Vorstoß in den Hyperraum - Jo Zybell - E-Book

Vorstoß in den Hyperraum E-Book

Jo Zybell

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eric Santini und seine Mitstreiter stranden auf einer Dschungelwelt – und kommen dem größten Geheimnis der Grakos auf die Spur. Angesichts der Erkenntnisse, die sie heim nach Terra bringen, bleibt Ren Dhark nichts anderes mehr übrig, als den Vorstoß in den Hyperraum zu wagen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 468

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Sammlungen



Ren Dhark

Bitwar-Zyklus

 

Band 11

Vorstoß in den Hyperraum

 

von

 

Conrad Shepherd

(Kapitel 1 bis 5)

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 6 bis 11)

 

Jo Zybell

(Kapitel 12 bis 16)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 17 bis 21)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

Empfehlungen

Ren Dhark Classic-Zyklus

Ren Dhark Drakhon-Zyklus

Ren Dhark Bitwar-Zyklus

Ren Dhark Extra

Clayton Husker: T93

Clayton Husker: Necronomicon Tales

Impressum

Prolog

Anfang des Jahres 2063 scheint das Ende der Menschheit – oder zumindest das Ende ihres Heimatplaneten Terra und des Sonnensystems – unausweichlich. Ein bisher unbekanntes Volk offenbar intelligenter Roboter hat terranische Kolonien angegriffen und unprovoziert einen Krieg mit Terra vom Zaun gebrochen.

Stärkste Waffe der Roboter, die sich selbst »das Volk« nennen und alle Lebewesen abschätzig als »Biomüll« bezeichnen, sind modifizierte Geschütze der Worgun: Die Energie eines herkömmlichen Nadelstrahlers wird auf wenige Nanometer konzentriert und erreicht somit eine Kraft, die sogar in der Lage ist, Raumschiffshüllen aus Unitall einzudrücken!

Doch diese »Kompri-Nadel« genannte Waffe ist harmlos im Vergleich zu dem, was die Roboter sonst noch zustande bringen!

Mit einer bislang völlig unbekannten Technik ist es ihnen gelungen, die Sonne zum Untergang zu verdammen! Von einer heimlich im Nachbarsystem Proxima Centauri errichteten Station aus haben sie es offenbar geschafft, ein winziges Schwarzes Loch im Zentrum unserer Sonne zu plazieren.

Gegenstück ist ein kleines Weißes Loch im Inneren von Proxima Centauri. Und so fließt immer mehr Masse aus unserer Sonne ab und läßt den einst trüben Nachbarstern regelrecht aufblühen, während Sol immer mehr an Kraft verliert. Der Winter, der im November 2062 anbricht, könnte der letzte sein, den die Erde erlebt – der ewige.

Und als wäre das nicht schon genug, fliegen die Roboter einen Großangriff auf Terra. Der kann erst im letzten Augenblick abgewehrt werden, nicht zuletzt dank der tatkräftigen Unterstützung durch neuartige Kampfraumschiffe des Planeten Eden, auf dem sich der Großindustrielle Terence Wallis selbständig gemacht hat.

Eden verbündet sich mit der Erde, um die weitere Manipulation der Sonne zu verhindern und eingetretene Schäden möglichst rückgängig zu machen. Bei einem koordinierten Großangriff auf das System Proxima Centauri kann die Station zur Sonnenmanipulation vernichtet werden.

Doch es ist schon zu spät: Der Prozeß hat sich verselbständigt. Immer mehr Energie fließt aus der Sonne ab, die bald nur noch ein verlöschender Stern sein wird…

Die Verantwortlichen der Erde wissen nach wie vor nicht, weshalb die Roboter Terra überhaupt den Krieg erklärt haben. Also wird ein Stoßtruppunternehmen aus Soldaten der Schwarzen Garde und einigen Cyborgs in Marsch gesetzt, um Eins, den Heimatplaneten des »Volkes«, zu erkunden.

Dabei stößt man auf das »Heiligtum« der Maschinen, in dem man wider Erwarten nicht nur einige Grakos findet, sondern auch eine riesige Halle, in der mehrere tausend Salter in Tanks mit Nährflüssigkeit schlafen! Nur einer von ihnen übersteht den Befreiungsversuch lange genug, um Ren Dhark zu berichten, daß es diese Salter waren, die die intelligenten Roboter erschufen – nur um von ihnen versklavt zu werden…

Etwa zur gleichen Zeit wird auf Grah der terranische Major Eric Santini damit betraut, das Verschwinden zweier geschlechtsreifer Gordo zu untersuchen. Er beginnt seine Arbeit in ihrem Haus – und gerät in eine Falle renegater Grakos…

1.

Für Eric Santini schien die Zeit stillzustehen, angehalten von dem Schatten des Grako, der als letzter die Halle betreten hatte und dessen insektoider Körper hinter dem wabernden Hyperfeld allenfalls nur zu erahnen war. Deutlich zu sehen jedoch war die charakteristische Mündung eines Schwarzstrahlers, die aus dem Halbraumfeld herausragte und genau auf ihn zielte.

Für den Major war es ein Rätsel, wie es der Grako geschafft hatte, trotz der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen mit der materieauflösenden Waffe in die Halle zu gelangen. Die Strahlen aus dieser Waffe vermochten jedes bekannte Material zu vernichten und einen menschlichen Körper einfach zu verdampfen.

Der Besitz von Schwarzstrahlern war den Grakos von den terranischen Besatzungsbehörden kategorisch verboten worden.

