"Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!" - Alexandra Zykunov - E-Book
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"Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!" E-Book

Alexandra Zykunov

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Beschreibung

»Wenn das Patriarchat kommt dann sagt es nicht  ›Achtung, ich werde Dich unterdrücken‹, sondern es sagt: ›Toll, wie viel dein Mann dir zuhause hilft.‹ Alexandra Zykunov hat gesammelt, was wir uns nicht mehr anhören sollten.« Lara Fritzsche   »Wütend, lustig und prägnant. Alexandra Zykunov erklärt patriarchale Muster so, dass sie alle verstehen und danach sofort abschaffen wollen.« Teresa Bücker Bullshitsätze wie »Viele Frauen wollen doch gar keine Karriere machen.« oder »Vermisst du dein Kind nicht, wenn du alleine wegfährst?« werden wohlwollend unter Freundinnen fallen gelassen oder von engsten Familienmitgliedern heimtückisch ins Ohr geflüstert, bis man ihnen glaubt – und das Patriarchat sich freudestrahlend die Hände reibt. Dieses Buch ist die ultimative Anleitung zum Parieren solcher Sätze. Messerscharf analysiert Alexandra Zykunov die Ungerechtigkeiten, Unwahrheiten und Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern und liefert Argumente und Punchlines für die nächste Familienfeier, Spielplatzrunde oder Beziehungsdiskussion.

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Das Buch

Wir sind doch alle längst gleichberechtigt? Wirklich? Wieso gibt es dann immer noch einen signifikanten Gender-Pay-Gap, wieso verdient eine Frau, die Mutter geworden ist, im Laufe ihres Lebens knapp 61 Prozent weniger als ein Mann, und wieso gehen dann immer noch 58 Prozent aller Väter überhaupt nicht in Elternzeit? Nicht mal einen Monat lang? Alexandra Zykunov hat in diesem Buch nicht nur die schlimmsten Bullshitsätze gegen Frauen versammelt, sondern sie auch alle einzeln und gründlich zerlegt. Damit bei der nächsten Familienfeier einmal Fakten statt Fake News auf den Kaffeetisch kommen.

„Wenn das Patriarchat kommt, dann sagt es nicht ‚Achtung, ich werde dich unterdrücken‘, sondern es sagt: ‚Toll, wie viel dein Mann dir zu Hause hilft.‘ Alexandra Zykunov hat gesammelt, was wir uns nicht mehr anhören sollten.“

Lara Fritzsche, stv. Chefredakteurin SZ Magazin

Die Autorin

Alexandra Zykunov, geb. 1985, ist Co-Redaktionsleiterin des Magazins Brigitte BEGREEN, Redakteurin für feministische und gesellschaftliche Themen bei der BRIGITTE und Keynote-Speakerin. Außerdem ist sie als @alexandra___z eine reichweitenstarke Stimme auf Instagram. Ihre pointierten Texte über die Unsichtbarkeit von Frauen- und Familienthemen in der Politik sprechen Tausenden von Frauen aus der Seele und gehen regelmäßig viral. Sie lebt mit ihrem Partner und zwei Kindern in Hamburg.

Alexandra Zykunov

„wir sinddoch allelängst gleichberechtigt!“

25 Bullshitsätzeund wie wir sieendlich zerlegen

Ullstein

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ISBN978-3-8437-2626-9

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin, 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © privatE-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

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Dieses Buch ist fürmeinen Sohn und meine Tochter.Damit sie in 30 Jahren hoffentlich nicht dieselbenGrabenkämpfe ausfechtenmüssen wie wir heute.

Inhalt

Über das Buch und die Autorin

Titelseite

Impressum

Widmung

Motto

Vorbemerkung

Ein paar Worte, bevor es richtig losgeht

„Hast du ein Glück, dass dein Mann zu Hause so viel mithilft!“

„Er arbeitet voll, sie nur Teilzeit – ist doch klar, dass sie zu Hause mehr übernimmt.“

„Aber ich liebe mein Kind – da kann ich doch fürs Kümmern kein Geld verlangen.“

„Übertreib mal nicht. Frauen werden hier doch nicht unterdrückt!“

„Vermisst du dein Kind nicht, wenn du ein Wochenende lang alleine weg bist?“

„Unsere Omas haben das schließlich auch allein geschafft.“

„Frauen wollen doch die Verantwortung zu Hause gar nicht abgeben!“

„Der Mann hat beim Packen etwas vergessen. Na und? Davon geht die Welt auch nicht unter!“

„Meine Frau hat einfach höhere Sauberkeitsstandards als ich.“

„Durch Pandemie und Homeoffice haben doch schon viel mehr Männer Care-Arbeit übernommen!“

„Frauen müssen ihre Typen halt auch einfach mal auf den Pott setzen.“

„Selbst Schuld, wenn sich Frauen gegenseitig die Augen auskratzen.“

„Frauen müssen einfach öfter über Geld reden.“

„Frauen sollten einfach verhandeln wie Männer.“

„Bist du sicher, dass du so viel verlangen solltest?“

„Gib deine Kinder einfach nicht im Lebenslauf an!“

„Frauen sollten einfach kürzer in Elternzeit gehen.“

„Aber Väter werden im Job auch diskriminiert.“

„Frauen wollen doch gar keine Karriere machen.“

„Mein Mann würde so gerne Elternzeit nehmen, aber bei ihm geht das leider nicht.“

