oligarchie (die Herrschaft weniger Personen). Damit werden bereits zwei wesentliche Elemente des modernen Konstitutionalismus genannt: Aktivbürgerschaft (durch Wahlen) und Limitierung der Herrschaft.

In der Bewertung der Verfassung Spartas, die Lykurg zugeschrieben wird, wollte Aristoteles, wie übrigens auch Platon (428/427–348/347 v. Chr.), das System von checks and balances als Gewaltenverschränkung erkannt haben, das später ebenfalls ein Merkmal des modernen Konstitutionalismus darstellen sollte.

Die Antike kannte noch keine geschriebene „Verfassung“, nicht zuletzt, weil man kaum eine Unterscheidung zwischen höherrangigen und niedrigrangigen „Gesetzen“ im Sinne einer Normenhierarchie zog, bzw. kaum „erschwerte“ Rechtserzeugungsregeln (etwa Zweidrittelmehrheit) kannte. Der lateinische Begriff galt in der spätantiken Kaiserzeit als Sammelbegriff für alle Vorschriften des Imperators mit Gesetzescharakter. Im (späten) Mittelalter fand er nicht im rechtlich-politischen Bereich Verwendung, sondern vornehmlich in der Medizin im Sinne der Beschreibung des Zustandes eines Körpers. Wenngleich bereits im 14. Jahrhundert das Wort „Verfassung“ erstmals im deutschen Sprachraum auftaucht, wurde dieses nicht im modern-rechtlichen Sinne verstanden, sondern erklärte damit nun jenen Zustand, der nach einer Vereinbarung oder Streitbeilegung erreicht worden war. Vereinzelt fand der Begriff Verfassung im deutschsprachigen Raum Anwendung etwa für Erbfolgeregelungen. Seit dem 16. Jahrhundert findet man den Begriff häufig, in England werden und gleichbedeutend angewandt, was belegt, dass die konstitutionelle Verfassungsbewegung in England an die alteuropäischen anknüpfte. Diese oder , die zwischen Herrscher und geschlossen werden, sind „für die Ewigkeit“ begründet.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!