Wertschätzende Organisationsentwicklung - Reinhold Pabst - E-Book

Wertschätzende Organisationsentwicklung E-Book

Reinhold Pabst

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Beschreibung

In ihrem Buch beschreiben die Autoren die Grundlagen von Organisationsentwicklungsprozessen und Gestaltungsmöglichkeiten. Methodisch basiert das Buch auf dem "Appreciative Inquiry" Ansatz für Wertschätzende Organisationsentwicklung. Die angebotenen Werkzeuge zielen auf Lösungsfokussierung und Ressourcenaktivierung bei gleichzeitiger Wertschätzung dessen, was gut funktioniert. Im Buch beschreiben die Autoren zunächst die Grundlagen der Organisationsentwicklung, indem sie wichtige Begriffe kurz erläutern und visualisieren. Außerdem finden sich einige Storytelling-Elemente zur Vermittlung der Inhalte und einen ausgeprägten Serviceteil mit Stimmen aus der Praxis. Weitergehend bringen die vier Autoren, ihre eigene angewandte Erfahrung aus verschiedenen Organisationsentwicklungsprojekten mit ein. Die Organisationsentwicklungsmethode "Appreciative Inquiry (AI)" bzw. Wertschätzende Erkundung ist ein positiver Ansatz für Transformationsprozesse. Er verändert die Blickweise von der Herausforderung oder Problemsituation auf die Lösungsfokussierung und Ressourcenaktivierung. Der 5D-Zyklus von "Appreciative Inquiry" (Define, Discover, Dream, Design, Deliver) gibt die Struktur für die Werkzeuge, die in diesem Buch vorgestellt werden, vor. Für jede der fünf Prozessphasen stellen die vier Autoren ihre erprobten Lieblingstools vor. Sie bieten dem Anwender einen schnellen und unmittelbaren Einstieg in die praktische Umsetzung. Im abschließenden Kapitel bieten die Autoren die Herangehensweisen und Lösungsansätze für verschiedene Anlässe von Organisationsentwicklungsprojekten.

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Seitenzahl: 417

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Check-in Check-in

Bevor es losgeht

# Geschlechterbewusster Sprachgebrauch

# Verständlichkeit

# Querlesen und Querdenken

Über uns

# Willkommen

Einleitung

#Anspruch des Buchs

#Herausforderungen

# Die Acht Wirkprinzipien Wertschätzender Organisationsentwicklung

#Aufbau des Buches

# Konzepte Konzepte der Wertschätzenden Organisationsentwicklung

Haltung

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße:

Handeln

Reflexion

Lernende Organisation

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Positive Psychologie

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Potenzialentfaltung

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Gewaltfreie Kommunikation

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

New Work

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Liberating Structures (LS)

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Theorie U

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Handeln

Reflexion

Systemische Organisationsberatung

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Lösungsorientiertes Coaching

Wozu?

Wesentlichen Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Storytelling

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Design Thinking

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

Appreciative Inquiry

Wozu?

Wesentliche Bausteine

Gedankenanstöße

Handeln

Reflexion

# Tools für den erfolgreichen Wandel Tools für den erfolgreichen Wandel

Lagerfeuerambiente

Motivation

Methodik

Reflexion

Betriebssystem-Check

Motivation

Methodik

Ablauf (60 min)

Reflexion

Transformation Spot Map

Motivation

Methodik

Ablauf (3 bis 4 Stunden)

Reflexion

Werte-Arbeit in Teams

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Mein wichtigstes Ziel

Wie wir unser persönliches Entwicklungsziel definieren

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Wertschätzendes Interview

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Eigene Welt, fremde Welt

Motivation

Methodik

Ablauf (ca. 2 h)

Hinweis zur Gruppengröße

Reflexion

Persona Interna & Self Service GmbH

Motivation

Methodik

Ablauf (ca. 1 bis 2 Stunden)

Reflexion

Strength Opportunities Aspirations Results (SOAR)

Motivation

Methodik

Ablauf (ca. 2 bis 3 Stunden)

Reflexion

Ressourcen-Mindmap

Motivation

Methodik

Ablauf (30min+)

Reflexion

Interview − Zurück in die Zukunft

Motivation

Methodik

Ablauf (ca. 3 Stunden)

Reflexion

Helden- und andere Organisationsgeschichten

Motivation

Methodik

Ablauf (ab 30 min)

Reflexion

Der Story-Teppich

Motivation

Methodik

Ablauf (4 Stunden+)

Reflexion

Fragenschwall

Motivation

Methodik

Ablauf (30 min)

Reflexion

Wish Outcome Obstacle Plan (WOOP)

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Design Sprint Workshop

Motivation

Methodik

Ablauf (30 min)

Reflexion

Wellen der Innovation

Motivation

Methodik

Ablauf (Ab 120 min)

Reflexion

Strategieknoten

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Prototyping − Challenge

Motivation

Methodik

Ablauf (ab 3 Stunden)

Reflexion

Working out Loud

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Objectives and Key-Results (OKR)

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Weitersegeln − die Retrospektive mit dem Schiff

Motivation

Methodik

Ablauf (60 min)

Reflexion

Kanban

Motivation

Methodik

Ablauf

Reflexion

Improv Prototyping

Motivation

Methodik

Ablauf (35 bis 90 min)

Reflexion

# Formate Formate der Zusammenarbeit für eine Wertschätzende Organisationsentwicklung

Wie können wir zusammenkommen und kollektiv intelligenter werden?

Etablierung der Zusammenarbeit in iterativen Lernkreisläufen

Miteinander Würfel(n) − Variante 1

Würfelgestalter − Variante 2

Würfel 1 − Sechs Arten, Wertschätzung zu zeigen:

Würfel 2 − Sechs Orte, Wertschätzung zu zeigen:

# Check-out Check-out

#Blitzlichtrunde

Wahrnehmung aus der Vergangenheit

Gegenwärtiges Verständnis für eine Wertschätzende Organisationsentwicklung

Unsere Zukunftsbilder & Vision

#Der eigene Anspruch

#Der nächste Schritt

#Wertschätzung

#Weiterführende Materialien

Literaturverzeichnis

Endbenutzer-Lizenzvereinbarung

Orientierungspunkte

Cover

Inhaltsverzeichnis

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Bevor es losgeht

Über uns

Einleitung

Begin Reading

Literaturverzeichnis

Endbenutzer-Lizenzvereinbarung

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Reinhold Pabst

David Schneider

Michael Soszynski

Marian Kujau

Wertschätzende Organisationsentwicklung

Zukunft gemeinsam gestalten – Tools für den erfolgreichen Wandel

Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2021 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Boschstr. 12, 69469 Weinheim, Germany

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses

Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.

Print ISBN: 978-3-527-51050-4

ePub ISBN: 978-3-527-83275-0

Umschlaggestaltung: Susan Bauer Design, Mannheim

Satz: Isolde Kommer, Großerlach

Druck und Bindung:XXXXXXXXXXX

Gedruckt auf säurefreiem Papier

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Vorwort

Wir sind in einer Ära angekommen, die geprägt ist durch einen exponentiell zunehmenden Wandel sowie unkalkulierbare Turbulenzen. In dieser Situation werden wir als Individuen, Institutionen und auch als Gesellschaft mit Verwerfungen, Problemen und Herausforderungen konfrontiert, die latent bereits vorhanden waren, die nun aber deutlich zu Tage treten.

Wirtschaftliche Unternehmen, staatliche Institutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen stehen vor der Aufgabe, ihre Betriebssysteme für das 21. Jahrhundert fit zu machen. Traditionelle Muster einer schrittweisen und sorgfältig geplanten Gestaltung von Change-Prozessen greifen nicht mehr. Heute haben wir es mit einem Wandel zu tun, der einen kontinuierlichen Charakter aufweist. Diese Transformation geht sowohl über die Optimierung bisheriger Praxis, als auch ein operatives Krisenmanagement hinaus. Um radikale schmerzhafte Umstrukturierungen zu vermeiden, kommt es darauf an, die Transformationen als kontinuierliche Selbsterneuerung anzulegen.

