Willkommen im Haus des Lachens - Christoph Zehendner - E-Book

Willkommen im Haus des Lachens E-Book

Christoph Zehendner

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Beschreibung

Hoffnung, die ansteckt! Die Hoffnung kommt aus Bethlehem – genauer gesagt: aus Beit Jala, zwei Kilometer außerhalb. Dort arbeitet LIFEGATE– und schreibt eine einzigartige Erfolgsgeschichte in einzigartiger Umgebung: Eine Handvoll engagierter Menschen, angeführt durch Burghard Schunkert, CVJM-Sekretär aus Gießen, hat hier mit unglaublichem persönlichen Einsatz eine einzigartige Leuchtturm-Einrichtung im Nahen Osten geschaffen. Kümmert sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert liebevoll und kompetent um behinderte Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Eine echte Abenteuergeschichte! Aus kleinen Anfängen ist trotz vielerlei Widrigkeiten und Probleme eine breit anerkannte Hilfseinrichtung gewachsen – ein Leuchtturmprojekt: Denn diese Einrichtung spannt wie nebenbei auch Brücken: Brücken zwischen Christen und Muslimen. Aber genauso auch zwischen Muslimen und Juden. Auch verblüffende persönliche Brücken zwischen deutschen Christen und ehemals verfolgten Juden. Christoph Zehendner erzählt die Geschichten der Menschen, die wieder Hoffnung gefunden haben – und Hoffnung weitertragen in ihre Familien, in ihre Städte, in diese besondere Region im HEILIGEN LAND. Alle zeigen sie: Jeder Mensch ist willkommen – und mit jedem geht Gott seinen Weg!

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Christoph Zehendner

Willkommenim Hausdes Lachens

Versöhnungs- und Mutgeschichtenaus dem Heiligen Land

Christoph Zehendner,

Journalist, Moderator, Texter und Theologe,

Jahrgang 1961, lebt mit seiner Frau in Triefenstein bei Würzburg.

www.christoph-zehendner.de

© 2019 Brunnen Verlag GmbH, Gießen

Projektleitung und Lektorat: Petra Hahn-Lütjen

Fotos: Nora Henker, Michael Hahn, Petra Hahn-Lütjen, Christoph Zehendner, Heiko Wolf (Foto Julian), LIFEGATE-Archiv

Umschlaggestaltung: Jonathan Maul

Satz: DTP Brunnen

Herstellung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN Buch 978-3-7655-0710-6

ISBN E-Book 978-3-7655-7541-9

www.brunnen-verlag.de

Dieses Buch widme ich meinem Freund Julian Wolf in Pretoria.Seit seiner Geburt am 9. Dezember 2002 erinnert er mich daran, dass auf dieser Erde jeder Mensch ganz herzlich willkommen ist.

Inhalt

Was uns an LIFEGATE und an diesem Buch begeistert

1 Der Junge auf dem Rollbrett

2 Sei willkommen

3 Rollstuhl-Engel Richard

4 Kämpferinnen mit der Stricknadel

5 Persönlichkeit mit Ausstrahlung

6 Der Junge auf dem Rollbrett

7 Harter Start im Heiligen Land

8 Friedensgipfel auf der Intensivstation

9 Eine offene Tür zum Leben

10 Zwischen den Stühlen – Als Deutscher in Israel leben

11 Von LIFEGATE fürs Leben geprägt

12 Laubhüttenfest auf Jesu Spuren

13 Der Junge auf dem Rollbrett

14 Audienz mit Arafat

15 Ein Geschenk des Himmels

16 „STERNSTUNDEN“ in München und Beit Jala

17 Familienleben unter besonderen Bedingungen

18 Wie lange wird es uns noch geben?

19 Eine Oase mitten in Bethlehem

20 Tag 1 von Shenans neuem Leben

21 Angekommen

22 Auf der Gefühlsachterbahn

23 Schukran! Toda raba! Thank you! Vielen herzlichen Dank!

24 LIFEGATE-Rehabilitation – Ein Tor zum Leben öffnen

Quellen

Was uns an LIFEGATEund an diesem Buch begeistert

„Wenn ich über die große Not unter den Menschen mit Behinderungen in Jordanien und Israel und im Westjordanland nachdenke, macht es mich unheimlich dankbar, dass Gott die Arbeit von LIFEGATE nutzt, um dort etwas zum Guten zu verändern, um im Leben von Menschen einen Unterschied zu machen. Ich bin tief beeindruckt und ermutigt von der ausgezeichneten Arbeit, die LIFEGATE leistet.

Unsere Organisation JONI AND FRIENDS INTERNATIONAL kann Rollstühle für Menschen im Westjordanland bereitstellen – aber das wäre nichts wert, wenn nicht unsere christlichen Freunde von LIFEGATE vor Ort Hand anlegen würden.

