we love fashion (Band 2) – Röhrenjeans und Schulterpolster - Maya Seidensticker - E-Book

we love fashion (Band 2) – Röhrenjeans und Schulterpolster E-Book

Maya Seidensticker

4,8

Beschreibung

Lucys Traum wird endlich wahr: Sie darf die angesagte Fashion School Bernstein besuchen! Egal, dass das Internat mitten im Brandenburger Nirgendwo liegt – hier kann sie sich rund um die Uhr mit Mode beschäftigen. Und außerdem ist ihre Schwester Hanna dort auch Schülerin. Alles ist perfekt, wäre da nicht die schwierige Aufnahmeprüfung über die Mode der 80er Jahre … Als Hanna und Lucy über das Jahrzehnt recherchieren, passiert das Unglaubliche: Statt auf einer 80er-Jahre-Party landen die beiden in einer Disko im Jahr 1985! Die Reihe "we love fashion" bietet einen coolen Mix aus Zeitreise und Modebegeisterung, in dem die Schwestern Lucy und Hanna so manch witzige Situation und mitreißendes Ereignis erleben.

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Willkommen in der Fashion School

»Wir haben uns total verfahren – garantiert! Hier sieht’s ja aus wie am Ende der Welt!« Lucy blickte skeptisch aus dem Seitenfenster und machte zum Beweis einen Schnappschuss mit ihrer Kamera von der Landschaft hinter dem Fenster. Das war ja wohl nicht ihr Ernst! Hier war ja gar nichts! Der silberne SUV ihrer Eltern rollte über die Landstraße und alles, was Lucy sehen konnte, waren Felder, Wälder und Wiesen. Fehlen nur noch Kühe oder so was. »Ein verwunschener Landstrich«, hatte ihre Mutter vorhin begeistert kommentiert und tatsächlich ein bisschen geseufzt.

Verwunschen! Für alte Leute vielleicht. Lucy war fünfzehn und konnte mit Idylle nicht viel anfangen. Sie wollte Trubel und Action, echtes Großstadtleben, coole Musik, angesagte Läden und Leute mit Style und neuen Ideen …

Die Pfingstferien waren seit einer Woche vorbei und seit zehn Tagen war Lucy endlich fünfzehn. Quasi fast erwachsen und endlich alt genug, um wie ihre Schwester Hanna Schülerin der Fashion School Bernstein zu werden. Hanna war wie die anderen Schüler schon seit einer Woche wieder im Internat, aber die Neuzugänge kamen jedes Jahr erst ein paar Tage später dazu, wenn alle anderen bereits wieder im Schulalltag angekommen waren.

»Wir sind schon richtig«, beruhigte ihr Vater Lucy und deutete auf ein Schild, das an der nächsten Wegbiegung stand. Fashion School Bernstein war darauf zu lesen. Tatsächlich! Nun wurde Lucy doch nervös, sie konnte es auf der einen Seite nicht abwarten, endlich das Modeinternat zu besuchen, aber auf der anderen Seite hatte sie auch Angst, ob sie den Anforderungen gewachsen sein würde und ob sie zu den anderen Schülern passen würde. Immerhin war die Fashion School die angesagte Schule für Modedesign überhaupt.

»Falls es dich tröstet: Als wir deine Schwester vor einem Jahr herbrachten, war sie im ersten Moment auch vollkommen entsetzt.« Lucys Mutter riss sie aus ihren Gedanken. »Sie konnte gar nicht fassen, dass die Modeschule so weit weg von Berlin liegt. Aber glaub mir: Das ist gut so, damit ihr euch ganz auf die Schule konzentrieren könnt.«

Lucy schnaubte. Wie sollte man sich auf Mode konzentrieren, wenn man nicht mal zwischendurch shoppen gehen, Boutiquen durchstöbern und tolle Schnäppchen in Secondhandläden machen konnte?