Eine Falle! hämmerte es in Santini. Für drei, vier endlose Hundertstelsekunden war dieser Gedanke alles, was er fassen konnte: eine Falle, deren Grund er nicht kannte. Doch jeder weitere Gedanke daran war müßig, mußte er erkennen. Noch während er dies dachte, funktionierte sein Verstand mit der gewohnten Präzision, die er in langen Jahren harten Trainings ausgebildet hatte und die ihm jetzt mit der mechanischen Gefühllosigkeit eines Suprasensors erklärte, daß er sich in akuter Lebensgefahr befand.

In Santini erwachten im Bruchteil einer Sekunde schlagartig alle Verteidigungsmechanismen, über die er verfügte. Er begriff, daß er um sein Leben kämpfen mußte. Noch während sich dieser Gedanke klar in seinen Überlegungen abzeichnete, hatte er sich bereits reflexartig zu Boden fallen lassen und zog schon während dieses Vorganges den brandneuen Nadelstrahler.

Der schwarze Strahl aus der Mündung der Grako-Waffe verfehlte Santini nur aufgrund seiner Reaktionsschnelligkeit und schlug statt dessen in dem hinter ihm stehenden Grako-Hausdiener ein.

Zur selben Zeit feuerte Santini auf den Rebellen; er traf ihn voll und löste sowohl das Halbraumfeld als auch den Insektoiden auf. Die Thermoreaktionen der beiden Getroffenen erfolgten mit nur wenigen Sekundenbruchteilen Verzögerung; die Grakos vergingen in grellen Feuerbällen, die die Halle in wildes Leuchten tauchten und sich aufblähend ausbreiteten.

Santini, der wußte, was kommen würde, schnellte augenblicklich zur Seite, rollte sich über die linke Schulter ab und brachte sich wenige Meter weiter rechts hinter einer steinernen Bank in Deckung, ohne seine Waffe losgelassen zu haben.

Die in der Halle anwesenden Hausbediensteten verfügten über keine derart antrainierten Reflexe und reagierten dementsprechend langsam auf das sich anbahnende Desaster.

Drei der unbeteiligten Grakos wurden von den Auswirkungen der Thermoreaktionen erfaßt und vergingen in dem tödlichen Feuer, während die anderen auseinanderstrebten und ihrerseits Deckung suchten. Kochende Hitze und wirbelnde Dämpfe breiteten sich in Wellen durch die Halle aus; Leuchtkörper explodierten und glühten aus. Wirbelnde Schauer splitternden, zerstäubten Materials schlugen auf den Boden und lösten eine Geräuschorgie aus. Eine Alarmsirene heulte nervenzerfetzend.

Santini duckte sich tiefer hinter die steinerne Massivität der Bank und zog den Kopf zwischen die Schultern, während er die Waffe umklammerte, ohne die er die Attacke des verräterischen Grako wohl nicht überlebt hätte.

Einen irrwitzigen Moment lang fühlte er Dankbarkeit seiner Tante Carlotta gegenüber, die ihm diese sündhaft teure Handfeuerwaffe von Garand, Enfield, Heckler & Koch (einem Tochterunternehmen von Wallis Industries) als Weihnachtsgeschenk geschickt hatte. Sie war zwar erst am Silvestertag auf Grah angekommen, was die Generalmajorin am To-Richtfunk zu einigen ätzenden Äußerungen über die Zuverlässigkeit der heutigen TF-Feldpost animierte, als sie sich ihrerseits für die Kette aus Grahlit bedankte, die ihr Eric geschickte hatte; die war rechtzeitig zum Fest dagewesen und hatte ihr Entzücken hervorgerufen.

Langsam verebbten die Druckwellen der Thermoreaktionen; die erstickenden Dämpfe und der wirbelnde Qualm in der Halle wurden von automatisch anlaufenden Exhaustoren angesogen und aus dem Saal entfernt.

Es schien vorbei zu sein.

Santini rappelte sich auf und suchte seine Gedanken zusammen; der Überfall war so unvermittelt geschehen, daß er fast schon mit dem Leben abgeschlossen hatte. Er orientierte sich; in der Halle schien niemand mehr nach seinem Leben zu trachten. Von den ursprünglich 13 Grakos waren nur noch neun am Leben. Gefahr drohte scheinbar keine mehr. Dennoch zögerte er zunächst, die Waffe aus der Hand zu legen. Aber schließlich steckte er sie doch in das Halfter zurück und wandte sich an den Grako, der hier die Tätigkeit eines Majordomus bekleidete.

In seinem Gesicht arbeitete es. Nur mühsam seinen Zorn im Zaum haltend, hob er seine Stimme: »Kannst du mir erklären, was das sollte?«

Der Grako antwortete mit einem Schwall von Klicklauten, die von Santinis Translator übersetzt wurden.

Seinen Worten zufolge bedauerte er zutiefst den Attentatsversuch des Rebellen. Er konnte sich auch keinen Reim darauf machen, wie es dieser Abtrünnige geschafft hatte, mit dem Schwarzstrahler durch sämtliche Sicherheitsbarrieren zu gelangen.

Schweigend hörte sich der Major die Beteuerungen des Majordomus’ an; inwieweit sie der Wahrheit entsprachen, konnte er nicht nachvollziehen. Zum einen waren der insektoiden Physiognomie keinerlei Gemütsregungen zu entnehmen, die von einem Terraner als solche interpretiert werden konnten. Zum anderen verhinderte das Halbraumfeld der Grakos jede genauere Betrachtung: Grakos waren immer nur schattenhaft zu sehen. Dennoch hatte der Major so seine Zweifel, was die für einen Insektoiden ungewöhnlich wortreichen Beteuerungen des Majordomus betrafen; das Verhältnis zwischen Grakos und den Menschen war nicht gerade von überschwenglicher Freundschaft geprägt. Obwohl die Gordo nach dem Ende des Grako-Krieges nominell wieder die Regierungsgewalt innehatten, auch wenn sie dabei auf die Unterstützung der terranischen Besatzungsmacht angewiesen waren, gab es noch immer viele Grakos, die die neue Ordnung ablehnten und sich mehr oder weniger offen für einen Umsturz einsetzten. Es war eine Tatsache, daß auf vielen Wohnwelten – auch auf Grah – nach wie vor Rebellengruppen existierten, die alles daran setzten, den Terranern Schaden zuzufügen, wo sie nur konnten.