Kurz: Sie werden dieses Buch toll finden und sich in die Arbeit von LIFEGATE geradezu verlieben!“

Joni Eareckson Tada,Joni and Friends International Disability Center

„Du bist mittendrin. Kannst gar nicht anders. Hörst und siehst, was du liest. Hockst der strahlenden Rollstuhlfahrerin Linda gegenüber, lauschst ihrer Geschichte, weinst und lachst und bangst und hoffst mit ihr. Und staunst. Eine, die eigentlich keine Chance hatte, ist zur Meisterin mit der Stricknadel geworden.

Was vor allem an ihm liegt: Burghard Schunkert, Leiter von LIFEGATE in Beit Jala. Einer dazwischen. Ein Deutscher, der in Israel lebt und auf dem Gebiet der Palästinensischen Autonomie arbeitet. Einer, der Brücken in ein lebenswertes Leben baut. Sein LIFEGATE ist für viele behinderte und ausgegrenzte Kinder und Jugendlichen zu einem Tor ins Leben geworden.

Christoph Zehendners packende Reportage erzählt von ihm und seinen gebeutelten Schützlingen. Und macht Mut: Es gibt keine hoffnungslosen Fälle.“

Jürgen Werth, Autor und Liedermacher

„Es ist gut zu wissen, dass es selbst an Orten, an denen man viel Verzweiflung und Resignation vermutet, Menschen gibt, die immer wieder neue Hoffnung auf ein besseres Leben schenken. Ein solcher Ort ist das Westjordanland, das seit Jahrzehnten von Krieg und Elend heimgesucht wird. Mag es auch Tausende Kilometer von Nordrhein-Westfalen entfernt sein, so kann uns das Schicksal der Menschen dort nicht gleichgültig lassen. Und zum Glück gibt es selbst dort nicht nur gute Zeichen, sondern echte Taten der Hoffnung.

Dafür steht LIFEGATE. Diese von Deutschen geleitete interkonfessionelle christliche Rehabilitationseinrichtung in Beit Jala bei Bethlehem sorgt dafür, dass Kinder und Jugendliche mit körperlicher und geistiger Behinderung auch im Westjordanland nicht länger am Rand der Gesellschaft stehen. Mit ihrem Förderansatz, der alle Lebensbereiche der betreuten Menschen einschließt, hat sich LIFEGATE aus kleinsten Anfängen zu einer Einrichtung entwickelt, die für viele behinderte Menschen, seien es Christen oder Muslime, ein wahres ‚Tor zum Leben‘ geworden ist.

LIFEGATE bietet palästinensischen Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Schulunterricht, Therapien und Ausbildung. Zur Arbeit von LIFEGATE gehören ebenfalls die so wichtigen regelmäßigen jüdisch-arabischen Begegnungsprojekte mit behinderten jungen Menschen aus Israel. Das Land Nordrhein-Westfalen ist deshalb mit Stolz und aus Überzeugung seit vielen Jahren ein guter Freund und Förderer von LIFEGATE.

Damit sich dieses Tor zum Leben auch in Zukunft für viele Kinder und Jugendlichen im Westjordanland öffnet, wünsche ich dem engagierten Team von LIFEGATE für die kommenden Jahre viel Erfolg im Geiste von Nächstenliebe und Menschlichkeit.“

Armin Laschet,Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen

„Gründlich recherchiert und lebendig geschildert. Dieses Buch berührt, macht Mut und öffnet das Herz.“

Marianne Lüddeckens,Projektmanagement Ausland, Sternstunden e. V.,Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks

„Die Arbeit von LIFEGATE kennen und unterstützen wir seit Jahren – und wir tun es gerne.

In einer Gegend der Welt, aus der uns sonst vor allem Nachrichten von immer neuen Konflikten erreichen, werden hier beständig kleine Hoffnungszeichen gesetzt und Brücken des Friedens gebaut: Brücken zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, zwischen Palästinensern, Israelis und Deutschen, zwischen Christen, Muslimen und Juden.

LIFEGATE hat ein klares Leitbild und setzt dabei auf christliche Werte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Dieses Konzept hat bereits das Leben vieler Menschen mit Handicaps positiv verändert, LIFEGATE hat dabei geholfen, dass Menschen ihre Gaben entdeckten und Selbstbewusstsein entwickelten. So tut LIFEGATE das, was Jesus seinen Leuten aufgetragen hat: Salz und Licht in der Welt zu sein. Jetzt wird die bewährte Arbeit von LIFEGATE durch ein Buch einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Das begrüßen wir sehr.

Wir wünschen LIFEGATE, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vor allem den Betroffenen und ihren Familien von Herzen Gottes Segen.“

Professor Dr. Friedhelm Loh,Inhaber und Vorsitzender der Friedhelm Loh Group

„Im April 2004 war ich mit einer kleinen Leitungsdelegation des CVJM Deutschland erstmals in Beit Jala und konnte die Arbeit von LIFEGATE kennenlernen. In einem Garagengebäude trafen wir Burghard Schunkert, sein Mitarbeiter-Team und junge Menschen mit Behinderung. Die äußeren Umstände mehr als bescheiden, die Liebe zu den behinderten Kindern und Jugendlichen fast greifbar und spürbar. Schon diese erste Begegnung hat mich stark beeindruckt. In den letzten fünfzehn Jahren ist die Arbeit stark gewachsen. Ein großes, neues, wunderschönes Rehabilitationszentrum konnte geschaffen werden.