„Viele Mütter basteln und nähen nun mal gern. Lass sie doch!“

„Unter der Woche bin ich quasi auch alleinerziehend.“

„Wenigstens hast du als Alleinerziehende jedes zweite Wochenende frei.“

„Aber Alleinerziehende kriegen doch Unterhalt.“

„Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“

Danke

Feedback an den Verlag

Empfehlungen

„Einer der Hauptgründe für die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt ist ein überkommener, aber weitverbreiteter Irrglaube, der jeglicher Grundlage entbehrt, nämlich dass Frauen und Kinder zusammengehören und Männer und Arbeit.“

Ruth Bader Ginsburg

Vorbemerkung

Es geht in diesem Buch sehr viel um Verhaltensmuster von „Männern“ und „Frauen“, um Rollenbilder, die typischerweise „Männern“ und „Frauen“ zugeordnet werden, und die Erwartungshaltung unserer Gesellschaft, die an „Männer“ und „Frauen“ in verschiedenen Alltagssituationen herangetragen werden. Dabei verwende ich die Begriffe „Männer“ und „Frauen“ immer wieder verallgemeinernd, was an sich natürlich Quatsch ist, weil es nicht die Männer oder die Frauen gibt.

Ich schreibe ebenfalls viel über Partnerschaften, Ehen und Familien, die aus Männern und Frauen bestehen, und verwende auch diese Begriffe verallgemeinernd, obwohl das natürlich genauso ein Quatsch ist, weil es nicht das Beziehungs- oder Familienmodell gibt.

Zum Glück leben wir in einer Gesellschaft, in der es vielfältige Geschlechtsidentitäten gibt. Zum Glück leben wir in einer Gesellschaft, in der es vielfältige Beziehungs-, Lebens-, und Familienmodelle gibt. Das Problem ist nur, dass diese Vielfältigkeit ständig und überall unterdrückt und verschleiert wird, von einem durch und durch patriarchalen System und einem durch und durch einseitigen Familien- und Rollenbild: „Es gibt die heterosexuelle cis-Frau, es gibt den heterosexuellen cis-Mann, und wenn sie sich verlieben und zusammen ein Kind bekommen, sind sie die perfekte heterosexuelle cis-Vorzeigefamilie und leben glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.“

Um also die patriarchalen Strukturen aufzuzeigen, die uns immer wieder in diese typischen Rollenzuschreibungen zwängen, muss ich mit den Begrifflichkeiten aus ebendiesen typischen Rollenzuschreibungen argumentieren – um sie herauszuarbeiten und dadurch zu entlarven.

Es gibt also nicht „die“ Frau oder „den“ Mann – nur wird uns leider ständig eingetrichtert, dass es so zu sein hat.

Ein paar Worte, bevor es richtig losgeht

Ich sage es euch, wie es ist: Ich hasse Einleitungen in Büchern. Ich denke dann immer: „Komm zum Punkt, ich will mit dem Text loslegen!“ Gleichzeitig aber traue ich mich meist nicht, die Einleitung nicht zu lesen, weil ich Angst habe, etwas zu verpassen. Also halte ich es hier sehr kurz, für alle, denen es auch so geht.

Warum schreibe ich dieses Buch? Weil ich, vor allem seit ich Mutter bin, einfach zu oft Sätze gehört habe wie „Vermisst du dein Kind nicht, wenn du das Wochenende wegfährst?“ oder „Die meisten Frauen wollen doch gar keine Karriere machen“ oder „Frauen können das mit dem Geschenkebesorgen von Natur aus besser“ oder, der absolute Klassiker, „Ein Kind gehört nun mal zur Mutter“. Je mehr ich als Journalistin oder Content Creatorin diese Sätze thematisierte, je mehr ich mich darüber ausließ, desto mehr neue Leserinnenbriefe und Nachrichten erhielt ich. Nachrichten von Frauen, die mir erzählten, dass auch sie solche Sätze ständig und überall zu hören bekommen. Ob wir denn, ohne es mitzubekommen, wieder in die 1960er-Jahre katapultiert wurden, fragten sie mich. Und was zur Hölle sie denn auf diese Bullshitsätze ihrer Großonkel, Schwiegerväter, Ehemänner oder eben auch Freundinnen und Kitamütter antworten sollen. Je mehr ich mich damit beschäftigte, je tiefer ich in der Klischeekiste herumwühlte, desto weniger konnte ich fassen, was ich da las, desto weniger konnte ich glauben, wie viele Menschen und Gruppen in unserer Gesellschaft diese Klischees tatsächlich noch glauben, und desto wütender wurde ich.

„Um Wandel herbeizuführen, braucht es Wut“, sagt Autorin Ciani-Sophia Hoeder1. Nur wird diese Emotion bei Frauen leider nicht so gern gesehen. Sie stört. Und zwar vor allem die, die wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Folglich ist gerade weibliche Wut ein direkter Hebel, um Sachen zu verändern. Wie praktisch also, dass auch ihr beim Lesen dieses Buches ziemlich wütend sein werdet. Wieso? Weil das Buch euch mit dem Zerlegen der Bullshitsätze Stück für Stück und Ebene für Ebene zeigen wird, wie sehr Frauen (und insbesondere Mütter) in diesem reichsten Land Europas im Jahr 2022 noch immer benachteiligt, finanziell abhängig und kleingehalten werden. Und wer davon eigentlich profitiert. Mit System und voller Absicht.

