Wenn du aus der Reihe tanzt, tanze ich mit - Pippa Wright - E-Book

Wenn du aus der Reihe tanzt, tanze ich mit E-Book

Pippa Wright

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Beschreibung

Witzig, bewegend, schräg – eine wunderbare Ode an die Freundschaft!

Esther und Laura sind die besten Freundinnen seit sie sieben Jahre alt sind, und auch Jahre später stehen sie einander noch immer sehr nah. Als Esther erfährt, dass Laura spurlos verschwunden ist, lässt sie alles stehen und liegen und macht sich auf die Suche nach ihrer Freundin. Der einzige Hinweis, den sie hat, ist eine kryptische E-Mail von Laura: »Ich lasse mich von Drew Barrymore leiten – wie immer, du weißt schon.« Um zu verstehen, was passiert ist, und was um Himmels willen Drew Barrymore damit zu tun hat, muss Esther in die Vergangenheit blicken – zurück zu den Geheimnissen, die ihre Freundschaft verbinden …

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Seitenzahl: 499

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Buch

Esther und Laura lernen sich kennen, als sie sieben Jahre alt sind, und sich darüber streiten, wer beim Nachspielen des Films E. T. die Rolle von Drew Barrymore übernehmen darf. Als während ihrer hitzigen Auseinandersetzung die Plüscheule, die E. T. darstellen sollte, kaputtgeht, kleben sie den abgefallenen Kopf mit Kaugummi wieder an – dieses kleine Geheimnis schweißt sie für immer zusammen, und die beiden werden die besten Freundinnen.

Viele Jahre später, die beiden sind inzwischen in ihren Dreißigern, sind Esther und Laura immer noch sehr eng befreundet, obwohl sich vieles verändert hat. Esther ist verheiratet und hat ein kleines Kind, während Laura ihren Platz im Leben noch nicht ganz gefunden hat, momentan ist sie in San Francisco und arbeitet auf einem Weingut. Die beiden kommunizieren fast nur noch per E-Mail miteinander, deshalb ist Esther auch schockiert, als sie von Lauras Mutter erfährt, dass diese spurlos verschwunden zu sein scheint. Sie lässt alles stehen und liegen und macht sich auf die Suche nach ihrer Freundin. Alles, was sie hat, ist eine letzte E-Mail von Laura, in der sie schreibt, dass sie auf den Spuren von Drew Barrymore unterwegs ist …

Autorin

Pippa Wright lebt in London und arbeitet in der Verlagsbranche. Wenn du aus der Reihe tanzt, tanze ich mit ist nach Das Schwagermonster, Vergiss das mit dem Prinzen und Willkommen im Wahnsinn ihr vierter Roman.

Von Pippa Wright bei Blanvalet bereits erschienen:

Willkommen im Wahnsinn ∙ Vergiss das mit dem Prinzen ∙ Das Schwagermonster

Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvalet und www.twitter.com/BlanvaletVerlag

Pippa Wright

Wenn du aus der Reihe tanzt, tanze ich mit

Roman

Aus dem Englischen von Leena Flegler

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Die Originalausgabe erschien 2015

unter dem Titel »The Gospel According to Drew Barrymore« bei Pan Books, an imprint of Pan Macmillan, a division of Macmillan Publishers Limited, London.

1. Auflage

Copyright der Originalausgabe © 2015 by Pippa Wright

Copyright der deutschen Ausgabe © 2016

by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de

Redaktion: Ivana Marinovic

LH ∙ Herstellung: kw

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-16809-4V002

www.blanvalet.de

Für die Schwestern.Ihr wisst schon, wer gemeint ist.

1

Oktober 2013

Wenn ich dich nach deinem besten Freund oder nach deiner besten Freundin fragen würde – wen würdest du nennen? Ohne nachzudenken? Der erste Name, der dir in den Sinn kommt? Sagtest du, dein Ehemann? Oder Lebensgefährte? Zählt nicht. Zurück auf Los. Meiner Definition zufolge kennt ein bester Freund dich bereits so lange, dass er oder sie mit dir mindestens eine gescheiterte Beziehung, Rotz in den Haaren, unmenschlich viele Zigaretten und Hungerzeiten durchgestanden hat. Und dieser beste Freund ist nicht die besagte gescheiterte oder meinetwegen auch nicht gescheiterte Beziehung. Hast du stattdessen einen Verwandten genannt – deine Mutter oder Schwester womöglich? Sorry, auch nicht erlaubt. Das sind Leute, die ohnehin für dich da sind, egal was passiert. Sie sind Familie. Ein bester Freund ist ein anderes Paar Schuhe. Ein bester Freund ist jemand, der nicht notwendigerweise da sein müsste, sich aber freiwillig und allen Widrigkeiten zum Trotz dafür entscheidet. Jemand wie Laura.

Bis zu dem Punkt, als sie plötzlich entschied, woanders zu sein.

Ihre Mutter ruft mich um sechs Uhr morgens an. Ich bin bereits seit einer Stunde wach und versuche, Linus die Flasche zu geben, und stürze mich sofort auf das klingelnde Handy, damit es ihn nicht aufregt. Natürlich reißt er angesichts der Unterbrechung überrascht die Augen auf, aber sie gehen gleich wieder zu, und die bläulichen Lider flattern leicht; ich kann sehen, dass er noch nicht wieder fest eingeschlafen ist.

»Wann hast du das letzte Mal mit Laura gesprochen?«

So fängt eine Befragung durch Margie immer an. Keine Vorrede, kein Guten Tag und ganz gewiss keine Entschuldigung für die frühe Störung. Jedes Mal denke ich mir, sie muss diese Unterhaltung schon eine Weile im Kopf durchgespielt haben, ehe sie zum Hörer gegriffen hat, und vergisst darüber, dass ich noch nicht im Bilde bin.

»Hi, Margie«, sage ich. »Ist was passiert?«

Irgendwas ist immer passiert.

»Wann hast du zuletzt mit ihr gesprochen?«, fragt sie erneut, als hätte ich zwischendurch kein Wort gesagt. »In dieser Woche?«

Da muss ich nachdenken. Seit Linus auf der Welt ist, sind die Wochentage für mich nicht mehr relevant. Entscheidend ist, wann er gefüttert wird und wann er schläft. Meine neueste Zeiteinheit ist der Löffel voll Hustensaft.

»Keine Ahnung – wir sprechen ständig miteinander. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaub, wir haben letzte Woche auf FaceTime …«

»Weißt du noch, was sie da gesagt hat?«, fragt sie. »Ich muss es ganz genau wissen.«

Mein Mann taucht in der Tür auf, das T-Shirt ist ihm über den Bund seiner ausgewaschenen Schlafanzughose hochgerutscht. Er quittiert das Telefon in meiner Hand mit einer Grimasse und tippt sich auf eine imaginäre Armbanduhr. »Margie«, forme ich lautlos mit den Lippen, und er kreiselt mit dem Zeigefinger über seine Schläfe – diespinnt wohl!– und schlurft weiter den Flur entlang zur Küche.

»Ich weiß es nicht genau«, antworte ich. Nebenan fängt der elektrische Wasserkocher an zu rasseln, und ich hoffe, das bedeutet, dass ich gleich einen Kaffee bekomme. »Wir haben auch nicht lang geredet – Linus hat losgeheult, da musste ich auflegen.«

»Ach, natürlich, Linus«, kommt sofort von ihr, als hätte sie sich gerade erst wieder daran erinnert, dass es ihn auch gibt, allerdings nicht unbedingt mit großer Begeisterung.

»Worum geht es überhaupt? Ist irgendwas vorgefallen?«

»Hast du irgendeine Ahnung, wo sie stecken könnte?«, fragt Margie, und unter ihrem barschen Tonfall ist ein leicht panisches Zittern zu spüren, bei dem ich, so leid es mir tut, insgeheim die Augen verdrehe.

»Margie?« Ich streichle dem Baby über den Hinterkopf, wo es wie ein Mönch eine komische kleine kahle Stelle hat, an der ihm das feine blonde Haar ausgegangen ist. »Wird das hier wieder wie damals, als sie nach Calistoga Springs gefahren ist? Du weißt doch, wie wütend sie damals war, als du die Polizei gerufen hast. Ich bin mir sicher, dass sie sich bald wieder meldet. Kein Grund zur Sorge.«

»Calistoga Springs war ein Missverständnis«, sagt sie, und ihre Konsonanten zischen regelrecht vor Verdruss. »Allerdings hat diese nette Polizistin mir damals durchaus recht gegeben: Eine Mutter darf doch wohl erwarten, dass ihr einziges Kind regelmäßig Lebenszeichen schickt, wenn es Tausende Meilen von zu Hause weg ist.«

»Natürlich«, sage ich leise und beherrscht. »Aber Laura hat versprochen, dass sie dich öfter anruft. Du musst dich also schon ein bisschen zurückhalten und nicht jedes Mal wieder in Panik geraten, wenn sie mal für ein paar Tage verreist, ohne dir Bescheid zu geben.«

Margies Kalten Krieg hat Laura das immer genannt, als wir Teenager waren. Welches Worst-Case-Szenario auch immer man sich ausmalen konnte – Margie war immer einen Schritt voraus und tapezierte die Wände mit Alufolie, weil sich garantiert irgendeine Katastrophe anbahnte. Eine halbe Stunde Verspätung? Sicher ein tödlicher Autounfall. Eine Weile Funkstille? Kidnapping.