LIFEGATE ist für mich bis heute ein Wunder, ein großartiges Zeichen der Liebe zu den benachteiligten Menschen und ein Leuchtturmprojekt der Versöhnung. Als CVJM Deutschland sind wir dankbar, dass wir durch die Anstellung von Burghard Schunkert dieses Hoffnungs-Projekt bis heute mittragen und unterstützen können. Persönlich freue ich mich sehr, dass Christoph Zehendner dieses Buch über die wertvolle Arbeit von LIFEGATE geschrieben hat. Ich wünsche viele Leser und auch dadurch neue Freunde und Unterstützer für LIFEGATE.“

Karl-Heinz Stengel,Präses CVJM Deutschland

„Es ist über dreißig Jahre her, dass ich als Rollstuhlfahrerin Israel bereiste. Mit dem Lesen dieses Buches ist heute noch einmal eine Reise dorthin möglich – eine Reise mit vielen ermutigenden Begegnungen. Beim Lesen kommen mir die geschilderten Menschen wie gute Bekannte vor. Ihre Lebensgeschichten machen mich nachdenklich und entfachen neue Lebensfreude.

Wer selbst mit Beeinträchtigungen lebt und ein Herz hat für andere Menschen und Kulturen, für das Leben in seiner Vielfalt und für das Volk Israel, dem geht das Herz beim Lesen dieses Buches noch weiter auf.“

Schwester Dorothee Knauer,Mitglied der Leitung der SenioreneinrichtungenHaus Morija und Haus Mamre in Rödermark,leitende Schwester der Christusträger-Schwesternschaft

„Die atemberaubenden Berichte über die Arbeit von LIFEGATE in Beit Jala erschüttern und stiften zugleich Hoffnung. Hier ist der Beweis, dass Gott Wunder der Versöhnung schafft, wo wir Menschen keinen Ausweg sehen.

Ich kenne Burghard Schunkert und seine Arbeit seit vielen Jahren. Es wurde höchste Zeit für dieses Buch.“

Ulrich Parzany,evangelischer Theologe und Evangelist

„Lebendig schildert Christoph Zehendner Erfahrungen und Erlebnisse von Menschen, deren Weg sie ganz anders führt als zu Beginn ihres Lebens vermutet. Der Deutsche Burghard steht im Mittelpunkt, der als Handwerker in Israel beginnt und eine große Arbeit für Behinderte im Westjordanland aufbaut. Der Amerikaner Richard, der mit seinen Rollstühlen gehbehinderten Jugendlichen dazu verhilft, sich wieder fortzubewegen. Die Palästinenserin Asma, die nach einem Genickbruch nur liegen konnte und durch ihre Begegnung mit LIFEGATE heute in der Lage ist, kunstvolle Handarbeiten zu erstellen und zu verkaufen.

Es sind Porträts von Menschen, in deren Leben Gott gewirkt hat. Und die ermutigen, eigene Herausforderungen anzunehmen und zu überwinden.“

Mirjam Holmer,Korrespondentin für das Israelnetz Magazin undisraelnetz.com in Jerusalem, Islamwissenschaftlerin

„Immer wieder empfehlen wir unseren Gästen einen Besuch bei LIFEGATE. Denn LIFEGATE verändert. Ein Besuch dort beeindruckt, bewegt und berührt uns und unsere Gäste.

Christoph Zehendner hat es nach gründlichster Recherche geschafft, die Einzigartigkeit dieses besonderen Ortes greifbar zu machen. Er nimmt den Leser, die Leserin mit auf einen Weg der Ermutigung und Hoffnung, erzählt mit ausdrucksstarken Worten von Höhen und Tiefen und begeistert durch eine Lebendigkeit, die den Geist von LIFEGATE widerspiegelt. Die geschilderten Lebensberichte und Erfahrungen sind so ansteckend und begeisternd wie Burghard Schunkert selbst.“

Michael Mohrmann,Christus-Treff im Johanniter-Hospiz, Jerusalem

„Mein erster Besuch in Israel führte mich direkt zu LIFEGATE. Mitten in einem der politisch brisantesten Gebiete der Welt errichtete Burghard Schunkert aus Hessen hier gemeinsam mit seiner Familie eine Oase des Friedens, des Miteinanders, des Schenkens, des Lebens und des Lachens.

Das war und ist keine leichte Aufgabe: Während der Intifada musste er jeden Tag unter Lebensgefahr mit kugelsicherer Weste, weißer Flagge und geducktem Kopf hinterm Lenkrad zur Arbeit fahren. Beeindruckend für mich sind Gebäude, Konzept und vor allem die Einstellung der Mitarbeiter.

