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Beschreibung

»Frauen die hassen, sind zu allem fähig.«   Kazar hat den ersten Teil des Paktes erfüllt – und somit nicht nur sein Schicksal, sondern auch das von Ateria besiegelt. Während die Königstochter auf die letzten beiden Bewerber trifft, wird ihr immer bewusster, dass Kaz nicht nur ein einfacher Handlanger für sie ist und dass Liebe ein weitaus gefährlicheres Spiel ist, als sie je zu hoffen wagte ...   Der zweite Teil der Romance-Fantasy-Reihe »Wenn ...«

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Bettina Auer

Wenn (2) ...

Schlangen hassen

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Titel

 

 

Bettina Auer

 

Wenn ... Schlangen hassen

 

Band zwei der Wenn ... Trilogie

 

 

 

 

Zitat

- Oderint, dum metuant. -

 

Mögen sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten.

 

Lucius Accius; Werk: Atreus

Impressum

 

© Mai 2021 Seidl, Bettina

Rosenstraße 2

93086 Wörth an der Donau

[email protected]

www.bettinaauer.com

Alle Rechte vorbehalten.

 

Aktualisierte Ausgabe vom 04/2023

 

Covergestaltung: VercoDesign, Unna, www.vercopremadebookcover.de

Illustrationen: Andrea Hagenauer

 

 

 

ISBN: 979-8747673731

Imprint: Independently published

eBook-Vertrieb: bookrix.de

 

1

 

»Es ist kalt.«

Das waren die ersten Worte, die Ateria seit Tagen mit ihrem Wächter wechselte. Die Shay stand am linken Bug des Schiffes, das sich durch Wasser kämpfte, auf dessen Oberfläche imposante Eisschollen schwammen.

»Was hattest du erwartet? Im Norden ist es immer kalt.«

Seras‘ Stimme klang anklagend. Der Daijatzu trug über seiner Kleidung einen schweren Wollmantel und zusätzliche Handschuhe, aber Ateria kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er genauso fror wie sie.

Zwar hatte die Prinzessin hatte eine zweite Schicht Kleider übergezogen, sowie einen dicken Schal vor dem Gesicht, dennoch schenkte ihr all das nicht die gewünschte Wärme.

 »Ach, was du nicht sagst«, bemerkte sie daher spöttisch. Die beiden schwiegen, während sie zusahen, wie ihr Atem Wölkchen bildete.

Es war Nacht. Der Mond zeichnete sich deutlich am Himmel ab und spiegelte sich im Wasser. In der Ferne heulte ein Wolf und die karge Landschaft um sie herum bestand aus weitläufiger Tundra, auf der meterhoher Schnee lag. Ebenso erspähte die Königstochter riesige Steine, die vor Kälte zu bröckeln schienen.

»Und? Bist du schon aufgeregt die anderen Bewerber kennenzulernen? Immerhin tun wir uns diese beschwerliche Reise allein deswegen an«, stichelte der Wächter unerwartet und die Prinzessin schnaubte abfällig.

»Ach sei ruhig!«, zischte sie und die beiden schwiegen abermals.

»Du hast einen schweren Fehler begangen«, sprach Seras erneut in die Stille hinein.

Sie seufzte tief. Sie wollte es nicht hören. »Nein, habe ich nicht. Es war das Richtige und das weißt du.«

»Ich finde es weiterhin erstaunlich, wie rasch du einen Sündenbock gefunden hast.«

Ateria hatte nur zufällig jemanden entdeckt, der sich dafür eignete. Schnell hatten sie ihm den Mord angelastet und ohne viel Federlesen hatte sie ihren Vater davon überzeugen können, die Provinz Calbar an Tsugaru zurückzugeben.

Sie hatte ihm eingeredet, dass es zwar Avéo nicht wieder lebendig machte, aber Neroz sich dadurch etwas beruhigen würde.

Als angeblichen Mörder hatte sie dem König einen Diener präsentiert, dem Kazar die tödliche Waffe untergeschoben hatte.

Die Shay biss sich auf die Unterlippe und wagte es, Seras anzublicken. Er hingegen starrte stur geradeaus. Hinaus auf das spiegelklare Wasser.

»Kazar und du…«, begann er.