»Es sind aber nicht nur ein paar Tage«, beharrt sie.

»Es ist Erntezeit«, entgegne ich. Der beruhigende Tonfall gilt teils ihr, teils aber auch dem Baby, das sich neben mir rührt. Linus reckt sich ein bisschen und streckt die winzigen Finger, ehe er sie wieder zu Fäustchen ballt. »Das weißt du doch. Du kannst nicht erwarten, dass sie sich ständig meldet, wenn auf dem Weingut gerade der Teufel los ist.«

»Aber genau das ist doch der Punkt«, sagt die Stimme am anderen Ende und wird schriller. »Es ist Ernte, und Lauras Chef hat mich als ihre nächste Angehörige angerufen, weil er wissen wollte, warum sie seit Donnerstag nicht mehr zur Arbeit erschienen ist.«

Linus quäkt leise, als ich mich aufrecht hinsetze und ihn auf einer Insel aus Kissen ablege.

»Seit Donnerstag? Aber das ist … das ist …«

»Heute haben wir Dienstag«, sagt Margie schnippisch, weil sie mein Zögern richtig interpretiert: Ich habe nicht wirklich eine Ahnung, welcher Wochentag gerade ist.

Donnerstag, Dienstag – da wäre doch ein langes Wochenende vorstellbar, oder nicht?

»Sicher, dass sie nicht verreist ist?«

Ich höre sie durchs Telefon schnauben. »Als würde sie mir so was erzählen. Ich hatte gehofft, sie hätte mit dir darüber gesprochen.«

»Nein«, antworte ich. »Hat sie nicht.«

»Egal. Sie hat sich jedenfalls nicht freigenommen«, fährt sie fort. »Und du weißt, dass sie nie im Leben einfach blaumachen würde.«

»Und jetzt glaubst du, sie hätte einen Unfall gehabt oder dergleichen?«

»Sie haben die Krankenhäuser abtelefoniert«, erklärt Margie. Das Zittern in ihrer Stimme schlägt unter Garantie gleich in Gejammer um. »Keine Spur von ihr. Und ihr Auto ist auch weg. Warum sollte sie einfach so weggefahren sein, Esther? Sie hätte dir doch erzählt, wenn irgendwas gewesen wäre, oder? Du bist ihre beste Freundin.«

Bis zu diesem Augenblick habe ich das ebenfalls geglaubt. Ich hätte jederzeit felsenfest behauptet, selbstverständlich sei Laura meine beste Freundin, natürlich wisse ich Bescheid. Ich hätte gesagt, wir müssten nicht im selben Land leben, um einander nahe zu sein, wir müssten auch nicht täglich voneinander hören, um zu wissen, was der andere gerade macht. Aber was, wenn Laura verschwunden wäre, ich meine, wirklich verschwunden wäre, und ich wüsste es nicht? Würde ich mich da immer noch als ihre beste Freundin bezeichnen können?

Das Baby läuft rot an und verzieht das Gesicht, als es – immer noch mit geschlossenen Augen – feststellt, dass ich nicht mehr neben ihm sitze. Ich nehme ihn schnell auf den Arm und spüre, wie er an meiner Brust wieder schläfrig und schwer wird.

»Was hat ihr Chef gesagt?«, frage ich und klemme mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter, sodass das Zimmer vor mir in Schräglage gerät. »Hat er vielleicht irgendwas bemerkt? Hat sie sich komisch verhalten?«

»Nein«, antwortet Margie. »Stanley meint, sie hätte sich wie immer verhalten. Müde, aber auch nicht mehr als jeder andere auf dem Gut. Er kann sich nicht erklären, warum sie einfach so verschwunden ist.«

Ihre Arbeit bedeutet Laura alles. Manchmal macht sie Witze darüber, dass die Arbeit die innigste Beziehung wäre, die sie je gehabt hätte. Einfach wegzubleiben sieht ihr wirklich nicht ähnlich, erst recht während der Erntehektik. Ich spüre, wie mein beschleunigter Herzschlag ängstlich gegen Linus’ Brust pocht. Margies Paranoia scheint ansteckend zu sein.

»Ich dachte, du wüsstest es«, sagt sie, und dabei bricht ihr zu guter Letzt die Stimme. »Ich dachte wirklich, du wüsstest es, Esther.«

Sie weint ins Telefon, und ich sage ihr tröstliche Dinge, von denen ich nicht ganz sicher bin, ob ich sie selbst glaube – Laura geht es gut, wahrscheinlich meldet sie sich schon morgen … Als Margie sich endlich beruhigt hat, einigen wir uns darauf, dass ich versuchen werde, Laura zu erreichen, bevor wir irgendwelche dramatischen Schlüsse ziehen. Es gibt manchmal Dinge, die man leichter mit einer Freundin bespricht als mit der eigenen Mutter, sage ich zu ihr. Sie wird irgendeinen Grund haben, und alles kommt wieder in Ordnung.

Als sie endlich auflegt, scrolle ich auf dem Handy durch meine E-Mails, um nachzusehen, wann genau ich zuletzt von Laura gehört habe. Während mein Daumen auf dem Display immer weiter nach unten wischt, weiter und noch weiter, bekomme ich Gewissensbisse – ich habe Margie erzählt, dass wir ständig miteinander reden, aber als ich Lauras jüngste E-Mail finde, ist die fast eine ganze Woche alt, und schlimmer noch, ich habe nie darauf geantwortet.

Es war eine eigenartige Mail, jetzt erinnere ich mich wieder. Deshalb habe ich auch nicht sofort darauf reagiert. Für unbekümmerte Und-was-läuft-gerade-so-bei-dir-E-Mail-Wechsel habe ich schlicht und ergreifend keine Zeit mehr. Ich antworte nur noch auf direkte Fragen: Hast du am Dienstag Zeit? Soll ich auf dem Heimweg Milch kaufen? Schläft Linus inzwischen besser? Nein, ja, nein.

Ich dachte, Lauras E-Mail wäre einfach nur ein bisschen Geplänkel gewesen, nichts Weltbewegendes. Nichts, was eine sofortige Antwort erfordert hätte.

Hi, Est, hatte sie geschrieben. Schade, dass du auflegen musstest, hoffe, meinem kreischenden Patenkind geht’s gut. Ich wünschte mir, ich könnte ihn endlich mal wieder persönlich treffen. Ich wünschte mir, ich könnte auch dich wieder persönlich treffen. Deine klugen Ratschläge kämen mir gerade sehr gelegen, aber mangels vierstündiger Schimpftirade bei einer Flasche Pinot Noir muss ich wohl weitermachen mit dem Weitermachen. Ich lasse mich von Drew Barrymore leiten– wie immer, du weißt schon. Unser Evangelium, stimmt’s?

Allerallerliebste Grüße,

L

Ich hätte zurückschreiben müssen. Ich dachte, dahinter würde sich einfach nur eine sentimentale Anwandlung von Heimweh verbergen. Doch als ich jetzt auf ihre E-Mail starre und sie nicht allein als bloße Nachricht, sondern als potenziellen Hinweis darauf betrachte, wo sie sein könnte, frage ich mich, ob nicht noch mehr dahintersteckt. Es liest sich wie eine Einladung, oder etwa nicht? Eine Aufforderung an mich, sie zu fragen, wobei sie meinen Rat braucht. Und ich habe nicht geantwortet.

Und noch schlimmer: Ich weiß noch ganz genau, dass ich geseufzt habe, als ich die E-Mail las. Dass ich gedacht habe, Laura, bitte, kannst du nicht ein einziges Mal geradeheraus sagen, was du willst, statt immer nur Andeutungen fallen zu lassen wie Brotkrumen, denen ich folgen soll?

Was Drew Barrymore angeht: Ja, sicher weiß ich, was damit gemeint ist – ein dummer Witz zwischen zwei Mädchen, ein Name, der stellvertretend steht für Freundschaft, Erwachsenwerden und das Fällen von Entscheidungen, ohne dabei auch nur zu ahnen, wie sehr sie das Leben in andere Bahnen lenken können. Eine Landkarte ist der Name allerdings nicht, er enthält keinen Hinweis darauf, wohin Laura verschwunden sein könnte. Nur die Erinnerung daran, wo sie einmal war.

E. T., 19821

GERTIE: Da ist er ja.

MARY [anderweitig beschäftigt]: Da ist wer?

[Erwischt E. T. versehentlich mit der Kühlschranktür, weil sie ihn nicht bemerkt.]

GERTIE: Der Mann vom Mond. Aber ich glaub, du hast ihn schon getötet.

1

2

Als sie zum Essen kamen, bat Esthers Mummy sie, zu Laura besonders nett zu sein, weil sie wahrscheinlich ein bisschen verschreckt und schüchtern wäre. Laura sei ein Einzelkind, erklärte sie, hatte also keine Geschwister, mit denen sie spielen konnte, und sie hatte all ihre Freunde und Spielsachen zurücklassen müssen, als ihr Daddy aus Amerika nach England zurückversetzt worden war.