Nie vergessen werde ich den Moment, als Rollstuhlengel Richard mir aus einer großen Kiste mit alten Ersatzteilen genau das Kugellager heraussuchte, das meinen Rolli und mich wieder mobil machte (lesen Sie die Geschichte hier im Buch nach). Heute ist LIFEGATE in Beit Jala bei Bethlehem Zentrum und Herzstück eines weit verzweigten Rehabilitationsnetzwerks im Westjordanland. Christoph Zehendner beschreibt einfühlsam und lebendig, wie bei LIFEGATE Mitarbeiter aus verschiedenen Nationen, ganz egal ob Christen, Muslime oder Juden, miteinander Kindern und Jugendlichen helfen und ihnen damit Tore für ein lebenswertes Leben öffnen. Lassen Sie sich anstecken von der Begeisterung, die in mir und offensichtlich auch in Christoph durch diesen einzigartigen Dienst entfacht wurde.“

Samuel Koch,Schauspieler und Autor

Kapitel 1

Der Junge auf dem Rollbrett

Faheds Weg ins Leben,Szene 1 (1989)

Bin ich im falschen Film?

Burghard Schunkert kann nicht glauben, was sich vor seinen Augen abspielt. In seiner neuen Aufgabe als Heimleiter hat er schon so einige merkwürdige Überraschungen erlebt. Manch seltsame Gebräuche dieser Gegend hat er kennengelernt. Manch seltsamen Zeitgenossen. Aber was, bitte schön, soll das hier werden?

Ein sichtlich gereizter Mann platzt – ohne anzuklopfen – in sein Büro hinein, schiebt etwas vor sich her. Einen Moment lang verharrt er ohne Bewegung im Türrahmen. Unrasiert. In abgetragenen Klamotten. Muffigen Schweißgeruch verbreitend. Burghard hat diesen Menschen noch nie zuvor gesehen. Wo er herkommt, weiß Burghard nicht. Und zunächst auch nicht, was der Fremde hier will.

Jedenfalls hat er Burghards kleines Heim für Männer mit Behinderungen entdeckt. Sich bis zum Büro des Chefs durchgefragt. Seine Last bis hierher ins Büro geschafft. Jetzt aber steht er unschlüssig vor Burghard, zittert, weiß offensichtlich nicht recht, wie er sein Anliegen vorbringen könnte.

Dann gibt der Fremde sich einen Ruck. Mit abfälliger Geste deutet er auf das, was er vor sich hierher geschoben hat: ein Brett, unter das er Rollen geschraubt hat. Jetzt erst bemerkt Burghard Schunkert: Auf diesem Brett kauert … ein Kind.

Burghard ist entsetzt. Das magere Kerlchen dort auf dem Brett sieht erbärmlich aus. Höchstens dreizehn, vierzehn Jahre mag es alt sein. Oder täuscht der erste Eindruck? Ist er vielleicht schon achtzehn, neunzehn? Jedenfalls hat der Junge auffallend kurze Beine. Sein ganzer Körper wirkt zwergenhaft klein, steckt in alten, viel zu großen Kleidern. „Ein Häufchen Elend auf einem Stück Holz“, schießt es Burghard durch den Kopf.

Da räuspert sich der Mann. Gibt dem Brett einen Schubs. Setzt es so in Bewegung, dass es genau vor dem Schreibtisch von Burghard Schunkert landet. Und zischt Worte, die Burghard nie mehr vergessen wird: „Das ist mein Sohn Fahed. Du kannst ihn haben. Und behalten.“

Dann wendet er sich zur Tür.

Kapitel 2

Sei willkommen

Wenn im LIFEGATE-Zentrumso richtig die Post abgeht

Israel. Endlich mal wieder.

Wie oft ich schon hier war, kann ich gar nicht sagen. Zwanzig Mal? Fünfundzwanzig Mal? Zum ersten Mal jedenfalls als Achtzehnjähriger gleich nach dem Abi, mit dem Rucksack auf dem Rücken. Dann auf diversen Reisen. Im Familienurlaub. Mit Freunden. Als Journalist gemeinsam mit der Spitze der damaligen CDU-Fraktion aus dem baden-württembergischen Landtag. Und dann immer häufiger als Verantwortlicher einer Gruppenreise.

Ich habe so viel erlebt in diesem Land. Habe so viele spannende Menschen kennengelernt. Bin so bereichert und inspiriert worden für mein Leben und meinen Glauben. Und habe immer mehr den Eindruck gewonnen: Ich soll Reisen hierher anbieten. Menschen mitnehmen, die noch nie hier waren. Ihnen einen Eindruck vermitteln von dem einzigartigen Land. Und von seinen einzigartigen Herausforderungen. Von der Faszination des kleinen Landes zwischen Wüste und Berg Hermon, Mittelmeer und See Genezareth. Golan-Höhen und Totem Meer. Von den besonderen Menschen, die hier leben. Trotz aller Unterschiede und Spannungen sehr häufig respektvoll und friedlich.