Ateria knurrte. »Das geht dich überhaupt nichts an!«

»Doch, das tut es. Du hintergehst deinen Vater und bringst Kazar dazu, die oberste Regel der Königswächter zu brechen. Hast du keinerlei schlechtes Gewissen dabei?«

»Nein. Nicht die Spur.«

Er lachte auf. »Du bist grausam. Ich frage mich, wie es sein kann, dass du Kazar liebst, obwohl du so kalt wie ein Eisblock bist.«

»Ich liebe ihn nicht.« Sie beherrschte ihre Miene, zeigte ihm nicht, was sie wirklich dachte und fühlte. Sie war noch nicht bereit, es zu akzeptieren.

Wenn ich es mir eingestehe, wird es endgültig.

Und genau davor hatte sie Angst. Keinen Schritt mehr zurückzumachen, sobald sie aufhörte, sich selbst zu belügen.

»Ich hasse Kazar«, wisperte der Freund.

»Warum?«

Seine smaragdgrünen Iriden durchbohrten sie, aber die Königstochter hielt der Musterung stand. »Er erhält alles und was leistet er dafür? Er beendet ein Menschenleben! Du weißt, dass ich dasselbe für dich tun würde! Warum bekommt er alles, was ich mir wünsche, Ateria?«

Sie sah weg. »Seras, bitte«, raunte sie. Einen Lidschlag später spürte sie, wie er näher zu ihr herantrat. Sein warmer Atem umspielte ihr linkes Ohr.

»Er hat dich nicht verdient. Wenn das vorbei ist, bist du die Nächste, die er tötet.«

Die Nähe des Daijatzus verschwand plötzlich und sie hörte, wie seine Schritte über das Deck wanderten. Sie sagte nichts, sah ihm nicht nach, sondern krallte ihre Finger sich so fest in die Reling, dass sie glaubte, Holz splittern zu hören.

Seras‘ Worte hatte etwas Wahres an sich. Sie vertraute Kazar, doch war das nicht ein Fehler? Er hatte sie jahrelang verachtet, genau wie ihren Vater. Welche Garantie gab es, dass ihre Gefühle zueinander, ihn daran hinderten, sie zu verletzen? Sie eines Tages zu töten?

Hör auf damit. Er ist nur eifersüchtig. Das ist alles.

Sie wollte es nicht hören, dennoch wusste sie tief in ihrem Inneren, dass Seras recht hatte. Die Prinzessin von Réos hatte sich in den Leibwächter ihres Vaters verliebt.

Groll stieg in ihr auf. Er war ihr Werkzeug – ihre Marionette! Man verliebte sich nicht in einen Handlanger.

Sie strich über ihre Lippen und musste unwillkürlich an Kazars Augenfarbe denken, die sehr viel Gemeinsamkeit mit dem Meer der Nordländer hatte. Es war ebenso blau, klar – und voller Kälte.

Ateria schüttelte den Kopf und versuchte, das Bild loszuwerden. Schon seit Wochen schlich es sich immer wieder in ihre Gedanken.

Warum musste ich mich in dich verlieben?

Der Zorn stieg in ihr auf und sie fühlte, dass ihre Wangen heiß wurden und eine Träne daran hinab rann. Sie konnte die Flut nicht mehr aufhalten.

»Ich dachte, Drachentränen sind rot.«

Sie spürte Kazars Hand auf ihrer Schulter und Ateria widerstand dem Drang, zu ihm zu sehen. Es war zwar nicht das erste Mal, dass er sie weinen sah, aber sie schämte sich abgrundtief dafür. Sie erwiderte nichts und starrte weiter aufs Meer.

Er trat neben sie, stützte sich mit einem Ellenbogen auf der Reling ab und folgte ihrem Blick. Die andere Hand ruhte weiterhin auf ihrer Schulter. Selbst durch die dicken Stofflagen konnte sie die Wärme seiner Haut fühlen.

»Nimm die Hand weg.« Ateria zischte grober als beabsichtigt und wagte es, ihn zornig anzufunkeln.

»Wie Prinzessin wünscht«, sagte er und ihr entging nicht, wie gehässig seine Worte klangen.

Ihren Körper durchzuckte ein Schauer. »Was willst du?«

Kazar schnalzte laut mit der Zunge. »Wann hast du beschlossen, wieder so charmant zu mir zu sein, Shay?«

Sie schnaubte wütend. »Das geht dich nichts an!«

»Doch, das tut es. Immerhin hast du mir etwas versprochen.«

»Wenn du mir versprichst, meine Frau zu werden, werde ich für dich zum Königsmörder.«

Noch zu deutlich erinnerte sich an seine Worte und ihre Antwort darauf: »Ich verspreche es dir, Kazar.«

Abermals durchfuhr ein Zittern ihren Körper. Die Königstochter ballte die Hand zur Faust und presste sie hart gegen das Holz der Reling.

