Virtuelle Sozialisationsspuren junger Menschen. Reale Virtualität als Herausforderung für die praktische Jugendarbeit - Cindy Gresselmeyer - E-Book

Virtuelle Sozialisationsspuren junger Menschen. Reale Virtualität als Herausforderung für die praktische Jugendarbeit E-Book

Cindy Gresselmeyer

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Beschreibung

„Generation Handy“ – so wird die Generation der Jugendlichen heute oft abwertend bezeichnet. In einigen Berichten kann man die Befürchtung erkennen, dass diese Generation bereits an digitaler Demenz leide und sich keine langen Texte mehr auswendig merken könne. Jugendmitarbeiter und Eltern versuchen oft mit dem vermeintlichen Feind in der Hand der Jugendlichen, dem Smartphone, zu konkurrieren. Gerade junge Menschen scheinen sich aktuell in virtuellen Welten zu verstricken und zu verlieren, sodass Jugendmitarbeiter scheinbar keine Chance haben, sie zu einer Begegnung in der Realität einzuladen. In diesem Buch wird ein Konzept vorgestellt, wie die Jugendarbeit die virtuellen Räume anerkennen und sich zu Nutzen machen kann. Der Vorgang der Sozialisation und der sozialökologischen Raumaneignung wird ebenso betrachtet wie die Entwicklung der Jugendlichen zu einem Teil der Gesellschaft und die Rolle der virtuellen Welt in diesem Prozess. In diesem Zusammenhang soll das Stimmungsbild der Akteure der Jugendarbeit deren Haltung gegenüber den vielen Online-Angeboten im Netz aufzeigen. Aus dem Inhalt: – Virtual Reality; – Jugendarbeit; – Mensch und Gesellschaft; – Handy als Kulturgut; – YouTube Kommentare

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Seitenzahl: 160

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Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

1 Einleitung – Virtual Reality und Jugendarbeit

1.1 Begriffsklärung: Virtuelle Realitäten - Cyberspace - Scheinraum

1.2 Begriffsklärung: Annehmende Grundhaltung - Innere Haltung / Einstellung – Vorurteile

1.2.1 Wie Menschen Menschen wahrnehmen und einordnen

1.2.2 Psychologische Effekte, welche die Selbst- und Fremdwahrnehmung beeinflussen

2 Medienkritik – aufgezeigt an Akteuren der Jugendarbeit

2.1 Tendenzen der Medienkritik und die Kritik an diesen

2.2 Stimmungsbild unter Akteuren der Jugendarbeit

2.2.1 Auswertung einer Studie zur Nutzung der Möglichkeiten von Onlinejugendarbeit in Berlin

2.2.2 Digitale Medien im Schulunterricht

2.2.3 Analyse eines nicht repräsentativen Stimmungsbildes

3 Vom Werden des Menschen – wo und wie geschieht das?

3.1 Der Raum – was ist das?

3.2 Wie findet man in den Raum hinein? - Sozialökonomie, das Konzept der Raumaneignung ausgehend von Leontjew (1973) bis in den Cyberspace

3.3 Raumaneignung / Raumvorstellung und Medienhandeln

3.4 Hineinfinden in die Gesellschaft, betrachtet durch die Brille der Sozialisationsforschung

3.5 Hineinfinden in die Gesellschaft durch und mit Medien - Mediensozialisation

3.5.1 Medienkompetenz nach Baacke (1999)

3.6 Jugendkulturen heute: Ticken alle gleich im digitalen Rythmus?

4 „Look up“ und die Bedeutung der Kommentarfunktion bei Youtube

4.1 Kommentare – Verschriftlichung der Eindrücke einer Rezeption von user generated content

4.2 Die Tradition des Interpretierens und Kommentierens – von der Thora zu YouTube

4.3 Kommentare - Gedanken der User über die Qualität des virtuellen Lebens

5 Christlich motivierte Jugendarbeit – Handy als Kulturgut mit religiösen Kapazitäten

5.1 Begriffsklärung: Was ist Religion?

5.2 Religion in Medien

6 Fazit

7 Literaturangaben

Bücher

Aufsätze, Kapitel in Büchern:

Bibelübersetzung

Lexikas

Online Artikel

Internet-Links

Zeitschriften

8 Anhang

8.1 Anhang 1: Erhebung eines Stimmungsbildes

8.2 Anhang 2: Versendeter Fragebogen

8.3 Anhang 3: Frage 1

8.4 Anhang 4: Frage 2

8.5 Anhang 5: Frage 3

8.6 Anhang 6: Frage 4

8.7 Anhang 7: Frage 5

Vorbemerkung

Alle Zitate, Kommentare und Antworten resultierend aus der Befragung wurden wortgetreu übernommen, das schließt die jeweils gültige Form der Rechtschreibung, sowie Rechtschreib- und Tippfehler ein. Zitate und Kommentare sind durch Anführungszeichen deutlich gemacht; Zitate zudem mit den entsprechenden Literaturangaben versehen. Längere Zitate sind eingerückt und kursiv abgebildet, damit der Anteil an übernommenen Gedankengängen deutlich erkennbar ist. Kürzere Zitate oder nicht vollständige, einen Satz ergänzende Zitate sind nicht auf diese Weise deutlich gemacht, um den Lesefluss nicht zu stören.

Hinzufügungen werden in eckige Klammern gesetzt.

1Einleitung – Virtual Reality und Jugendarbeit

„Das Du begegnet mir. Aber ich trete in die unmittelbare Beziehung zu ihm. (...) Das Grundwort Ich-Du kann nur mit dem ganzen Wesen gesprochen werden. Die Einsammlung und Verschmelzung zum ganzen Wesen kann nie durch mich, kann nie ohne mich geschehen. Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du. Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“[1]

Martin Buber[2] beschreibt in diesem Zitat das Wesen einer wirklichen Begegnung zwischen zwei Menschen, die er als Grundbedingung für das Werden eines Menschen darstellt.

Diese Begegnungen sind die kleinsten, allem zugrunde liegenden Einheiten in der auf Menschen ausgerichteten Sozialen Arbeit[3], zu der auch die Jugendarbeit zählt. Sozial[4] bezieht sich u.a. auf eine Gemeinschaft zwischen zwei oder mehreren Menschen und deren Haltung zueinander. Um Begegnungen zu haben und um durch sie werden zu können, muss das Gegenüber dem Zitat entsprechend durch das ganze Ich völlig angenommen werden. Begegnungen im Buber`schen Sinne klammern nichts aus - auch keine wichtigen Attribute, wie bspw. sogar ein die Persönlichkeit repräsentierendes Smartphone - sondern seien vorbehaltlos, wie Buber einige Seiten weiter noch einmal klar herausstellt.[5]

Es komme also – nach Buber und dem Verständnis des Adjektivs sozial - darauf an, Menschen zu begegnen mit allem was sie ausmacht, mit allem, was das Ich ausmacht, sie annehmend sich öffnend und in der Begegnung werdend.

Heute findet diese Begegnung oft nicht mehr face-to-face statt. Stattdessen ist ein technisches Gerät zwischen das Ich und Du getreten und das Mensch werden findet vielfach auch an virtuellen Orten statt, so scheint es. Ob dem so ist, geht diese Ausarbeitung nach sowie der Frage, ob sich etwas an den Grundvoraussetzungen der Begegnung ändert, wenn ein Mitarbeiter der Jugendarbeit der Annahme ist, dass virtuelle Begegnung nicht echt und wertvoll sei und Jugendliche in einer Scheinwelt lebten, unabhängig von der Richtigkeit dieser Annahme.

