Was ist die Seele? - Anselm Grün - E-Book

Was ist die Seele? E-Book

Anselm Grün

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Beschreibung

Anselm Grün und Wunibald Müller im Dialog: So wirkt die Seele

In allen Menschen wirkt eine geheimnisvolle Macht. Das Wort „Seele“ umschreibt diesen Kern unserer Persönlichkeit. In einem aufregenden Dialog zwischen Pater Anselm Grün, dem spirituellen Bestseller-Autor, und Wunibald Müller, dem erfahrenen Psychotherapeuten, werden Wege vorgeschlagen, mit unserer Seele in Kontakt zu kommen. Berührt von der Seele, werden wir zu Persönlichkeiten, die dem Leben standhalten, weil wir zwischen Himmel und Erde geborgen sind.

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Inhaltsverzeichnis
 
Widmung
Vorwort
 
TEIL I
Annäherungen: Was meint Seele?
 
Copyright
Für Hildegard Veira (1948-2008)
 
Die Seele, die meine Substanz zusammenhält, eine harte Perle in der Höhlung einer Muschel, wird eines Tages sich vollkommen hingeben.
Thomas Merton
Vorwort
Im Jahre 1668 dichtete Angelus Silesius: »Wer seine Seel zu finden meint, wird sie ohn mich verlieren.Wer sie um mich verlieren scheint, wird sie nach Hause führen.« 1975 meinten die Herausgeber des Gotteslobes, sie müssten sich für das Wort »Seele« entschuldigen. Es würde »Leben« bedeuten. Das Wort Seele passte nicht mehr in die Spiritualität der Siebzigerjahre. Doch mit der Vermeidung dieses uralten Wortes vergaß man die vielen Weisheiten, die die Sprache seit Jahrhunderten mit der Seele verbunden hat.
Heute spüren wir, dass uns die Seelenvergessenheit nicht guttut. Wenn wir heute von Seele sprechen, dann hat das nicht mehr nur mit der Vorstellung zu tun die der griechische Philosoph Platon oder die thomistische Philosophie davon hatten. Wir meinen all das, was die Philosophie, die Literatur, die Theologie, die Tiefenpsychologie, die Spiritualität und die Mystik mit diesem Wort verbindet. Die Seele verweist uns auf die Innerlichkeit des Menschen, auf den inneren Raum, in dem der Mensch mit seinem wahren Selbst in Berührung kommt, in dem er etwas vom ursprünglichen Glanz seines Menschseins ahnt. Das Sprechen von der Seele beflügelt uns. Es schenkt uns etwas von Leichtigkeit.
Die Theologie der Siebzigerjahre war skeptisch gegenüber der Seele, weil sie die Seele zu sehr im Gegensatz zum Leib gesehen hat. Sie hatte Angst, die Ganzheitlichkeit des Menschen werde außer Acht gelassen. Und sie befürchtete eine allzu jenseitige Orientierung des Menschen, der dann vielleicht nur darauf aus wäre, seine Seele für die Ewigkeit zu retten. Die Seele reicht durchaus über diese Welt und diese Zeit hinaus. Aber gerade das befähigt uns, hier mit beiden Füßen auf dem Boden zu stehen, an der Gestaltung dieser Welt zu arbeiten und uns zugleich mit den Flügeln der Seele über das unmittelbar Vorhandene erheben und so einen anderen Blick auf die Realität unseres Lebens werfen zu können.
Wir wollen in diesem Dialog dem Geheimnis der Seele nachgehen, wie es uns begegnet in der Bibel, in der spirituellen Tradition, in der Dichtung, in der Tiefenpsychologie, der psychotherapeutischen Arbeit und in den konkreten Erfahrungen unseres Lebens. Dabei werden wir auch immer wieder auf die Dynamik und die Stärke eingehen, die der Seele eigen ist.
Die Sprache hat immer gewusst, dass sie nicht ohne das Wort Seele auskommt. Die Sprache ist voller Weisheit. Paul Celan meinte einmal, es gäbe keine Sprache ohne Glauben und keinen Glauben ohne Sprache. Wir können die Sprache nicht willkürlich ändern oder vom Schreibtisch aus neu schaffen. Die Sprache ist angefüllt mit Weisheit und Glauben. So wollen wir in die Schule der Sprache gehen und lernen, was sie uns über die Seele sagt, was sie uns über das Geheimnis unseres eigenen Lebens lehrt.
Es war spannend für uns beide, für den Therapeuten Wunibald Müller und für den Mönch Anselm Grün, über die Seele miteinander ins Gespräch zu kommen und uns gegenseitig im Austausch zu befruchten und auf immer neue Aspekte der Seele zu verweisen. Wir durften dabei die Erfahrung machen, dass im Austausch über die Seele die Seele zwischen uns zum Schwingen kam, die Seele nicht nur in uns lebt, sondern auch zwischen Menschen, die in einen lebendigen Austausch miteinander treten. Bis dahin, dass die Fühler der Seele des einen die Seele des anderen zu berühren vermögen.
Möge dieses Gespräch auch die Leserin und den Leser in ein inneres Gespräch mit uns hineinführen und ihre Augen öffnen für das Geheimnis ihrer Seele und ihres Lebens und für das Geheimnis Gottes, der - wie die Mystiker sagen - auf dem Grund unserer Seele wohnt und dort den ursprünglichen Glanz unseres wahren Selbst erstrahlen lässt. Möge es sie ermutigen, ihrer Seele zu trauen, sich ihrer Führung zu überlassen, um so die Stärke, die von ihr ausgeht, für ihr Leben fruchtbar zu machen.
Herrn Jochen Barth danken wir für wichtige Hinweise.Vor allem aber danken wir Herrn Winfried Nonhoff vom Kösel-Verlag, der dieses Gespräch anregte, und das auf eine so beseelte Weise, dass unsere Seele Feuer fing und wir uns auf dieses Unternehmen einließen.
 