Doch auf einmal war alles vergessen: Der Blick raubte Lucy fast den Atem. Zwischen Bäumen und Sträuchern wurde plötzlich die Sicht auf einen riesigen See frei. In der vollkommen ruhigen Wasseroberfläche spiegelten sich die wenigen Wolken auf azurblauem Hintergrund. Der See war die perfekte Kulisse für einen Fantasy-Film und hätte dem Herr der Ringe-Setting alle Ehre gemacht. »Eine geniale Location für einen Shoot von Armani«, dachte Lucy und schoss sofort einige Bilder mit der Spiegelreflexkamera, die sie immer und überall dabeihatte.

Und dann tauchte hinter einer Kurve das Internatsgebäude auf. Unzählige Erker, Sprossenfenster, Türme und Säulen ließen es wie ein Schloss aus einem Märchenbuch erscheinen.

»Der Wahnsinn«, hauchte Lucy und drückte wieder auf den Auslöser. Hanna hatte ihr zwar stundenlang vorgeschwärmt, wie wundervoll Schloss Bernstein und der Bernsteinsee waren, und natürlich hatte sie sich auch die Fotos im Internet angeschaut, aber es zum ersten Mal mit eigenen Augen zu sehen, war viel überwältigender, als Lucy erwartet hatte.

»Tja, so was findet man eben nicht in der Fußgängerzone – da muss man sich schon hinaus aufs Land wagen«, neckte ihr Vater, während er den Wagen unter einer majestätischen Linde parkte, die wahrscheinlich genauso alt wie das Schloss war. Lucy hätte sich in ein vergangenes Jahrhundert versetzt geglaubt und sich nicht darüber gewundert, wenn plötzlich Ritter auf Pferden und Bauern mit alten Sensen aufgetaucht wären, wäre da nicht der neue SUV ihrer Eltern gewesen.

»Und – willst du jetzt vielleicht die nächsten Jahre hier am Ende der Welt verbringen?«, fragte ihre Mutter sie, während sie ausstiegen.

»Und ob ich das will! Außerdem habe ich auf diesen Tag fünfzehn Jahre gewartet. Das ist mein Traum, das wisst ihr doch«, rief Lucy entschlossen und schulterte wie zur Bekräftigung ihren Rucksack. Alle Einwände waren vergessen, die erst wenige Minuten zurückliegende Meckerei wie weggewischt. Lucy kümmerte es nicht, dass sie sich selbst widersprach – warum auch? »Eines Tages werde ich dann als Modefotografin ganz groß durchstarten! Vielleicht eröffne ich sogar eine eigene Modelagentur und jette als Trendscout durch die Welt!«, schwärmte sie begeistert.

»Genug Gepäck für eine Weltreise hast du jedenfalls jetzt schon dabei«, stöhnte ihr Vater, als er Lucys Reisetaschen aus dem Kofferraum wuchtete. »Das ganze Zeug kannst du doch unmöglich für vier Wochen brauchen.«

»Paps, ich habe doch nicht nur für vier Wochen gepackt«, meinte Lucy lachend, »ich bleibe bis zu den Sommerferien. Ist doch klar. Oder glaubst du etwa, deine Tochter fällt durch die Aufnahmeprüfung?«

So selbstsicher, wie sie klang, fühlte sich Lucy allerdings lange nicht. In Wirklichkeit war sie ganz schön nervös. Die Fashion School Bernstein nahm neue Schülerinnen und Schüler erst dann endgültig auf, wenn sie eine anspruchsvolle Prüfungsaufgabe gemeistert hatten. Lucy lag diese Tatsache bleischwer im Magen, aber sie schob das Gefühl schnell beiseite. Sie wollte es schaffen und sie würde alles für diese Chance tun. Es musste einfach klappen!

Einige neugierige Augenpaare beobachteten die Ankunft der »Neuen« von den vielen Fenstern im Westflügel des Gebäudes, wo die Zimmer der Internatsschüler lagen. Lucy wirkte cool und ein bisschen übermütig. Ihr langes, schwarz gefärbtes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und den Pony mit einer Zebra-Schleifenspange schräg zur Seite gesteckt. Sie trug ein neues schwarzes Kleid und einen pinkfarbenen Bolero, dazu farblich passende Ballerinas. Wenn sie lachte, bildeten sich in ihren Wangen Grübchen und ihre grüngrauen Augen funkelten übermütig.