Etliche Reisegruppen habe ich in den letzten Jahren durch Israel geführt. Habe interessierten Menschen Stätten gezeigt, an denen Jesus aktiv war. Oder David. Oder eine der vielen anderen Persönlichkeiten der Bibel. Ich habe Reisegruppen zu Orten und in Landschaften begleitet, die mir besonders am Herzen liegen. Habe versucht, mit ihnen gemeinsam den Wurzeln unseres Glaubens auf die Spur zu kommen. Eine Reise durch das sogenannte „Heilige Land“ ist für mich eine lebendige Bibelarbeit, von morgens bis abends.

Seit gestern Abend nun bin ich mal wieder hier. Mitte Mai 2018. Mit fast fünfzig Menschen aus allen Teilen Deutschlands, die eine Reise erleben unter der Überschrift: „Wüste, Wasser, Jesus-Wege“. In Tel Aviv, nahe der Mittelmeerküste sind wir gelandet. Hinauf in die Berge gefahren bis in die ersten Vorboten der Stadt Jerusalem. Dann rechts abgebogen.

Und jetzt sitzen wir hier im lichten Innenhof eines schön gestalteten Neubaus. Über uns der dunkle Nachthimmel mit vielen Sternen. Um uns herum ein mitreißender Rhythmus.

Gerade noch habe ich beobachtet, wie ein unscheinbarer junger Mann seine Finger an der Kante des Tisches gedehnt hat. Wieder und wieder, langsam und sehr sorgfältig. Nun sitzt er auf einer Holzkiste, hat sich eine große flache Trommel auf seinen linken Oberschenkel gelegt und schlägt mit den Fingern beider Hände einen Takt. Naja, eigentlich schlägt er nur selten. Er lässt die Finger vielmehr auf der Trommel spazieren gehen, lässt sie tanzen, steppen, hüpfen.

Der Rhythmus, den er so erzeugt, reißt einen Musikliebhaber wie mich mit.

Ich schau mich um in dem weiträumigen Innenhof, in dem ich gerade dieses Konzert genieße: Um uns herum schützende Mauern, mit dem hellen „Jerusalem-Stein“ belegt, der typisch ist für die Region. Dazwischen viele Fenster mit farbenfrohen Rahmen. Pflanzen, zum Teil mit prachtvollen Blüten. Verschiedene Lichtschlangen mit kleinen Birnchen sorgen für Atmosphäre. Unter unseren Füßen schlängelt sich ein blau gehaltenes Lichtband wie ein Bach, der von unten Kühlung bringt.

Schön hier. Finde wohl nicht nur ich, das geht den anderen Menschen in meiner Umgebung genauso. In verschiedene Tischgruppen verteilt sitzt meine Gruppe, mal vier, mal sechs, mal acht Personen. Im gesamten Innenhof verteilt. Gespannt auf das, was wir heute erleben werden. Kühle Getränke vor uns auf den Tischen. Diesen Rhythmus im Ohr. Und in den Knien. Geht gut ab, was der Mann da trommelt!

Mir fällt auf: Der Blick des Trommlers wandert immer wieder nach rechts, zu seinen beiden Kollegen. Rechts außen spielt ein Virtuose auf einer Art Zither. Irrsinnig schnell gleiten seine Finger über das Instrument. Sie reißen, zupfen, schlagen die Saiten. Kanun heißt dieses Instrument, werde ich später erfahren. Wer die so spielen kann wie der Künstler hier, sorgt gleichzeitig für Rhythmus und für Melodie.

Oft laufen die filigranen Töne der Kanun genau parallel mit dem, was der Mann in der Mitte gerade spielt: ein Flötist, höchstens Mitte dreißig, gepflegter Bart, helle Hose, rotes Hemd. Ich höre und staune: ein Ausnahmemusiker, offensichtlich der Leiter dieser Gruppe. In der Hand hat er nichts als ein langes Stück Holz. Eine einfache, fast primitiv wirkende Flöte ohne Mundstück, eine sogenannte Nai – unfassbar, welche Töne er diesem Holz entlockt. Und in welch rasantem Takt. Scheint ein bewegender Abend zu werden.

Vor einem Jahr war ich zum ersten Mal hier im LIFEGATE-Zentrum. Eine gute Stunde lang habe ich mir damals das Haus und seine wertvolle Arbeit zeigen lassen. Habe erfahren, wie wichtig diese Einrichtung für behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist. Habe mit dem Leiter Burghard Schunkert (einem CVJMer aus Gießen in Hessen) gesprochen. Und einige seiner Mitarbeiter kennengelernt. Mich an den hellen, großzügigen Räumen erfreut. Und besonders an den fröhlichen Gesichtern der Kinder und Jugendlichen, die hier gefördert werden.

Die wichtigste Botschaft, die ich nicht vergessen habe: Eine Tür zum Leben (eben das bedeutet LIFEGATE) und zur Zukunft will dieses Zentrum sein. Für Menschen mit Behinderungen. Und für ihre Familien. Tatsächlich habe ich erlebt, wie Menschen hier gefördert und gefordert werden. Wie sie lernen und trainieren. Wie sie lachen und singen. Wie sie arbeiten, essen und feiern.