Denn es ist eben nicht „jede ihres Glückes Schmiedin“, und die Frauen haben sich das auch nicht „alles freiwillig so ausgesucht“. Nur möchte jemand unbedingt, dass wir daran glauben. Spoiler: Es ist das Patriarchat. Das möchte nicht, dass wir uns des Systems hinter der Unterdrückung bewusst werden. Es möchte nicht, dass wir wütend werden. Und es möchte schon gar nicht, dass wir kollektiv wütend werden. Wie blöd, denn am Ende jedes Kapitels werden wir alle sehr wütend werden.

Und ich schreibe dieses Buch auch, weil ich diese Vorstellung im Kopf habe, von einem Gespräch mit meiner erwachsenen Enkeltochter. Wie ich ihr in 50 Jahren erzähle, wie es in den Zwanzigerjahren so war, als Frau in Deutschland. Und wie sie beim Zuhören ihren Mund kaum zubekommen wird. Ich höre, wie sie mir Fragen stellen wird wie „Wirklich, Oma, bei euch haben sich fast nur Mütter um die Babys gekümmert? Wie, es gab kein Care-Arbeitsgeld für diese Frauen? Wie ging denn das finanziell? Dann hattet ihr damals ja nur die Wahl zwischen Abhängigkeit vom Mann und Altersarmut. Und für Allerziehende war das ja der komplette Super-GAU Und wieso bitte haben Frauen bei euch für dieselbe Arbeit weniger Geld bekommen? Wieso haben denn da eure Politiker*innen nichts unternommen?“

Ich möchte genau in diesem Moment ihre Hand nehmen, nicken und dieses wohlig-warme Gefühl spüren, das sich in mir ausbreitet, weil ich wissen werde, dass sie nur deswegen so fassungslos ist, weil ihre Realität längst eine andere ist. Weil wir es geschafft haben. Weil wir es tatsächlich geschafft haben, Parität herzustellen. Und zwar schneller als in den 120 Jahren, die uns die aktuelle Forschung für das Erreichen dieses Zieles vorhersagt. Wäre super, wenn wir es vielleicht doch in den nächsten 50 Jahren hinkriegen würden. Sodass ich es noch erlebe und weiß, dass sich der ganze Stress gelohnt hat.

Also, macht es euch bequem, legt euch ein paar beruhigende Tees und ein bisschen Baldrian zurecht, habt eure Handys griffbereit mit entspannendem Cat-Content oder Meeresrauschen-Videos für zwischendurch. Es geht los.

Anmerkung zum Kapitel

1. https://editionf.com/weibliche-wut-interview-ciani-sophia-hoeder-buch/

„Hast du ein Glück, dass dein Mann zu Hause so viel mithilft!“

Beginnen wir unsere Reise der Zerlegung mit einem Klassiker der Bullshitsätze. Und zwar mit einem, der ganz besonders wehtut – weil man erstens auf Anhieb nicht unbedingt versteht, was daran jetzt eigentlich schlimm sein soll, und zweitens, weil man sich dabei häufig ertappt fühlt. Man hat diesen Satz vielleicht schon selbst gehört oder – noch schlimmer – ihn einer anderen Frau gegenüber schon mal genau so formuliert. Warum, könnten jetzt einige fragen, ist dieser Satz denn überhaupt ein Bullshitsatz? Es ist doch eigentlich eine gute Entwicklung, wenn ein Mann mehr im Haushalt hilft als zum Beispiel seine Kumpels oder Kollegen. Stimmt, das wäre eine gute Entwicklung – wenn wir im Jahr 1960 leben würden. Dieser Satz ist aber auch im Jahr 2022 überall auf Spielplätzen, in Kinderbüchern und in den Kommentarspalten Tausender Social-Media-Beiträge genau so zu lesen. Und das ist ein sehr großes Problem. Aber eins nach dem anderen.

Das Schlimmste an dem Satz ist das harmlose Verb: „hilft“. Ich helfe der Freundin, wenn ihr der Kaffee auf dem Schreibtisch ausgekippt ist. Ich helfe dem Vater, dessen Fahrrad umgefallen ist und der die Hände voll mit Taschen, Windeln und Kind hat. Oder der Kollegin bei ihrer Präsentation, weil sie mich darum gebeten hat. Das ist der Knackpunkt: Meine Hilfe ist freiwillig, ich tue der zu Helfenden einen Gefallen, es ist nicht meine Verantwortung, ihr zu helfen, es ist nicht mein Schreibtisch, nicht mein Fahrrad, nicht meine Präsentation, aber ich helfe ihr trotzdem – auch wenn ich es nicht muss. Vor diesem Hintergrund stellen wir uns jetzt einen Mann vor, der seinen eigenen dreckigen Teller in den Geschirrspüler räumt. Wow. Er hilft aber gut mit! Falsch. Es ist sein Drecksteller und seine Verantwortung, ihn wegzuräumen. Wir stellen uns einen Mann vor, der beim kranken Kind zu Hause bleibt. Wow. Er hilft aber gut mit! Falsch. Es ist auch sein Kind und seine Verantwortung. Da ist ein Vater, der mit seinen Kindern nachmittags auf den Spielplatz geht. Wow. Er hilft aber gut mit! Falsch. Es ist seine Fürsorgepflicht, es sind seine Kinder, ist sein Haushalt, sein Alltag! Er ist kein Gast in diesem Alltag, wie in einem Hotel, das er im Sommer zwei Wochen lang benutzt, und was die restlichen 11,5 Monaten darin passiert, interessiert ihn nicht.