Gerade junge Menschen scheinen sich aktuell in Virtuellen Welten, bzw. den bisweilen distanzierend so genannten Neuen Medien[6] zu verstricken und zu verlieren, so dass Jugendmitarbeiter keine Chance zu haben scheinen, sie mit der Gitarre auf dem Schoß, am Lagerfeuer sitzend, zur Begegnung einzuladen. Während diese ihrer dort harren und vielleicht bald aufgeben und frustriert werden und die Zielgruppe vielleicht verdächtigen, nicht mehr an wirklichen Begegnungen interessiert zu sein, treffen die Eltern der Jugendlichen sich unter Umständen in Selbsthilfegruppen für Eltern internetabhängiger Jugendlicher.[7]

Jugendmitarbeiter und Eltern versuchen oft zu konkurrieren mit dem vermeintlichen Feind in der Hand der Jugendlichen, dem Mobile Phone bzw. umgangssprachlich „Handy“ genannten Gerät.

Hertlein berichtet über die Erfahrungen zweier Mitarbeiter des CVJM Jugendpflege Süd [Landkreis Fürth]. Sie geben an, dass faktisch immer weniger Jugendliche kämen, weil diese ihren Informationen zufolge nun lieber zuhause am PC säßen und dort ihre Freunde virtuell träfen und online zusammen spielten.[8]

„Sie kommen hier her um ins Internet zu gehen, zu chatten oder mit der Wii-Konsole zu spielen. Sind sie fertig, verschwinden sie wieder, meist ohne viele Worte mit den Jugendpflegern wechseln zu wollen.“[9]

„Generation Handy“, oder „Zwinkersmiley-Generation“[10] wird die Generation der Jugendlichen heute oft abwertend bezeichnet. In einigen Zeitungen kann man die Befürchtung erkennen, dass diese Generation bereits an einer digitalen Demenz leide und sich keine langen Texte mehr auswendig merken könne.[11] Es wird über spezielle neurologische Auswirkungen berichtet, weil das permanente Trainieren des Daumens zu einem „Hirnwachstum und der Zunahme des „kortikalen Potentials“ in speziellen Hirnarealen (...)“ führe.[12]

Schwierig gestaltet es sich jedoch – bis auf Ausnahmen wie der Erfahrungsbericht der CVJM-Mitarbeiter – in der Literatur Hinweise auf eine erschwerte Jugendarbeit durch die Digitalisierung zu finden. Politisch korrekt versuchen Praktiker oft, sich den Geräten zu ergeben und das „Beste daraus zu machen“.

Ich selber bin seit einigen Jahren in der Jugendarbeit tätig[13] bzw. leite sie und habe – auch durch das Online-Studium an der CVJM Hochschule – erkennen dürfen[14], dass es unter Umständen der falsche Weg sein kann, mit der Virtuellen Welt konkurrieren zu wollen und sie als Feind zu betrachten, der überwunden werden muss.

Zugleich arbeite ich als Mediatorin im Täter-Opfer-Ausgleich für jugendliche Straffällige und mache immer wieder die Erfahrung, dass fast jede Straffälligkeit Jugendlicher mit Konflikten zu tun hat, die auf die ein oder andere Weise wenigstens die Virtualität streifen.

Gehen von Online-Technik also Gefahren aus, vor denen die Jugendlichen bewahrt werden sollten?

Es wird in dieser Arbeit um die hermeneutische Darstellung einer akzeptierenden Haltung jungen Menschen gegenüber gehen, welche die Anerkennung ihrer realen und virtuellen Aneignungsräume einschließt und die Konsequenzen, die sich daraus für Jugendarbeit ergeben.

Der Vorgang der Sozialisation und der sozialökologischen Raumaneignung wird dementsprechend betrachtet werden bzw. wie Jugendliche sich in die Gesellschaft hinein entwickeln und welche Rolle die Virtuelle Welt dabei spielt.

Anhand der Betrachtung von Medienkritik auf einer Metaebene wird die Tendenz aufgezeigt, dass neueste Medien meist extrem pessimistisch bzw. optimistisch eingeschätzt werden.

Anhand eines Stimmungsbildes von Akteuren der Jugendarbeit soll der Versuch unternommen werden, deren innere Haltung sichtbar zu machen und in Bezug zu den vielen im Netz erkennbaren Online- Angeboten zu setzen.