Eine Selbsterneuerung setzt eine Steigerung der Lernfähigkeit auf allen Ebenen der Organisation voraus, damit sich ein System mit hinreichenden Impulsen für einen stetigen Wandel ausstatten kann und so den eigenen Fortbestand sichert. Wird Organisationsentwicklung als kontinuierliche Selbsterneuerung verstanden, so ist dies ein Ausdruck dafür, dass alle Mitglieder der Organisation sowohl im als auch am System selbst arbeiten und Verantwortung für die organisationalen Veränderungsprozesse übernehmen. Sie sind nicht lediglich Teilnehmer, sondern stets Teilhaber dieses Prozesses, die Ownership übernehmen.

Zu dem Wandel, dessen Teil wir sind, gehört ganz entscheidend auch die Enthierarchisierung von Organisationen und Institutionen. Es gilt Abschied zu nehmen von Command und Control. Die gestiegene Komplexität, die Notwendigkeit, aus der Ferne zu führen und die Verlagerung der Steuerungsintelligenz in Netzwerke befördern die Einsicht, das Verhältnis von Führungskräften und Mitarbeitenden neu zu justieren. Führungsarbeit hat künftig mehr mit Navigieren als mit Steuern zu tun: Das Ermöglichen steht dabei im Mittelpunkt. Dies meint, Räume zu öffnen, Chancen zu schaffen, Unterstützung anzubieten, damit sich Mitarbeitende weitgehend selbst organisieren können. In einer derart veränderten Organisationskultur begegnen die Führungskräfte ihren Mitarbeitenden auf Augenhöhe und aus einer ethisch reflektierten und wertschätzenden Haltung. Der Fokus liegt auf der Entfaltung von Potenzialen bei Individuen, Teams und der Organisation. Wertschöpfung gilt es über Wertschätzung zu realisieren.

Entwicklungs- und Veränderungsprozesse auf individueller, teambezogener oder organisationaler Ebene lassen sich nicht steuern, sondern lediglich absichtsvoll gestalten; dies wird durch einen wertschätzenden Dialog erst möglich. Die hierin zum Ausdruck kommende Haltung ist von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit von gemeinsam intendierten Interventionen. Durch die Wertschätzung entstehen Räume und Orte für Vertrauen, in denen sich Selbstreflexion erst entfalten kann.

Die wertschätzende Organisationsentwicklung kennzeichnet der Dreiklang von Haltung als positiver Kraft, Handlung als experimenteller Erkundung und Problembewusstsein als Verständnis für die Anerkennung von Komplexität und Multiperspektivität. Sie startet mit einer wertschätzenden Befragung, der die Annahme zugrunde liegt, dass ein soziales System über ein zum Teil verborgenes Tiefenwissen zur optimalen Organisationsgestaltung verfügt. Damit wird ein kreatives Feld geschaffen, in dem Visionen für eine künftige Entwicklung in einem gemeinsamen Prozess generiert werden, die es anschließend in der Umsetzung zu begleiten gilt. Die von den Autoren vorgestellten Tools für den erfolgreichen Wandel folgen dem fünfstufigen Appreciative-Inquiry-Prozess. Durch zugewandte, öffnende Fragen und ein aktives Zuhören als mächtige Werkzeuge können die Voraussetzungen und Bedingungen dafür geschaffen werden, eine professionelle Nähe im Sinne einer Level-2-Beziehung herzustellen.

Wertschätzung rückt die Potenziale in den Fokus der Betrachtung und eröffnet Chancen für das Zusammenspiel von Transformation und Reflexion, das Transflexing. Ziel ist es dabei, neue Handlungsoptionen zu ermöglichen. Wertschätzung bereitet den Boden, auf dem innovative Lösungen gedeihen. Die Potenzialentwicklungskultur steht für einen Wertewandel: weg von den treibenden Kräften Macht, Wettbewerb, Konkurrenz, Spezialisierung und Egozentrismus, hin zu Kooperation, Kreativität und sozialer Resonanz.

Die Kunst der stetigen Neuerfindung erfordert eine strategische Planung auch in der VUKA-Welt. Da die traditionellen Methoden auf managementgesteuerte Hierarchien ausgelegt sind, bedarf es neuer Ansätze, die dialogisch, partizipativ reflexiv und integrativ angelegt sind. Diese werden in ihrer Vielfalt hier vorgestellt. Mit dem inkrementellen und iterativen Vorgehen wird dabei berücksichtigt, dass die Phasen von Entwicklung und Umsetzung einer Strategie nicht mehr sequentiell getrennt werden können, sondern zusammenfallen. Es kommt darauf an, stärker experimentell vorzugehen, neues auszuprobieren, unmittelbar Feedback einzuholen und Evaluationsprozesse formativ anzulegen. Voraussetzung hierfür ist eine Fehlerkultur, die frühes Scheitern als Lernchance zulässt und begrüßt. Dass hierbei auch der Spaß nicht zu kurz kommt und spielerische Elemente berücksichtigt werden, belegen die vorgestellten Tools nachdrücklich.

Wertschätzende Organisationsentwicklung ist ein ganzheitlicher Prozess, der die gleichzeitige Entwicklung aller Organisationsmitglieder auf individueller Ebene, der Ebene der Teams und der des gesamten Systems als lernende Organisation umfasst. Deshalb gilt es, die gegenseitigen Wechselwirkungen von Personal- und Organisationsentwicklung in einer systemischen Perspektive in den Blick zu nehmen und als Einheit zu denken. Die Werkzeuge ermöglichen eine lernförmig angelegte Wissensproduktion mit verschiedenen Formaten auf unterschiedlichen Ebenen. Menschen, die Organisationen darin unterstützen, ihren Entwicklungsprozess aktiv zu gestalten, sind herausgefordert, in einem dialogischen Prozess − zusammen mit den Organisationsmitgliedern − passende Formate für die Zusammenarbeit zu entwickeln. Wie dies auf eine kreative und spielerische Art und Weise erfolgen kann, dafür liefern die Autoren innovative Vorschläge, die dazu einladen, Neues auszuprobieren.

Die Gespräche mit den Vordenkerinnen, Meinungsführerinnen und Transformationsgestalterinnen machen nachdrücklich deutlich, dass das wechselseitige Vertrauen unter den Angehörigen der Organisation, das Vertrauen in die teilhabenden Mitarbeitenden seitens der Führungskräfte, sowie das Vertrauen in die Entwicklungspotenziale der Menschen die Basis für eine wertschätzende Organisationsentwicklung bilden. Auf diese Weise kann Offenheit, Zutrauen und Wertschätzung gedeihen. Stehen zusätzlich noch Räume für Dialog, Reflexion und Experiment zur Verfügung, so können die agilen Methoden ihre Wirkung entfalten. Die Diversität der Perspektiven und die Verständigung über zugrunde liegende Werte tragen mit dazu bei, dass bei den Teilhabenden ein Kohärenzgefühl entstehen kann, das die Aspekte der Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit umfasst. Auf diese Weise kann es gelingen, eine Passung zwischen dem, was dem Einzelnen wichtig ist und dem, was die Organisation erwartet, herzustellen und so einen Beitrag zu gemeinsamem Wachstum und Transformation zu leisten.

Die in diesem Buch versammelten Ansätze, Konzepte, Methoden, Formate und Erfahrungen zeigen, dass beim Aufbau eines zukunftsfähigen Betriebssystems von Unternehmen, Organisationen und Institutionen die Arbeit an der äußeren Architektur und die Arbeit an der eigenen inneren Haltung Hand in Hand gehen. Die mit dem Konzept der New Work verbundenen Erwartungen und Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der Arbeitswelt werden sich nur dann erfüllen, wenn beide Aspekte ineinandergreifen. Wie dies in einem Wechselspiel aus theoretischer Reflexion und praktischem Tun geschehen kann, dafür werden hier wichtige Hinweise gegeben. Alle, die dieses Buch lesen, sind eingeladen, die vorgestellten Werkzeuge anzuwenden, fortzuentwickeln und die gemachten Erfahrungen zu teilen.