Ach komm, Alex, jetzt sei mal nicht so korinthenkackerisch, könnte man jetzt sagen. Es ist doch nur ein Wort. Ist doch klar, was damit gemeint ist. Joa, würde ich da antworten, Sprache schafft nun mal Realitäten. Wenn wir von Männern sprechen, die „helfen“, statt von Männern, die einfach ihren Aufgabenbereich für ihre Familie, ihr Heim und den Haushalt darin übernehmen, sprechen wir ihnen jegliches Recht ab, sich dafür auch aktiv verantwortlich zu fühlen. Begriffe wie „helfen“ oder – noch schlimmer – „entlasten“ oder – noch viel schlimmer – „eine Auszeit gönnen“ meinen, dass er für diese Last per se nicht zuständig ist und dass es da eine andere Person gibt, die diese Last normalerweise trägt – nämlich die Frau. Dafür hat der Mann offenbar die Möglichkeit, seiner Partnerin besagte Auszeiten zu „gönnen“. Die eine arbeitet, und der andere räumt ihr Auszeiten ein? Als wäre er der Chef, der CEO im Unternehmen Familie? Ernsthaft?

Was ich damit sagen will: Sätze wie „Mein Mann hilft viel mit“ oder „Mein Mann muss heute mal babysitten“ kippen noch mehr Zement auf die sowieso schon einbetonierte Rollenverteilung. Wie soll sich also das Bild des care-arbeitenden Mannes etablieren, wenn unsere Sprache und die Bilder, die wir mit ihr kreieren, die wir in unsere Lehrbücher schreiben, in der Werbung platzieren und an unsere Kinder weitergeben, unterstreicht, dass der Vater im eigenen Alltag nur Gast ist?

Die Absurdität dieses Satzes wird besonders dann deutlich, wenn man ihn einfach umdreht und den Satz so formuliert: „Hast du ein Glück, dass deine Frau bei den Kindern so viel mithilft. Es ist echt nicht leicht, so eine Frau zu finden. Und dann hilft sie dir auch noch im Haushalt?! Wow!“ Na, hört sich merkwürdig an? Wieso? Weil wir es als normal empfinden, dass eine Frau im Haushalt etwas macht und sie dafür nicht extra abgefeiert werden muss. Warum aber fühlt sich der Satz nur bei einer Frau so absurd an, nicht aber beim Mann? Na weil wir mit diesen Sätzen ebendiese unterschiedlichen Bilder zementieren.

Also, bitte lasst uns Worte wie „helfen“, „unterstützen“ oder „entlasten“ in diesem Kontext ein für alle Mal streichen und durch so etwas ersetzen wie: „Hast du ein Glück, dass dein Mann seinen Teil der Verantwortung übernimmt!“ Denn genau an dieser Stelle beheben wir ganz einfach, mit nur ein paar anders gewählten Formulierungen, die Schieflage und stellen sofort fest: Eigentlich ist das ganze Lob ja hinfällig, denn er übernimmt einfach seinen Teil. Er wohnt auch in diesem Haushalt und war wahrscheinlich nicht minder an der Anschaffung unserer Kinder beteiligt, warum sollte also die Frau alleine verantwortlich sein? Eben.

So können wir mit Sprache ein Stück weit eine andere Realität erschaffen. Und nun schauen wir uns mal die Faktenlage hinter diesem Bullshitsatz an. Was dieser Satz ausdrücken möchte, ist, dass sich schon so einiges tut in deutschen heterosexuellen Partnerschaften und dieser moderne Mann schon so viel mehr übernimmt als beispielsweise seine Kumpels, Kollegen oder all die Väter eine Generation vor ihm. Tatsächlich ist diese Meinung nicht nur gefühlt weit verbreitet, sondern auch mit Zahlen belegt: So gaben in einer Allensbachstudie 69 Prozent der Befragten an, dass sie zumindest den Eindruck haben, dass sich Väter heute mehr an der Erziehung und Betreuung beteiligen als noch vor 10 bis 15 Jahren.2

Um die Zerlegung dieses Eindrucks und des damit eng verwandten Bullshitsatzes bestmöglich vorzubereiten, möchte ich euch an dieser Stelle mit dem guten alten Patriarchat bekannt machen, dem Buzzword, das in diesem Buch an circa fünf Millionen Stellen auftauchen wird. Das Patriarchat beschreibt ein gut 5000 Jahre altes System aus Beziehungen, Hierarchien, Denk- und Verhaltensmustern, die allesamt auf der „Herrschaft der Väter“ beruhen. Sprich: Wenn wir heute vom Patriarchat sprechen, meinen wir damit, dass unser ganzes Denken und Handeln seit 5000 Jahren von Männern bestimmt, von Männern für richtig befunden, von Männern in Gesetzestexten zementiert und Geschichtsbüchern dokumentiert und so Jahrtausende lang bis in die heutige Zeit tradiert und (mit Gewalt)durchgesetzt wurde. Weil Männer ihre Führungsmacht erhalten wollen, müssen sie alle anderen Minderheiten wie Frauen, People of Color, LGBTQIA+, Menschen mit Behinderung und einfach alle, die nicht dem Bild eines (meist weißen), maskulinen, cis-Mann entsprechen, körperlich, geistig, kulturell, finanziell, materiell, juristisch und in vielen anderen Formen unterdrücken. Heißt übersetzt: Ehemänner unterdrücken ihre Ehefrauen, Brüder ihre Schwestern, Väter ihre Töchter, fremde Männer fremde Frauen, Chefs ihre Mitarbeiterinnen, Kollegen ihre Kolleginnen, Professoren ihre Studentinnen, Schüler ihre Mitschülerinnen, Politiker ihre Parteifreundinnen, Regisseure ihre Schauspielerinnen, Musikproduzenten ihre Sängerinnen und so weiter und so schrecklich fort.