Noch immer schrillten die Alarmanlagen. Durch das Hauptportal des Wohnhauses von Schattensucher und Lichtfreundin drang eine Gruppe Kampfroboter in die Halle, angeführt von einem jungen, forsch auftretenden Leutnant; der Trupp war Teil des ständig präsenten Sicherheitskordons, den die terranische Militärmacht rings um das Viertel und das Haus gelegt hatte, um Übergriffe und Attentatsversuche auf die Gordo zu verhindern. Der Frieden auf Grah war ein sehr fragiler; jederzeit konnten erneut Kämpfe aufflammen.

»Leutnant Onsin, Sir«, meldete der junge Offizier mit markiger Stimme und salutierte, während er rasch näherkam. »Benötigen Sie Hilfe?«

Santini blieb ruhig, grüßte zurück und antwortete mit leichtem Sarkasmus: »Jetzt nicht mehr, Leutnant.«

»Ist Ihnen etwas zugestoßen, Sir? Sind Sie verletzt?«

Endlich verstummten die Sirenen der hauseigenen Feuermeldeanlage.

»Ich bin noch mal knapp davongekommen«, erwiderte der Major.

Die Kampfroboter hatten sich so in dem saalartigen Raum verteilt, daß sie die nur schattenhaft zu erkennenden Grako voneinander isolierten.

Leutnant Onsin deutete mit seiner schweren Waffe auf die Überbleibsel der Thermoreaktionen; in einem Kreis von schätzungsweise fünfzehn Metern Durchmesser war der steinerne Boden geschwärzt, waren ausgeglühte Teile der Einrichtung und die kaum noch als solche zu erkennenden Reste der Grako-Organismen verteilt.

»Was ist vorgefallen, Sir?«

Von zwei Seiten näherten sich jetzt hauseigene Reinigungsroboter und begannen damit, die Spuren des Kampfes zu beseitigen.

Santini schaute einen Augenblick lang zu, ehe er antwortete: »Es muß ein Rebellenkrieger gewesen sein, dem es gelungen war, einen Schwarzstrahler so geschickt zu verbergen, daß er von den Sicherheitskräften nicht entdeckt wurde.« Er schüttelte den Kopf; obwohl er sich räusperte, blieb seine Stimme rauh. Die Reaktion auf das Geschehene kam erst jetzt. »Wie es aussieht, haben wir noch viel Arbeit auf Grah vor uns, ehe wirklich Frieden eintritt.«

Der Leutnant nickte. »Cui bono?« brummte er. Er tastete eine Nummer in sein Armbandvipho und gab eine Entwarnung an seinen draußen wartenden Vorgesetzten durch.

»Das frage ich mich auch«, erwiderte der Major. »Wem hätte es genützt, wenn es dem Attentäter gelungen wäre, mich – welch eine unschöne Vorstellung! – umzubringen?«

»Das läßt sich nun leider nicht mehr nachprüfen, Sir«, behauptete der Leutnant folgerichtig. Seine Miene wurde fragend. »Falls es wirklich ein Attentat auf Sie war, vom wem hat er den Auftrag bekommen?«

»Auch das wird sich kaum noch nachprüfen lassen«, versetzte Santini mit den Worten des jungen Offiziers.

Der Leutnant nickte zustimmend. »Wohl kaum. Sind Sie hier fertig, Sir?«

Major Santini überlegte nur kurz. Jetzt die aufgeregten und vielleicht auch verängstigten Grakos der niederen Ränge über ungewöhnliche Vorkommnisse im Umfeld von Schattensucher und Lichtfreundin zu befragen, erachtete er für wenig sinnvoll. Selbst wenn einer der Hausbediensteten etwas wußte, würde er es sich dreimal überlegen, sein Wissen preiszugeben und dabei möglicherweise zu riskieren, sich der Rache der Grako-Rebellen auszusetzen, die die Vorgänge in diesem Haus mit Sicherheit beobachteten.

»Ja«, sagte er folgerichtig, »ich bin hier fertig.«

»Fanden Sie übrigens, wonach Sie suchten?«

Santini schüttelte wortlos den Kopf und verließ die Halle zusammen mit dem Leutnant; die Kampfroboter schlossen sich ihnen an.

»Fehlt Ihnen wirklich nichts, Sir?« wandte sich Onsin erneut an ihn. »Unser Doktor könnte Sie sich ansehen, falls Sie doch eine Verletzung davongetragen haben sollten.«

»Ihre Besorgnis ist zwar rührend, Leutnant, aber vollkommen überflüssig. Mir fehlt nichts. Danke trotzdem.«

»Dafür nicht, Sir«, erwiderte Leutnant Onsin und trollte sich zu seiner Einheit, die den Sicherheitskordon um Schattensuchers und Lichtfreundins Haus bildete.

Santini lenkte seine Schritte in Richtung des Schwebers vom Typ Nomsol-345, mit dem er vor nicht mehr als – er warf einen Blick auf sein Chrono – vierzig Minuten nach Acht gekommen war.

Das Ergebnis seiner Nachforschungen war alles andere als zufriedenstellend, ganz im Gegenteil, gestand er sich ein. Allerdings mußte sein Erscheinen in Acht jemanden alarmiert haben; der Anschlag hatte gezielt ihm gegolten, anders waren die Ereignisse in der Halle des Gordo-Gebäudes kaum zu interpretieren.