»Nur, weil ich dir das versprochen habe, heißt es nicht, dass ich dich an jedem meiner Gedanken teilhaben lasse«, erklärte sie und versuchte, sich daran zu erinnern, wie es vor der Reise zwischen ihnen gewesen war. Bevor sie angefangen hatten, dieses Spiel zu spielen.

Tief in ihrem Inneren suchte sie danach, holte die einstigen Emotionen hervor und begann ihre Mauer Stein für Stein wiederaufzubauen.

Es war ein Fehler gewesen, ihm ihr Herz zu öffnen.

Es würde ihr Untergang sein.

An Kazars überraschten Gesichtsausdruck bemerkte sie, dass sie es geschafft hatte, die Maske wieder heraufzubeschwören.

»Hör zu, Kaz: Ich habe es versprochen und ich halte mein Wort. Doch es wird erst passieren, wenn du die beiden übrigen Favoriten meines Vaters getötet hast. Bis dahin sollten wir das, was zwischen uns ist, mit einer Auszeit belassen.« Ihre Miene war steinhart, zeigte nicht, was sie fühlte. Wie sie innerlich schrie, als sie den Unmut in seinen Augen sah.

Ateria straffte die Schultern und reckte das Kinn vor. »Ich gehe zu Bett.«

Die Königstochter tat einen Schritt nach dem anderen, zwang sich, ihre steife Haltung beizubehalten. Sie musste es nur bis unter Deck schaffen, in ihre Kajüte. Dort konnte sie weinen, ihre Wut herausschreien. Aber nicht hier, nicht vor Kaz …

Der Griff seiner Finger um ihr Handgelenk war schwach.

Sie brauchte bloß einen einzigen Schritt zu machen, um die Berührung zu lösen. Doch sie konnte es nicht. Wagte es nicht, wegzulaufen.

»Habe ich dir irgendwas getan, Ateria?« Seine Stimme war ruhig und voller Unsicherheit.

»Nein.«

»Wieso stößt du mich dann weg?«

Sie öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder. Sie konnte es ihm nicht sagen. Nicht jetzt. Noch nicht.

»Ich weiß, dass meine Forderung dir gegenüber nicht ehrenhaft ist. Du hast Bedenken, das ist völlig verständlich und ich bin mir selbst nicht sicher, wieso ich das gesagt habe. Aber wenn du nicht willst, ist das in Ordnung für mich. Wir werden etwas anderes finden, das mich zufriedenstellt.«

»Wie meinst du das?«, fragte sie mit viel zu hoher Stimme.

»Nun ja, ich denke, es war nicht richtig, dich darum zu bitten. Außerdem ist mir bewusst geworden, dass meine Worte ein Antrag waren. Es … tut mir leid.«

»Es tut dir leid?« Sie drehte sich zu ihm, die Augen weit aufgerissen und sah in Kazars betrübtes Antlitz.

Er lächelte freudlos. »Ich hoffe, du verzeihst, dass ich mich zu dieser Handlung habe verleiten lassen.« Er zog die Hand weg und immer noch blickte er sie mit diesem geknickten Ausdruck an.

Ateria hingegen starrte ihn fassungslos an. War das gerade ein Scherz? Er wies sie zurück?!

Die Prinzessin öffnete den Mund, bereit, ihm die schlimmsten Dinge an den Kopf zu werfen, allerdings wurde sie daran gehindert.

Das Geräusch von Schritten auf Holz drang zu ihnen. Sie stammten von der Treppe, die zum Deck hinaufführte.

Der Daijatzu packte sie abrupt und quetschte sich mit ihr in eine Lücke zwischen mehreren mannshohen Kisten, die verteilt an Bord standen. Kazar stellte sich vor sie, den Rücken zur Prinzessin und presste sie gegen das Holz.

Die Schritte kamen näher, eine Schattengestalt erschien.

Es war einer der Seeleute und Ateria hörte, wie Kazar erleichtert ausatmete. Dennoch wagte es keiner der beiden, einen Laut von sich zu geben, der die Aufmerksamkeit des Mannes erregen könnte.