Während das Patriarchat in verschiedenen Teilen dieser Welt unterschiedlich stark ausgeprägt ist (Femizide, Gewalt gegen Frauen, Zwangsehen, Ausschluss von Frauen und Mädchen aus Schulen und Universitäten usw.) und Institutionen wie Terre des Femmes, Oxfam oder die UN regelmäßig Listen erstellen, wie es in den Ländern der Welt um die Frauenrechte bestimmt ist, arbeitet das Patriarchat in Ländern des globalen Nordens, wie Deutschland, besonders subtil. Und zwar indem es einfach so tut, als wäre es gar nicht mehr da. Sätze wie „Frauen und Männer können heutzutage doch beide Karriere machen“, „Wir hatten jetzt 16 Jahre lang eine Kanzlerin, was wollt ihr denn noch?“ oder eben „Männer helfen doch schon viel im Haushalt mit“ tragen zu dieser Sichtweise bei.

Das Gefährliche an der Das-Patriarchat-gibt-es-hier-doch-gar-nicht-mehr-Erzählung ist, dass man etwas, das offiziell gar nicht da ist, nicht greifen, nicht benennen und auch nicht dagegen ankämpfen kann. Ein fantastischer Zaubertrick! Also sollten wir bestenfalls immer dann hellhörig werden, wenn meist ältere, meist weiße, heterosexuelle, gut situierte Herren Sätze fallen lassen wie „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt“ – dann ist es meist das Patriarchat, das da an unserer aller Tür klopft. Wie neulich, als der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble mitten im Bundestagswahlkampf 2021 sagte: „Heute haben es Frauen in der Politik nicht mehr schwerer.“3 Und das obwohl im selben Zeitraum der Bundestag so männlich dominiert war wie seit fast 30 Jahren nicht mehr, 91 Prozent aller Bürgermeister*innen männlich waren4 und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock während des Wahlkampfes 71 Prozent aller Fakenews gewidmet waren, während ihre beiden männlichen Kontrahenten zusammen nur auf 29 Prozent kamen.5

Ein anderes Beispiel ist, wenn immer wieder abgefeiert wird, dass mehr Väter in Elternzeit gehen. Ja, stimmt, jedes Jahr nimmt die Zahl dieser Väter zu. Aber erstens gehen aktuell nur vier von zehn aller frischgebackenen Väter überhaupt in Elternzeit6, das heißt sechs von zehn Daddys machen das immer noch gar nicht. Und zweitens, von diesen 42 Prozent, die überhaupt Elternzeit nimmt: Wie viele davon nehmen zehn Monate und mehr? 7,6 Prozent. Wie viele Frauen aber nehmen zehn Monate und mehr? Richtig, 95,4 Prozent!7 Nahezu alle Mütter gehen länger als zehn Monate in Elternzeit, aber ja, lasst uns ruhig abfeiern, dass immerhin vier von zehn Vätern überhaupt Elternzeit nehmen und auch dann nur acht Wochen – ist doch quasi Gleichberechtigung!

Und so reiht sich in diese Aufzählung auch perfekt unser erster Bullshitsatz ein, der diesem Kapitel seinen Namen gibt. Kommen wir also zum Faktencheck: Die bekannte Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, fasst es in ihrem Buch so gut zusammen, dass man beim Lesen aus dem Sich-gegen-die-Stirn-Klatschen nicht mehr herauskommt. Bereit? 1992 lag der Anteil der Männer an der Care-Arbeit bei 31 Prozent. Heißt, zwei Drittel des Kochens, Putzens, Kümmerns, Tröstens, Lernens, Planens, Packens, Pflegens usw. erledigte die Frau, ein Drittel der Mann. Im Jahr 2016 war dieser Anteil „schon“ auf 37 Prozent angestiegen.8 Man könnte jetzt diskutieren, ob der Anstieg von sechs Prozentpunkten in einem Vierteljahrhundert wirklich ein so großer Schritt ist – bedeutet es doch, dass wir bei dem Tempo von jetzt an noch mal mehr als 50 Jahre warten müssen, bis wir bei einer 50/50-Aufteilung ankommen –, aber wir wollen ja jeden noch so kleinen Babyschritt feiern. Also, sechs Prozentpunkte – yay! Klingt, als wäre der oben besprochene Satz doch kein Bullshitsatz, denn: Männer übernehmen offenbar statistisch gesehen heute tatsächlich mehr Care-Arbeit als noch vor einem Vierteljahrhundert. Oder?

Nicht ganz, denn jetzt kommt der Haken. Selbst diese sechs Prozentpunkte sind leider Augenwischerei, Care-Arbeits-Greenwashing sozusagen, denn: Frauen leisteten seit 1992 weniger Care-Arbeit, und daher haben sich die Anteilverhältnisse einfach nur verschoben. Frauen gingen seit 1992 viel häufiger erwerbsarbeiten, und wenn man mehr Stunden im Betrieb verbringt, der Tag aber weiterhin nur 24 Stunden hat, hat man zwangsläufig weniger Care-Arbeitsstunden zur Verfügung. Das heißt, der Männeranteil an Care-Arbeit ist nicht gestiegen, weil sich Männer in den letzten Jahren mehr eingebracht haben. Nein, Frauen haben einfach nur insgesamt weniger Care-Arbeit gemacht, und die ist dann eben einfach liegen geblieben. Ansonsten hat sich an den konkreten Stunden der Männer im Haushalt und bei der Erziehung im letzten Vierteljahrhundert einfach rein gar nichts verändert9. Die aktuellen Zahlen sehen also wie folgt aus: Bei einem heterosexuellen Paar, 34 Jahre alt, mit Kindern, care-arbeitet ein Mann pro Tag 2 Stunden 31 Minuten, eine Frau hingegen 5 Stunden 18 Minuten. Das ergibt ein Care-Arbeits-Gap von 110,6 Prozent.10 Das ist mehr als doppelt so viel Zeit, und zwar jeden – einzelnen – Tag!