Der erste Eindruck, den Lucy auf Laetizia machte, war der einer selbstsicheren Schülerin, die wusste, was sie wollte. Sie war selbst erst an diesem Morgen angereist und wartete bereits ungeduldig auf ihre Mitbewohnerin, mit der sie sich ein Zimmer teilen sollte.

Was sie sah, gefiel ihr sofort: ein flippiges, sportliches Mädchen mit glänzendem schwarzem Haar, dem man auf den ersten Blick anmerkte, wie viel Power es hatte. Ganz wie Laetizia selbst, aber vom Styling völlig anders. Und damit war Lucy nicht nur die perfekte Zimmergenossin, sondern auch die ideale Teambesetzung, um die Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Denn Laetizia wusste etwas, wovon Lucy noch nichts ahnte: Im neuen Schuljahr waren nur noch zwei Plätze in der Fashion Class des Internats frei, um die sich neben Lucy und Laetizia noch zwei Jungs bewarben. Mit anderen Worten, es würde sich zwischen den Mädchen und den Jungen entscheiden, wer bleiben durfte und wer nicht. Ihre Informantin war sich in dieser Sache ganz sicher gewesen.

Mit diesem Vorwissen war Laetizia besonders gespannt auf ihre Mitbewohnerin gewesen und nun mehr als erleichtert. Zumindest hatte diese Lucy ein Auge für stylishe Outfits und trug nicht Stangenware vom letzten Jahr.

Ein paar Zimmer weiter beobachtete auch Mona Lucys Ankunft. Sie hatte sich Hannas jüngere Schwester völlig anders vorgestellt – elfenhafter irgendwie. Klassischer gekleidet. Eine zweite Hanna eben. Okay, die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen: Beide waren um die 1,65 groß und hatten die gleiche schlanke Figur, was ihnen eine gewisse Ähnlichkeit mit Audrey Hepburn verlieh; mit dem Unterschied, dass Hanna einen Mittelscheitel trug, ihr kastanienbraunes Haar zu einem Longbob geschnitten war und sie feingliedriger als ihre eher sportliche Schwester war. Und der Stil der beiden war komplett unterschiedlich. Hanna war der klassische Typ, dezent und mit schlichter Eleganz gekleidet, meist in gedeckten Farben oder in Schwarz und Weiß. Lucy dagegen schien es auffallender zu lieben und keine Angst vor knalligen Farben zu haben. Mona seufzte und zwirbelte gedankenverloren eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass die Neue ihr die beste Freundin wegnehmen würde, sah sie auch noch super aus und wirkte wie ein Energiebündel. Wie sollte sie da nur mithalten?

Wie aufs Stichwort kam Hanna ins Zimmer gestürmt. »Ist sie endlich da?«, rief sie aufgeregt.

»Wenn das Emo-Mädel da unten deine Schwester ist, dann ja«, gab Mona betont gut gelaunt zurück und hoffte, Hanna würde ihr ihre Fröhlichkeit abkaufen.

Lilian Eastbrook hatte Lucys Ankunft ebenfalls erwartet. Wie immer hielt sie es für ihre Pflicht als Direktorin, neue Schüler persönlich in Empfang zu nehmen. Schwungvoll öffnete sie die Eingangstür und erschien auf dem Stufenportal. In ihrem silberblonden Pagenschnitt steckte eine dunkle Sonnenbrille, in der rechten Hand trug sie ein Klemmbrett. Eine kühle Ausstrahlung umwehte die ehemals berühmte Modedesignerin, die vor fünf Jahren die Fashion School Bernstein gegründet hatte, um sich persönlich um die Ausbildung des Nachwuchses im Fashion Business zu kümmern. Lucy hatte schon vieles über Miss E. gehört, von der ihre Schwester immer sehr ehrfurchtsvoll sprach. Sie wusste, dass Lilian Eastbrook sehr hohe Ansprüche an ihre Schüler stellte und von ihnen forderte, stets ihr Bestes zu geben.