Ich sehe noch die strahlenden Augen der Kinder vor mir: Den körperbehinderten Jungen, der sich mit einer Art Rollator Schrittchen für Schrittchen nach vorne schiebt. Die Rollstuhlfahrerin, die routiniert mit der Nähmaschine an einer kunstvoll verzierten Tasche arbeitet. Den Jugendlichen mit Down-Syndrom in der Holzwerkstatt, der schöne Gegenstände aus Olivenholz aussägt.

Sie setzen sich – gemeinsam mit fachkundigen Therapeuten, Lehrern, Erziehern – über Grenzen hinweg, die ihre Behinderung ihnen eigentlich vorgibt.

Auch wenn ich damals noch wenig wusste über LIFEGATE und die Menschen, die diese Arbeit gegründet haben und leiten – ich war begeistert von der Lebensfreude, die das ganze Haus ausstrahlt. Ich spürte: Von diesen Menschen kann ich eine Menge lernen. Und sicher haben diese Menschen auch den Leserinnen und Lesern des Buches viel zu geben, das ich im Auftrag des Brunnen Verlags über LIFEGATE schreiben werde.

Ein kräftiger Applaus reißt mich aus dem Nachdenken heraus. Die drei Musiker beenden ein Stück. Verbeugen sich artig, fast ein wenig scheu. Als könnten sie kaum glauben, welche Welle von Begeisterung ihnen entgegenbrandet. Der Flötist machte eine kurze Ansage. Er erklärt auf Englisch, dass er den Gästen heute einen kleinen Eindruck von der traditionellen Folklore dieser Gegend vermitteln möchte.

Und dann legt er wieder los mit seinen zwei Kollegen. In langsamerem Tempo diesmal, ein wenig schwermütig. Diese Melancholie erinnert mich an Klezmer-Musik – die Musik der jüdischen Ghettos in Osteuropa.

Erstaunlich. Denn ich sitze nicht in Jerusalem, nicht im Staat Israel. Sondern wenige Kilometer davon entfernt im palästinensischen Autonomiegebiet, in der Kleinstadt Beit Jala. Und ich weiß doch genau von dem schier unüberwindbaren Graben zwischen jüdischen Israelis und arabischen Palästinensern in diesem Land.

Ich kenne die hohe Trennwand, die wenige hundert Meter weg vom LIFEGATE-Zentrum verläuft. Und die Beit Jala von Jerusalem abschneidet.

Der „Schutzzaun“ für die Israelis, die damit Terroranschläge verhindern wollen und die tatsächlich seit dem Bau sehr viel seltener Selbstmordattentate mitten ins Herz ihrer Gesellschaft erleben. Nur der allerkleinste Teil dieser Anlage bestehe aus den hohen Mauern, die international so viel Kritik auslösten, beteuern die Israelis. Der Rest sei wirklich nur ein Zaun.

Ganz anders beurteilen die Palästinenser diese Anlage: Für sie ist es „die Mauer“. Meterhoher Stahlbeton, oft durch ihre Grundstücke, Gärten und Olivenhaine gezogen. Eine Mauer, die das Leben der Betroffenen noch schwerer mache, noch enger als ohnehin schon.

Kaum zu glauben: Diesseits wie jenseits des Bauwerks wird eine Musik gespielt, die für meine Ohren sehr verwandt klingt. Diese Musik bietet sich geradezu an als Brücke zwischen Kulturen, überlege ich noch. Eigentlich könnten arabische und jüdische Musiker doch gemeinsam spielen. In Israel kommt das gelegentlich vor. Warum nicht auch hier im Westjordanland, frage ich mich. Dann lehne ich mich zurück und höre weiter.

Das heißt: So ganz kann ich mich nicht auf die Musik konzentrieren. Ich lasse meinen Blick durch den Hof schweifen. Versuche herauszufinden, wie es meinen Gästen wohl gehen mag. Sie sind ja fast alle zum ersten Mal im von Deutschland aus gesehen „Nahen Osten“.

Gestern Nacht haben wir Quartier bezogen im gemütlichen Gästehaus „Beit al Liqa“ meiner Freunde Marlene und Johnny Shahwan, ebenfalls in Beit Jala. Heute Morgen haben wir uns erst einmal im nahe gelegenen Bethlehem umgesehen. Auf den Hirtenfeldern vor der Stadt haben wir uns an den großen Chor der Engel erinnert, der hier in der Gegend einst die Geburt Jesu ankündigte. Wir haben versucht, uns das vorzustellen: Der Retter der Menschheit als Baby ausgerechnet im Mief einer Höhle, in der sich Vieh und die kleine Familie aus dem Norden zusammendrängen müssen.

Als wir anschließend versuchten, die Geburtskirche zu besuchen, ging es dort ähnlich gedrängt zu wie damals im Stall bzw. in der Höhle für das Vieh. Und die Luft war vermutlich auch nicht wesentlich besser als damals. Hunderte von Menschen versuchten wie wir, zur kleinen Geburtsgrotte unter dem Hauptaltar dieser Kirche zu gelangen. Eine lange Schlange von Wartenden zog sich durchs Kirchenschiff. Wir ordneten uns brav ein. Doch stellten bald fest: Keinen Zentimeter bewegte sich die Schlange vorwärts. Nach einer sinnlosen Wartezeit mussten wir unverrichteter Dinge weiterziehen. Nicht nur für Josef und Maria damals gab es keinen Platz, weil so viele Menschen in Bethlehem waren, witzelten wir.