Aber wie kann denn das sein, könnten jetzt die Fabians und Martins protestieren. Wir wickeln, kochen und wischen doch wirklich so viel mehr als unsere Väter! Tja, klassisches Bubble-Phänomen. In eurer Bubble wickelt, kocht und wischt ihr vielleicht wirklich mehr, aber bei allen Daddys deutschlandweit spiegeln sich diese Zahlen einfach nicht wider. Und selbst wenn ihr mehr tut als eure Väter, stellt sich schon die Frage, ob man sich jetzt wirklich dafür abfeiern möchte, besser abzuschneiden als Männer vor rund 40 Jahren, als das Land noch geteilt war, Vergewaltigungen in der Ehe keine Straftat waren, Frauen per Gesetz zur Hausarbeit verpflichtet wurden und nur dann erwerbsarbeiten durften, wenn sich das mit Ehe und Haushalt vereinbaren ließ und zumindest in Westdeutschland das Ein-Ernährermodell flächendeckend DAS Familienmodell war. Ja, im Vergleich zu dieser Zeit ist der Männertyp 2022 mit seinen zwei Monaten Elternzeit quasi die Alice Schwarzer unter den Väter-Emanzen.

Dass sich aber an der Verteilung der Care-Arbeit so unfassbar wenig getan hat, obwohl die Frauen dieser Väter-Emanzen Jahr für Jahr mehr Erwerbsarbeit schultern, damit sollten diese Männer sich auch kritisch auseinandersetzen und nach dem Warum fragen. Denn hinzu kommt, dass Brei kochen, Kitaeingewöhnung und Windeln wechseln nur der sichtbare Teil der Care-Arbeit ist. Dieser Teil ist zumindest öffentlich mehr in den Fokus gerückt – das ist sicherlich ein Grund, warum die „neuen Väter“ in der Selbstwahrnehmung und auch in der gesellschaftlichen Außenwahrnehmung zwar spürbar vorhanden sind, sich das aber in den Stunden der Care-Arbeit nicht widerspiegelt. Der erst seit ein paar Jahren hierzulande bekannte Begriff Mental Load hingegen ist ein gänzlich neuer, unsichtbarer und als Phänomen noch nahezu unerforschter Teil der Care-Arbeit, der nur zu gern vergessen wird.

Das sagen übrigens nicht nur feministische Stimmen aus Medien oder Genderforschung. Selbst der kürzlich veröffentlichte Väterreport 2021 der Bundesregierung dämpft die Selbstwahrnehmung der „neuen Väter“, die in diesem Bericht eigentlich gefeiert werden sollen: Zwar geben immerhin 25 Prozent aller Väter an, dass sie in ihren Beziehungen etwa die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, fragt man aber die Mütter, können das nur 10 Prozent von ihnen bestätigen. Dieser Wahrnehmungsunterschied, so die Studienverfasser*innen, „kann daran liegen, dass Väter den Aufwand für die Kinderbetreuung unterschätzen, weil sie wegen unzureichender Erfahrung nicht genau wissen, welche Familienarbeit insgesamt anfällt. Möglicherweise sind ihnen beispielsweise Organisationsaufgaben, Fahrten und Arztbesuche nicht präsent.“11 Ist schon lustig, dass selbst eine Studie der Bundesregierung feststellt, dass der hier gemeinte sogenannte Mental Load, der ja meist unsichtbar bleibt, die Eigenwahrnehmung der neuen Väter etwas verzerrt.

Ganz kurz zum Ursprung: Der Begriff Mental Load kommt aus der Cognitive Load Theory, die Theorie wird meist in der Didaktik verwendet, um aufzuzeigen, wie das Gehirn beim Lernen den ganzen Wissenserwerb, die Informationen und Probleme in winzig kleine Schritte zerlegt, um sie besser verarbeiten und angehen zu können. Auf Frauen und Mütter übertragen, sind mit Mental Load die winzig kleinen Aufgaben aus Mitdenken, Erinnern, Planen, Organisieren und Synchronisieren des kompletten Alltags-, Freizeit- und Pflichtterminkalenders einer gesamten Familie gemeint, die sich gleichzeitig und in Dauerschleife in ihren Köpfen abspielen. Da dieser Begriff im deutschsprachigen Raum erst 2017 aufgetaucht ist12, und damit erst seit knapp fünf Jahren greifbar, definierbar und damit theoretisch messbar ist, und erst jetzt erste Projekte und Forschungsgruppen versuchen, den Mental Load in Studien und Stunden zu messen, gibt es keine Langzeitstudien darüber, wie sich der Mental Load der Männer in den letzten fünf, zehn oder auch 25 Jahren entwickelt hat. Da erste Analysen und Beobachtungen zu diesem Thema aber zeigen, dass sich bis zu 86 Prozent aller Frauen und Mütter für den Mental Load zuständig fühlen13 und in den letzten Jahren mit den astronomisch wachsenden Ansprüchen an die Mutterrolle die Ausmaße des Mental Load ebenfalls gewachsen sind (mehrschichtige Regenbogentorten, Sternekoch-verdächtige Brotdosenarrangements, preisgekrönte DIY-Schultüten etc.), liegt die Schlussfolgerung nahe, dass es in den letzten 25 Jahren nicht nur NICHT zu einer gerechteren Aufteilung der Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen gekommen ist – nein, die Diskrepanz wird sich wahrscheinlich sogar noch vergrößert haben.