Mit bewundernswerter Leichtigkeit schwebte Lilian Eastbrook in einem anthrazitfarbenen Ensemble und auf halsbrecherischen High Heels die Eingangstreppe herunter, als wäre dies ihre leichteste Übung. Lucy selbst liebte flache Stiefel und konnte nicht mal im Traum auch nur einen Meter auf 14-Zentimeter-Absätzen laufen, geschweige denn eine Treppe hinabsteigen.

»Willkommen in der Fashion School Bernstein«, sagte Lilian Eastbrook professionell. »Du musst Lucy sein. Schön, dass du da bist! Du wirst gleich von Frau Chang, deiner Vertrauenslehrerin, auf dein Zimmer gebracht werden, während deine Eltern noch einige Formalitäten in meinem Büro erledigen müssen.«

Die Direktorin bedeutete ihnen zu folgen und trat durch das Eingangsportal des Schlosses. Kaum waren sie in das große Foyer eingetreten, da hörten sie auch schon eilige Schritte auf der Treppe und kurz darauf eine freundliche Stimme: »Hallo, Lucy, herzlich willkommen! Ich bin Sondra Chang, Lehrerin für Schneiderei und Textiltechnologie an der Fashion School und gleichzeitig auch Vertrauenslehrerin für den Westflügel. In dem übrigens auch dein Zimmer liegt.« Die kleine Asiatin hatte glattes schulterlanges Haar und einen stumpf geschnittenen Pony. Ihr zierlicher Körper steckte in einem figurbetonten Sommerkleid mit Blumenprint. Frau Chang nickte allen in der Runde zu und bedeutete dann Lucy, ihr zu folgen.

Im ersten Stock angekommen, klopfte Sondra Chang an einer pflaumenfarbenen Zimmertür und öffnete sie. »Ich darf dir deine Mitbewohnerin vorstellen: Laetizia la Roche. Laetizia, das ist Lucy Kaufmann, Hannas Schwester, ebenfalls eine neue Mitschülerin auf Probe.«

Laetizia erhob sich von ihrem Platz vor dem Fenster, wo sie bis eben auf ihrem Laptop im Internet gesurft war.

»Hallo! Schön, dass du endlich da bist, ich war schon neugierig auf dich«, sagte sie.

»Frag mich mal!« Lucy musste lachen und Laetizia fiel mit ein.

»Ich sehe, ihr beiden kommt wunderbar ohne mich klar«, verabschiedete sich Sondra Chang. »Bis später beim Abendessen.« Und weg war sie.

»Das Bett neben der Tür ist noch frei. Dein Schrank ist dieser hier – falls du auspacken willst.«

Das Zimmer war mit modernen hellen Möbeln eingerichtet. Über den Betten hing sogar ein halb transparenter fliederfarbener Himmel, mit dessen Seitenschals man eine Seite des Bettes komplett zuziehen konnte.

»Mach ich später«, entschied Lucy und warf sich auf ihr Bett. »Sehr bequem«, stellte sie zufrieden fest. Dann stand sie sofort wieder auf. »Ich bin viel zu nervös, um mich jetzt auszuruhen. Das ist alles so cool! Ich bin total gespannt auf die anderen Mitschüler. Und natürlich auch auf die Lehrer – Hanna sagt, Clarissa Schiller soll ganz anders sein als im Fernsehen.«

»Habe ich auch schon gehört. Sie unterrichtet angeblich englische Konversation und überwacht das Catwalk-Training. Passt ja zu einem ehemaligen Topmodel. Aber unsere täglichen Einheiten werden wohl von ihrem Assistenten geleitet: Boris Schulz«, erklärte Laetizia, die es sich inzwischen auf einem apfelgrünen Sofa in der Ecke des Zimmers bequem gemacht hatte. Falls man den Lotossitz bequem fand, eine klassische Yoga-Sitzhaltung.