Der graue Dunst lag unverändert über der Stadt, die feuchtheiße Luft legte sich wie eine schwere, alles unter sich erstickende Decke auf ihn.

Die wenigen Meter bis zu seinem Schweber genügten, ihm den Schweiß aus allen Poren zu treiben.

Erleichterung erfuhr er erst, als er schließlich in der vollklimatisierten Kabine des zweisitzigen Nomsol-345 saß und sich nicht länger mehr der mörderischen Luftfeuchtigkeit Grahs ausgesetzt sah, die im Freien ständig zwischen Werten von 90 und 100 Prozent pendelte. Das Klima auf dieser Welt war für jeden, der zum erstenmal nach Grah kam, ein Schock. Das galt auch für Terraner, die aus den Subtropen der Erde oder von Kolonialwelten mit vergleichbaren Klimazonen stammten.

Obwohl er nun schon eine ganze Weile auf dieser Welt lebte und die Anpassungsphase eigentlich hinter sich gelassen haben müßte, hatte sich Santini noch immer nicht ganz mit den klimatischen Zuständen auf Grah zurechtgefunden. Kurz kontrollierte er den Speicher des Bordfunks: keine Nachricht, nur vier Unwetterwarnungen, eine davon lag genau auf seinem Weg nach Drei. Er würde ziemlich hoch steigen und vielleicht auch Umwege in Kauf nehmen müssen, um dem Schlimmsten zu entgehen.

Seine Finger glitten über die Tastatur, aktivierten den bordeigenen Suprasensor und den Bordfunk.

Während der Rechner die Funktionen überprüfte, nahm er Verbindung mit der Luftraumüberwachung auf, gab seine Sicherheitskennung durch und wartete auf die Freigabe; der Kurs nach Drei war im Autopiloten.

Die Starterlaubnis kam.

Die Kontrollen zeigten Grün.

Alle Systeme waren betriebsbereit.

Major Santini startete den Antrieb.

Der Vorplatz des domartigen Wohngebäudes der entführten Gordo Schattensucher und Lichtfreundin blieb unter dem Schweber zurück, verschwand in der Tiefe. Nachdem die vorgesehene Flughöhe erreicht war, übergab Santini an den Bordsuprasensor, lehnte sich entspannt in den Sitz und begann, die Ereignisse im Haus der beiden geschlechtsreifen Gordo mit seinen bisherigen Überlegungen in Einklang zu bringen.

Dieser Mordanschlag auf ihn hing ursächlich mit seinen Bemühungen zusammen, die Entführung der beiden Gordo zu untersuchen. War er, ohne es zu ahnen, jemandem schon zu nahegekommen? Wollte man ihn deshalb für alle Fälle beseitigen? Aber wo war die Verbindung? Wer zog die Fäden? Und was konnte er dagegen tun?

Santini blickte durch die Kanzelverglasung und fühlte, wie sich in seiner Magengegend ein kleiner Knoten verhärtete.

Er beschloß, sehr vorsichtig zu sein. »Vivere militare est«, knurrte er in die relative Stille der Kabine und nickte seinem Abbild in der spiegelnden Konsolenabdeckung zu. »Leben heißt kämpfen, wie der alte Philosoph Seneca sagen würde, mein Freund.«

Der Schweber flog in südwestlicher Richtung über die düstere Stadtlandschaft von Acht hinweg und tangierte soeben das Zentrum mit seinen sieben aus der Masse der übrigen Gebäude herausragenden gigantischen Bauwerken, die ausschließlich für die Gordo vorgesehen waren.

Santinis Ziel war Drei; die Stadt, die diese Bezeichnung trug und so etwas wie die Hauptstadt Grahs war, lag im Südwesten und zirka tausend Kilometer von Acht entfernt.

Der Schweber würde die Strecke innerhalb von siebzig Minuten bewältigen, falls nichts Unvorhergesehenes passierte.

Obwohl es nach planetarer Zeit erst früher Nachmittag war, herrschte nur eine diffuse Helligkeit unter den gewaltigen Wolkenbergen, die mehrere Kilometer hoch in den Himmel reichten.

Unter dem Nomsol-345 huschte der wuchernde Dschungel der Heimatwelt der Grakos hinweg. Die brütende Hitze lag wie eine triefenden Dunstglocke über der urweltlichen Landschaft.

Nach etwa der Hälfte der Flugstrecke verdunkelte sich der Himmel, und das Licht wechselte.

Aus Südwesten näherte sich dräuend eine tiefhängende, mächtige Schlechtwetterfront, die bereits düstere Schatten über das Land warf; sie hatte den Lichtwechsel verursacht. Vermutlich würde es in Kürze zu stürmen anfangen.

Die Atmosphäre durchzog sich mit schweflig gelben Streifen, und gewaltige Gewittertürme wuchsen vor dem Nomsol auf, die bis hoch in die Stratosphäre reichten. Da der Schweber nicht über eine entsprechende Druckhülle verfügte, konnte Santini nicht die Unwetter überfliegen und in die höchsten Schichten der Atmosphäre ausweichen.

Nicht lange danach flog er durch strömenden Regen, der mit einer solchen Gewalt niederging, daß er froh war, sich nicht im Freien aufhalten zu müssen. Fasrige Blitze zuckten in nahezu ununterbrochener Folge aus der Unwetterfront hervor, die mit keiner zu vergleichen war, die Santini je auf der Erde erlebt hatte. Wieder einmal gestand er sich ein, daß Grah in jeder Hinsicht eine Extremwelt war. Die in Aufruhr geratene Natur des Planeten schüttelte ihn in seinem Sitz durch; obschon die Trägheitsdämpfer das meiste schluckten, wünschte er sich während des Höllenritts mehr als einmal, daß die Sitze in den Schwebern mit vernünftigen und vor allem effektiven mechanischen Rückhaltevorrichtungen ausgestattet wären.