Esther wusste noch genau, wie sie King Alfred bekommen hatte, ihr Meerschweinchen – wie superleise und supervorsichtig sie hatte sein müssen, damit es sich nicht erschreckte. Am besten saß man ganz still auf dem Boden und ließ King Alfred von allein zu einem kommen, sobald er dazu bereit war, statt ihn quer durchs Kinderzimmer zu jagen, auch wenn es aussah, als würde ihm das Spaß machen. Sie hatte den Verdacht, dass es sich mit Laura genauso verhalten könnte. Meerschweinchen kamen schließlich auch aus Amerika, nur nicht aus demselben Teil, erklärte Mummy.

Also kramten Esther und ihre kleine Schwester zur Begrüßung ihre besten Spielsachen hervor: Neben den fast neuen blonden Girl’s-World-Schminkkopf setzten sie Esthers Lieblings-Sindy-Puppen, und davor platzierte Sophie die ausgestopfte Eule mit den echten Federn, die normalerweise auf dem Kaminsims im Kinderzimmer saß, weil sie zu alt und wertvoll war, um jeden Tag damit zu spielen.

Als Laura ankam, war sie allerdings alles andere als schüchtern oder verängstigt. Während die Erwachsenen einander begrüßten, zog sie ihren Mantel aus und legte ihn sich gefaltet über den Arm. Dann warf sie ihnen unter dem dunklen, gerade geschnittenen Pony einen Blick zu und sagte laut und mit amerikanischem Akzent: »Hi.« Sophie versteckte sich hinter Mummys Beinen, während Esther ebenfalls »Hi« sagte und ihr flüchtig zuwinkte.

Laura war größer als Esther, obwohl sie zwei Monate jünger war, und auf der Nase hatte sie jede Menge Sommersprossen. Die Haare waren zu einem kurzen Bob geschnitten wie bei Milli-Molli, und sie hatte eine richtige Handtasche mit einem Bild von Snoopy über der Schulter. Als sie sich das Haar hinters Ohr strich, stellte Esther erstaunt fest, dass sie Ohrstecker hatte.

»Sind die echt?« Sie zeigte auf die funkelnden Stecker.

Lauras Hand wanderte nach oben, und sie befühlte den Stecker mit den Fingerspitzen, als hätte sie bereits völlig vergessen, dass er da war.

»Yeah …« Verwirrt sah sie ihre Mutter an. Ohrstecker schienen für sie keine große Sache zu sein. »Bevor wir hergezogen sind, hat mein Dad erlaubt, dass ich mir Löcher stechen lasse.«

»Und nein«, sagte Esthers Mummy sofort, »bevor du fragst: nicht vor deinem zehnten Geburtstag. Und zeig nicht mit dem Finger auf andere.«

»Ganz meine Meinung«, sagte Lauras Mummy. Sie sah Laura kein bisschen ähnlich, und sie hatte auch keinen amerikanischen Akzent. Ihr Haar war fast schon gelb, lang und lockig, und sie hatte eine Brille mit einem dicken runden Gestell auf der Nase. »Ich war dagegen, dass sie sich die Stecker schießen lässt – zum einen wegen des Infektionsrisikos, und zum anderen hab ich einfach Angst, dass sie ihr auf dem Spielplatz ausgerissen werden. Du weißt ja, wie Kinder sind. Aber Edward ist einfach mit ihr losgezogen – als kleine Überraschung.«

»Was soll ich sagen?«, warf Lauras Daddy ein und wuschelte seiner Tochter durch das Haar, das genauso schwarz und glatt war wie sein eigenes. Dann grinste er die Mädchen an. »Ich bin mir sicher, ihr zwei wisst genauso gut, wie ihr euren Dad um den Finger wickeln könnt.«

Esther bemerkte, wie Lauras Mummy ihm Einhalt gebot, indem sie ihn kurz mit dem Fuß antippte. Als er sich die Augenbrauen rieb, konnte Esther ihm ansehen, wie peinlich es ihm war.

Sogar Laura verdrehte die Augen. »Daa-aad …«

»Sorry, ihr beiden«, sagte er und ging vor Esther und Sophie in die Hocke, als wären sie Babys und keine Mädchen im Alter von sieben und fünf Jahren. »Ihr müsst ihn ganz fürchterlich vermissen. Und ich wette, er vermisst euch auch.«

Esther schüttelte bloß den Kopf, starrte auf seine Schuhe hinab und brachte keinen Ton heraus. Mit einem Mal fühlten sich ihre Wangen ganz heiß an, und sie hatte einen Kloß im Hals. Die beste Methode, um Daddy nicht allzu sehr zu vermissen, war, nicht über ihn zu sprechen oder auch nur an ihn zu denken. Wann immer sie traurig wurde, dachte sie einfach an etwas anderes, an die Schule zum Beispiel oder an Brownies.

»Er ist auf einem Schiff«, erklärte Sophie und streckte den Kopf hinter den Beinen ihrer Mutter hervor. »Das ist ganz weit weg, mitten auf dem Meer.«

Sophie war noch zu klein, um es zu begreifen – andauernd fragte sie, wann er zurückkommen würde. Das machte alles nur noch schlimmer, nicht nur für Esther, sondern auch für ihre Mummy.

»Ich bin mir sicher, er kommt schon bald zu euch zurückgesegelt«, sagte Lauras Daddy und tätschelte Sophie ein wenig unbeholfen die Schulter. »Entschuldige, Caro! Wie geht es dir?«

»Geht schon«, sagte Caroline betont fröhlich, lächelte quasi in die Breite und zeigte die Zähne, anstatt die Mundwinkel hochzuziehen wie bei einem echten Lächeln.

Am liebsten hätte Esther ihre Hand genommen, aber Mummy hielt nichts von Selbstmitleid, besonders nicht im Beisein von anderen. Stattdessen steckte Esther die Hände in die Taschen ihres Kleids und presste die Finger um die Daumen, bis sie wehtaten.

»Und jetzt, Mädels«, sagte Esthers Mummy mit ihrer Kinderfernsehmoderatorenstimme, die sie immer benutzte, wenn sie vor anderen Erwachsenen mit ihren Töchtern redete, »wollt ihr Laura nicht euer Zimmer zeigen? Ich sag Bescheid, wenn das Essen fertig ist.«

Voller Vorfreude, Laura all die Spielsachen zu präsentieren, die sie mit aufgestellt hatte, lief Sophie vorweg den Flur entlang, während Esther wartete, bis Laura sich ihnen anschloss. Nur deshalb hörte sie gerade noch, was Margie ihrer Mutter leise zuraunte.

»Die Nachrichten aus Falkland sind einfach schrecklich, Caro. Diese armen Männer auf der Coventry! Du musst ganz krank vor Sorge sein!«

Nachrichten durfte Esther sich nicht ansehen, nicht einmal John Craven’s Newsround. Allerdings unterhielten sich die Jungen auf dem Spielplatz über Harrier-Kampfflugzeuge und »die Argies«, und ein paar ältere Mädchen setzten sich dafür ein, dass es in der Schulkantine kein Corned Beef mehr gab, weil das Rindfleisch aus Argentinien stammte und England sich im Krieg mit Argentinien befand. Esther wusste, dass auch ihr Vater in diesem Krieg war, aber darüber wurde zu Hause nicht gesprochen.

Ihre Mummy machte ein finsteres Gesicht und scheuchte die beiden aus dem Flur und außer Hörweite. »Na los, worauf wartet ihr?«

Esther nahm Laura mit ins Kinderzimmer. Die Aufregung, die sie gepackt hatte, als sie gerade erst vor ein paar Stunden ihre Spielsachen in Szene gesetzt hatte, war wie weggeblasen, und ihre Gedanken kreisten nur mehr darum, was Margie gesagt hatte. Was passierte denn mit diesen armen Männern? Und warum sollte Mummy krank vor Sorge sein?

Die Spielsachen kamen ihr erst wieder in den Sinn, als sie Sophie sah, die bereits auf sie wartete und aufgeregt von einem Bein aufs andere hüpfte. Allerdings marschierte Laura schnurstracks an ihr vorbei, ohne die Sachen auch nur eines Blickes zu würdigen, setzte sich stattdessen ans Fenster auf einen der Holzstühle mit den hohen Lehnen und schlug wie eine Erwachsene die Beine übereinander. Sie sah gelangweilt aus und gleichzeitig wachsam, wie jemand, der auf einen Zug wartete.

»Willst du mit unserer Eule spielen?«, fragte Sophie, nahm das ausgestopfte Tier hoch und hielt es Laura für den Fall hin, dass sie es übersehen hätte.

»Ist die echt?«, fragte Laura und wich ein Stück zurück.

»Ja, die ist ausgestopft«, erklärte Sophie stolz. »Die hat Granny gehört, als sie noch klein war, in Schottland, und dann unserer Mummy, und jetzt gehört sie uns. Aber wenn du willst, darfst du damit spielen.«

»Igitt«, sagte Laura. »Nein.«

»Nein danke«, wies Sophie sie beleidigt zurecht. Mitsamt der Eule zog sie sich in die Zimmerecke zurück und strich dem Tier über die Federn. Offensichtlich hatte Lauras ungehobelte Reaktion sie verletzt.