Der Seemann trat an die Reling und warf einen kurzen Blick ins Wasser. Er murmelte etwas Unverständliches, spuckte ins Meer und ging von dannen.

»Er ist weg«, seufzte Kazar und als er sich zu ihr umdrehte, löste er die Hand vom Schwertgriff. »Ich bin froh, dass es weder Seras noch dein Vater war«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu.

»Hättest du sie angegriffen?«, wollte die Königstochter wissen und taxierte ihn scharf.

»Nein, natürlich nicht. Es ist ... nur eine Gewohnheit«, erklärte er und im nächsten Moment veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Nahm eine Weichheit an, die er in Calbar der Prinzessin öfters gegenüber offenbart hatte.

Das Blut rauschte in den Ohren der Shay, als sie merkte, dass Kazar sich zu ihr hinab beugte. Das Eisblau seiner Iriden ließ ihr den Atem stocken und sein Brustkorb hob und senkte sich schwer. Sie wollte den Mund öffnen, wollte ihm so vieles sagen, doch sie konnte nicht. Stattdessen reckte sie sich und überbrückte die kurze Distanz.

Er erwiderte den Kuss, ließ zu, dass ihre Hände den Weg in seinen Nacken fanden und ihn weiter hinunterzogen. Es war das erste Mal, seit dem Tag, an dem er Avéo getötet hatte, dass sie sich auf diese Art und Weise berührten.

Die Prinzessin und der Königswächter hatten die letzten Wochen penibel darauf geachtet, keinen Verdacht zu erregen, und waren sich aus dem Weg gegangen. Mehr als kurze Blicke hatten sie nicht gewechselt und selbst das hatte Seras jedes Mal rot vor Zorn anlaufen lassen.

»Verrückt«, raunte Kazar dicht an ihre Lippen und sie lächelte.

»Was?«

»Wie sehr ich das vermisst habe.« Er sagte es, ohne zu erröten, und Ateria versuchte, nicht auf ihr viel zu schnell schlagendes Herz zu hören.

Der Prinz küsste sie erneut und sie schloss die Augen, wollte noch intensiver seine zärtliche Liebkosung spüren. »Wir sollten gehen«, sagte er unvermittelt und Ateria nickte.

Vorsichtshalber spähte Kazar zwischen den Kisten hervor, um zu überprüfen, ob der Mann wirklich fort war, erst danach trat er aus dem Versteck.

Die Shay folgte ihm und jetzt spürte sie, wie heiß ihr Wangen vor Scham brannten. Der Drang, den Kopf in ihre Hände zu vergraben war groß, dennoch widerstand sie ihm. »Es ist spät. Ich geh zu Bett«, flüsterte sie in die Stille hinein.

»Ich begleite dich«, bot er im nüchternen Tonfall an.

Ateria protestierte nicht, ließ ihm den Vortritt und gemeinsam gingen sie unter Deck, vorbei an den unzähligen Türen, einen langen schmalen Gang entlang, bis sie vor ihrer Kajüte standen. Unsicher musterten sie sich.

»Also … Gute Nacht«, sagte Ateria, legte die Hand auf den Knauf, aber Kazar hielt sie zurück.

»Wie wäre es mit einem Gute-Nacht-Kuss?«

Sie blinzelte leicht verwirrt. »Hattest du den nicht bereits?«, fragte sie leise und sah sich aufmerksam im Gang um. Sie waren allein und kein verdächtiges Geräusch war zu hören. Dennoch behagte es ihr ganz und gar nicht, mit ihm hier zu stehen. Was, wenn jemand seine Kajüte verließ und sie bemerkte? Egal wer sie erwischte, Ärger wäre unausweichlich.

Ärger? Das ist stark untertrieben. Vater wird ihn töten lassen.

»Das war ein Versöhnungskuss«, erwiderte er und zwinkerte ihr grinsend zu. Er trat auf sie zu und abermals spürte sie Holz in ihrem Rücken.

»Kaz … nein«, flüsterte sie, allerdings war es ein schwacher Protest. Sie wollte es ebenso sehr. Jede Faser ihres Körpers schrie nach seinem Kuss.

»Doch«, antwortete er und als er seine Lippen auf ihre presste, vergaß sie die Angst vor ihren Gefühlen.