Jena, im August 2020

Prof. Dr. Erich Schäfer

Check-inCheck-in

Warum sollte ich dieses Buch lesen?

Was erwartet mich in diesem Buch?

Aus welchem Kontext heraus ist dieses Buch entstanden?

Was sind die grundlegenden Wirkprinzipien einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung?

Bevor es losgeht

# Geschlechterbewusster Sprachgebrauch

Nach reichlicher Überlegung haben wir uns im Interesse der Lesbarkeit dafür entschieden, die in der deutschen Sprache übliche männliche Form zu verwenden. Diesbezügliche Formulierungen beziehen sich selbstverständlich auf alle Geschlechter.

# Verständlichkeit

Wir möchten die Inhalte des Buches allen Lerninteressierten leicht zugänglich machen. Wo es Sinn macht, versuchen wir Begrifflichkeiten und Konzepte auf Deutsch darzulegen. Für englische Lehnwörter und teilweise nicht sofort erschließbare Begrifflichkeiten haben wir ein Glossar der wichtigsten Begriffe zusammengestellt, welches Sie auf unserer Website finden.

# Querlesen und Querdenken

Nach unserem Verständnis der Organisationsentwicklung gibt es keinen Anfang und kein Ende. Entwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess. In diesem Bewusstsein haben wir das Buch so aufgebaut, dass Sie in jedem Kapitel querlesen können, je nach bevorzugter Rezeptionsart. Die vorgestellten Konzepte sind komplementär. Sie können also gerne durchblättern, hängenbleiben und bei Interesse tiefer einsteigen. Die Illustrationen geben einen schnellen Einblick. Wir laden Sie dazu ein, zu stöbern, Neues zu entdecken, die Tools auszuprobieren, neue Formate zu würfeln oder mit uns in den Dialog zu treten.

Weiterführende Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf unserer Webseite:

www.wertschaetzende-organisationsentwicklung.de

Über uns

# Willkommen

Wir, die Autoren, begrüßen Sie herzlich und freuen uns, dass dieses Buch den Weg in Ihre Hände gefunden hat. An dieser Stelle möchten wir uns kurz vorstellen und einen Eindruck über unsere Hintergründe und unser Anliegen mit diesem Buch vermitteln.

Wir sind systemische Organisationsberater und Coaches mit jeweils anderem fachspezifischen Berufskontext. Berufsbegleitend haben wir gemeinsam den Masterstudiengang „Coaching und Führung“ an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena von 2018 bis 2020 absolviert. In diesem Rahmen haben wir uns kennen und wertschätzen gelernt. Die Quintessenz unseres Tuns ist, dass wir gemeinsam mehr erreichen als alleine!

Dr. Reinhold Pabst: Ich arbeite im Stab des wissenschaftlichen Direktoriums am Fraunhofer IOF in Jena als Strategie- und Innovationsberater & Coach. In diesem Arbeitsverhältnis leite ich das Innovationsforschungsprogramm der Allianz „3Dsensation“ und das Führungskräfteentwicklungsprogramm „Photonics Manager“. Dort bin ich als Forscher im Bereich Open Innovation und als Referent in den Modulen Wertschätzende Führung und Wertschätzende Organisationsentwicklung tätig. Weiterhin unterstütze ich als Manager der „New Work Initiative“ den Weg des Instituts in eine flexiblere Arbeitswelt. Im Rahmen meiner freiberuflichen Tätigkeit begleite ich als selbständiger Business Coach, Design Thinking Facilitator und systemischer Organisationsberater Menschen, Teams und Organisationen in Change-Prozessen und Entwicklungsfragen.

Mein Anliegen ist es, Menschen in die eigene Kraft zu bringen. Dazu initiiere ich interdisziplinäre Formate zur Zusammenarbeit, die Teamarbeit in Gang bringen und in Schwung halten.

Mein Tipp als wertschätzender Organisationsentwickler: Den Fokus auf das Positive zu richten ist eine Perspektive, welche viel Energie freisetzt. Anstelle zu zerreden, warum etwas nicht funktionieren kann, sollten wir lieber in kleinen Schritten ausprobieren und lernen. Der Moment, wenn wir ins Tun kommen, ist magisch.

David Schneider: Ich bin Berater und Coach mit den Schwerpunkten Organisations- und Prozessentwicklung. Für eine mittelständische Werbeagentur leite ich als Geschäftsführer den Wandel vom klassischen „Geführt-Werden“ hin zur selbststeuernden Wertegemeinschaft. Ich bin also mittendrin im Prozess. Mit meinen Erfahrungen als Gründer vereine ich in meinen Beratungsformaten unternehmerisches Handeln mit werteorientierter Kulturförderung.

Mein Anliegen sind das Erforschen und Hervorbringen sinnstiftender Arbeitswelten, indem wir den Begriff „Arbeit“ neu denken und unsere bisherigen Glaubensansätze hinterfragen. Was wollen wir wirklich? Wir haben die Wahl selbst zu entscheiden, wie wir Arbeit interpretieren. Sie kann mehr sein als das Erreichen klassisch ökonomischer Ziele. Mit dieser Motivation unterstütze ich Menschen bei der Identifikation, Entwicklung und Durchführung der nötigen (inneren und äußeren) Veränderungen.

Mein Tipp als wertschätzender Organisationsentwickler: Ruhe bewahren und auf die inneren (Veränderungs-)Prozesse von Teams vertrauen. Als Organisationsentwickler können wir nur temporär Andersartigkeit erlebbar machen und inspirative Interventionen wagen. Die eigentliche Veränderung geschieht allerdings im Miteinander und auch erst mit der Zeit. Geduld ist gefragt. Denn ist der Samen in nur einem Kopf gepflanzt, dann vollzieht sich der Wandel „zwischen den Nasen“ von ganz alleine.

Michael Soszynski: Durch meine langjährige Arbeit in verschiedenen Schlüsselpositionen im Management des Generali-Vertriebes habe ich mir fundierte Erfahrungen als zentraler Mittler zwischen langfristiger Strategie, systematischer Organisation und operativer Implementierung angeeignet. Als Schema-Coach (Berliner Modell) und Berater arbeite ich in der Implementierung von Veränderungsprozessen mit den Beteiligten an gruppendynamischen Prozessen und mentalen Modellen zur Auflösung von Wandlungsbarrieren.

Mein Anliegen ist es, Schülern digitale Bildungsangebote zu ermöglichen. Durch das ehrenamtliche Engagement unseres 3D-Solar-Dorfes Kettmannshausen e.V. begegnen Schüler schon ab der dritten Klasse MINT als Erlebniswelt in einer für sie unentdeckten Dimension des Lernens im Projektunterricht.

Mein Tipp als wertschätzender Organisationsentwickler: „Denken ohne Geländer.“ (Hannah Ahrendt) Veränderung wird zur Gewohnheit, in allen Lebensbereichen. Das heißt für mich: Positive Beispiele dafür an einzelnen Stellen zu schaffen. (Lern)Erfahrungen in Gemeinschaften zu ermöglichen. Die Teilhabe jedes Einzelnen. Verantwortung zu übernehmen, mit Leidenschaft. Und auch: sich selbst in Niederlagen treu zu bleiben.

Dr. Marian Joachim Kujau: Meine Welt ist eine hochinspirierende Interaktion aus angewandter Forschung, pharmazeutischer Entwicklung, vielen Kundenprojekten, starkem Firmenwachstum, Lehre, Beratung und systemischem Coaching. Ich begleite in der Pharma-Biotechnologie-Branche seit über 20 Jahren die international agierende Wacker Biotech GmbH in verschiedenen Positionen als Manager über alle Wachstums- und Wandlungsphasen. Ein Schwerpunkt liegt in der Implementierung komplexer neuer Projekte und Technologien in die Firmenprozesse bei laufendem Kundengeschäft und fortwährender Firmenveränderung. Parallel unterstütze ich die Ernst-Abbe-Hochschule Jena als Dozent im Masterstudiengang „Pharma-Biotechnologie“ und engagiere mich privat in der Förderung behinderter Kinder.