Obwohl das Unwetter zunächst den Anschein erweckte, nicht enden zu wollen, war es nach zwanzig Minuten vorbei und die Gewitterfront durchflogen.

Es wurde wieder heller, obwohl noch immer nichts von der Sonne zu sehen war.

Santini ließ den Schweber etwas steigen. Voraus waren bereits die ersten Ausläufer des Vorgebirges zu sehen, eine steil aufragende Klippenfront, von einem Fluß durchschnitten, der sich dahinter mäandernd seinen Weg durch den breiten Dschungelgürtel bahnte, in dem Drei lag.

Der Luftverkehr nahm zu; Formationen von patrouillierenden Schwebern zogen ihre Kreise. Sie waren Teil der Sicherheitsvorkehrungen, die die terranischen Friedenstruppen auf Gerrck III den Gordo zum Schutz ihrer noch jungen Regierung gewährten.

Als Santinis Schweber sich dem äußeren Sicherheitsperimeter näherte, strahlte der Suprasensor automatisch seine Kennung ab, so daß sich der Major unbehelligt dem Zentrum nähern konnte.

Die ersten Ausläufer von Drei kamen im wuchernden Dschungel in Sicht. Dahinter erstreckte sich eine riesige Stadtanlage, die den wichtigsten Raumhafen des Planeten umschloß.

Auf den ersten Blick machte die Stadt einen chaotischen Eindruck von ungeordneter Willkür, als hätte die Hand eines Riesen die Gebäude einfach so in die Gegend geworfen. Dreis systematische Ordnung erschloß sich dem Betrachter erst auf den zweiten und dritten Blick. So waren sämtliche Gebäude durch Tunnel miteinander verbunden, die teilweise in hundert Metern Tiefe verliefen.

Der Sitz der Gordo-Regierung befand sich in einem gewaltigen, terrassenförmig angelegten Bauwerk, dem Wahrzeichen Grahs, das sich wie ein Monument über die Stadtlandschaft erhob. Aber nicht nur die Regierung von Grah war darin untergebracht, auch das Zentralkommando der terranischen Friedenstruppen hatte dort seinen Sitz, seit neustem mit Generaloberst Pershing an der Spitze.

Beim Gedanken daran, daß er in Kürze seinem Oberbefehlshaber gegenüberstehen würde, verfinsterte sich Santinis Miene. Seine Laune war nicht die beste, als der Schweber in die vorgeschriebene Einflugschneise einschwenkte und sich auf dem Vorplatz zum Eingang niedersenkte.

*

Generaloberst Pershing saß hinter seinem mit Arbeit überladenen Schreibtisch. Als Santini eintrat, schob er die Akte, in der er gelesen hatte, unter einen Stapel anderer Dokumente. Er tat es so auffällig unauffällig, daß sich der Major zu wundern begann. Täuschte er sich, oder wollte Pershing hier etwas vor ihm verbergen?

Eric Santini salutierte. »Major Santini zur Stelle, Sir«, sagte er laut.

Pershing musterte den drahtigen Offizier, der in Grundstellung vor seinem Schreibtisch stand, mit einem durchdringenden Blick.

»Rühren, Major. Nehmen Sie Platz.«

Eric Santinis Körperhaltung entspannte sich. Er ließ sich auf einem der beiden Sessel nieder, die vor Pershings Schreibtisch standen.

»Ich erwarte Ihren Bericht!« Pershing erweckte den Eindruck, als wäre er verärgert über etwas, wovon Santini keine Ahnung hatte. Der Generaloberst wirkte mit seinem silbergrauen Haar und dem massigen, etwas formlosen Körper, dem eine sorgfältig geschneiderte Uniform Konturen verlieh, wie ein freundlicher, umgänglicher Mann. Doch das war Fassade. In Wirklichkeit war er weder umgänglich noch freundlich, sondern ein maßloser Intrigant.

Sachlich und leidenschaftslos begann Santini seine Schilderung der Vorfälle im Haus von Schattensucher und Lichtfreundin.

Schweigend hörte sich Pershing Santinis knappen Bericht an, ohne eine Zwischenfrage zu stellen. Er nickte lediglich mehrmals, ungeduldig wie es schien, was Santinis Verwunderung erregte, der mehr und mehr den Eindruck gewann, als wisse der Generaloberst bereits alles, was er ihm hier vortrug.

Für die Dauer einer halben Minute geschah nichts. Plötzlich stand Pershing auf und lief hinter seinem Schreibtisch hin und her. Dabei war der Blick seiner wasserblauen Augen unablässig auf Santini gerichtet. Schließlich blieb er abrupt stehen, stützte die Hände auf die Schreibtischplatte und beugte sich etwas vor.

»Ich hatte eigentlich erwartet, daß Sie sich etwas diplomatischer verhalten«, sagte er ärgerlich.

»Ich verstehe nicht, Sir?« wunderte sich Santini.

Pershing schlug mit der Faust auf den Tisch. »In Ihrer Funktion als hochrangiger Offizier wird von Ihnen erwartet, daß Sie Ihre Taktik und Vorgehensweise der sensiblen Situation anpassen, mit der wir es hier auf Grah zu tun haben. Statt dessen tun Sie alles, um die Lage noch zu verschärfen, agierten wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Dank Ihrer Überreaktion haben vier loyale Grakos den Tod gefunden. Dabei sollten Sie nur herausfinden, was mit Ihren Gordo-Freunden geschehen ist.«

Santini schluckte die scharfe Erwiderung hinunter, die er eigentlich auf der Zunge hatte.