»Wow, bist du gelenkig«, staunte Lucy und griff wie automatisch nach ihrer Kamera. Laetizias lange Beine, die in einer engen Jeans steckten, schienen regelrecht miteinander verknotet zu sein – sie gab ein super Motiv ab, auf dem hellen Sofastoff kam der Kontrast zu den Beinen gut zur Geltung. Laetizia schien sich als Fotomotiv nicht unwohl zu fühlen. »Eine meiner leichtesten Übungen«, stellte sie ungerührt fest und fuhr sich durch die lockigen, erdbeerblonden Haare. »Aber du wirst schon noch sehen, dass ich in vielen Dingen ziemlich gut bin.«

»Aha.« Lucy ließ sich neben ihr aufs Sofa plumpsen. An einem mangelnden Selbstbewusstsein schien ihre neue Mitbewohnerin nicht zu leiden. »Echt schön hier.«

»Ich wünschte, wir hätten die Aufnahmeprüfung schon hinter uns. Wir müssen es einfach schaffen! Koste es, was es wolle – und nicht diese …« Laetizia biss sich auf die Zunge. Fast hätte sie sich verplappert. Dabei wollte sie ihre Information eigentlich erst mal für sich behalten.

Lucy legte ihre Kamera beiseite und schaute Laetizia neugierig an. »Nicht diese …? Was wolltest du sagen?«

»Ach, na ja, das ist bloß ein blödes Gerücht und ich weiß nicht, wie viel Wahrheit dahintersteckt«, winkte Laetizia ab.

»Ein kleiner Funken Wahrheit steckt meistens hinter Gerüchten. Also los, erzähl es mir«, ließ Lucy nicht locker.

Schließlich gab ihre Zimmergenossin nach: »Na gut, es heißt, dass nur zwei Plätze in der Schule frei sind. Aber es gibt vier Bewerber. Uns beide und zwei Jungs.«

»Das klingt aber nicht gut«, stellte Lucy fest und spürte sofort wieder ein flaues Gefühl in ihrer Magengegend. »Und ich dachte, wir müssen die Aufnahmeprüfung einfach bestehen und alles wäre gut.«

»Ach, vielleicht ist es auch gar nicht wahr. Am besten machen wir uns nicht verrückt und warten erst mal ab.«

In diesem Moment wurde die Zimmertür aufgerissen und ein Mädchen in einem weißen, gerade geschnittenen Midikleid aus feiner Wolle kam herein. Obwohl sie fast zwei Jahre älter als Lucy war, hätte man Hanna für ihre Zwillingsschwester halten können. Dicht hinter ihr folgte ein brünettes Mädchen in einem beigefarbenen Minirock und einer dunkelblauen Seidenbluse, deren Knopfleiste sich am Rücken befand.

»Lucy, endlich bist du da! Habt ihr euch schon kennengelernt? Hast du schon ausgepackt? Gefällt’s dir hier?«, überhäufte Hanna ihre Schwester mit Fragen.

»Ja, nein und ja«, gab Lucy grinsend zurück und stand auf. »Auspacken kann ich auch später noch.« Dann ging sie auf Hannas Begleiterin zu und streckte ihr die Hand entgegen: »Hi, ich bin Lucy. Coole Bluse, übrigens!«

»Danke. Ich bin Mona. Schön, dich kennenzulernen.«

Hanna schien nicht zu bemerken, wie zurückhaltend diese Antwort klang. »Mona ist meine Zimmergenossin und beste Freundin. Aber das weißt du ja schon. Wir wohnen auf demselben Flur wie ihr. Cool, was?«

»Sehr cool. Wir haben uns gerade über die Aufnahmeprüfungen unterhalten.«

»Ach, das schafft ihr beide schon, da habe ich keine Zweifel«, meinte Hanna unbekümmert. »Bei mir war es damals gar nicht so schlimm. Wisst ihr denn schon, in welchem Fach ihr geprüft werdet?«

»Geschichte der Mode, hat Miss E. gesagt.«

»Autsch!«, kommentierte Mona und zog eine Grimasse, als hätte sie Zahnschmerzen. »Dieses Fach unterrichtet Alba Santiago. Die ist superstreng – und bekannt dafür, dass sie gerne mal Leute durchfallen lässt.«

»Ach, Mona, nun mach sie doch nicht noch nervös!«, ermahnte Hanna ihre Freundin.