Mein Anliegen ist die Begleitung von Menschen in Veränderungsprozessen in Unternehmen − vom agilen bis zum hochregulierten Umfeld − und in ihrer persönlichen Entwicklung. Zuhören, Fragen stellen, Neugier wecken und Ermutigen, zu allem, was noch möglich und positiv (quer)denkbar wäre − auch für mich selbst in eigener stetiger Weiterentwicklung.

Mein Tipp als wertschätzender Organisationsentwickler: Im Kleinen wie Großen aktiv Bedingungen im Unternehmen schaffen, wo Mitarbeitende ihre Selbstwirksamkeit im Team erleben und über sich hinauswachsen können. Beispielsweise „bewahrende“ Erfahrungsträger und neue „In-Frage-Steller“ gemeinsam im geschützten Rahmen einfach mal machen und ausprobieren lassen. Die Motivation zur Lösungsfindung ist intrinsisch. Erzielte und wertgeschätzte Ergebnisse erzeugen ein „Mehr-davon“, wirken ansteckend in die Organisation hinein.

Einleitung

#Anspruch des Buchs

Neun Aspekte, denen wir im Buch gerecht werden wollen:

Wir sind optimistisch und haben den gleichfalls positiven Ansatz einer dialogischen Organisationsentwicklung mittels „Appreciative Inquiry“ ins Herz geschlossen.

Wir möchten den Leser einbeziehen und seine Reflexion anregen.

Wir versuchen, Ihnen unsere Erfahrungen möglichst konkret und kontextspezifisch zu vermitteln.

Dieses Buch ist ein Bündel von Erfahrungen über Dinge, welche wir in unserem Berufsalltag als sinnvoll und relevant für eine Wertschätzende Organisationsentwicklung entdeckt haben.

Zufriedenes Leben (Egal welches!) steht im Mittelpunkt. Letztendlich bilden wir Organisationen, um uns gegenseitig glücklicher zu machen. Nutzen wir das!

Wir verstehen Wertschätzende Organisationsentwicklung als einen unendlichen und iterativen Prozess. Die vorgestellten Konzepte und Werkzeuge eignen sich für die kontinuierliche Entwicklung des Ichs, von Teams oder der Organisation.

Das Buch ist eine Ermutigung dafür, den ersten oder nächsten Schritt zu gehen. Selbst kleine, konkrete Schritte setzen Aktivitäten in Gang und bewirken viel Zwischenmenschliches. Das bedeutet, wir sind Antreiber von Dynamiken in unseren persönlichen Netzwerken. Machen wir uns das bewusst.

Wir ermutigen, einfach ein paar von den vorgestellten Praktiken auszuprobieren. Alles Weitere entwickelt sich. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe. Wir können nicht sagen, welches Werkzeug bei Ihnen welche Veränderung auslöst. Wir können nur zeigen, was sich für uns bewährt hat. Dafür haben wir einiges an Material für Sie zusammengestellt. Das lässt sich beliebig verknüpfen, weiterentwickeln und verändern.

Im Literaturverzeichnis finden Sie Bücher gestapelt, welche uns in der Recherche besonders inspirierten und mit deren Hilfe wir dieses Buch erstellt haben.

#Herausforderungen

Zehn Aspekte, mit denen wir als Organisationsberater zu tun haben:

Konstruktivismus − Das Richtig und das Falsch loslassen, sich ein „So oder Anders“ erlauben und daraus lernen, was (überaschenderweise doch) funktioniert.

Gemeinschaflichkeit − „Gemeinsam erreichen wir mehr“ erleben und das Wir-Gefühl stärken.

Diversität − Kulturelle Unterschiedlichkeit erspüren und als Potenzial nutzbar machen.

Entschleunigung − Das aktionistische Rennen stoppen und die Bereitschaf entwickeln, erst einmal genau hinzuhören.

Reflexion − Hilfe zur Selbsthilfe, statt (Rat-)Schläge.

Selbstmanagement − Eigenverantwortliches Handeln stärken, sodass sich alle gegenseitig entlasten.

Vertrauen − Den Weg in die Selbstorganisation transparent begleiten und hierarchische Strukturen loslassen.

Strukturen − Individuelle Rahmen schaffen und Ressourcen klären.

Sinn − Viele unterschiedliche Geschichten, Visionen und Ziele zu einer großen antreibenden Storyline zusammenführen.

Motivation − Eine wünschenswerte Zukunft begreifbar machen und in die Gegenwart holen.

# Die Acht Wirkprinzipien Wertschätzender Organisationsentwicklung

Gegenstand einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung ist es, dass und wie die Menschen in einer Organisation über die positiven Ereignisse ihres beruflichen Lebens und über ihre Rolle in der Organisation als Ganzes nachdenken. Angeregt wird dieser Denkprozess durch eine Wertschätzende Befragung und die kommunikativen Interaktionspunkte. Die Sprache und Art der Gesprächsführung haben einen wesentlichen Einfluss auf die wahrgenommene Realität des Gesprächspartners und beeinflussen maß- geblich Veränderungs- und Entwicklungsprozesse.

Wie bei jedem Ansatz für organisationale Transformation steht am Anfang die Frage nach den zugrundeliegenden Prinzipien. Unsere acht Grundprinzipien entsprechen den Prinzipien von „Appreciative Inquiry“, einem wertschätzenden Ansatz der dialogischen Organisationsentwicklung. Die acht Prinzipien sind die zentralen Erfolgsdeterminanten und Leitplanken, um die gewünschten Erfolge mit einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung zu erzielen. Über diesen Kontext hinaus eignen sie sich sehr gut als Führungsprinzipien für die Zusammenarbeit, Beteiligung und Entwicklung von Mitarbeitern.

(1) Das konstruktivistische Prinzip − Alles ist Wahrheit.

Jeder konstruiert sich seine eigene Wirklichkeit und Wahrheit. Anhand seiner bisherigen Erfahrungen und der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit schreibt er Dingen oder Wörtern eigene Interpretationen zu. Bekannt dazu ist das Gleichnis „Die blinden Männer und der Elefant“. In diesem untersuchen mehrere blinde Personen einen Elefanten, jeder aus einer anderen Perspektive. Der erste meint: „Dies ist ein Schlauch“, da er den Schwanz des Elefanten betastet. Der zweite fühlt das Bein und interpretiert dieses als Baum. Ein dritter fasst nach dem Stoßzahn und ist sich sicher, er habe einen Speer in der Hand − und so weiter. Die Geschichte soll zeigen, dass Realität sehr unterschiedlich interpretiert werden kann. Realität entsteht immer in Abhängigkeit von der Perspektive und den eigenen Erfahrungen.

Auch aus Sicht der Psychologie existiert keine einzige und allumfassende Wahrheit − über den Dialog einigen wir uns nur auf bestimmte Sprachmuster, mit welchen wir unsere Wahrheit beschreiben. Die Naturwissenschaften versuchen Dinge zu ergründen und empirisch zu belegen, aber letztendlich entscheiden wir Menschen, und zwar jeder Einzelne für sich selbst, was wir für uns als Wahrheit akzeptieren. Sie und ich wissen: Die Sonne ist hell, gelb und warm − darauf haben wir uns kulturell verständigt. Wie Sie jedoch die Sonne konkret wahrnehmen, das weiß ich nicht. Wir verstehen uns jedoch, weil wir die gleichen Wörter zur Beschreibung dieser Wahrnehmung verwenden. Das ist der Nutzen und das Wesen der Sprache.

Organisationsentwicklern muss klar werden, dass Sprache ein Mittel ist, die individuellen Bilder im Kopf zu verändern. Wir können mit Worten Welten formen, ja sogar schaffen. Dinge, die wir ansprechen, beschreiben, untersuchen oder erklären, können Teil der wahrgenommenen Realität werden. Das macht deutlich, wie bewusst wir mit Sprache im Rahmen von Veränderungsprozessen umgehen müssen. Es geht um die Art und Weise, wie wir miteinander sprechen und uns zuhören, welche Worte wir nutzen und welche Art von Fragen wir stellen. Wir beeinflussen unsere Zukunft in den Gesprächen, die wir miteinander führen und in der Beziehung, die wir zueinander pflegen. Das heißt, die Zukunft ist eng mit unseren sozialen Fähigkeiten verflochten. Wirklichkeit entsteht in uns und wird deutlich durch die Interaktionen der Menschen beeinflusst, die eine gemeinsame Sprache finden und Beziehungen zueinander aufzubauen.