Und damit ist es leider ziemlich furchtbar, was aktuell passiert: Einerseits wird gerne betont (und 69 Prozent der Bevölkerung glaubt tatsächlich daran14), dass wir als Gesellschaft schon so viel weiter sind, dass Männer wickeln, Spülmaschinen ausräumen, Wäsche aufhängen. Andererseits wird in dem Zusammenhang aber gerne verschwiegen oder einfach verkannt, dass Care-Arbeit im Jahr 2022 einfach viel komplexer und zeitintensiver geworden ist. Diese Komplexität wird aber immer noch zu einem ganz großen Teil von den Frauen getragen, gewuppt, organisiert und bedacht. Also sorry, lieber Stephan, Wickeln und Wäsche in allen Ehren – aber Kuchen als Dankeschön für die eine Erzieherin, Essensanmeldung fürs Schulkind, Kindergeburtstag planen, ob die Sportschuhe noch passen, wo das Geschenkpapier liegt, was sich die Schwiegermutter zum Geburtstag wünscht, welche Geschwisterfotos die Kita zur Eingewöhnung braucht, wann die nächste U-Untersuchung ist, der nächste Zahnarzttermin, die nächste Impfung, ob das Kind Nachhilfe braucht, zum Osteopathen muss, zu einer Therapeutin, wann welcher Nachmittagskurs beginnt, wer bringt und abholt und wann die Rate dafür fällig ist, welche Schultütenwünsche das Kind hat und welche Schablonen und Bommel dafür in welchem Laden wann wieder auf Lager sein werden – darum kümmern sich Männer meistens nur dann – sorry – wenn sie alleinerziehend sind, verwitwet oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben. In einer Heterobeziehung findet sich nirgendwo in meinem Bekannt*innenkreis ein Vater, der all dies macht, denkt, kauft und regelt. Aber die Mütter, die ich kenne, tun genau das – und zwar ausnahmslos alle.

Und während ich das alles gedanklich durchdringe und in meine Tastatur hämmere, stelle ich fest, dass sich neben alldem ein gänzlich neues Feld an Mental Load auftut, den fast schon naturgemäß auch meist die Mütter besetzen: Inzwischen spielt etwa Nachhaltigkeit bei jungen Familien eine immer größere Rolle, und damit gehört es seit ein paar Jahren zum Mental Load auch dazu, quer durch die Stadt zu rennen, um die zuckerfreien Quetschies, die Öko-Edelmetalltrinkflasche und das GOTS-zertifizierte Stoffwindelset zu besorgen, dann noch eine Stoffwindelberaterin zu recherchieren, mit ihr einen Beratungstermin zu vereinbaren, sicherzustellen, dass der Mann da auch kann oder ihm das Ergebnis hinterher ebenso professionell zu vermitteln – und ihn davon zu überzeugen, dass das sowohl für die Umwelt wie auch fürs Portemonnaie vielleicht ganz gut sein könnte.

Genauso gehört es heute zum guten Ton (und ich befürworte das logischerweise), eine einigermaßen gleichberechtigte und feministische Elternschaft zu leben. Nur: Was auf dem Papier so lobenswert klingt, bedeutet in der Realität, sich bis spät abends auf den einschlägigen Blogs darüber zu informieren, welche Märchenbücher nicht die ewig oberflächlichen Prinzessinnen- und toxischen Männlichkeitsbilder tradieren, wo es die curvy Astronautinnenbarbie of Color zu kaufen gibt und ernsthafte Gespräche mit den Kindern zu führen, warum der eine Junge aus dem Bibi-und-Tina-Kinofilm Bibi hinterhergepfiffen hat, und kindsgerecht zu erklären, warum das eigentlich Scheiße ist. Diese ganze Bildungsarbeit, zu der – wenn man es ganz genau betrachtet – auch das Lesen dieses Buches gehört, kostet Geld, Zeit, Ressourcen, Recherche und ist ein weiterer Teil des Mental Loads, der leider offenbar auch größtenteils in die Verantwortung der Mütter fällt.

Also ja, sicherlich ist das Thema der „neuen Väter“, der „modernen Männer“ in der Breite angekommen. Das ist gut und wichtig. Aber dass ein Thema diskutiert wird, bedeutet noch lange nicht, dass es auch Veränderungen zu beobachten gibt. Männer mögen gefühlt mehr wickeln, mehr in Elternzeit gehen, mehr Kinderwagen schieben als noch vor 25 Jahren – nur schlägt sich das statistisch und in der Zeit, die sie täglich dafür aufbringen, einfach nicht nieder. Denn die meiste Care-Arbeit ist unsichtbar, wird zum größten Teil von Frauen erledigt und wird immer komplexer. Und ebendieser Zeitaufwand wächst offenbar verhältnismäßig schneller, als der Anteil der Männer, der sich darum kümmert.