 

2

 

Das Morgenlicht fiel durch das Bullauge und erhellte den winzigen Raum. Kazar hatte die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan, was nicht ausschließlich an dem viel zu schmalen Bett gelegen hatte, sondern auch an der Königstochter, die mit ihm darin lag.

Sie hingegen hatte tief und fest geschlafen, während er bei dem kleinsten Geräusch hochgeschreckt war. Seit er Avéo ermordet hatte, hatte er Schwierigkeiten, die Schärfe seiner Sinne zu kontrollieren. Es war das erste Mal, seitdem er tötete, dass er nicht zurück zu seiner inneren Ruhe fand.

Es war nicht nur so, dass er bei jeder Kleinigkeit sofort in Angriffshaltung ging, sondern er sah hinter jedem Schatten einen Feind und war Fremden gegenüber noch argwöhnischer und vorsichtiger als üblich. Nachts durchzuschlafen war beinahe unmöglich und der Umstand, die letzte Nacht mit der Prinzessin in einem Bett verbracht zu haben, machte es nicht gerade besser.

Es war die reinste Folter für sein feines Gehör gewesen, da die Shay sich ständig im Schlaf bewegte und Unverständliches dabei murmelte.

Die Vorstellung, jede Nacht mit ihr in einem Bett zu liegen, lässt mich jetzt schon nicht ruhen.

Aber wieso dachte er darüber überhaupt nach? Es war eine einmalige Sache gewesen. Vorerst.

Wie er hier gelandet war, konnte Kazar nicht sagen. Er hatte sie vor der Tür geküsst und es war ihm unfassbar schwergefallen, damit aufzuhören. Das Einzige woran der Daijatzu sich erinnerte, war, dass die Prinzessin die Tür geöffnet hatte und er ihr bereitwillig ins Innere gefolgt war.

Tief seufzend strich er sich einige störende Strähnen aus dem Gesicht. Ungewollt musste er daran denken, wie lange es her war, dass er die Nacht nicht allein verbracht hatte. Drei oder vier Jahre? Ganz genau konnte er sich nicht mehr erinnern, geschweige denn, an das Mädchen.

Nichtsdestotrotz konnte er sich an ein wichtiges Detail entsinnen: Mit ihr hatte er nicht nur im Bett gelegen und geredet.

Ateria war die Prinzessin von Réos und Kazar kein Narr. Dass sie zusammen in einem Bett geschlafen hatten, war verwerflich genug und sollte ihr Vater jemals dahinter kommen, konnte er wenigstens mit gutem Gewissen behaupten, sie nicht entehrt zu haben.

Aber würde das einen Unterschied machen?

Nein. Er verdrängte den Gedanken sofort wieder. Daran sollte er – falsch! – durfte er nicht mal denken!

»Kaz?«

Die schlaftrunkene Stimme der Prinzessin holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Sie hatte sich zu ihm umgedreht und die Müdigkeit ließ deutlich in den blutroten Iriden ablesen. »Was machst du hier?«

»Du hast mich eingeladen, über Nacht zu blieben«, erwiderte er feixend und sie runzelte anstrengend die Stirn.

»Was? Du lügst. Das würde ich niemals tun«, wisperte sie. Sie gähnte, schloss die Augen und kuschelte sich tiefer in die Decke.

Kazar musste lachen. »Du bist eindeutig kein Morgenmensch.«

»Nein. In den ersten beiden Stunden nach dem Aufwachen, sollte man mir keinen Grund geben, mich aufzuregen«, murmelte sie und der Daijatzu schüttelte das Haupt.

»Gut zu wissen.« Einen Augenblick später spürte er, wie sie näher zu ihm heranrückte und ihren Kopf auf seine Brust legte.

»Du hast die ganze Nacht in deinen Kleidern geschlafen?«

»Ja«, antwortete er knapp.

Während Ateria ihre Kleidung gegen etwas Bequemeres getauscht hatte, hatte er nur den Mantel und die Schuhe abgelegt. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken gewesen, mit weniger Lagen Stoff neben ihr zu schlafen.

Sie hingegen schien dieser Umstand nicht zu stören oder sie hatte nicht genauer darüber nachgedacht. Zwar trug sie weiterhin eine dicke Hose aus Wolle und ein langärmeliges gefüttertes Wams, aber dennoch war es spärlicher als das, was sie sonst am Leibe hatte.