(2) Das Simultanitäts-Prinzip − Fragen schaffen Veränderung.

Eine Organisation ist ein soziales Konstrukt, das sich fortlaufend verändert in Abhängigkeit zu jeder Interaktion, die auf sie einwirkt. Wir nutzen hauptsächlich Fragen, um Veränderung zu bewirken. Der Wandel der Organisation bewegt sich simultan zu den Fragen, die wir stellen. Sobald wir eine Frage stellen, beginnt die Veränderung. Ebenso ist alles andere, was wir tun oder unterlassen, eine Botschaft an das System. Aus diesem Grund sollten wir im Rahmen der Vorbereitung einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung reflektieren, welche Botschaften zu welchen Konsequenzen führen könnten.

(3) Das poetische Prinzip − Organisationen sind voller Geschichten.

Das poetische Prinzip besagt, dass Organisationen wie ein spannendes Buch sind. Sie beinhalten viele Geschichten und Anekdoten, die zum Studieren und Lernen einladen. Eine Organisation setzt sich aus vielen unterschiedlichen Erzählsträngen und Nebenschauplätzen zusammen. Der bisherige Lebenszyklus einer Organisation lässt sich in diesen Geschichten erzählen und reflektieren. Befragen wir die Menschen einer Organisation, werden diese automatisch zu Co-Autoren. Je nachdem, welchen „dramaturgischen Akt“ wir uns anschauen, machen wir unterschiedliche Facetten einer Organisation sichtbar. Wir müssen daher konkret festlegen, welche Punkte wir betrachten wollen. Wir entscheiden selbst, worauf wir den Fokus lenken: Sind es die Probleme oder die Potenziale? Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, erhält mehr Raum in unseren Köpfen und wird somit auch eher Realität (Konstruktivimus). Es liegt an uns, mit welchen Bildern und Metaphern wir die Geschichten einer Organisation illustrieren und weitertragen.

(4) Das antizipatorische Prinzip − Handlungsleitende Bilder.

Getreu dem Konstruktivismus leiten innere Bilder unser Handeln. Menschen und menschliche Systeme, z. B. Organisationen oder Teams, tendieren dazu, zu dem Bild zu werden, welches sie sich von sich selbst machen. Diese inneren Bilder haben eine vorausschauende Kraft, die Einfluss auf unser gegenwärtiges Handeln nimmt. Sie sind im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung handlungsleitend. Je positiver unser Bild der Zukunft ist, desto positiver werden die gegenwärtigen Handlungen umgesetzt.

(5) Das positive Prinzip − Positive Fragen bewirken positive Veränderung.

Im Umgang mit der Dynamik von kleinen oder großen Veränderungen brauchen Menschen in diesen Wandlungsprozessen große Mengen an positiver Energie und sozialer Bindung. Diese Energie wird am besten durch positive Fragen erzeugt, welche den positiven Kern verstärken. Das ist der Mittelpunkt einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung: die Konzentration konsequent auf das Positive zu lenken, um dieses langfristig zu stärken. Der positive Kern einer Organisation wächst und entwickelt sich, wenn wir ihm mehr Beachtung schenken und ihn näher untersuchen.

(6) Das Ganzheitlichkeits-Prinzip − Bringt das Beste hervor.

Das Ganzheitlichkeits-Prinzip bringt das Beste im Menschen und Organisationen hervor. Es fördert die Kreativität und entwickelt eine kollektive Leistungsfähigkeit. Möglichst alle Anspruchsgruppen sollten in Entwicklungsprozesse involviert werden, um verschiedene Perspektiven eines Systems zu ergründen. Die sogenannten Stakeholder bringen ihre individuellen Sichtweisen auf spezifische Fragestellungen ein. Sind sie von den Auswirkungen strategischer Entscheidungen betroffen, ist es gerade im Kontext von Veränderung wichtig, ihre Perspektiven zu integrieren.

(7) Das Selbsterfüllungs-Prinzip − Handeln, als ob die ideale Zukunft schon existiert.

Wir sollten bereits in der Gegenwart die wünschenswerte Zukunft leben. Positive Veränderung gelingt, wenn wir das Bild unserer idealen Zukunft in das gegenwärtige Handeln übertragen. Wir sollten schon heute wie die Organisation handeln, die wir in Zukunft werden wollen. Dazu gehört auch einfach mal, etwas Neues auszuprobieren. Das können Gewohnheiten sein, die wir etablieren möchten oder neue Werkzeuge für die Zusammenarbeit. Die Organisation selbst wird zum realen Prototypen und Veränderungen werden direkt eingeleitet. Für Führung bedeutet das, ein Vorbild zu werden für gemeinschaftliches Handeln. Und kleine Veränderungen schaffen auch Bewegung. Veränderung beginnt üblicherweise in kleinen Teams oder im Handeln einzelner Personen, welches über die Zeit ausstrahlt. Menschen spüren schnell, ob andere ein wirkliches Interesse an Gemeinschaft haben. Das wirkt sich auf die Bildung des kollektiven Bewusstseins aus. Durch aktives Vorleben verbreiten wir Handlungsmöglichkeiten für mehr Gemeinschaft und Wertschätzung.

(8) Das Prinzip der Freiwilligkeit − Freie Entscheidungen mobilisieren Kräfte.

Freiwilligkeit motiviert. Frei bestimmtes autonomes Handeln fördert proaktives, positives Verhalten. Menschen sind motivierter und leisten mehr, wenn sie entscheiden können, was und wie sie etwas beitragen. Wenn wir den Menschen freie Wahl- und Ausgestaltungsmöglichkeiten geben, erhöhen wir die Chance, dass sie sich bestmöglich einbringen werden. Die freie Wahl stimuliert organisatorische Exzellenz und positive Veränderungen. Spitzenleistungen erbringen Menschen, wenn sie von ihrem eigenen Handeln überzeugt sind.

#Aufbau des Buches

Zum Einstieg in die Wertschätzende Organisationsentwicklung möchten wir zur Orientierung einen Überblick über die Methoden und Konzepte geben, die uns in der Begleitung von Entwicklungsprozessen bereichern. Die acht Wirkprinzipien Wertschätzender Organisationsentwicklung finden sich in allen ausgewählten Konzepten auf unterschiedliche Weise wieder. (1) Wozu − Wir fragen am Anfang jeder Konzeptbeschreibung nach ihrem Zweck, bzw. wozu sie verwendet und gebraucht werden. (2) Wesentliche Bausteine − Danach skizzieren wir die Grundlagen und Elemente, welche diesen Ansatz ausmachen. (3) Gedankenanstöße − Wir bieten Denkanreize zum Erkenntnisgewinn oder zur kritischen Auseinandersetzung mit bestehenden Annahmen. (4) Handeln − Zudem geht es uns darum, Ansatzpunkte zu liefern, damit wir ins Handeln kommen. (5) Reflexion − Im Reflexionsteil liefern wir Fragen für Ihre eigene Selbstreflexion. Zusammenfassend lenken wir den Fokus auf die aus unserer Sicht drei zentralen Betrachtungsperspektiven einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung, die sich in allen von uns vorgestellten Konzepten wiederfinden:

1. Positive Kraft (Haltung)

− Das zentrale Element einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung ist die Haltung, mit welcher wir zur That schreiten, bestehend aus den dahinterliegenden Werten und Überzeugungen.

2. Experimentelle Erkundung (Handlung)

− Komplexe Zeiten ermöglichen keine perfekten Pläne. Deshalb müssen wir „ins Tun kommen“ und kontinuierlich aus den gemachten Erfahrungen lernen.

3. Komplexitätsbewusstsein (Problembewusstsein)

− Wertschätzende Organisationsentwicklung ist kein „Schön-Reden“, sondern bedarf eines hohen Reflexionanteils über Komplexität in der Welt und in jedem von uns.