Diese Befragung stellt jedoch keine empirische Forschung dar, sondern verweist zunächst auf eine Forschungslücke und trägt zur Aufklärung des Forschungsfeldes bei.

Um ebenfalls einige Meinungen Jugendlicher bzgl. ihrer virtuellen Verortung sichtbar zu machen, wird dieses in Kommentaren zum Youtube-Film „Look up“ beispielhaft aufgezeigt, nachdem auch die Bedeutung von Kommentaren generell betrachtet wurde.

Da die Jugendarbeit, die ich hauptsächlich ausübe, christlich fundiert ist und das Studium, das ich mit dieser Bachelorarbeit abschließe, an einer christlichen Hochschule stattfand, werde ich auch auf Religion im Zusammenhang mit Medien blicken, um zu entscheiden, ob christliche Inhalte mit Medien erfolgversprechend transportiert werden können.

Letztlich soll die Frage beantwortet werden, ob eine bewahrende oder negative Haltung Medien gegenüber nicht nur die Kompetenz von Menschen bzgl. ihrer Rezeptionsfähigkeit unterschätzt, sondern auch als eine Ablehnung junger Menschen aufgefasst werden kann und somit diese ablehnende innere Haltung Jugendarbeit erschwert.

Wichtige Themen wie Datenschutz und Verlust von Privatsphäre werden in dieser Arbeit ausgeklammert, da sie aufgrund ihres Umfangs nicht ausreichend bearbeitet werden könnten. Auch können nicht alle definitionswürdigen Begrifflichkeiten entsprechend hergeleitet werden, sondern es muss eine Eingrenzung vorgenommen werden.

Auch die Darstellung bzw. der Stand der Medienpädagogik und der Medienwirkung werden ausgeklammert, was lediglich geschieht, weil den Vorgaben nach eine Eingrenzung vorgenommen werden musste.

Nicht thematisiert wird außerdem die Frage nach dem wirklichen Verhältnis des virtuellen Erlebens und dem erfüllten Leben. Dieses scheint aus meiner Sicht jeder Mensch ausschließlich subjektiv beantworten zu können und wäre ein passendes Thema für eine weitere Ausarbeitung.

1.1Begriffsklärung: Virtuelle Realitäten - Cyberspace - Scheinraum

Virtual Reality, Scheinraum, Cyberspace scheinen Synonyme zu sein und werden oft willkürlich genutzt, so hat es den Anschein. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass hier Abgrenzungen getroffen werden müssen und auch können.

Etymologisch ist Virtuell auf das lateinische virtus zurückzuführen, das „Kraft, Tugend, Männlichkeit“ bedeutet.[15] Im Metzler Lexikon der Philosophie findet sich der Begriff Virtuell, der „(...) der Kraft oder dem Vermögen nach (...)“[16] bedeutet. Es wird auf Leibniz verwiesen, der unter Virtuell die in ein Individuum eingeborene Erkenntnis von bestimmten Ideen und Wahrheiten versteht.

„Man darf hier Nicht-Sein und Nicht-Erscheinen nicht miteinander verwechseln. Das, was natürlich ist, braucht und darum doch nicht von der Wiege an als solches bekannt zu sein.“[17]

Dem Begriff Reality hingegen, dem englischen Wort für Realität, welches sich ableitet von dem lateinischen Realitas und Wirklichkeit sowie Wesen bezeichnet, kann hier kaum gerecht werdend nachgegangen werden, da Wahrheit und Wirklichkeit jahrhundertelang Gegenstand philosophischer kontroverser Debatten war.[18]

Die Zweifel vieler Mitarbeitenden der Jugendarbeit - das wird im Folgenden noch deutlich herausgearbeitet - perpetuieren die entsprechenden Fragen, die auch Gegenstand der erwähnten Wirklichkeits-Debatten waren: Was ist wahr, was ist wirklich? Inwieweit ist das Leben in Virtual Reality echt oder ist alles nur - der Begrifflichkeit Scheinraum entsprechend - Schein und nicht von Bestand und kann als wirkliches echtes Leben in Fülle nicht zählen und ist daher eher zu verhindern?