Das Verhältnis zwischen seinem Vorgesetzten und ihm war angespannt genug. An und für sich hatte Santini erwartet, nach dem Tod von Oberst Ngona endlich den Oberbefehl über die terranischen Streitkräfte auf der Dschungelwelt Grah zu erhalten; er hatte dieses Amt auch für eine kurze Zeitspanne kommissarisch innegehabt und damit gerechnet, es permanent zugesprochen zu bekommen.

Man hatte ihn übergangen.

Bereits zum wiederholten Male.

Eigentlich hatte er die Beförderung zum Oberbefehlshaber auf Grah bereits nach Major Dawsons Tod erwartet. Damals hatte er noch im Rang eines Hauptmanns gestanden. Doch Oberst Ngona war ihm vor die Nase gesetzt worden, und so ging Santini leer aus. Er war kein Mitglied des Kommandostabes, sondern »durfte« weiterhin die unterschiedlichsten Einsätze der Friedenstruppe auf Grah koordinieren. Ngonas Tod im Mai 2062 brachte keine Änderung des Status Quo für Eric Santini – anstatt seiner wurde Generaloberst Pershing neuer militärischer Oberbefehlshaber auf Grah. Santinis Beförderung zum Major war da nur ein kleiner Trost, immerhin versagte man ihm nicht die weitere Karriere.

»Hören Sie mir überhaupt zu?« schnappte Pershing.

»Sie haben meine ungeteilte Aufmerksamkeit, Sir«, erwiderte Santini mit schmalen Lippen.

Kein Wort darüber, daß Pershing froh war, daß der Major das Attentat in Schattensuchers und Lichtfreundins Haus ohne ernsthaften Schaden an Leib und Leben überstanden hatte – und das tat weh.

Pershing atmete tief ein. Er musterte Santini mit einem durchdringenden Blick. »Was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung vorzubringen?«

»Sir«, entgegnete Eric Santini und wich dem Blick des Generalobersten nicht aus, »mir war nicht bewußt, daß eine Entschuldigung von mir erwartet wird. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Die vorgefundene Situation machte es erforderlich, eine Entscheidung zwischen dem Tod eines Attentäters und der Rettung eines Menschenlebens zu treffen. Meines Lebens, um präzise zu sein. Letzteres hatte für mich Priorität, wie Sie sich vielleicht denken können. Daß andere Grakos dabei in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist zwar bedauerlich, war aber unter den gegebenen Umständen nicht zu vermeiden.«

»Haben Sie eine Vorstellung, wie viele unschuldige Leben loyaler Grakos Sie noch hätten gefährden können?« fuhr der Generaloberst ihn an.

Santini wartete einen Moment und erklärte dann mit nur mühsam unterdrücktem Zorn: »Ich stehe zu meiner Entscheidung, Sir.«

Was genau wollte Pershing? Wollte er ihm einen Strick daraus drehen, daß er sich nicht hatte umbringen lassen? Das Irreale dieser Situation brachte den Major in Rage. »Nichts, aber auch gar nichts gibt uns die Gewißheit, daß uns die Grakos im Haus der beiden entführten Gordo loyal gesonnen waren. Die Tatsache, daß es einem Attentäter scheinbar problemlos gelingen konnte, von meiner Ankunft in Acht Kenntnis zu erlangen, läßt zumindest darauf schließen, daß er Helfer hatte, die ihn darüber informierten, daß ich mich exakt zu dem Zeitpunkt im Haus aufhalten würde…«

»Das Desaster wäre weit weniger blutrünstig ausgefallen, wenn Sie eine vorschriftsmäßige Waffe getragen hätten«, unterbrach ihn der Generaloberst und wedelte mit der Hand, während er sich endlich wieder setzte.

»Sir?« Santini glaubte sich verhört zu haben.

»Sie haben mich schon verstanden«, sagte Pershing, und ein verkniffener Zug zeigte sich auf seinem Gesicht, dessen jovialer Anstrich plötzlich wie weggewischt war.

»Wie soll ich das jetzt wieder verstehen?«

»Wie ich es gesagt habe. Ich habe mir Ihre Akte angesehen«, wechselte er scheinbar das Thema, »und bestätigt gefunden, was ich vermutete. Sie sind ein unverantwortlicher Draufgänger und bar jeglichen diplomatischen Fingerspitzengefühls, das hat sich hier wieder einmal bestätigt. Sie halten auch nicht viel von militärischen Vorschriften, sonst würden Sie nicht diese«, er deutete mit spitzen Fingern auf den sündhaft teuren Handnadelstrahler an Santinis Gürtel, »für den regulären Einsatz in der Terranischen Flotte nicht vorgesehene Waffe im Dienst tragen, von der ich überzeugt bin, daß sie ursächlich für das Malheur in Acht verantwortlich zu machen ist.«

»Natürlich!« erwiderte Santini, der kaum an sich halten konnte, »und ich wäre jetzt tot. Ohne diese nicht reguläre Waffe, wie Sie zu betonen nicht müde werden, säße ich jetzt nicht mehr hier vor Ihnen.«

»Sie ist nicht vorschriftsmäßig«, beharrte Pershing starrköpfig, »und entspricht nicht der Standardbewaffnung der Terranischen Flotte. Ganz abgesehen davon, daß Privatwaffen im Dienst nicht getragen werden dürfen.«

Santini zeigte ein unbestimmtes Lächeln. »Sie irren sich, Sir«, sagte er leichthin.

Generaloberst Pershing richtete sich ruckartig, seine Miene verfinsterte sich zusehends. Von einem Untergebenen des Irrtums bezichtigt zu werden, paßte so gar nicht in sein Weltbild.