 
Anselm GrünWunibald Müller
Gesang der Geister über den Wassern
Des Menschen SeeleGleicht dem Wasser:Vom Himmel kommt es,Zum Himmel steigt es,Und wieder niederZur Erde muss es,Ewig wechselnd.
 
Strömt von der hohen,Steilen FelswandDer reine Strahl,Dann sträubt er lieblichIn WolkenwellenZum glatten Fels,Und leicht empfangen,Wallt er verschleiernd,Leisrauschend,Zur Tiefe nieder.
Ragen KlippenDem Sturze entgegen,Schäumt er unmutigStufenweiseZum Abgrund.
 
Im flachen BetteSchleicht er das Wiesental hin,Und in dem glatten SeeWeiden ihr AntlitzAlle Gestirne.
 
Wind ist der WelleLieblicher Buhler;Wind mischt vom Grund ausSchäumende Wogen.
 
Seele des Menschen,Wie gleichst du dem Wasser!Schicksal des Menschen,Wie gleichst du dem Wind!
 
Johann Wolfgang von Goethe
TEIL I

Annäherungen: Was meint Seele?

WUNIBALD MÜLLER: Sigmund Freud hat einmal die Seele mit dem »Wunderblock« verglichen, der bei Kindern beliebten Zaubertafel, auf der man Geschriebenes sofort wieder löschen kann, auf der aber einiges fast unsichtbar zurückbleibt. Auch in unserer Seele, so meinte Freud, erhalte sich mancher einmal aufgenommene Eindruck, der durch unsere Vergesslichkeit ausgelöscht wurde und uns deswegen nicht mehr bewusst ist.
Die Seele wäre danach nicht mehr als ein Sammelplatz gemachter Erfahrungen und Eindrücke, die für uns zum Teil schwer zugänglich sind.
Das scheint mir eine sehr reduzierte Vorstellung von Seele zu sein. Für den Tiefenpsychologen C. G. Jung ist die Seele eine heilende Instanz, die hintergründig in uns wirkt. Sie übernimmt die Führung in unserem Leben, wo unser bewusstes Ich versagt. Sie stellt einen Bezug zu unserer religiösen Welt her.
 
 
ANSELM GRÜN: C. G. Jung wirft manchen Schulen der Psychologie vor, dass sie eine »Psychologie ohne Seele« seien. Er sagt von der Seele: »Die Seele, als eine Spiegelung von Welt und Mensch, ist von solcher Mannigfaltigkeit, dass man sie von unendlich vielen Seiten betrachten und beurteilen kann.«
Jung tut das selbst, indem er die Namen, die die verschiedenen Sprachen dem Phänomen der Seele gegeben haben, betrachtet. Er meint, Seele komme vom gotischen »saiwala« und bedeute: »beweglich, bunt, schillernd«. Die Seele ist »bewegende Kraft, wohl Lebenskraft«. Das griechische Wort für Seele »psyche« kann Schmetterling heißen. Es hängt aber auch zusammen mit »psycho«, das »hauchen, atmen« heißt. Das lateinische Wort für Seele, »anima«, kommt vom griechischen »anemos«, »Wind«. Die Seele wird also immer in engem Zusammenhang mit dem Atem gesehen. Sie ist für manche Völker ein unsichtbarer Hauchkörper.
 
 
WUNIBALD MÜLLER: Ich verbinde mit Seele auch Tiefe. In jedem von uns gibt es eine unendliche Tiefe, einem Meer vergleichbar, dessen Ausmaße wir nicht zu ermessen vermögen. Das deutsche Wort »Seele« deutet das auch an. Es ist etymologisch verwandt mit »See« und hat die Grundbedeutung »die zum See Gehörende«.
 