Esther war klar, dass sie jetzt schleunigst etwas sagen musste. Sie war schließlich die Älteste, und das bedeutete, dass sie die Gastgeberin war. Sie sollte sagen, wo es langging. Aber sie war nervös, das Gerede über ihren Vater hatte sie verunsichert. Und diese selbstsichere Laura war alles andere als das schüchterne Meerschweinchen, mit dem sie gerechnet hatte.

Alles, was sie sich zurechtgelegt hatte, um sie zu unterhalten – ihre Sindy-Puppen, die neuesten Malbücher –, schien mit einem Mal kindisch und musste albern auf jemanden wirken, der Ohrstecker und eine Handtasche hatte.

Laura machte sich an dem Snoopy auf ihrer Handtasche zu schaffen. Ein Teil von Snoopys Schwanz war bereits lose, wenn man genau hinsah, aber das tat Esthers Bewunderung nicht den geringsten Abbruch. Die einzige Tasche, die sie selbst besaß, war der orangene Schulturnbeutel für ihren Badeanzug und das Handtuch. Auf der Rückseite stand ihr Name mit Edding geschrieben. Der Beutel war nicht annähernd so schön.

Esther schob sich an Laura vorbei und setzte sich auf den Stuhl neben ihr. »Bist du ein Snoopy-Fan?«

»Ich schätze schon«, antwortete Laura und zuckte mit den Schultern.

»Ich auf jeden Fall«, gab Esther in der Hoffnung zurück, die Tasche vielleicht kurz halten oder womöglich sogar eine Weile damit herumlaufen zu dürfen. Nur hier im Kinderzimmer, nicht draußen oder so. So etwas boten Freundinnen einander doch an. Aber Laura machte keinen Mucks, sondern sah sich lediglich um und nahm eine Sache nach der anderen in Augenschein, als würde sie gleich dieses Spiel spielen wollen, bei dem man die Augen schließen und dann all die Dinge aufzählen muss, an die man sich erinnert.

Für einen Moment betrachtete Esther ihr Zimmer mit Lauras Augen – und plötzlich war für sie der Zauber verflogen. Statt des Spielzeugkrankenhauses, das sie und Sophie unter dem Tisch gebaut hatten, sah sie nur noch einen Haufen alter, verschlissener Puppen, denen ein Arm oder ein Bein fehlte. Das Verbandszeug bestand grässlich augenfällig aus Klopapierfetzen und das Prinzessinnenschloss aus nichts weiter als ein paar Pappkartons, die sie mit Filzstiften bemalt hatten. Wenn man nicht wusste, dass es Efeu darstellen sollte, hätten die grünen Ranken auch das Gekritzel eines Kleinkinds sein können.

Irgendwann rutschte Laura von ihrem Stuhl, schlenderte doch noch auf den Spielzeughaufen zu und umkreiste ihn langsam.

In der Ecke neben dem Kaminsims tat Sophie, als wäre sie in eine Unterhaltung mit der Eule vertieft. Sie hielt sie leicht schräg neben ihren Kopf, sodass der Schnabel ihr Ohr berührte, und brach plötzlich in schallendes Gelächter aus, ohne dabei – genau wie Esther – Laura auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

»Ist das …? Soll das so was wie eine Barbie sein?«, fragte Laura und nahm eine Sindy in die Hand.

Sophie starrte erst Esther und dann wieder Laura an. Das hatte nicht so geklungen, als wäre Laura von dem Lieblingsspielzeug der beiden Schwestern so begeistert, wie sie es hätte sein sollen.

»Das ist eine Sindy«, erklärte Esther, trat neben Laura vor den Girl’s-World-Schminkkopf und nahm die zweite Puppe in die Hand. »Das da ist Patricia, und das hier ist Pauline. Sie sind Schwestern.«

»Wie wir«, ergänzte Sophie. »Wir sind auch Schwestern. Ich bin fünf.« In diesem Moment fiel Esther wieder ein, dass Laura keine Geschwister hatte. Vielleicht war es ja unhöflich von ihnen, das Thema anzuschneiden.

»Ich hab eine Disco-Barbie«, sagte Laura und setzte Patricia wieder neben den Schminkkopf, als hätte sie keine Verwendung mehr für sie. »Wenn man da den Rock abnimmt, hat sie darunter einen Gymnastikanzug an. Zum Tanzen.«

»Oh«, sagte Esther.

»Und ich hab einen Ken«, fuhr Laura fort, zupfte sich die Handtasche von der Schulter und fing an, darin herumzuwühlen.

»Was ist denn ein Ken?«

Für einen Moment sah Laura auf und verdrehte die Augen. »Das ist Barbies Freund.«

»Oh«, kam es erneut von Esther. Patricia und Pauline hatten keine Freunde. Esther wusste nicht mal, dass sie Freunde haben sollten.

»Ihr könnt damit mal spielen, wenn ihr wollt«, sagte Laura. »Wenn die Umzugskartons da sind, meine ich. Ich hab sie noch nicht hier.«

Esther schaffte es kaum, dieses unerwartete Freundschaftsangebot zu verarbeiten, als schon das nächste erfolgte.

»Willst du?«

»Ist das Kaugummi?«

»Bubblegum.« Und schon hatte Laura sich einen in den Mund gesteckt. Sie hielt Esther das Päckchen hin.

»Wir dürfen keinen Kaugummi kauen«, warf Sophie aus der Ecke ein. Aus Gründen, die sich Esther nicht erschlossen, wickelte die kleine Schwester die verschmähte Eule in ein Tuch aus dem Verkleidungskorb, sodass nur noch das Gesicht herausguckte.

»Natürlich dürfen wir«, sagte Esther schnell und griff zu. »Sophie weiß nicht, was sie redet. Außerdem ist das hier Bubblegum.«

Als sie das Bubblegum aus dem Papierchen gewickelt hatte, entpuppte es sich als weiches, pinkfarbenes Minikissen, das seitlich aufquoll, wenn man es mit den Fingern zusammendrückte. Es roch nach Shampoo oder Badeschaum, kein bisschen nach etwas Essbarem.

Sobald sie darauf herumkaute, schoss ihr der Speichel in den Mund, und sie musste andauernd schlucken. Laura schien dieses Problem nicht zu haben; stattdessen blies sie eine Kaugummiblase, die fast so groß war wie ihr Gesicht, und als die Blase platzte, grinste sie breit und stopfte sich die Fetzen einfach wieder in den Mund. Esther versuchte, es ihr nachzumachen, aber außer ein paar peinlichen Pupsgeräuschen brachte sie nichts Nennenswertes zustande.

Sie schob sich den Kaugummi hinter die Zähne, sodass sie Laura fragen konnte: »Ist das aus Amerika?«

Laura nickte. »Ein Hubba Bubba.«

»Hubba Bubba«, wiederholte Esther, als würde sie eine Fremdsprache lernen.

»Klingt witzig, wenn du das sagst.«

»Klingt witzig, wenn du das sagst«, entgegnete Esther schon nicht mehr ganz so scheu. »Du redest wie jemand aus einem Film.«

»Wie ein Star?«, fragte sie hoffnungsvoll und strahlte übers ganze Gesicht.

Esther nickte – nicht unbedingt, weil es wahr gewesen wäre, sondern weil sie Laura ansehen konnte, dass sie genau das hören wollte. Und weil Esther sich wünschte, dass Laura sie mochte.

»Mummy sagt immer, Kaugummi bleibt sieben Jahre lang in deinem Bauch.« Sophie war neben sie getreten und starrte das verbotene Päckchen an. »Sie sagt, das klebt einem die Innereien zusammen.«

»Wir schlucken es doch nicht runter«, sagte Laura und betrachtete über Sophies Schulter hinweg die eingewickelte Eule, die jetzt verlassen am Boden lag und die Füße mit den Klauen aus dem weißen Tuch streckte. »Hey, ist das E. T.?«

»Was?«, fragte Sophie empört, drehte sich um und starrte hinter sich.

Esther fing an zu lachen. Die Eule sah wirklich aus wie E. T. – genau wie in der Szene am Ende des Films, als er im Fahrradkorb saß. Mit dem kapuzenartigen Tuch über dem Kopf, sodass niemand die leuchtenden Augen oder den gelben Schnabel sehen konnte, hätte statt der Eule tatsächlich ebenso gut E. T. darin stecken können.

»Was ist daran so lustig?«, wollte Sophie wissen und stampfte mit dem Fuß auf.

»Kennt sie den Film gar nicht?«, fragte Laura.

»Sie durfte ihn nicht sehen«, erklärte Esther. »Dafür ist sie noch zu klein. Ich hab ihn mit Annabel und Louise gesehen, an meinem Geburtstag.«

»Ich wollte sowieso nicht mit«, wandte Sophie ein. »Kino ist bescheuert.«

»Jetzt weiß ich’s!«, rief Esther, die plötzlich einen Geistesblitz hatte. »Wir spielen E. T.! Die Eule ist E. T., und ich bin …«

»Nein, das geht nicht«, fiel Sophie ihr ins Wort. »Das will sie nicht. Das findet sie bescheuert.«

»Und ich find dich bescheuert«, gab Esther zurück.

Sophie lief knallrot an, und Esther befürchtete schon, dass sie gleich losheulen würde. Stattdessen machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte einfach aus dem Kinderzimmer.

»Das erzähl ich Mummy«, rief sie noch über die Schulter.