Doch unsere Enttäuschung verflog schnell: Wir vereinbarten einen Treffpunkt und eine bestimmte Zeit. Dann schwärmten meine Teilnehmer aus. Und entdeckten gleich hinter den Touristenshops am Bethlehemer Krippenplatz das ganz normale palästinensische Leben: den Markt, auf dem lautstark Gurken, Zucchini, Tomaten und viele anderen Arten von frischem Gemüse angepriesen werden. Die Klamottenläden, in denen von westlichem Chic bis zur palästinensischen Tracht alles angeboten wird. Die Straßenhändler, die gefakte Markenuhren, Parfums und Handys zu Spottpreisen an den Mann und die Frau bringen wollen. Und überall den Duft von Kaffee, Kardamom und gebratenem Lamm. Von Tee, Kräutern und allen möglichen Arten von zuckersüßem Gebäck.

Laut. Leidenschaftlich. Farbenfroh. Hie und da ein bisschen verwirrend. Aber ausgesprochen interessant. Für fast alle Reiseteilnehmer eine erste Begegnung mit einer bis dahin völlig fremden Welt.

Nach einem ausgesprochen leckeren Mittagessen bei Shahwans – Suppe, Salate, Humus (Kichererbsenmus), Gemüse, Hühnchen, Fisch, Nachtisch – und einem angenehmen Nachmittagsschlaf brachte uns der Bus ein paar Minuten weiter zu LIFEGATE.

Und genau hier sitze ich nun, im Innenhof des modernen Zentrums von LIFEGATE. Hell ist es. Luftig. Schön. Um mich herum etwa 80, 90 fröhliche Menschen. Unter unsere deutsche Reisegruppe haben sich inzwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von LIFEGATE gemischt. Das erfordert ein bisschen Mut, von beiden Seiten. Anfangs noch ein wenig zurückhaltend begrüßt man sich. Dann ein bisschen Smalltalk. Auf Englisch. Auf Deutsch. Oder per Zeichensprache. Man tauscht Namen aus und versucht herauszubekommen, mit wem genau man es wohl zu tun hat. Von manchen Tischen höre ich es kichern und lachen.

Ich sehe mich um und genieße den Abend. Auf die drei Musiker habe ich mich schon längere Zeit gefreut. Schließlich bin ich selbst Songtexter und Liedermacher und gebe viele Konzerte. Ich weiß: Musik vermittelt viele Wahrheiten besser, als es lange Reden tun könnten. Die drei Künstler, die heute Abend für uns aufspielen, haben eine ganze Menge zu vermitteln: Lebensfreude. Respekt vor ihrer Kultur. Gastfreundschaft.

„Wir machen eine kleine Pause“, kündigt der Flötist an, der Bandleader. Diesmal auf Deutsch. Ach ja? Wo hat er das denn gelernt? Ich gehe mir etwas zu trinken holen, dann schlendere ich zu ihm. Und erlebe einen offenen, ausgesprochen angenehmen Gesprächspartner.

Fares ist Musiker. In den letzten zwei Jahren hat er regelmäßig-unregelmäßig bei LIFEGATE geholfen. Vor allem mit Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren hat er gearbeitet. Mit Autisten. Hat versucht, diese Menschen mit ihrer ganz besonderen Kommunikations-Behinderung über die Musik zu erreichen. Hat sie dazu bewegt, selbst aktiv zu werden, zu trommeln, Töne zu erzeugen, ein Gefühl für Rhythmus und Melodie zu entwickeln.

Fares hat in Deutschland Musik studiert. Und ist mittlerweile so gut auf seinen diversen Flöten geworden, dass er gerade ein Stipendium des berühmten BERKLEE COLLEGE OF MUSIC in Boston USA ergattern konnte (eine Institution in Musikerkreisen, in der schon Weltstars wie John Mayer, Quincy Jones, Al di Meola und Diana Krall ihr Handwerk gelernt haben).

Kaum zu glauben: Dieser Könner stellt hier seine außergewöhnlichen Gaben und Fähigkeiten in den Dienst von Menschen, die körperlich oder geistig eingeschränkt sind. Die nicht mithalten können, wenn in ihrer Familie, in ihrem Dorf oder in der Schule gesungen oder musiziert wird.

Ein behindertes Kind gilt in vielen palästinensischen Dörfern als Schande. Es wird nicht selten abgeschoben, versteckt, weggesperrt, ausgegrenzt. Und ausgerechnet solchen Kindern widmet Fares seine Kunst. Bei LIFEGATE findet er den Rahmen, in dem das möglich ist. In dem er mithelfen kann, solchen Kindern und Jugendlichen ein Tor zum Leben zu öffnen. Beeindruckend.