Am Ende jedes Konzeptes überlassen wir den Neumachern das Wort. Im Gespräch mit Vordenkern, Meinungsführern und Transformationsgestaltern erfahren wir, was in spezifischen Kontexten wirklich zählt und in Zukunft wichtig sein wird. Alle Interviews fanden im Zeitraum von März bis August 2020 statt: Eine Zeit, die uns wohl allen in Erinnerung bleiben wird. Auf dem Weg ins „neue Normal“ spürten wir viel Energie im Umgang mit der Covid-19-Krise im organisationalen Kontext. Wenn wir die Krise als Chance zu Veränderung und Innovation begreifen, dann kann viel Positives entstehen.

Im Kapitel „Tools für den erfolgreichen Wandel“ zeigen wir Ihnen unsere Lieblingswerkzeuge im praktischen Einsatz entlang des 5-stufigen Appreciative-Inquiry-Prozesses.

Das Kapitel „Formate“ lenkt den Fokus darauf, dass Interaktionspunkte wichtig sind. Nur wenn wir miteinander kommunizieren, können wir kollektiv intelligenter werden. Wir zeigen mit einem einfachen spielerischen Ansatz, dass es viele Kombinationsmöglichkeiten gibt, um neue Formate auszuprobieren. Im Kontext des Fraunhofer Innovationsökosystems erfahren wir im exklusiven Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Tünnermann und Dr. Kevin Füchsel, Institutsleiter und Abteilungsleiter des Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF, welche neuen Formate grenzüberschreitendes Denken fördern.

Im abschließenden Check-Out verabschieden wir uns und sagen Danke!

In diesem Sinne herzlichst, die Autoren.

# KonzepteKonzepte der Wertschätzenden Organisationsentwicklung

Haltung

Wozu?

Mit dem Begriff Haltung fassen wir unsere innere Gesinnung zusammen. Diese besteht aus verankerten Denkmustern, Überzeugungen und Einstellungen und ergibt das (oft unbewusste) Fundament unseres Handelns und unserer Entscheidungen. Diese Haltung entwickelt sich über das gesamte Leben, ausgehend von pränatalen Erfahrungen bis hin zum Tod. Haltung beschreibt dementsprechend nicht nur eine bestimmte Einstellung, sondern die Summe aller Denkprozesse und Muster in uns.

Das Hinterfragen der eigenen Gedanken und Werte hat einen wesentlichen Anteil an der erfolgreichen Gestaltung von zukunftsfähigen Organisationsmodellen. Hierarchische Formen werden zunehmend abgelöst von autonomen und eigenständigen Systemen. Diese erfordern das Erkennen sowie Ablegen von alten Denkmustern. Durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung verbessern wir nicht nur unsere Selbsteinschätzung, sondern erhöhen auch das Verständnis für Kollegen, Vorgesetzte und Mitarbeiter.

Über erfolgreiche Entwicklungsschritte entscheidet langfristig kein bestimmtes Tool, sondern die Haltung desjenigen, der davon Gebrauch macht. Eine Führungskraft, welche im Inneren humanistisch überzeugt ist, handelt aus sich heraus ganz automatisch wertschätzend und dialogisch. Sie findet schneller einen wirklichen Zugang zu Mitarbeitern und kann organisationale Veränderungen passgenauer realisieren.

Liegt der innere Fokus der Führungskraft wiederum auf einem rationalen, ergebnisorientierten Wirtschaftsdenken, werden Werkzeuge der Unternehmensentwicklung voraussichtlich für die immer wieder gleichen Profitabsichten angestoßen. Entwickeln die Mitarbeiter den Wunsch nach mehr Sinn ihrer Arbeit, kann diese Art der Führung zwischenmenschliche Hindernisse entstehen lassen und im schlimmsten Fall wichtige Erkenntnisse verhindern. Daraus könnte eine verminderte Produktivität resultieren, sodass dann auch an Wirtschaftlichkeit orientierte Führungskräfte ihre Herangehensweisen neu justieren. Dieser Umweg lässt sich aber durch eine reflektierte Haltung sparen.

Da unsere Haltung in unserer persönlichen und individuellen Vergangenheit ihren Ursprung findet, beschäftigen sich allen voran Entwicklungspsychologen mit der Haltungsentwicklung. Auf den folgenden Seiten erläutern wir zwei wesentliche Haltungs-Modelle, welche auf den Erkenntnissen unterschiedlicher entwicklungspsychologischer Thesen fußen. Mit diesen Grundlagen möchten wir Ihnen vor allem Denkanstöße geben, um Ihre eigene Haltung zu hinterfragen und diese besser einordnen zu können.

Wesentliche Bausteine

Spiral Dynamics: Die Spirale der Entwicklung, des Management-Beraters Don Beck geht auf das erkenntnistheoretische Modell von dem Professor für Psychologie Clare W. Graves (*1914 bis †1986) zurück (Beck, 2007). Jede der neun Stufen beinhaltet typische Denk- und Verhaltensmuster, welche sich sowohl auf individueller Ebene als auch in ganzen Gesellschaften wiederfinden.

Beck geht davon aus, dass wir die nächste Stufe nur beschreiten können, wenn wir die aktuelle Stufe schon leben und dort an die Grenzen unserer Denk- und Handlungsmuster gelangen. Die „aus der Not heraus“ entstehenden Wandlungsprozesse führen zum Einnehmen von neuen Perspektiven, mit deren Hilfe die „alten“ Probleme lösbar werden. Die Flächen innerhalb des Modells werden immer breiter, da jede weitere Stufe die Erfahrungen und Möglichkeiten der vorherigen vereint.

Uns dient die Spirale der Entwicklung (Spiral Dynamics) vor allem dazu, die Erkenntnis über die schrittweise Entwicklung von Organisationskulturen voranzutreiben. Während die ersten Stufen voraussichtlich noch Formulierungen nutzen wie „Um Geld zu verdienen, nehmen wir jeden Kunden an“ oder „Die machen wir fertig“, stehen in den mittleren und weiteren Stufen vielmehr Zusammenarbeit und Werte im Vordergrund.

Haltungen nach Permantier: Er beschreibt sechs aufeinander aufauende Haltungen, welche uns Impulse geben können für den eigenen Entwicklungsprozess (Permantier, 2019).

1. Selbstorientiert-Impulsiv #Kampf

Diese Haltung kennen wir von Momenten, in denen wir sehr wütend sind. Dann sind wir sehr stark auf uns fixiert und egoistische Monologe sind die Folge. Empathie ist fehl am Platz. Das Zurückgreifen auf alte „Überlebens“ -Muster verhindert das Einbeziehen des Gegenübers. In der heutigen Gesellschaft ist ein Rückfall in solch eine Haltung nicht selten von unbewusster Angst begleitet.

2. Gemeinschaftsbestimmt-Konformistisch #Stammesdenken

Regeln spielen eine große Rolle. Die Gemeinschaft ist zwar gewollt, dient jedoch vielmehr den eigenen Bedürfnissen der Sicherheit und der Zugehörigkeit. Ein Wir-Gefühl bleibt ungenutzt. Glaube ist ein Grundbestandteil dieser Haltung − ob an Gott oder an das, was der Chef sagt. Was von „oben“ kommt, ist Gesetz und wird mit verallgemeinerten Floskeln aufrechterhalten und vermittelt. „Man soll …“ und „Man darf nicht …“ sind typische Phrasen.

3. Rationalistisch-Funktional #Logik&Effizienz

Auf dieser Ebene versuchen wir Auswertbarkeit und rationale Vergleichbarkeit zu erlangen. Fair sollte die Welt sein. Wir bewerten allerdings fortlaufend andere Menschen und Fehler sind verpönt, auch die eigenen. Wir handeln und entscheiden dadurch eher fremdbestimmt.

4. Eigenbestimmt-Souverän #Ichbin’s!

Der Blick wandert wieder auf uns selbst, auf unsere Ziele und Wünsche. Wir wollen besonders sein − einzigartig. Es zählt die eigene Erfolgsstory, welche gerne regelmäßig inszeniert wird. Selbstoptimierung gilt als Must-have. Wir leben von der Anerkennung und genießen die Aufmerksamkeit für unsere Erfolge. Durch die stark ausgeprägte Ich-Fixierung bleiben tiefe emotionale Beziehungen noch auf der Strecke.