»Hast du ein Glück, dass du keine Schwester hast«, sagte Esther, doch Laura schien nicht mal mehr zuzuhören. Sie war an den Verkleidungskorb getreten und musterte ihn, als hätte sie ihn gerade erst bemerkt. Esther konnte ein komisches Kratzen hören, als Laura darum herumlief. Es klang genau wie King Alfred, wenn er aus seinem Käfig ausbrechen wollte, und erst als Laura direkt an ihr vorbeiging, begriff Esther, dass sie mit dem Fingernagel über das Weidengeflecht des Korbes fuhr.

»Das da könnte das Raumschiff sein«, überlegte Laura, nachdem ihr Rundgang sie bis an die Rückwand des Zimmers geführt hatte. »Wenn wir alles rausnehmen …«

Esther eilte zu ihr hinüber. Sie war jetzt schon atemlos angesichts der Idee, in ihrem Kinderzimmer ein echtes Raumschiff zu bauen. »Und hier könnten wir mit einer Taschenlampe durchleuchten«, sagte sie und zeigte auf ein Loch, wo früher mal ein Griff befestigt gewesen war, als der Verkleidungskorb noch für Picknicks benutzt wurde. »Für das Weltraumlicht. In der Kommode unter der Treppe hat Mummy eine Taschenlampe.«

Sie schaufelte Arm um Arm voller Kostüme aus dem Tragekorb auf den Boden, damit sie beide Platz darin hatten.

»Cool!«, rief Laura und legte ihre Snoopy-Tasche beiseite, um dabei zu helfen, das Raumschiff startklar zu machen. »Du kannst Elliott sein, und ich bin die Schwester, dieses kleine Mädchen …«

Überrascht hielt Esther inne. Laura war immerhin der Gast, und natürlich genossen Gäste immer alle möglichen Sonderrechte, die sie selbst nicht hatte – die besten Spielsachen, ohne darum kämpfen zu müssen, Orangenlimo statt Leitungswasser, Nachtisch, auch wenn man die Hauptspeise nicht fertig gegessen hatte. Aber in E. T. waren alle Jungs – es gab überhaupt nur ein einziges Mädchen, und E. T. zu spielen war Esthers Idee gewesen, deshalb sollte sie doch wohl das Mädchen sein dürfen, auch wenn Laura der Gast war.

»Gertie«, sagte sie. »Das Mädchen heißt Gertie.«

Nicht mal das hatte Laura noch gewusst. Es wäre einfach nicht fair gewesen, wenn sie das Mädchen hätte spielen dürfen, obwohl sie sich nicht einmal mehr an den Namen erinnern konnte.

»Genau«, sagte Laura, als wäre der Name kein bisschen wichtig. »Ich bin also Gertie.«

»Warum bist du nicht Elliott«, schlug Esther vor, häufte die Kostüme neben dem Tragekorb auf einen großen Stapel und versuchte, dabei so gleichgültig wie nur möglich auszusehen. »Du bist der Gast, also darfst du auch die Hauptfigur sein, und in E. T. ist Elliott die Hauptfigur.«

Laura ließ die Klamotten, die sie in der Hand gehalten hatte, einfach vor ihren Füßen auf den Boden fallen, anstatt sie auf den Haufen zu werfen, den sie angelegt hatten.

»Nein«, hielt sie dagegen und sah Esther mit einem Blick an, der verriet, dass sie sich nicht für dumm verkaufen ließ. »Das ist schon okay, spiel du Elliott. Es war immerhin deine Idee. Das kleine Mädchen ist echt süß, die spiel ich gern.«

»Aber deine Haare sind zu dunkel!« Esther konnte sich nicht länger zurückhalten. »Die sind schwarz, und Gerties Haare sind nicht schwarz!«

Mit einem solchen direkten Angriff hatte Laura nicht gerechnet. Ihr klappte die Kinnlade herunter, und sie kniff die Augen zusammen. »Deine Haare haben aber auch nicht die richtige Farbe. Deine sind einfach nur braun.« Und noch bevor Esther irgendetwas einwenden konnte, fuhr sie beinahe boshaft fort: »Elliotts Haare übrigens auch.«

Esther war an derlei Auseinandersetzungen nicht gewöhnt. An Diskussionen, die sie nicht im Handumdrehen für sich entschied. Wenn sie und Sophie miteinander stritten, ging es eher kurz und körperlich zur Sache – bis ihre Mummy ihnen ein Ende setzte. Und wenn jemand von ihnen etwas Schlaues von sich gab, dann war das Esther.

»Außerdem spielt die Haarfarbe doch keine Rolle, wenn wir schauspielern«, sagte Laura, die urplötzlich ihre Taktik geändert hatte. »Ich sollte Gertie spielen, weil ich aus Amerika komme, und sie ist auch aus Amerika.«

Das war ungerecht. Esther konnte schließlich nichts dafür, woher sie kam. Doch dann fiel ihr etwas ein. »Du bist doch gar nicht wirklich aus Amerika. Meine Mummy hat erzählt, dass du im selben Krankenhaus zur Welt gekommen bist wie ich.«

»Na und?«, sagte Laura – worauf man nicht allzu viel erwidern konnte. »Du redest nicht wie Gertie. Ich schon. Ich rede ganz genau wie sie.«

»Du redest auch genau wie Elliott«, gab Esther verzweifelt zurück.

Laura stemmte die Hände in die Hüften und sah sie fast schon furchteinflößend an, und das Schweigen und der finstere Blick waren schlimmer, als wenn sie irgendetwas gesagt hätte. Esthers Blick fiel auf die Eule, die hinter Laura auf dem Boden lag. Ohne E. T. würde es kein E. T. geben, ohne die Eule kein Spiel. Sie war im Vorteil. Also stürzte sie nach vorne und griff nach dem Tücherbündel.

»Ich hab E. T.!«, rief sie. »Er gehört mir!«

»Das ist nicht E. T.«, entgegnete Laura. »Das ist nur eine blöde Eule.«

»Das ist E. T., und deshalb bin ich auch Gertie, weil ich nämlich E. T. habe. So!«

»Du musst mit mir teilen«, rief Laura und wollte sich die Eule schnappen, griff daneben, erwischte aber das Tuch und zog so fest daran, dass Esther aus dem Gleichgewicht geriet.

Am Ende hielt Esther die Eule und Laura das Tuch in der Hand. Sie warf es zu Boden und stürzte sich mit einem wütenden Gesichtsausdruck auf Esther.

»Ich! Bin! Gertie!«, fauchte sie durch die zusammengebissenen Zähne. »Gib mir die Eule! Ich bin Gertie!«

Esther wich ein Stück zurück, hatte aber kaum zwei Schritte getan, als der Verkleidungskorb ihr den Rückzug versperrte. Laura erkannte, dass Esther in der Falle saß, und streckte sich erneut nach der Eule aus. Diesmal erwischte sie den Kopf, und Esther musste ihre Finger tief in den gefiederten Körper krallen, um sie festzuhalten. Die Klauen verfingen sich in ihrem Pullover, als wollte die Eule ebenso wenig zu Laura – als hätte sie für Esther Partei ergriffen.

Sie stemmte sich gegen den Verkleidungskorb und zog, so fest sie konnte – und dann endlich hörte sie ein befriedigendes Ploppen und spürte, wie Laura nachgab. Beinahe wäre sie rückwärts in den Korb gefallen, fing sich aber gerade noch und gab sich alle Mühe, ihre Beute nicht mehr loszulassen – jetzt, da sie gewonnen hatte, wäre es schrecklich gewesen, die Eule fallen zu lassen. Als sie jedoch siegesgewiss zu Laura hinüberblickte, begriff sie nicht sofort, was sie da vor sich sah.

Laura hatte die Augen weit aufgerissen, der Mund stand offen, und mit Entsetzen blickte sie hinab auf ihre Hände. Wie konnte das sein? Esther hielt die Eule fest, sie konnte sie in ihrem Arm spüren, der ausgestopfte Eulenkörper ruhte an ihrer Brust … und trotzdem starrten die schimmernden Glasaugen sie aus Lauras Händen an.

»Du hast ihr den Kopf abgerissen!«, schrie sie.

»Nein, du«, entgegnete Laura, wirkte dabei aber alles andere als selbstsicher. Sie sah aus, als würde sie den Kopf am liebsten so weit wie möglich wegschleudern.

Und mit einem Mal spürte Esther all die Enttäuschungen des Tages regelrecht in sich hochsprudeln. Das Gerede von ihrem Daddy, der so weit weg war. Die neue Freundin, die kein bisschen Freundin war. Das Spiel, das nicht mal richtig angefangen hatte, als es auch schon wieder schiefgegangen war. Ihre Wangen glühten, als sie merkte, wie ihr die Tränen, die sie die ganze Zeit über zurückgehalten hatte, jetzt in die Augen stiegen – und diesmal würde sie sie nicht zurückhalten können.

Angesichts von Esthers Tränen schaute Laura noch schockierter drein als beim Anblick des Eulenkopfs. »Hier, nimm ihn«, sagte sie und hielt ihn Esther hin.

»Sie ist kaputt«, wimmerte Esther. Ihr Kinn zitterte so heftig, dass ihre Worte wacklig klangen. »Mummy wird stinksauer auf mich!«

Mit dem Ärmel wischte sie sich über die Nase. Die Eule in ihrem Arm fühlte sich vor lauter Schuld bleischwer an. Als Laura versuchte, sie ihr abzunehmen, wehrte sie sich nicht.