Ihre Atemzüge gingen ruhig und gleichmäßig, obwohl sie so nahe bei ihm lag. Ihr schwarzviolettes Haar war leicht zerzaust und er musste unweigerlich zugeben, dass er sich an den Anblick der schlafenden Ateria gewöhnen konnte.

Sie sieht beinahe unschuldig aus.

Er kam nicht umhin, zu grinsen. Die Prinzessin und unschuldig? Nein, das passte nicht. Sie war gewieft, konnte ein richtiges Biest sein und er fragte sich immer noch, wie das zwischen ihnen passieren konnte. Wie die Gefühle über sie ohne Vorwarnung hereinbrechen konnten. Von einer Sekunde auf die andere hatte er gewusst, dass er sie für sich haben wollte. Und er war bereit, alles dafür zu tun. Er dachte an seine Worte von gestern und wurde nachdenklich.

Ja, er hatte erst Tage später begriffen, dass er ihr am Abend von Avéos Tod einen Antrag gemacht hatte. Dazu ziemlich unbeholfen und unverschämt. Doch sie hatte ihn angenommen, ihm versprochen, seine Frau zu werden.

Das ist Wahnsinn.

Wieso hatte er das gesagt? Es war aus einem Impuls heraus geschehen und langsam wurde ihm klar, was das bedeutete. Auch wenn ihr Vater nichts davon wusste, es war ein Verlöbnis, das sie verband.

»Ich bin ein Narr«, flüsterte er an sich selbst gerichtet.

»Ja, das bist du«, hörte er die Königstochter nuscheln. »Und leichtsinnig obendrein.«

»Du hättest mich nur bitten müssen, zu gehen«, stellte er klar.

»Wärst du gegangen?«

Er seufzte tief. »Nein.«

»Siehst du!«, fügte sie hinzu und Kazar kam nicht umhin, die Stirn krauszuziehen. »Ich entdecke ständig neue Seiten an dir, die mich überraschen.«

»Wieso? Frech und ungehobelt war ich ja immer. Das dürfte dir nicht neu sein.«

Kazar schwieg dazu.

»Ist es dir unangenehm, mit mir hier zu liegen?«, fragte sie ihn plötzlich.

»Nein«, erwiderte er zögerlich, denn es war ja nicht das erste Mal, dass sie nebeneinander in einem Bett lagen, dennoch hatte er mit ihr noch keine Nacht auf diese Weise verbracht.

»Wieso bist du dann so verkrampft?«

»Ateria …«, stöhnte er und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Gestern hast du zu mir gesagt, dass das zwischen uns nicht mehr sein darf, und jetzt fragst du mich so etwas? Ich habe das Gefühl, du weißt selbst nicht, was du willst.«

»Ich bin sehr wechselhaft, was meine Entscheidungen angehen, das gebe ich zu. Aber daran musst du dich gewönnen.«

Er zog eine Grimasse. »Was soll das heißen? Schwärmst du mir an einem Tag vor, wie sehr du mich liebst und am nächsten jagst du mich davon, nur um wenige Stunden später mit einer Entschuldigung zu mir zu kommen?«

»Das würde ich nie tun«, flüsterte sie.

»Was? Sagen, dass du mich liebst?«, neckte er sie weiter und sobald er die Worte ausgesprochen hatte, bemerkte er, was er gerade gesagt hatte. Er riss die Augen auf und starrte zu ihr hinab.

Ihr Gesicht war ausdruckslos und immer noch lag sie eng an seine Brust gepresst. »Nein. Mich entschuldigen.« Sie rutschte weg von ihm, wandte ihm den Rücken zu und Kazar schluckte schwer.

All seine Gedanken überschlugen sich, als er erkannte, was hinter dieser Reaktion steckte.

Nein.

Er wollte die Hand nach ihr ausstrecken, ließ sie jedoch wieder sinken. Kazar blickte Ateria einfach nur an.

»Ateria«, wagte er es irgendwann, ihren Namen zu flüstern. Von ihr kam keine Antwort. »Ateria, bitte. Es tut mir leid. Ich habe das nicht so abfällig gemeint. Ich meine, dass …« Erfolglos versuchte er, die passenden Worte zu finden, ohne es schlimmer zu machen.

Trotzdem war es unausweichlich. Egal, wie er es formulierte, sie würde ihm die Worte im Mund umdrehen. Kazar seufzte. Er rutschte zum Bettende und suchte seine Stiefel und den Mantel.