5. Relativierend-Individualistisch #Empathie

In dieser Haltung öffnen wir uns gegenüber der Außenwelt. Das Denken erweitert sich und meist wird auch die Sprache vielfältiger. Wir hinterfragen uns vermehrt und die eigene Reflexion bringt viele neue Erkenntnisse mit sich. Bisher durchlaufene Haltungen werden uns bewusst und eine Vereinigung wird angestrebt. Die eigene Souveränität bleibt erhalten, aber wir erlauben uns eine höhere Vielfalt in uns selbst und in anderen.

6. Systemisch-Autonom #LiebendeNeugier

Wir werden fähig, die unterschiedlichsten Blickwinkel einzunehmen. Vielfalt und Unterschiedlichkeit empfinden wir als Bereicherung. Selbstverantwortliches Denken und Handeln stehen im Fokus. Globale und ganzheitliche Ziele treten in den Vordergrund. Wir selbst werden komplexer und sehen die vielfältige Außenwelt als Bereicherung an.

Gedankenanstöße:

Multiperspektivität. Wenn wir das Modell von Permantier betrachten, wird deutlich, dass eine systemisch-autonome Haltung erstrebenswert scheint. Multiperspektivität und das Bewusst-Werden über gemeinsame Verbindungen schaffen einen positiven Kern und erleichtern es Teams, selbstorganisiert und selbstbestimmt zu handeln. Menschen und Gemeinschaften mit solchen Eigenschaften können zusammen einen hochmotivie-renden Teamgeist entwickeln. Werden Werte und Ziele der einzelnen Menschen berücksichtigt und wertgeschätzt, entfalten sich Potenziale, welche Energien freisetzen und weitere Entwicklungen positiv beschleunigen.

Das Einnehmen einer solchen Haltung bedingt jedoch das Anerkennen der anderen, vorhergehenden Haltungen. Wir können uns nur mit der Zeit in eine solche erwünschte Haltung entwickeln, geboren werden wir aber alle mit einfachen Instinkten. In Organisationen werden immer Menschen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen und Einstellungen zusammenkommen. Wir können nicht von jedem eine solche Entwicklung erwarten. Was wir aber können, ist diese Entwicklung zu fördern.

Grundbedürfnisse gehen vor. Je nach Lebensbereich kann sich unsere Haltung differenziert entfalten. Unterschiedliche Rollen und Umfelder können eine Haltung variieren oder rückentwickeln. Der eigene Joballtag mag hoch reflektiert sein, während mit dem Lebensgefährten regelmäßig in steinzeitlichen Auseinandersetzungen gestritten wird. Jeder Haltung liegen (Grund-)Bedürfnisse zugrunde und wenn diese fehlen, kann uns dies zurückwerfen. Wer hungert, braucht zuerst Nahrung, bevor er zum Empath werden kann.

Veränderung beginnt in uns. Permantier wählt hier bewusst eine zweiteilige Benennung der Haltungen: Systemisch-Autonom ermöglicht die Verbindung von Teamwork (systemisch) und selbstbestimmtem Entscheiden (autonom). Beide Seiten vereinigen sich in dieser Haltung. Die unvoreingenommene Wahrnehmung von Meinungen und Gefühlen der Mitarbeiter setzt die eigene Auseinandersetzung mit sich selbst voraus. Unreflektierte blinde Flecken in uns können es uns erschweren, wirklich offen zu sein. Ebenso machen wir ehrliche Wertschätzung nur langfristig spürbar, wenn wir uns selbst wertschätzen. Wie schon Michael Jackson formulierte, Veränderung beginnt immer in uns selbst.

Handeln

Reflexionsräume. Nachhaltig erfolgreiche Entwicklungsschritte und Veränderungsprozesse in Organisationen vereinen oft ein wesentliches Merkmal: Kommunikation. Wenn wir miteinander reden, regen wir ganz automatisch den Perspektivwechsel an. Denn schließlich wollen wir den anderen verstehen. Als ersten Schritt in diese Richtung kann das Verankern von Reflexionsräumen in der Organisationskultur berücksichtigt werden. Es lohnt sich, Zeiten zu schaffen, in denen wir uns treffen und in den Austausch gehen. Freitagnachmittags gemeinsam die Woche Revue passieren lassen oder regelmäßige Team-Events im Unternehmenskontext − der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.

Ziel sollte immer sein, gemeinsame Reflexionen zu erleben, um eine erweiterte und differenzierte Sichtweise zu ermöglichen. Die Gruppenmitglieder geben unbewusst wichtige Impulse für jeden Einzelnen. Diese inspirierende Saat regt automatisch Gedanken an, welche im Nachgang den Erkenntnisgewinn auslösen oder beschleunigen. Aus Führungssicht bietet sich eine einfache Intervention an. Erkennen Sie Potenziale in Meetings, dann lohnen sich einfache Reflexions-Fragen, wie „Was ist hier gerade passiert?“, um das Wahrnehmen des Geschehenen zu fördern und Schlüsse daraus zu ziehen. Reflexion ist relativ einfach, sie muss nur manchmal moderierend angestoßen werden.

Retrospektive. Im SCRUM ist es ein festes Element, nach einem Prozess in die Retrospektive zu gehen. Die Beteiligten blicken zurück und stellen sich Fragen zu ihren Arbeitsprozessen. Mit diesen Reflexionsfragen wird der Prozessablauf Schritt für Schritt verfeinert. Dadurch sinkt das Risiko, bestehende Abläufe beizubehalten, obwohl diese schon lange nicht mehr auf das Team, den Markt oder den Kunden passen. Die rückblickende Reflexion ist ein wertvolles Hilfsmittel und lässt sich einfach umsetzen − für Prozesse und Abläufe jeder Art. Die Anordnung der Kacheln in der Abbildung steht symbolhaft für ein STOP und PLAY Button.

Reflexion

Was bedeutet positive Kraft bezogen auf Haltung?

Wenn wir auf die wesentlichen Entwicklungsebenen von Permantier blicken, dann wird uns klar: Wertschätzende Organisationsentwicklung = Haltungsentwicklung. Eine menschengerecht ausgeprägte Haltung einzunehmen fördert die zwischenmenschlichen Beziehungen in Organisationen. Das Anerkennen von Unterschiedlichkeit, verbunden mit einer offenen Neugier, vermindert das Konfliktpotenzial − nicht nur gegenüber anderen, sondern auch in uns selbst. Wir erreichen mehr Ruhe und Zufriedenheit und dieser positive Kern strahlt nach außen, wo er wiederum andere beflügeln kann.

Was bedeutet Komplexitätsbewusstsein bezogen Haltung?

Durch die Einnahme von multiplen Perspektiven erhalten wir eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten für Probleme oder Herausforderungen. Komplexität in Prozessen, auch in Menschen, erkennen wir an, anstatt sie zu unterdrücken. Wir verstehen, dass nicht nur eine Wahrheit existiert, sondern verinnerlichen konstruktivistische Weltanschauungen. Das Ablegen gewohnter Bewertungsmuster aktiviert demokratische Prozesse und steigert deren Wirksamkeit. Einzelne Perspektiven werden nicht mehr unterdrückt, sondern gemeinschaftlich anerkannt und berücksichtigt. Einmal verinnerlicht, beziehen wir ganz automatisch die Werte und Wünsche unserer Kollegen und Mitarbeiter in den Organisationsalltag mit ein. Das schafft ein wertvolleres und glücklicheres Miteinander.

Was bedeutet experimentelle Erkundung bezogen auf Haltung?

Einer reflexiven und humanistischen Haltung kann reine Neugier entspringen − das Wissen-Wollen, was andere bewegt. Zudem wird uns klar, dass nur wir selbst unserem Denken und Handeln einen Sinn geben können. Dieses konstruktivistische Weltbild erleichtert es uns, mit anderen Meinungen in den Dialog zu treten. Wir sind eher bereit, Umwege in Kauf zu nehmen, zum Wohle einer höheren und ganzheitlichen Erkenntnis. Somit werden wir zu Forschern − für uns selbst und die gesamte Organisation.