»Guck mal«, sagte Laura, setzte sich auf den Boden und stellte die kopflose Eule zwischen ihren ausgestreckten Beinen ab, sodass die gekrümmten Klauen unter dem gefiederten Bauch fast nicht mehr zu sehen waren. »Guck, wir stecken den Kopf einfach wieder drauf, dann merkt das keiner.« Esther weigerte sich hinzusehen, doch Laura zupfte an ihrem Kleid. »Gib mir deinen Kaugummi.«

Erst da sah Esther, dass auf dem borstigen Pferdehaar im Eulenhals bereits ein kleines Häufchen pinkfarbenen Kaugummis klebte – exakt in der Mitte der Füllung. Das musste Lauras Hubba Bubba sein! Esther hätte ihr am liebsten gesagt, dass sie damit aufhören solle, sie mache es ja nur noch schlimmer. Aber ihr fiel einfach keine andere Lösung ein, um den Kopf wieder anzukleben, ohne dass Mummy es bemerken würde. Und nachdem sie keine andere Möglichkeit sah, zog auch sie sich den klebrigen Kaugummi aus dem Mund und drückte ihn gehorsam auf den von Laura.

Laura manövrierte den Kopf darauf und drehte ihn behutsam hin und her, um die richtige Position zu finden. Am Ende saß er leicht schief, sodass der Schnabel nicht wie zuvor exakt mittig saß. Esther ging neben ihr in die Hocke und rückte den Kopf noch ein Stückchen zurecht, sodass der Schnabel eine Linie mit dem blasseren Fleck auf der Eulenbrust bildete. Es sah fast wieder so aus wie vorher. Wenn man nicht wusste, dass um den Hals herum ein paar Federn fehlten und dass die drahtigen Füllhaare an einigen Stellen herauslugten, wo sie zuvor nicht herausgelugt hatten, bemerkte man die Veränderung nicht notwendigerweise.

»Wahrscheinlich wird ihr Kopf gleich abfallen«, sagte Esther, »wenn irgendjemand sie in die Hand nimmt …«

»Dann nimm sie halt nicht in die Hand«, entgegnete Laura, kam wieder auf die Füße und begutachtete ihr Werk. »So siehst du den Unterschied gar nicht. Sie sieht ganz genauso aus wie vorher.«

»Meine Mummy wird den Unterschied aber bemerken«, wandte Esther ein. »Die bemerkt immer alles.«

Laura seufzte. »Hast du E. T. nicht gesehen?«

Esther runzelte die Stirn. Wollte sie jetzt schon wieder davon anfangen, dass sie Gertie war? Ihr selbst konnte Gertie inzwischen gestohlen bleiben.

»Weißt du nicht mehr, wie E. T. im Haus war und die Mutter ihn nicht mal gesehen hat? Obwohl er direkt neben dem Kühlschrank stand?«

»Doch …«

»Erwachsene sehen solche Sachen nicht. Sie glauben, sie würden sie sehen, aber das stimmt überhaupt nicht. Solange sie nicht weiß, dass die Eule kaputtgegangen ist, wird sie sie doch nicht mal angucken.«

Esther dachte kurz darüber nach. Es stimmte wirklich, dass ihre Mutter manche Dinge nicht zur Kenntnis nahm. Wenn Sophie beispielsweise ein größeres Stück Kuchen bekam als sie, dann behauptete Mummy, dass sie beide exakt gleich große Stücke bekommen hätten. Oder wenn sie im Auto stritten, behauptete Mummy immer, es wäre ihr egal, wer damit angefangen hatte, auch wenn total klar war, dass Sophie es gewesen war. Vielleicht würden sie es tatsächlich vor ihr verheimlichen können. Zumindest lang genug, um dann behaupten zu können, sie hätten nichts damit zu tun.

»Die Eule sitzt normalerweise da oben«, sagte Esther und deutete zum Kaminsims hinauf, der ohne Hilfe für beide nicht zu erreichen war. »Vielleicht sieht sie es nicht, wenn sie nicht ganz nah rangeht.«

»Gut«, sagte Laura. Dann drehte sie sich zum Fenster um, griff nach dem Stuhl, auf dem sie anfangs gesessen hatte, zog ihn mit beiden Händen über den Teppich und stellte ihn vorsichtig ab, sodass alle vier Stuhlbeine, ohne zu wackeln, auf den alten Kaminkacheln standen. Dann kletterte sie auf die Sitzfläche und streckte die Hände aus. »Komm her, E. T.«, sagte sie. »Zeit, wieder ins Raumschiff zu steigen und heimzufliegen.«

Esther nahm die Eule hoch, stützte mit einer Hand den kaugummiverklebten Kopf ab und trug sie hinüber zu Laura. Gemeinsam hoben sie das Tier auf den Kaminsims und schoben es bis ganz nach hinten, sodass es nicht herunterfallen konnte. Der Kopf hatte ein bisschen gewackelt, als sie die Eule hochgehoben hatten, doch als er Esthers Einschätzung zufolge an die richtige Stelle gerückt war, presste Laura ihn noch mal fest an, damit er auch garantiert auf dem Körper kleben blieb.

Esther half Laura abzusteigen, und dann standen sie beide vor dem Kamin und blickten nach oben. Die Eule starrte mit ihren gläsernen Augen über ihre Köpfe hinweg, als würde sie in die Ferne blicken und sich fragen, wie es hierzu hatte kommen können – von den schottischen Wäldern hin zu einem mit Hubba Bubba angeklebten Kopf. Sie sah ganz genauso aus wie vorher, doch insgeheim war Esther übel bei der Vorstellung, dass es sich in Wahrheit anders verhielt.

»Was, wenn Mummy es doch herausfindet?«

»Wird sie nicht.«

»Aber was, wenn doch?«

Laura drehte sich zu ihr um und stemmte wieder die Hände in die Hüften. »Esther, außer uns hat niemand mitbekommen, was passiert ist. Ich erzähl es niemandem. Du vielleicht?«

Esther musste schwer schlucken. Natürlich würde sie es niemandem erzählen, aber was, wenn jemand sie beschuldigte – würde sie dann lügen können?

»Wir nehmen dieses Geheimnis mit ins Grab«, sagte Laura. »Hand aufs Herz.« Todernst und dramatisch wischte sie sich mit der Hand von einer Schulter zur anderen.

Esther ahnte, dass sie so was jetzt ebenfalls tun musste, also murmelte sie die gleichen Worte und vollführte die gleiche Geste und hoffte inständig, dass sie es richtig gemacht hatte. Freunde teilten nun einmal Geheimnisse, also würde sie das ebenfalls tun. Als Esthers Mummy kurze Zeit später kam, um sie zum Essen zu rufen, und sie anschließend unter dem Esstisch schuldbewusst einige Tritte austauschten, wussten sie, dass sie fürs Erste damit davongekommen waren.

Allerdings nahm Esther es nicht wirklich mit ins Grab.

Sie bewahrte das Geheimnis, bis sie zwölf war und ihre Mutter die Eule versehentlich vom Sims stieß, als sie Staub wischte. Da entdeckte sie nicht nur, dass der Kopf abgegangen war, sondern auch die verräterischen Kaugummihäufchen, die bewiesen, dass die Enthauptung alles andere als ein Unfall gewesen war.

Esther legte ein umfassendes Geständnis ab. Dass auch Laura in die Sache verwickelt gewesen war, verschwieg sie jedoch – immerhin hatte sie ihr Ehrenwort gegeben. Niemals würde sie das jemandem erzählen.

3

Oktober 2013

Jetzt ist Laura an der Reihe, mich zu ignorieren. Ich habe ihr vier E-Mails geschickt, zwei pro Tag, seit Margie mir erzählt hat, dass ihre Tochter abgetaucht ist. Keine Reaktion. Auch nicht auf die Nachrichten, die ich auf ihrer Mailbox hinterlassen habe. Fünf Tage Abwesenheit von der Arbeit wären doch nun wirklich keine große Sache, behauptet mein Mann, aber da täuscht er sich. Es ist eine ganze Woche. Und eine Woche ist eine ziemlich lange Zeit – die Zeit, die man theoretisch tot in irgendeinem Graben liegen kann.

Natürlich hat Margie die Polizei in Napa alarmiert. Ich wusste, dass sie es tun würde, und war insgeheim froh, dass sie noch vor mir einknickte. Auf diese Weise war ich abgesichert, ohne mir selbst die Blöße zu geben. Allerdings konnten sie dort angeblich nichts tun: Laura ist nun mal erwachsen und darf überallhin verschwinden, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Wenn es denn wirklich das ist, was sie getan hat.

Margie hat sogar Lauras Chef dazu gebracht, zu Lauras Wohnung zu fahren und dort nach Hinweisen zu suchen. Wie in einem Krimi. Angeblich war dort alles in bester Ordnung. Alles normal. Aber wie will dieser Typ denn wissen, was normal ist?, hat Margie gefragt, als sie mich angerufen hat, um zu erzählen, dass er entgegen ihren schlimmsten Befürchtungen keine verdächtigen Blutflecken am Boden und auch keine Einschusslöcher in den Wänden gefunden hat. Er kennt Laura nicht annähernd so gut wie wir, hat sie gesagt, und er würde doch gar nicht erkennen, was normal für sie ist und was nicht. Er würde nicht mal wissen, wonach er suchen soll.