„Wir freuen uns gleich auf deine Lieder“, ruft Fares mir noch zu. Dann tritt er ans Mikrofon. Kündigt eine zweite Runde arabischer Folklore an. Und spielt und spielt wieder so faszinierend, so gekonnt, so virtuos.

Au weia, wie soll ich da anschließend mit einer ausgeliehenen Klampfe und ohne meine Musiker auch nur einigermaßen mithalten können? Und dann auch noch in Englisch – wo ich doch eigentlich immer nur in meiner Muttersprache singe …

Während die Band wieder Spielfreude zelebriert, komme ich ins Grübeln. Burghard Schunkert – der Gründer und Leiter von LIFEGATE – hatte mich am Telefon eingeladen, ein paar Lieder zu diesem Abend beizutragen. Speziell für seine Mitarbeiter. Auf Englisch. Ich hatte doch keine Ahnung, wie faszinierend gut diese drei hier musizieren. Wenn ich gleich nach denen spiele, dann blamiere ich mich doch bis auf die Knochen. Soll ich jetzt kneifen? Meinen Beitrag absagen?

Viel zu schnell sind die drei bei ihrem letzten Stück angelangt. Fares bedankt sich höflich, sein Trio verneigt sich noch einmal. Dann tritt Burghard Schunkert ans Mikrofon und kündigt mich an.

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. Ziehe mir einen Stuhl ans Mikrofon, auf den ich mein rechtes Bein stellen kann. Klemme mir die ungewohnte Gitarre (die mal einen Satz neuer Saiten vertragen könnte) zwischen Oberschenkel und Schulter und fange an.

Nein, nicht zu singen, sondern zunächst zu erzählen.

Wie ich vor etwa sechzehn Jahren den Anruf eines Freundes aus Südafrika bekam. Wie er mir recht verhalten von der Geburt seines Sohnes Julian erzählte. Und dann davon, dass das Kind wohl mit dem Downsyndrom zur Welt gekommen sei.

Ich spüre: die Aufmerksamkeit der LIFEGATE-Mitarbeiter ist mir bei diesem Einstieg sicher. Und dann singe ich für sie den Text, den ich damals spontan für das frisch geborene Baby und seine Eltern geschrieben habe (und den Manfred Siebald für mich fachkundig ins Englische übertragen hat):

Welcome, child, this is your place.

See where you belong:

Here God brought you by his grace.

Here you can grow strong.

Ein Lied über ein besonderes Kind. Oder besser: Ein Lied für dieses Kind. Und für seine Eltern:

Sei willkommen, Menschenkind,hier ist für dich Platz.

Bist nicht, wie die andern sind,

und doch ein großer Schatz.

Ein warmes Nest ist schon bereitet,gebaut aus Liebe und aus Lachen,von Tränen nicht kaputt zu machen.Hier kannst du kuscheln, dich verstecken,ganz langsam deine Welt entdecken.Ein Wunschkind bist du, heißgeliebt –wie schön, dass es dich gibt!

Sei willkommen, Menschenkind, …

Und rundherum, wie eine Mauer,stehn wir, wolln deine Eltern stützen,als gute Freunde dich beschützen.Nichts soll dir wehtun, nichts dich kränken,mit Hoffnung wolln wir dich beschenken.So sehr wirst du von uns geliebt –wie schön, dass es dich gibt!

Sei willkommen, Menschenkind, …

Gott selbst schickt seine besten Kräfte,

stellt Engel auf, die nach dir sehen,

nichts Böses darf mit dir geschehen.

Sollst dich, wie du es kannst, entfalten.

Ein Kind, von Gott im Arm gehalten,

bleibst du – unendlich tief geliebt –

wie schön, dass es dich gibt!

Sei willkommen, Menschenkind, …

Ich singe. Schwitze. Bekämpfe die leicht zittrigen Knie. Versuche, den Blick nicht nur auf den Text zu richten, sondern auch auf meine Zuhörer. Bin erleichtert, als ich einigermaßen fehlerfrei durchkomme. Und freue mich über den anschließenden Beifall, der echt und aufrichtig klingt.

Irgendwie spüre ich: Das alles hier hat noch ein Nachspiel. Da kommt noch was. Eine ganze Menge vielleicht. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet ich ausgerechnet hier ausgerechnet dieses Lied singen kann.

Die LIFEGATE-Mitarbeiter saugen diese Botschaft auf. Sie verstehen erheblich mehr von besonderen Kindern als ich. Tag für Tag setzen sie sich für solche Kinder und Jugendliche ein. Mein Lied macht ihnen hoffentlich Mut dazu. Tatsächlich erkundigen sich manche von ihnen noch an diesem Abend: Könnten wir das Lied auch für uns und unsere Arbeit einsetzen?

Der gemeinsame Sommerabend geht mit ein, zwei weiteren meiner Lieder zu Ende. Noch einmal gibt’s Beifall. Gute Wünsche hin und her.

Dann machen wir uns auf den Weg zurück ins Gästehaus BEIT AL LIQA