 
ANSELM GRÜN: Das kann ein Hinweis darauf sein, dass die Seele offensichtlich vor der Geburt des Menschen sich im See befand und dorthin nach seinem Tod zurückkehrt.
 
 
WUNIBALD MÜLLER: Und diesen See teile ich mit der übrigen Menschheit. In ihm hat sich über die Tausende, vielleicht Millionen von Jahren, seit es Menschen gibt, ein Fundus gesammelt, der zu uns gehört und der uns mit unserer Vergangenheit und unseren Vorgängern verbindet. »Wir sind Teil eines kollektiven Gedächtnisses, auf das wir alle zurückgreifen. Unbewusst sind wir mit allen anderen verbunden«, heißt es in Die Seele ist ein Feld von Rupert Sheldrake und Matthew Fox.
Die Vorstellung von einem unendlich tiefen See in mir, über den ich mit der übrigen Menschheit auf eine tiefe hintergründige Weise verbunden bin, versetzt mich in Staunen. Wenn ich die Augen schließe und mich von dieser Vorstellung davontragen lasse, spüre ich, wie ich »weiter« werde, im Bewusstsein dieser Dimension mein Fundament breiter wird, sich ausdehnt, bis hin ins Unermessliche. Mir sind durch meinen Körper zwar deutliche Grenzen vorgegeben, doch zugleich bin ich mit etwas in Berührung, das über das hinausgeht, was ich sehen, umfassen, spüren kann. Ich bin in Berührung mit meiner Seele als Tiefe in mir. Da spüre ich meine Seele.
Jung greift bei seinem Seelenverständnis immer wieder auch auf mythologische und religiöse Vorstellungen von der Seele zurück. So auch in seiner Einleitung in die religionspsychologische Problematik der Alchemie. Da sagt er:
»Wie das Auge der Sonne, so entspricht die Seele Gott. Unser Bewusstsein umfasst die Seele nicht, und es ist daher lächerlich, wenn wir in gönnerhaftem oder verkleinerndem Ton über die Dinge der Seele sprechen. Selbst der gläubige Christ kennt Gottes verborgene Wege nicht und muss es ihm anheimstellen, ob er von außen oder von innen durch die Seele auf den Menschen wirken will.«
ANSELM GRÜN: Wenn wir in die Religionsgeschichte schauen, so gründen die Vorstellungen von einer Seele einmal auf der Sehnsucht nach Ekstase, über sich selbst hinauszuwachsen, auf der Sehnsucht nach Unsterblichkeit und auf der Erfahrung, dass es noch andere Arten des Erkennens und Sehens gibt als die mit Verstand und Vernunft.
In der Mythologie wird die Seele oft als Frau dargestellt. Nicht umsonst heißt die Seele im Lateinischen »anima« gegenüber dem »animus«, das »Mut, Kraft« heißt. Offensichtlich wurde die Seele als etwas Zartes und Kostbares gesehen, das aber genauso geschützt werden muss wie die Frau, die in den Mythen zahlreichen Gefahren ausgesetzt ist und von Räubern und Tyrannen bedroht wird. Die Frau hilft dem Mann, der oft genug nur im Außen umherirrt und sich auf äußere Kämpfe einlässt, dass er wieder in Berührung mit seiner Seele komme.
Seele heißt in Verbindung mit dem Bild der Frau: das feine und zarte Denken, das Denken des Herzens und nicht nur vernünftiges, aber kaltes Argumentieren. Seele meint Fantasie, Kreativität, Offenheit für das Göttliche, leise Impulse, Spontaneität, Intuition.
 
 
WUNIBALD MÜLLER: Einen breiten Raum nimmt die Seele im Ersten und Zweiten Testament, also dem Alten und Neuen Testament ein. Ich mag das Alte Testament auch deswegen so sehr, weil dort die Seele und das Herz nicht nur so oft zur Sprache kommen, sondern in den Texten, im Lesen oder im Beten der Psalmen spüre ich die Seele, fühlt sie sich angesprochen. Ich denke da zum Beispiel an den Anfang von Psalm 63:
»Gott, du mein Gott, den ich suche, Es dürstet meine Seele nach dir, Mein ganzer Mensch verlangt nach dir.«
Oder, wenn die Geliebte im Hohelied der Liebe sagt: »Mein Freund steckte seine Hand durchs Riegelloch, und mein Innerstes wallte ihm entgegen.« Da rührt sich mein Innerstes, meine Seele. Da wird meine Sehnsucht nach Gott oder dem Menschen, den ich über alles liebe, angesprochen.
Verlagsgruppe Random House
 
Copyright © 2008 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlagmotiv: © Getty Images/Thomas Northcut
eISBN : 978-3-641-02496-3
 
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