»Sie bewegen sich auf sehr dünnem Eis, Major«, warnte er. »Wollen Sie mir unterstellen, ich wüßte nicht über die Vorschriften des korrekten Waffentragens Bescheid?«

»Keineswegs, Sir«, gab Santini zu verstehen. »Ich bin sogar überzeugt, daß Sie sich sehr gut in dieser Materie auskennen. Sie haben auch insofern recht, als das Zeugamt der Flotte vom Finanzministerium angewiesen worden ist, die neue Waffe aufgrund ihres enormen Preises vorerst nicht in den Beschaffungsplan mit aufzunehmen und an die Truppe auszuliefern. Dennoch haben Sie in der entsprechenden Dienstvorschrift einen kleinen Zusatz übersehen, der da lautet, daß Offiziere diese Waffe im Dienst tragen dürfen, wenn sie sich selbst eine kaufen.«

»Und Sie sind dazu in der Lage, ja? Dann haben Sie eindeutig zuviel Sold, Major«, giftete Pershing. »Nicht einmal ich könnte mir einen derartigen Luxus so en passant leisten.«

Die Atmosphäre im Arbeitszimmer des Generaloberst wurde womöglich noch kühler, als sie es schon war, was keinesfalls der unhörbar laufenden Klimaanlage zuzuschreiben war; zwischen den beiden hochrangigen Offizieren stimmte einfach die Chemie nicht.

Santini hob die Schultern und ließ sie wieder fallen, eine Geste, die alles bedeuten konnte, von der Bejahung bis hin zur Verachtung seines Gegenübers.

»Es geht Sie zwar nichts an, Sir«, sagte er grimmig, »woher ich das Geld habe. Aber wenn es das ist, was Ihnen Kopfzerbrechen bereitet – diese Waffe wurde vom Sold eines Offiziers bezahlt, der im Rang zwei Stufen über Ihnen steht, nämlich von Generalmajor Carlotta Santini, meiner Tante. Und sie war ein Weihnachtsgeschenk an mich. Vielleicht«, ein flüchtiges Lächeln erschien kurzzeitig auf Santinis Gesicht, »sollten Sie sich Ihre Verwandten besser aussuchen.«

Pershing starrte Santini direkt an, dabei erweckte er den Eindruck, als wollte er den Major zum Fenster hinauswerfen. Er beließ es bei einem Schlag mit der flachen Hand auf den Schreibtisch und schnaubte angewidert etwas von »Protektion«.

Santini beschloß, großzügig darüber hinwegzuhören.

Das künstlich erzeugte Ticken eines auf alt getrimmten Chronos blieb für längere Zeit das einzige Geräusch im Raum.

Schließlich brach Pershing das Schweigen und sagte, wieder ganz beherrscht: »Das war’s, Major. Ich erwarte umgehend informiert zu werden, sollte sich etwas über den Aufenthalt der beiden Gordo ergeben. Verstanden?«

Der Stuhl scharrte über den polierten Steinboden, als Santini aufstand.

»Ja, Sir!« Der Major salutierte steif, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum in einer mörderischen Stimmung.

*

Auf dem Weg von Pershings Büro hinüber zur terranischen Verwaltungszentrale, die in einem Seitenflügel des riesigen Terrassengebäudes untergebracht war, besserte sich seine Laune nur unwesentlich.

Er war keinen Schritt weitergekommen, mußte er sich eingestehen. Der Flug nach Acht hatte keinerlei Erkenntnisse über den Verbleib von Schattensucher und Lichtfreundin gebracht.

Keinem war etwas aufgefallen.

Niemand schien etwas gesehen zu haben, was Rückschlüsse auf die Art des Verschwindens hätte geben können.

Die beiden geschlechtsreifen Gordo schienen spurlos von der Bildfläche verschwunden zu sein. Dabei sollte man meinen, daß sich zehn Meter große gigantische Exemplare der Gattung Meganeura stellaris nicht einfach in Luft aufzulösen vermochten.

In Luft sicher nicht, wohl aber im Weltraum.

In der kurzen Zeit seiner Nachforschungen über den Verbleib der beiden Gordo hatte sich in Santini inzwischen mehr und mehr der Verdacht erhärtet, daß sich die libellenhaften Riesen – die das letzte Entwicklungsstadium der nur etwa 1,80 Meter großen und den irdischen Gottesanbeterinnen ähnelnden Grakos bildeten –, vermutlich nicht mehr auf Grah aufhielten. Ein herber Verlust, sollte es sich herausstellen, daß sie möglicherweise auch nicht mehr am Leben waren.

Da nur sie für Nachwuchs zu sorgen in der Lage waren, kam jedem geschlechtsreifen Gordo eine besondere Stellung für die Zukunft der Grakos zu.

Sollte seine Vermutung zutreffen und die beiden Gordo in den Raum entführt worden sein, dann hatten die Entführer dabei Spuren hinterlassen, die aufgespürt werden konnten. Gerrck III war nach dem Überfall durch die 500 kampfstarken Großraumschiffe der Roboter im Mai 2062 mit einem lückenlosen Frühwarnsystem ausgestattet worden, das jede noch so winzige Energiespur unbekannter Schiffe zu entdecken in der Lage war.

Santini kam an einem der riesenhaften Fenster vorbei, die einen Ausblick auf die wuchernde Natur des Dschungelplaneten gestatteten; es regnete noch immer – oder schon wieder; die Übergänge auf Gerrck III waren da fließend, im wahrsten Sinn des Wortes. Er grinste leicht über das Wortspiel und trat mit dem Fuß nach einem imaginären Steinchen. Dann verfinsterte sich sein Gesicht wieder, als er an die zurückliegende Auseinandersetzung im Büro seines Vorgesetzten dachte. Er hatte schon öfters kontroverse Diskussionen mit dem Generaloberst geführt, aber heute hatte er ihn zum erstenmal von seiner schlechtesten und ungerechtesten Seite erlebt, auch wenn er den Grund dafür nicht kannte. Er war sich jedoch sicher, daß der Besitz des Handnadelstrahlers nur ein Vorwand gewesen war, um von anderen Dingen abzulenken.