Lucy warf Laetizia einen kurzen Blick zu, mit dem sie ihr zu verstehen geben wollte, das Gerücht um die zwei freien Plätze für sich zu behalten. Lucys rechte Hand spielte unruhig an ihrem Bettelarmband herum. Was wäre, wenn sie tatsächlich die Prüfung nicht schaffen würde? Dann müsste sie wieder zurück in ihre alte Schule und könnte nicht mit Hanna gemeinsam hierbleiben … daran durfte sie gar nicht denken.

Da ertönte ein tiefer Gong.

»Zeit fürs Abendessen«, erklärte Hanna.

»Super. Ich hab nämlich echt Hunger. Ich hab gar nicht gemerkt, wie spät es schon ist«, sagte Lucy nach einem Blick auf ihre Taschenuhr und schob die beunruhigenden Gedanken beiseite.

»Was ist denn das für ein altmodisches Teil?«, fragte Mona stirnrunzelnd und wies auf die Uhr.

»Altmodisch? Die ist echt antik! Ich habe sie von meiner Oma – sie hat sie mir als Glücksbringer mitgegeben.«

»Ich wusste doch gleich, dass sie mir bekannt vorkommt«, rief Hanna aus und lächelte. »Wie lieb von ihr, dass sie sie dir geschenkt hat.« In Hannas Stimme war nicht die geringste Spur von Neid.

»Glück wirst du auch brauchen, wenn du hier länger als vier Wochen bleiben willst«, unkte Mona, die es offenbar nicht lassen konnte. Oder wusste sie etwa auch, dass es weniger freie Plätze als Bewerber gab?

»Was ist nur los mit dir?«, wandte sich Hanna leicht genervt an ihre beste Freundin und schüttelte verständnislos den Kopf. »Es bringt doch nichts, Lucy Angst zu machen.«

»Pah, ich hab keine Angst. Schon gar nicht vor irgendeiner Prüfungsaufgabe«, behauptete Lucy und hoffte, dass die Mädchen ihr ihre Unsicherheit nicht anmerkten. »Wir schaffen das schon! Selbst wenn wir einen Aufsatz über schreckliche Hüte beim Pferderennen in Ascot schreiben müssen …«

Und damit hatte sie die Lacher auf ihrer Seite.

Ausgerechnet die Achtziger

Nach dem Abendessen war Lucy noch auf eigene Faust mit ihrer Kamera durch die verwinkelten Gänge des Schlosses gestreift. An den Fenstern hingen schwere olivfarbene Vorhänge, die Wände waren mit Gemälden bedeckt, die Lucy spontan in die Kategorien »teuer und alt« oder »teuer und moderne Kunst« steckte. Auf den steinernen Fensterbänken standen Bonsai-Bäume und Orchideen. In einem Erker entdeckte sie eine Ritterrüstung und daneben eine altertümliche Holztruhe mit dunklen Beschlägen, die sie spontan fotografieren musste. Dann ruckelte sie neugierig an dem Deckel der Truhe, jedoch vergeblich: Die Kiste war fest verschlossen. , dachte Lucy und grinste vor sich hin. Mit lautlosen Schritten lief sie einen nicht enden wollenden Gang mit glänzendem Marmorboden und vertäfelten Wänden zur Rechten entlang, der sie zuerst an Gemeinschaftsräumen, mehreren Workrooms und dann geradewegs zur Internatsbibliothek führte. Vor der geschlossenen Glastür der Bücherei blieb sie stehen und las, was auf der Infotafel neben dem Eingang stand: Lucy lugte neugierig durch die Glasscheibe und bestaunte die deckenhohen, mit Büchern vollgestopften Regale, an denen mobile Bibliotheksleitern befestigt waren, als plötzlich eine Stimme hinter ihr erklang. »Mist! Jetzt bin ich zehn Minuten zu spät. Ausgerechnet heute macht Frau Bley mal pünktlich Feierabend. Die ist sonst auch immer länger da!«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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