Jaron Larnier prägt den Begriff Virtual Reality Ende der 80er-Jahre für die Elemente der Schnittstellen zwischen Mensch und Computer, um damit eine übergeordnete Begrifflichkeit zu schaffen und verortet Virtual Reality damit eher im technischen denn im transzendenten Bereich.[19]

„Wir sprechen über eine Technik, bei der man mit Hilfe eines computerisierten Anzugs eine gemeinsame Wirklichkeit synthetisiert. Sie formt unsere Beziehung zur physischen Umwelt auf einer neuen Ebene nach, nicht mehr und nicht weniger."[20]

Der Begriff Cyberspace ist von Bedeutung in der Gattung des Films und der Literatur im Genre der Science Fiction.[21] Zudem wird Cyberspace synonym für Virtual Reality (VR) gebraucht und findet sich anscheinend eher in populärwissenschaftlichen Texten.[22] Auch in politischer Hinsicht findet der Begriff Verwendung, wenn Perry Barlow als Cyberpionier und Bürgerrechtler einen Aufruf für die Freiheit des Geistes in der „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ als Reaktion auf den „Telecommunication Reform Act“ der Regierung der USA 1996 veröffentlicht.

„Regierungen der industriellen Welt, Ihr müden Giganten aus Fleisch und Stahl, ich komme aus dem Cyberspace, der neuen Heimat des Geistes. Im Namen der Zukunft bitte ich Euch, Vertreter einer vergangenen Zeit: Laßt uns in Ruhe! Ihr seid bei uns nicht willkommen. Wo wir uns versammeln, besitzt Ihr keine Macht mehr. (...) Regierungen leiten Ihre gerechte Macht von der Zustimmung der Regierten ab. Unsere habt Ihr nicht erbeten, geschweige denn erhalten. Wir haben Euch nicht eingeladen. Ihr kennt weder uns noch unsere Welt. Der Cyberspace liegt nicht innerhalb Eurer Hoheitsgebiete. Glaubt nicht, Ihr könntet ihn gestalten, als wäre er ein öffentliches Projekt. Ihr könnt es nicht. Der Cyberspace ist ein natürliches Gebilde und wächst durch unsere kollektiven Handlungen. (...)“[23]

Etymologisch geht Cyber auf das griechische Wort Kybernetik zurück und bedeutet Steuermannskunst, während der zweite Teil des Wortes Cyberspace aus dem Englischen kommt und Raum bezeichnet und etymologisch auf den lateinischen Terminus Spatium zurückgeführt werden kann, was Raum / Weite bedeutet.[24]

Novak definiert Cyberspace 1991 wie folgt:

„Cyberspace is a completely spatialized visualization of all information in global information processing systems, along pathways provided by present and future communication networks, enabling full copresence and interaction of multiple users, allowing input and output from and to the human sensorium, permitting simulations of real and virtual realities, remote data collection and control through telepresence, and total integration and intercommunication with a full range of intelligent products and environment in real space.“[25]

Jaron Lanier lehnt den Begriff Cyberspace hingegen ab, er sei ihm zu sehr bezogen auf das Gerät des Computers und daher zu eng.

„Manche gebrauchen William Gibsons Ausdruck „Cyberspace“, aber den finde ich gräßlich. Sehr einengend und noch computeriger. Die virtuelle Welt ist kein Computer.“[26]

Laut Bente / Krämer / Petersen hingegen verstehe Bormann 1994 den Begriff Cyberspace weniger technisch, sondern eher kulturell als Philosophie oder Lebensstil und empfehle entsprechend einen Gebrauch des Terminus Virtual Reality / Virtuelle Realität für die technischen Elemente des visionären Cyberspace.[27]

Brühl hält 1996 ebenfalls fest, dass im Cyberspace physische Erfahrungen gemacht werden könnten, welche realweltlich nicht erlebbar wären und beschreibt damit den Cyberspace[28] ähnlich dem Scheinraum - der Beschreibung Zeihers entsprechend, die auch von diesem als möglichen Lebensinseln spricht [29]- jedoch um die Dimension der positiven Wertung des realen Erlebens bereichert.