»Wieso denkst du, dass ich niemals zu dir sagen würde, dass ich dich liebe?«, flüsterte sie schließlich.

Er verharrte in der Bewegung, erlaubte es sich nicht, die Augen von seinem Schuhwerk zunehmen. »Weil es nicht zu dir passt, Ateria. Du würdest eher die Worte Ich hasse dich, aussprechen, als Ich liebe dich. Du bist nicht die Art Frau, die viel Wert auf solche Dinge legt.«

»Und? Stört dich das?« Ihre Stimme klang überreizt und er traute sich immer noch nicht, zu ihr zu blicken.

»Nein. Nicht wirklich.«

»Du lügst!«

Kazar atmete lautstark ein, stand auf und fuhr sich erneut durchs zerzauste Haar. »Wir sehen uns später, Shay.«

Er hörte es, wie sie versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken. Aber er konnte sie nicht aufmuntern. So wie Ateria nicht unverblümt ihre liebevolle Seite zeigen konnte, war er schlecht im Trost spenden. Vor allem, wenn er den Schmerz verursacht hatte.

Der Königswächter ging und als er die Tür ins Schloss zog, hallte der dumpfe Ton tief in seinem Inneren nach.

 

 

Kairiki nieste und fluchte. Schon war der Zauber erloschen.

Verdammte Kälte!

 Sie formte ihre Hände abermals und sprach die Formel erneut. Die kleine Flamme erstrahlte in ihrer Handfläche und schenkte ihr Wärme.

Ich hätte zu Hause bleiben sollen, schimpfte sie und schnaubte. Ja, das wäre die einzig richtige, logische Entscheidung gewesen, trotzdem hatte sie es nicht übers Herz gebracht, zu gehen. Kazar und die Prinzessin allein zu lassen.

Der Stich in ihrem Herzen raubte ihr für einen Moment den Atem. Sie konnte es nicht vergessen. Das Bild wie der Daijatzu und die Königstochter sich küssten.

Und es hatte nicht gewirkt, als wäre es das erste Mal gewesen.

Nein! Sie musste aufhören, daran zu denken! Es hatte keinen Sinn, doch …

Wann ist das zwischen ihnen passiert? Bereits damals, als die Banditen uns angegriffen haben? Nein. Es muss später geschehen sein, irgendwann, als Avéo begonnen hat, seine Avancen Ateria gegenüber zu zeigen …

Sie war immer noch zutiefst über das Gesehene erschüttert, dennoch hatte sie keine Kraft mehr, deshalb zu weinen. Stattdessen hatte sie sich vorgenommen, der Prinzessin zu beweisen, dass sie diejenige sein würde, die Kazar schlussendlich wollte.

Was du kannst, Drachenblut, kann ich gleichermaßen. Im Moment magst du glauben, dass er dir gehört, aber du wirst bald sehen, was du davon hast.

Abermals nieste sie und verstärkte den Zauber. Es war so furchtbar kalt! Egal, wie dick sie sich kleidete, egal, wie viele Wärmezauber sie ausführte, die Kälte wich einfach nicht. Sie seufzte resignierend und beschloss, einige Schritte zu gehen. Vielleicht würde ihr ja durch Bewegung wärmer werden.

Kairiki öffnete die Tür und horchte hinaus. Es war still in den Gängen, allerdings hörte sie, wie die Seeleute an Deck eifrig arbeiteten. Die Magierin entschied, ein wenig durchs Unterdeck zu schlendern.

Erstens wollte sie die Männer über ihr nicht stören und zweitens war es draußen noch eisiger. Sie schlug den Weg nach links ein, Richtung Kombüse, doch das Frühstück war lange nicht fertig, weswegen sie den Weg zurückging, um die Zeit mit etwas anderem zu vertreiben.

Sie vernahm weiterhin nichts, außer die Matrosen, die wie eine Herde Stiere über das Deck rannten, und wunderte sich, dass niemand davon aufwachte.

Kairiki erschrak, als ein dunkler Schatten plötzlich hinter der nächsten Biegung auftauchte. Sie zuckte zurück und starrte in Kazars müdes Gesicht.

»Du siehst ja furchtbar aus«, brach es aus ihr hervor und sie legte die Hand auf ihr vor Schreck schnell schlagendes Herz.

»Danke. Es freut mich ebenso, dich zu sehen«, begrüßte er sie und setzte ein schiefes Lächeln auf.