Je länger Laura vermisst wird, umso überzeugter ist Margie: Du würdest wissen, wonach du suchen müsstest, sagt sie, und: Ich würde es wissen. Eine Mutter weiß so was. Ich bin mir da nicht ganz so sicher. Es gibt unter Garantie eine Menge Dinge, die sie als Mutter niemals mitbekommen hat – und nicht mal ich als Lauras Freundin –, aber ich bringe es nicht fertig, ihr zu widersprechen. Ich sehe Linus an, der gerade erst neun Monate auf der Welt ist und von dem ich alles weiß, was es zu wissen gibt, und ich frage mich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er eines Tages weg wäre. Angeblich nimmt die leidenschaftliche Intensität der Liebe einer Mutter für ihr Kind mit der Zeit ab – man lernt, auf Abstand zu gehen, und lässt es irgendeines Tages ziehen. Doch das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich weiß jetzt schon, dass es mich umbringen wird, ihn gehen zu lassen, und dieses Wissen hilft mir, Mitgefühl für Margie zu empfinden, selbst wenn sie komplett über die Stränge schlägt.

Und genau dieser Punkt war ziemlich schnell erreicht.

»Lass es«, sagte mein Mann, als er Margies Handynummer auf dem Display meines Handys sah. Es war einer jener seltenen Abende, an denen Linus schlief, wir hatten es sogar geschafft, gemeinsam zu Abend zu essen, und waren drauf und dran – ein Wunder! –, uns eine ganze Folge Breaking Bad anzusehen, ohne eine Pause einlegen zu müssen.

Dass Margie vom Handy aus anrief, war eigenartig. Laura hatte ihrer Mutter schon vor Jahren ein Handy gekauft, sogar die Rechnungen übernommen und mir für Notfälle die Nummer gegeben. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass Margie mich je vom Handy aus angerufen hätte. Sie telefonierte immer vom Festnetz, von der Küche aus, und war dabei in aller Regel auch allein, mal abgesehen von dem gelegentlichen dreibeinigen Igel oder halb blinden Jungfuchs, der neben ihrer Heizung die letzten Atemzüge aushauchte. Jedes Mal hofft sie, dass sie sie retten kann; es klappt allerdings nur selten.

Es war schlichtweg zu beunruhigend, dass sie mich ausgerechnet jetzt, da Laura verschwunden war, vom Handy aus anrufen sollte. Ich musste einfach rangehen. Und dann war plötzlich nicht Margie am Telefon, sondern eine Männerstimme, die über die Hintergrundgeräusche hinweg kaum zu verstehen war. Es klang, als wäre er irgendwo, wo es wahnsinnig geschäftig und laut zuging. Als er sich vorstellte, wurde im Hintergrund irgendetwas über Lautsprecher durchgesagt, sodass ich im Grunde nur ein aufdringliches Ding-Dong wie das einer Türklingel und dann die Worte »Gatwick Airport« hören konnte.

Dann fragte die Stimme: »Spreche ich mit Esther Conley?« In diesem Moment wusste ich, dass mit Margie alles in Ordnung war. Sie musste ihm das Handy gegeben und ihm aufgetragen haben, mich anzurufen – sie hat sich nie merken können, wie ich seit meiner Hochzeit heiße. Selbst wenn ich eines Tages alt und grau sein sollte, wird sie in mir immer nur den Teenager sehen, der in ihrer Küche mit Laura Toast gefuttert hat. Ich sagte Ja – warum sollte ich ihn auch korrigieren? – und fragte, was passiert sei.

Seine Antwort war noch schwieriger zu verstehen, nachdem direkt an meinem Ohr die Lautstärke des Fernsehers hochgedreht wurde – ein nicht eben dezenter Hinweis darauf, dass ich das Telefonat beenden sollte. Stattdessen stand ich auf und marschierte hinaus in den Flur. Margie sei am Flughafen aufgehalten worden, erklärte mir der Mann, als sie versucht habe, mit einem seit zwölf Jahren abgelaufenen Reisepass einen Flieger nach San Francisco zu besteigen. Als man sie am Gate abgewiesen habe, sei sie zusammengebrochen, weigere sich aber zu sagen, wo sie lebe, weil man sie dann ja nur wieder heimschicken werde. Und dann sagte der Mann am anderen Ende: Sie behauptet, es geht um Leben und Tod. Ist das wahr?

Bis zu diesem Augenblick war mein Mitgefühl eher passiver Natur gewesen. Ich war die Stimme am anderen Ende der Leitung gewesen, die hilfsbereite beste Freundin. Aber getan hatte ich bislang rein gar nichts. Ich hatte Margie die Last der Angst und Sorge alleine tragen lassen und mich selbst einfach nur zurückgelehnt und gehofft, dass alles sich von selbst in Wohlgefallen auflösen würde, während ich vom Spielfeldrand aus aufmunternde Kommentare rief.

Währenddessen war Lauras Mutter – die Hampshire seit einem Jahrzehnt nicht mehr verlassen hatte, die sich kaum je aus ihrem Dorf hinaustraute, die weder Auto fahren noch ins Internet gehen noch sich beizeiten daran erinnern konnte, einen neuen Pass zu beantragen – verzweifelt genug gewesen, um sich auf den Weg in die USA zu machen und nach ihrer Tochter zu suchen.

Selbstverständlich fuhr ich auf der Stelle los, um sie zu holen. Um diese Uhrzeit dauerte es nur ein paar Stunden. Ich nahm sie mit zu uns nach Hause, bezog das Gästebett, und anschließend hatten mein Mann und ich einen veritablen Ehekrach, der von der ersten bis zur letzten Silbe im Weck-bloß-das-Baby-nicht-auf-Flüsterton geführt wurde. So hitzig es auch zuging, war unsere Auseinandersetzung immer noch so leise, dass wir beide darüber – wie ein Radio, das irgendwo im Hintergrund vor sich hin dudelte – Margies ersticktes Schluchzen aus dem Gästezimmer hören konnten.

Ich denke, genau das führte dazu, dass mein Mann am Ende einlenkte. Und genau das ist auch der Grund, weshalb ich jetzt allein nach San Francisco fliege, um nach Laura zu suchen.

Noch während des Boardings denke ich die ganze Zeit, ich habe irgendwas vergessen. Meine Hände fühlen sich leer an, und meine Schultertasche ist beunruhigend leicht. Ohne die übliche Ladung aus Fläschchen, Windeln und Reiswaffeln fühlt es sich an, als würde sie jemand anderem gehören. Ich fühle mich wie jemand anderes. Ich habe angenommen, dass ich mich ohne Linus irgendwie in mein Vor-Baby-Ich zurückverwandeln würde, einfach zurückschnellen wie ein Gummiband: endlich wieder imstande, Zeitschriften im Flieger zu lesen, Filme zu gucken, ungestört zu essen. Aber so ist es nicht.

In meinem Geburtsvorbereitungskurs wurde herumgewitzelt, dass sie einem mitsamt dem neugeborenen Baby in seinem blauen Krankenhausdeckchen gleich auch ein riesiges Päckchen Schuldgefühle überreichen würden. »Ach, nein danke«, sagst du dann und lächelst das naive Lächeln der frisch gebackenen Mutter. »Für mich keine Schuldgefühle, nur das Baby, bitte.« Doch dann schüttelt die Krankenschwester den Kopf. Es handele sich um einen Zwei-zum-Preis-von-einem-Deal, aus dem man nicht mehr rauskommt. Seit Linus auf der Welt ist, habe ich angesichts der nichtigsten Dinge enorme, überwältigende Gewissensbisse verspürt: wegen der zu kratzigen Wolle seines Buggy-Deckchens an der zarten Wange; wegen des starken Kaffees, den ich nicht unmittelbar vor dem Stillen hätte trinken dürfen – ganz zu schweigen von den größeren Dingen. Aber nichts von alledem wiegt die Schuld auf, die ich empfinde, als das Flugzeug abhebt. Urplötzlich überkommt sie mich wie eine starke Übelkeit. Ich will von meinem Sitz aufspringen und fummle so hektisch an meinem Sicherheitsgurt, dass eine Flugbegleiterin kommen und mich zur Räson rufen muss.

Drei Tage, sage ich mir, während sie mir von ihrem Platz auf der anderen Seite des Mittelgangs aus böse Blicke zuwirft. Das war der Kompromiss. Ich habe Margie drei Tage und zwei Nächte für Laura versprochen und mir selbst eingeredet, dass Linus kaum die Zeit haben würde, mich zu vermissen. Wie sehr ich ihn vermissen würde, ist mir nicht klar gewesen.

Sobald wir in der Luft sind, schnalle ich mich ab und eile auf die Toilette. Ich setze mich auf den geschlossenen Klodeckel und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Es hilft nicht gerade, dass ich in einem fort an diese Geschichten denken muss, die man über gewisse Leute liest, die ihre Kinder mit zwei Tiefkühlpizzas und einer Flasche Fanta zu Hause zurücklassen, während sie selbst für eine Woche in den Urlaub fahren. Wenn man sein Baby in der Obhut des Vaters und der Großmutter lässt und nur Stunden nach der Abreise die nächste Lebensmittellieferung vom Supermarkt erwartet wird, zählt das doch nicht als Vernachlässigung? Es möge mir bitte jemand versichern, dass ich keine Rabenmutter bin.