Da es keine Eindeutigkeit in der Abgrenzung der Begrifflichkeiten gibt, wird nachfolgend „VR“ genutzt werden, wenn die benutzte Technik im Vordergrund steht, welche das Erleben der Virtualität ermöglicht. „Cyberspace“ hingegen wird gebraucht, wenn das Erleben im Vordergrund steht und kein Bezug zu Technik hergestellt werden soll. Die Bezeichnung „Scheinraum“ hingegen wird benutzt, wenn deutlich werden soll, dass kein reales Erleben, sondern nur eine Täuschung anerkannt wird.

Betritt bspw. ein Jugendlicher oder eine Jugendliche mittels VR-Technologien ein Soziales Netzwerk, steht dabei die Beschäftigung mit dem technischen Gerät noch im Vordergrund. Während er oder sie auf der Schwelle in den Cyberspace steht, weicht die Technik zurück und das Erleben tritt in den Vordergrund. Bei Überquerung dieser Schwelle verliert die Technik gänzlich ihre Bedeutung und ist nur noch Mittel zum Zweck. Im Cyberspace angekommen können Freunde getroffen und evtl. emotionale Wärme durch Likes, Freundschaftsanfragen oder virtuelle Hilfsbereitschaft erfahren werden. Ein sehr kritisch eingestellter Beobachter kann hier einen Scheinraum vermuten, wenn die Echtheit des Erlebten angezweifelt wird.

1.2Begriffsklärung: Annehmende Grundhaltung - Innere Haltung / Einstellung – Vorurteile

„Die innere Einstellung generiert die Erwartungshaltung und die wiederum beeinflusst weitgehend die Erfahrung!“[30]

Diese von Eller beschriebene Erwartungshaltung verneint Bogyó-Löffler und unterstreicht die Bedeutung von Bubers ausgedrückter Bereitschaft, sich von Erwartungen frei zu machen:

„Sie ist vielmehr die begriffliche Zusammenfassung einer inneren Haltung der Offenheit, sich auf etwas Neues, Unbekanntes und im Voraus nicht Berechenbares einzulassen.“[31]

Das „Du“ in Bubers Grundwort Ich-Du beschreibe laut Bogyó-Löffler einen Freiraum, der gefüllt werden könne durch Einzigartigkeit.[32]

Als eine Dimension der Handlungskompetenz – neben Können und Wissen[33] - beschreiben Birgmeier und Mührel diese Haltung. Diese sei an „(...) ethisch normative Handlungstheorien gekoppelt (...)“[34], welche sich nicht einfach lehren und lernen lassen, sondern die erwachsen würden.[35]

Birgmeier und Mührel definieren Haltung als „Selbstand als ein Stand des Selbst in der Welt.“[36] Ein Zugang zur inneren Haltung lasse sich entsprechend in der

Nikomachischen Ethik finden, in der Aristoteles grundlegend das Verständnis der Ethik als Haltung beschreibe.[37]

In der Ethik werde der Mensch von seinem Handeln her betrachtet, welches u.a. auf seinem Streben basiere. So entwickele sich eine „(...) Haltung, die sich in Handlungsvorsätzen äußert (...), eine Willenswahl (...) als überlegtes Streben.“[38]

Eine gute wertvolle Handlung könne nur erfolgen, wenn diese aufrichtig sei. So stelle sich schon nach Aristoteles freundschaftliches Handeln nur dann als gut dar, wenn der Handelnde wirklich ein Freund sei.[39]

„Eine auf ein Handeln zielende Grundhaltung (...) besteht daher aus dem In-eins-fallen, der Übereinstimmung zweier Haltungen, die aus der Gewöhnung und Einübung entsteht (...) und andererseits der Klugheit und sittlichen Einsicht in das Gute (...) als intellektuelle Haltung (...)“, so resümieren Birgmeier und Mührel.