Reflexionsfragen

Welche Haltungen liegen meinem Handeln zugrunde?

Welche Kultur wird in meiner Organisation gelebt?

Wurde bei uns jemals über Kultur gesprochen?

Welche Haltung liegt unserer Führung zugrunde?

Was ist mir wichtig? => Was ist ihm/ihr wichtig? => Was ist uns wichtig?

Was für Gedanken kommen mir, wenn ich eine Haltungsbeschreibung lese?

Im Alltag: Was war mein wirklich erster Gedanke zu dieser Situation und was verbirgt sich dahinter?

THOMAS ENGEL

Principal Key Expert Research Scientist bei Siemens und Inhaber der Innovationsberatung ennovare

Hallo Thomas! Was macht deine Arbeit bedeutsam?

TE: Ich habe keine Grenzen. Ich darf eigentlich sowohl in meiner eigenen Firma wie auch bei Siemens extrem frei arbeiten. Das heißt, wenn mir neue Ideen kommen, ich etwas besser machen will, kann ich es ausprobieren und umsetzen. Ich muss das auch nicht wirklich abstimmen. Ich glaube, das sind die beiden Sachen, die bei Menschen meistens ziehen: etwas machen dürfen, was einem Spaß macht und bei dem man auch dahintersteht. Ein Selbstläufer wird es, wenn man dann auch dafür wertgeschätzt wird durch das, was über andere zurückkommt.

Du bist einerseits Experte aber auch Prozessberater. Kann man Expertenwissen mit Prozessberatung gut verknüpfen?

TE: Wenn man Beratung macht, muss man den Experten stark im Zaum halten. Gute Fragen sind immer gut. Aber man darf − wenn überhaupt − nicht zu früh mit einer Lösung kommen. Mir hilft mein Wissen meistens aber, um „provokante“ Thesen oder unbequeme Fragestellungen in den Raum zu werfen. Man muss aufpassen, dass man anderen nichts überstülpt. Da gibt es immer ein bisschen die Gefahr, dass vorgestellte Lösungen zu vorschnell adaptiert werden. Gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit hilft es, weit über den Tellerrand blicken zu können. Manchmal geht es aber auch darum, den Leuten bei Detail-Problemen zu helfen, bei denen der Experte dann wieder hilft.

Eine herrschende These, die am MIT unterrichtet wird, ist, dass man in derKomplexität eigentlich keine Lösungen anbieten kann, sondern nur einen Lösungsprozess. Spielt das Thema Komplexität in deiner Beratungstätigkeit eine Rolle?

TE: Ich möchte nicht „das Orakel“ sein: Man ruft an, schildert ein Problem und es kommt die Antwort und dann die Rechnung. Ich glaube, das bekommt man nicht hin, weil die Probleme und Fragestellungen zu divers sind. Der Kunde erzählt ja sowieso nur das, was er selbst vom Problem sieht. Liebend gerne möchte ich die Komplexität des Themas verstehen. Aber das ist erst möglich, wenn man vor Ort ist und die Themen mit eigenen Augen und Ohren erfassen kann. Von daher ist Komplexität ein Problem. Die Kunden kommen nicht mit einfachen Fragen. Sie kommen oft erst, wenn aus vielschichtigen Fragen ein Problem geworden ist. Das heißt also, die Komplexität beherrscht das Feld. Meine Leistung ist meist, den Leuten entsprechende Fragen zu stellen, um gemeinsam anhand dieser Fragen in Richtung der Antwort zu gehen. Es ist wirklich eher das Prozessuale, was du angesprochen hast. Einstein hat einen sehr schönen Satz geprägt, und den finde ich auch sehr wahr: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Das beschreibt ja auch dieses Über-den-Tellerrand-Denken, es braucht eine zusätzliche Dimension.

Fällt dir ein praktisches Beispiel aus deiner Arbeitswelt ein, das den Gedanken visualisieren kann?

TE: Da ging es mal um ein Drehgelenk mit einer pneumatisch betriebenen Rasteinheit zum Feststellen. Da waren die Ausfall- und Rücklaufquoten sehr hoch. Das ist für einen Fertigungsleiter eine Vollkatastrophe. Das Problem lag in der Dichtungsmembran. Ein junger Mitarbeiter bekam die Aufgabe mit dem Hinweis: Die Membran muss nicht dicht sein, um seine Funktion zu erfüllen. Dann hat er schließlich eine sehr clevere Idee gehabt: eine variable Membran zu nutzen. Die Aussage „nicht dicht“ war genau der Freiheitsgrad, den die Lösung brauchte: Dieses Wegnehmen der Zwangsbedingung „dicht“ hat den Lösungsraum verändert. Da ist die Aufgabe einer Führungskraft oder eines Beraters, zu hinterfragen: Ist es genau dieses Thema oder diese Anforderung oder kann man mit einer leicht anderen Beschreibungs- oder Sichtweise neue Lösungsräume eröffnen?

Worauf bist du in Bezug auf deine Arbeit besonders stolz?

TE: Dass wir es geschafft haben, an vielen Stellen in diversen Konstellationen mit Kollegen ein sehr vertrauensvolles Team aufzubauen, in dem man miteinander arbeitet und dann, egal wie groß die Fragestellung ist, eine vergleichsweise einfache Lösung findet. Einfache Lösungen sind ja die komplizierten. Stolz machen die Dinge, die uns einen richtigen Schritt vorwärtsbringen oder, wenn mal eine Lösung erfolgreich komplett anders angegangen wird. Es ist spannend, wenn man neue Dinge ausprobiert. Und wenn das dann auch noch aufgeht, das macht Spaß und gibt dem Team zusätzliche Motivation. Das ist dann der Wert der Arbeit. Dann wollen alle dabei gewesen sein.

Was möchtest du aus der Zeit der Corona-Krise gerne mit in die Zukunft nehmen?

TE: Ich glaube, da steckt jetzt eine große Chance drin, dem Homeoffice einen tatsächlichen Sinn und auch ein paar Regeln zu geben. Es braucht die Regeln, damit die Leute trotz des räumlichen Abstands produktiv zusammenarbeiten. Es muss zum Beispiel einen Tag geben, an dem alle im Büro sind. Eine zweite Regel kann sein: Du schaust jeden Tag vor neun Uhr in deine E-Mails. Corona war zumindest mal der Start-Impuls, dass wir anfangen, ernsthaft darüber nachzudenken. Ich sehe eine Riesenchance da drin, dass wir unsere persönlichen Freiheiten erkennen können und leben sollten, um letzten Endes mit dieser gelebten Freiheit auch bessere Lösungen im Arbeiten zu schaffen und dabei sogar effizienter zu sein. Mein größter Wunsch ist, dass wir anders miteinander arbeiten. Wir müssen nicht härter arbeiten, sondern schlauer. Und ich glaube, dass Corona uns dazu bringt, die Augen dafür zu öffnen, wie es anders geht. Es wird ein anderes Wertemodell der Führungskräfte brauchen. Sinnhaftigkeit und Bedeutung der Arbeitsinhalte werden zentrale Aspekte moderner Führungskultur. Wir können so zu einem anderen Verständnis von Freiheit, Flexibilität und Eigenverantwortung kommen − für Mitarbeiter und Führungskräfte. Die Frage am Ende eines Arbeitstages sollte immer lauten: Bin ich mit dem, was ich heute geleistet und gelernt habe, zufrieden? Das ist vielleicht sogar mehr wert, als zu sagen: Ich habe meine sieben Stunden oder acht Stunden abgearbeitet. Eine dringende Aufgabe wird zudem sein, die Arbeit so zu verändern, dass eine authentische und keine künstliche Nähe entsteht: echte Empathie, die über Wertschätzung und gelebte Augenhöhe vermittelt wird. Bereichernd ist eine offene Interaktion auch mit Spontanität.

Danke, Thomas!

Lernende Organisation

Wozu?