Doch es hilft alles nichts – denn genauso fühle ich mich. Ich hätte das für niemanden sonst getan, nur für Laura. Immerhin hat sie in der Vergangenheit das Gleiche auch für mich getan.

Denn natürlich liegt unter der Schuld, die ich Linus gegenüber empfinde, noch eine tiefere, ältere Schicht einer Schuld gegenüber Laura. Sie mag zwar unter tausend jüngeren Mutterschuldgefühlen begraben sein, aber sie ist real und verbirgt sich dort schon seit so vielen Jahren, dass sie genauso sehr zu mir gehört wie meine Haarfarbe oder die Kontur meiner Nase. Man ist gewissermaßen verantwortlich für seine beste Freundin, selbst im Erwachsenenalter, und zwar erst recht, wenn sie niemand anderen hat.

Ich hätte wissen müssen, dass Laura niemals geradeheraus um Hilfe bitten würde. Das hat sie nur ein einziges Mal getan, als sie keine andere Wahl mehr hatte. Nein, bei Laura muss man zwischen den Zeilen lesen und die beiläufige, auf den ersten Blick unschuldige Bemerkung aufspüren, die verrät, dass sie Tausende von Meilen weit entfernt und ganz auf sich alleine gestellt mit irgendetwas hadert. Ich hätte bei der Erwähnung von Drew Barrymore auf der Stelle alarmiert sein müssen. Dann wieder waren Linus’ Bedürfnisse so gegenwärtig und so fordernd, dass ich Lauras Bedürfnisse als solche nicht erkannt habe, ehe es zu spät war. Sie ist immer fest davon überzeugt gewesen, dass sie sich auf mich verlassen kann. Trotzdem hab ich sie im Stich gelassen.

Plötzlich hämmert es an der Toilettentür, und mir wird schlagartig klar, dass ich schon viel zu lange hiersitze. Ich tupfe mein Gesicht mit Papiertüchern trocken und drücke noch den Knopf für die Klospülung, damit mein Besuch hier drinnen zumindest den Anschein erweckt, gerechtfertigt gewesen zu sein. Als ich die Tür aufziehe, hat sich dort schon eine Schlange gebildet. Ich blicke verlegen zu Boden und murmele Entschuldigungen vor mich hin, während ich mich auf dem Weg zu meinem Sitzplatz an den Leuten vorbeidrücke. Ich habe Angst, dass ich ausraste, wenn ich auch nur in ein einziges wütendes Gesicht sehe. Das Einzige, was noch schlimmer wäre, wäre ein mitleidiger Blick. Kaum habe ich mich wieder hingesetzt, kommt auch schon die Flugbegleiterin und erkundigt sich, ob alles in Ordnung sei. Ihr Gesichtsausdruck straft ihre freundlichen Worte Lügen. Zwischen ihren Augenbrauen verläuft eine harte Falte, die besagt, dass sie mich als Unruhestifterin verbucht hat. In ihrem Verantwortungsbereich diejenige Person, die am wahrscheinlichsten Ärger machen wird.

Am liebsten würde ich ihr ins Gesicht lachen, als mir durch den Kopf schießt, dass statt meiner um ein Haar Margie hier hätte sitzen können. Dann wüsste sie, was Ärger wirklich bedeutet. Stattdessen stimme ich ihr zu, dass ein Glas Wasser bestimmt helfen würde, ja danke, und lasse sie in dem Glauben, dass sie etwas Nützliches getan hat, um mich zu beruhigen. Der Geschäftsmann in grauem Anzug auf dem Platz neben mir schielt herüber und lächelt schief, als wolle er mir sagen: »Bitte, drehen Sie jetzt bloß nicht durch.« Statt zurückzulächeln, presse ich die Lippen zusammen, um ihm zu signalisieren, dass wir das Ganze auf die britische Art regeln und einander bis zu unserer Ankunft in Kalifornien höflichst ignorieren sollten.

Eigentlich will ich ihm erzählen, dass ich die Vernünftige bin – dass ich das schon immer gewesen bin. Nicht ich brauche die Hilfe von anderen. Ich bin diejenige, die die Scherben aufsammelt, wenn für andere alles in die Brüche geht. Und ist nicht genau das auch jetzt gerade wieder meine Aufgabe?

Nur dass ich mir diesmal nicht sicher bin, wo ich die Scherben finden soll.

Little Girl LostDer Weg eines Kinderstars in die Sucht – und wieder heraus von Drew Barrymore und Todd Gold, 19902

»Meinen ersten Drink hatte ich mit neun, meinen ersten Joint mit zehn, und mit zwölf fing ich an zu koksen.«

Drew Barrymore

2

4

Donnerstagnachmittags fuhr Esther nach der Schule nicht mit dem Bus nach Hause, sondern direkt zur Oboenstunde bei Miss Coombe und anschließend zu Laura, wo ihre Mum sie später abholte. Laura selbst sollte bis halb fünf vom Ballettunterricht zurück sein, um Esther hereinzulassen. Halb fünf hätte eigentlich gar kein Problem darstellen dürfen, weil die Ballettstunde um vier vorbei war und der Heimweg keine halbe Stunde dauerte.

Trotzdem saß Esther wie schon an den vergangenen drei Donnerstagen auch heute wieder um fünf Uhr auf den Stufen vor der Haustür und wartete. Das Haus der Thomas’ lag an einer viel befahrenen Straße und auch nicht hinter einer längeren Auffahrt verborgen wie Esthers Elternhaus. Jeder Passant konnte sie dort alleine sitzen sehen, und auch wenn sie diesmal bereits damit gerechnet und sich für den Fall der Fälle ein Buch aus der Bibliothek mitgenommen hatte, war es mittlerweile zu dunkel, um zu lesen. Sie fühlte sich wie ein Hund, der daheim auf sein Herrchen wartete und auf jeden Schritt lauschte – es konnte schließlich Laura sein.

Ein paar ältere Leute bedachten sie mit einem mitleidigen Lächeln, als sie zur Haustür emporsahen, wo Esther – für alle deutlich erkennbar – saß und wartete. Eine Frau mit einem Baby im Kinderwagen hielt sogar an und fragte, ob es ihr gut gehe. Peinlich berührt murmelte Esther, danke, es sei alles in Ordnung. Ein paar Mädchen in ihrem Alter, nur in den grünen Uniformen der Highschool am anderen Ende der Stadt, liefen kichernd an ihr vorbei, allerdings mochten sie genauso gut über irgendetwas anderes gekichert haben und nicht über Esther.

Wenn sie kleiner gewesen wäre, wie Laura, eine zartere, fast schon ätherischere Gestalt im Herbstlicht, dachte sie, hätte sie die Blicke der anderen nicht annähernd so leicht auf sich gezogen. Dann hätten die Passanten sie in der Dämmerung für einen schlankwüchsigen Setzling oder eine zierliche Gartenskulptur halten können.

Stattdessen war sie für jedermann deutlich erkennbar: erkennbar allein, erkennbar Esther. Selbst im Halbdunkel. Als sie eine Gruppe Jungen in Portsdown-Schulblazern näher schlendern sah – die gleiche Uniform, die auch sie selbst trug –, zog Esther den Kopf ein und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie sie nicht entdecken würden. Vergebens.

»Hey, Fester, Fette Esther! Was machst du denn da?«

»Hat man dich ausgesperrt? Zu fett, um durch die Tür zu passen, was, Fester?«

Darren Brentwood hatte in der Mittelstufe damit angefangen. Ein paar größere Jungs hinten im Bioraum, wo auch ihr Platz gewesen war, hatten ihn gehänselt: »Bück dich, Bückwood! Hey, bist du’n Bückling?« Esther war stellvertretend für Darren vor Scham dunkelrot angelaufen – und vor Schuld, weil sie sich nicht getraut hatte einzugreifen. Sie hatte kurz darüber nachgedacht, den Lehrer dazuzurufen, aber Mr. McDonald war für alles außer den Sicherheitsanweisungen für den Einsatz des Bunsenbrenners, die er gerade mit Kreide an die Tafel schrieb, vollkommen unempfänglich gewesen.

Sie war schon in der Grundschule mit Darren in dieselbe Klasse gegangen und hatte ihn zu ihren Kindergeburtstagen eingeladen, seit sie sechs Jahre alt gewesen waren. Flüchtig warf sie ihm einen mitfühlenden Blick zu, um ihm zu signalisieren, dass er nicht allein dastand. Doch im Gegenzug grinste Darren, der ihre Schwäche messerscharf erkannt hatte, und sagte so laut, dass jeder es hören konnte: »Na ja, immerhin bin ich keine Fette Fester.«

Selbst Mr. McDonald drehte sich zu ihnen um. »Es reicht«, sagte er, aber da war es schon zu spät.

Sie war nicht einmal wirklich fett, also nicht Guinness-Buch der Rekorde-fett. Sie war einfach nur kräftiger als die anderen Mädchen, gerade mopsig genug, dass der Name an ihr haften blieb.

»Hey, Fettbombe. Willste Pommes?«