Die innere Haltung / Einstellung eines Menschen „(...) bestimmt unsere Gedanken, unsere Worte, unsere Handlungen, unseren Charakter und damit unser Schicksal (...)“[40] und entscheide laut Harter et al. in therapeutischen Kontexten zudem über den Erfolg der Behandlung eines Patienten.[41]

Birkenbihl zufolge färbt die innere Einstellung einer Person das Bild des Gegenübers.

„Da sich die innere Einstellung immer mitteilt, sollten wir uns darin üben, diese Einstellung so weit wie möglich zu positivieren, wenn wir gut mit anderen auskommen wollen.“[42]

Ponder bestätigt Birkenbihls Annahme, indem er konstatiert, dass Menschen sofort auf die Änderung einer Einstellung ihnen gegenüber reagierten.[43]

Goleman nennt die innere Haltung flüchtige Hintergrund-Annahmen die Ausdruck tiefster emotionaler Grundannahmen bzgl. des Selbst und anderer Menschen seien.

„Der eigentliche emotionale Austausch (...) besteht in Gedanken, und die sind wiederum von einer anderen, tieferen Schicht determiniert, (...) flüchtige Hintergrundannahmen über uns selbst und die Menschen in unserem Leben, Annahmen in denen sich unsere tiefsten emotionalen Einstellungen spiegeln.“[44]

1.2.1 Wie Menschen Menschen wahrnehmen und einordnen

Menschen würden, so hält dies Fetchenhauer aus psychologischer Sicht fest, dazu neigen, sich selber als Teil einer sozialen Gruppe zugehörig zu empfinden und die Welt entsprechend „(...) in „Wir“ und „Die Anderen“ (...)“[45] zu unterteilen. Er nennt diese Einteilungsgruppe „Ingroups“ und „Outgroups“.[46] Diese Gruppeneinteilung geht mit der Sortierung nach bestimmten Kategorien einher - diese können bspw. die ethnische Zugehörigkeit betreffen und dazu von spezifischen Annahmen begleitet sein. Menschen gehen u.a. davon aus, dass die Eigenschaften der eigenen Ingroup positiver seien als die der Outgroup.[47]

Diese Annahmen können auch in Form von Ethnozentrismus auftreten, der die Neigung von Menschen beschreibt „(...) andere Kulturen aus der Perspektive der eigenen Kultur zu bewerten, wobei die Werte und Eigenschaften der eigenen Kultur unhinterfragt positiv, Abweichungen von der eigenen Kultur hingegen negativ bewertet werden.“[48]

Piasecki beschreibt den reflektierten Ethnozentriker, dessen Haltung sich mit der Hinnahme von kulturellen „(...) Eigenheiten bei unterbewusster Konzentration auf die eigene Kultur (...).“ [49] beschreiben lässt.

Annahmen über andere Menschen können auch in Form von Stereotypen auftreten. Die Konnotation der Vorstellungen über typische Eigenschaften, die der stereotypen Annahme entsprechend den Menschen einer Outgroup zugeordnet werden, kann sowohl positiv als auch negativ sein.[50]

Vorurteile hingegen sind negative Stereotype[51], während Diskriminierung Handlungen bezeichnet, die in feindseliger Art gegenüber Mitgliedern einer Outgroup ausgeführt werden.[52]

Diese Art von Menschen, über andere Menschen zu urteilen, lasse sich Fetchenhauer zufolge auf die kognitiven Limitationen des Menschen zurückführen.[53]

Menschen würden dem entsprechend periphere Reize als Hinweise zur Kategorisierung von Menschen verwenden und würden daraus Schlüsse, die Eigenschaften dieser so eingeordneten Personen betreffend, ziehen.[54]