Zwei Obergefreite kamen salutierend vorbei; mechanisch erwiderte Santini ihre Ehrenbezeugung. Dann beschäftigte er sich wieder mit seinen Gedanken.

Pershings Verhalten ihm gegenüber nahm langsam Formen an, die früher oder später auf eine offene Konfrontation hinauslaufen würden, befürchtete er. Neidete ihm der Generaloberst vielleicht seine Stellung als Mittler zwischen den Gordo und der terranischen Militärführung? Daß er nicht gerade davon begeistert war, daß die Gordo ihn quasi übergingen und ausschließlich Santini ihr Vertrauen schenkten, mochte ihm durchaus gegen den Strich gehen. Aber war das ein Grund, ihn so zu behandeln?

Helles Kunstlicht und eine Welle hektischer Betriebsamkeit empfingen ihn, als er die Flügeltür zur terranischen Verwaltungszentrale aufstieß; in dieser riesigen Registratur wurde rund um die Uhr Dienst getan.

Santini sah sich rasch um; die augenblickliche Schicht bestand je zur Hälfte aus Robotern sowie aus terranischen Verwaltungsbeamten im militärischen Dienst, darunter auch weibliche Angehörige der Flotte.

»Major Santini!« Hauptmann Tidwell, der verantwortliche Offizier für diese Sektion, winkte ihm quer durch den Raum zu. »Hierher!«

Als Santini ihn erreicht hatte, fuhr der Offizier fort: »Ich habe Ihnen den Platz freigehalten, nachdem Sie mich informiert hatten!«

»Danke.«

»Keine Ursache, Major. Wenn Sie Hilfe brauchen. Einer der Programmierer ist frei…«

»Ist nicht nötig«, unterbrach Santini den Hauptmann. »Ich habe mein eigenes Programm dabei.«

»Alles klar.« Der Hauptmann zog sich zurück.

Santini setzte sich in den freien Sessel vor der ihm zugewiesenen Hyperkalkulatorkonsole und tastete die Sensorfelder ein.

Als das Signal »Bereit« kam, schob er den Datenträger mit seinem Suchprogramm in die Aufnahme. Dann lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete. Das Programm lief selbständig; einmal aktiviert, suchte es sich die für seinen Betrieb relevanten Parameter und zeigte sie an. Es war eine langwierige Suche; Santini hatte auch nicht erwartet, daß er sofort Erfolg haben würde. Im Grunde genommen war es wie das Suchen nach der Nadel im Heuhaufen, nur daß dieser »Schober« wesentlich gewaltigere Dimensionen hatte und unter Umständen bis in den Hyperraum reichte.

Plötzlich nahm Santini den Blick vom Schirm und hob den Kopf. Seine Geruchsnerven erfuhren eine Stimulation, die ihm vertraut vorkam…

»Auch einen, Sir?« erklang in diesem Moment eine helle Stimme.

Eric Santini sah in die Richtung, aus der sie kam. Eine Nachrichtentechnikerin im Rang eines Oberleutnants stand am Automaten, blickte in seine Richtung und hob jetzt ostentativ einen Becher aus TF-Beständen mit der Aufschrift »Semper Fi« in die Höhe. Erst jetzt wurde er gewahr, daß es bemerkenswert gut nach frischgebrühtem Kaffee roch.

»O ja. Danke.« Er nickte nachdrücklich.

»Wie hätten Sie ihn gern?«

»Ohne alles…« Er versuchte aus der Entfernung ihr Namensschild zu lesen, »Oberleutnant Nell.«

»Kommt sofort, Sir.«

Der Kaffee war von einer Güte, die er hier, 26 000 Lichtjahre von Terra entfernt, nicht erwartet hätte.

Er genoß ihn in kleinen Schlucken, während er sich wieder dem Schirm widmete.

Wie erwartet, fand sein Programm sämtliche Meldungen, die von der Routine abgewichen, aber nicht weiter verfolgt worden waren, weil es sich dabei um keine verwertbaren Daten handelte. Es war ein langwieriges Geschäft, die Spreu vom Weizen zu trennen. Santini fluchte mehr als einmal lautlos vor sich hin und war nahe daran, abzubrechen. Zum Glück tat er es nicht, denn schließlich wurde seine sture Ausdauer belohnt: Das Programm filterte einige Meldungen über »verwaschene« Ortungen heraus, die die planetare Ortungszentrale aufgefangen hatte, denen aber zu seinem Erstaunen nicht weiter nachgegangen worden war. Ein offensichtlicher Schlendrian. Santini zog eine Grimasse. Das würde sich ab sofort ändern.

2.

Im Gegensatz zur Verwaltungszentrale wurde der Zutritt zur planetaren Ortungszentrale von Raumsoldaten mit geschulterten Multikarabinern bewacht.

Sie salutierten stramm, als der Major sich ihnen näherte. Santini nickte knapp und ging durch das automatisch öffnende Schott in den Saal.

Kurz verhielt er seinen Schritt und ließ für einen Moment das Bild auf sich einwirken, das sich seinen Blicken bot. Die Ortungszentrale des terranischen Friedenskommandos auf Grah war bis in den letzten Winkel vollgepackt mit elektronischen Anlagen, Holoschirmen und Monitoren. Der weitläufige Raum, der schon den Grakos zur Raumüberwachung gedient hatte, war voll mit terranischem Militär, mit Robotern und auffallend vielen Grakos.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!