Ihr entging nicht, dass er nicht nur ungewöhnlich blass war, sondern auch seine Kleidung zerknittert wirkte. »Hast du heute Nacht darin geschlafen?«, wagte sie zu fragen.

»Ja. Gezwungenermaßen«, gestand der Freund und räusperte sich. »Ich bin gerade auf dem Weg, mich umzuziehen.«

Sie zog die Stirn kraus. »Was soll das denn bedeuten?«

»Ich bin bei der Wache eingeschlafen.«

»Bei der Wache? Ich dachte, der König hatte dir gesagt, dass dein Schutz auf dem Schiff nicht notwendig sei?«, erinnerte sie sich laut.

Kazar schwieg und das rief in Kairikis Magen ein ungutes Gefühl hervor. Er verbarg etwas, es war ihm deutlich anzusehen. Doch sollte sie ihn darauf ansprechen?

»Ich weiß, allerdings habe ich in letzter Zeit meine Pflichten dem König gegenüber entschieden vernachlässigt, weswegen ich letzte Nacht an meine Aufgabe als Königswächter erinnert wurde.«

»Natürlich.«

Das Gespräch war verkrampft und Kairiki wusste nicht, wie sie das ändern konnte. Wie die Unterhaltungen zwischen ihnen wieder so werden konnten wie früher.

»Kazar …«

»Kairiki …«

Beide hatten gleichzeitig gesprochen und blickten sich einigen Momente überrascht an. Die Halbelfe war die Erste, die über diesen Umstand lachte, während der Freund nach kurzem Zögern einfiel.

»Es tut mir leid. In letzter Zeit war ich nicht gerade nett zu dir. Aber … du weißt, was ich überall das hier denke, Kazar. Dennoch ändert es nichts daran, dass ich dich mag. Als Freundin!«, fügte sie hastig hinzu, bevor er einen falschen Eindruck von ihren Worten bekam.

Kairiki hoffte, dass er die Lüge dahinter nicht erkannte. Sie hatte einen Plan und der konnte nur gelingen, wenn Kazar ihr wie früher vertraute. Ihn zu belügen, war Mittel zum Zweck.

Ateria denkt, dass sie die Einzige ist, die diese Art von Spiel beherrscht. Dir wird das Lachen schon vergehen, Prinzessin von Réos.

»Und ich war ebenfalls nicht sonderlich freundlich zu dir. Deine Gefühle mir gegenüber haben mich überrumpelt. All die Jahre habe ich nichts davon bemerkt und es tut mir leid, dich so harsch abgewiesen zu haben. Aber du musst einsehen, dass ich nicht mehr in dir sehe als eine gute Freundin.«

Äußerlich lächelte sie breit, doch in ihrem Inneren fiel das Kartenhaus zusammen.

Ganz ruhig. Alles ist in Ordnung. Es war klar, dass er so antworten würde. Er will dich vor sich selbst schützen.

»Das verstehe ich, Kazar und ich muss mich auch bei dir entschuldigen. Ich war zu ungehalten und habe dich damit in Verlegenheit gebracht. In Zukunft werde ich versuchen, dass das nicht wieder vorkommt.« Sie streckte ihm die rechte Hand entgegen. »Freunde? Wie früher?«

Er zögerte nicht, als er einschlug und erwiderte den sanften Druck. »Ja. Sehr gerne.

 

 

Ateria starrte lange auf die Stelle, wo Kazar gelegen hatte. Noch immer hallten seine Worte in ihr wider und sie war unsagbar wütend.

Er hatte sie tief verletzt, als er gesagt hatte, dass er nicht vor ihr erwartete, dass sie ihn jemals lieben würde.

Was denkt er, was das zwischen uns ist? Ein dummer kleiner Zeitvertreib? Vielleicht sieht er ja tatsächlich nur das in mir und Seras liegt richtig. Ich bin viel zu naiv, um zu merken, dass er mich hintergeht, wenn es so weit ist.

Nein. Sie wollte nicht, dass ihr Daijatzu recht hatte. Sie kannte Kazar besser; er wäre niemals so niederträchtig und würde sie hintergehen.

Er ist bereit, den König zu töten – für dich. Wieso sollte er davor zurückschrecken, dir wehzutun? Erst bringt er dich dazu, dich in ihn zu verlieben und sobald du ihm gibst, was er sich wünscht, wird er dich genauso beseitigen.