Ach komm, Alex, könnte man jetzt meinen, diese kleinen Schritte abzufeiern, ist doch auch wichtig. Dann übernehmen die meisten Väter bisher nur Wickeln, Kochen oder Kinderwagenschieben und noch nicht den ganzen Mental Load, aber das ist doch besser als nichts, oder? Ja, aber ganz ehrlich, ist das meine Auswahl als Frau und Mutter im Jahr 2022? Die Wahl zwischen „Dein Mann hilft doch schon mit, sei dankbar“ und „Sonst macht er halt gar nichts“?! Damit kommen wir zur finalen Zerlegung des besagten Bullshitsatzes. Denn was an dieser Freu-dich-doch-Argumentation am schlimmsten ist, ist, dass sie uns ausbremst. Indem unser Umfeld und auch wir uns immer wieder vor Augen führen, „wie viel mehr“ der Mann schon im Vergleich zu anderen Männern oder zu anderen Generationen übernimmt und wie wir uns darüber gefälligst zu freuen haben, verlieren wir das eigentliche Ziel aus den Augen und feiern ein vermeintliches Zwischenergebnis, das überhaupt keins ist. Was ist denn unser Maßstab? Wollen wir Parität, also die nahezu gleichwertige Aufteilung von Care-Arbeit? Oder wollen wir abfeiern, dass der eigene Partner der Bessere unter den Schlechteren ist? Indem unser Umfeld uns immer wieder einbläut „Sei dankbar, dein Mann hilft schon so viel“, bremst es uns aus und zwingt uns, jetzt schon zufrieden und vor allem ruhig zu sein. Und das, obwohl wir noch gar nicht am Ziel sind!

Es ist wie bei einem Marathonlauf: Wir rennen, um ins Ziel zu kommen. Es würde doch auch niemand auf die Idee kommen, uns mitten auf der Strecke zu stoppen und uns am Laufen zu hindern. Hey, du kannst hier ruhig anhalten. Sei doch dankbar, dass du so weit gekommen bist! Immerhin bist du weitergekommen als viele vor dir. Also hör jetzt lieber auf, das reicht erst mal. Absurd? Ja. Eine typische Sei-dankbar-Argumentation, die sich hinter „Hast du ein Glück, dass dein Mann so viel mithilft“ versteckt? Leider auch.

Anmerkungen zum Kapitel

2. https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/studien/Monitor_Familienleben_2012.pdf. S. 33.

3. https://www.focus.de/politik/deutschland/nach-kritik-an-baerbock-heute-haben-es-frauen-in-der-politik-nicht-mehr-schwerer-sagt-schaeuble_id_13484868.html

4. https://www.presseportal.de/pm/116841/4721795

5. https://www.zeit.de/digital/internet/2021-09/fake-news-bundestagswahl-annalena-baerbock-gruene-desinformation

6. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Elterngeld/Publikationen/Downloads-Elterngeld/elterngeld-geburten-j-5229201189004.pdf?__blob=publicationFile. S. 27.

7. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Elterngeld/Publikationen/Downloads-Elterngeld/elterngeld-geburten-j-5229201189004.pdf?__blob=publicationFile. S. 14.

8. Jutta Allmendinger, (2021): Es geht nur gemeinsam. Wie wir endlich Geschlechtergerechtigkeit erreichen. Ullstein. S. 46 f.

9. Ebd. S. 23.

10. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294

11. https://www.bmfsfj.de/blob/jump/186176/vaeterreport-update-2021-data.pdf. S. 9.

12. https://www.br.de/kultur/mit-mental-load-besser-umgehen-100.html?fbclid=IwAR3OOeqaSQRAzXP4EC7C2laSYOHetP4zlKu0jmfEfQfBbtG1bumn0u5nXFM

13. https://www.businesswire.com/news/home/20171220005984/en/New-Research-Shows-the-%E2%80%9CMental-Load%E2%80%9D-is-Real-and-Significantly-Impacts-Working-Mothers-Both-at-Home-and-Work

14. https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/studien/Monitor_Familienleben_2012.pdf. S. 33.

„Er arbeitet voll, sie nur Teilzeit – ist doch klar, dass sie zu Hause mehr übernimmt.“

Kommen wir zur zweiten Ausgeburt aus der Hölle der Möchtegern-Gleichberechtigungssätze zwischen Männern und Frauen. Aber was stört uns eigentlich daran? Es scheint doch einfach eine klare Aufgabenverteilung zu sein: Er arbeitet mehr, also übernimmt sie mehr im Haushalt – ist doch logisch. Sätze wie diese bekomme ich sehr häufig zu hören – und zwar von Vätern und Müttern gleichermaßen, von Jung und Alt, sowohl digital über Social Media als auch gnadenlos analog neben dem heimischen Sandkasten..

Erst vor Kurzem saß ich nachmittags mit mehreren Kitamüttern und ein paar Kitavätern auf dem Spielplatz, und am Abend sollte ein Elternabend für ebendiese Kitaeltern stattfinden. „Na, wer geht von euch hin?“, fragte ich hier und da. „Sie“ war die häufigste Antwort. So weit, so gewöhnlich. Als dann aber ein Vater meinte, seine Frau würde gehen, damit sie mal abends nicht die Kinder ins Bett bringen müsse, wurde ich hellhörig. „Bringt sie denn bei euch sonst immer die Kinder ins Bett?“, fragte ich. Na ja, antwortete der Vater, er gehe ja arbeiten und sie sei aktuell zu Hause, da gehöre Kinder-ins-Bett-Bringen halt dazu. Er meinte es nicht böse, nicht von oben herab, sondern sprach einfach eine logische Schlussfolgerung aus. Logisch für ihn, klar, ist ja auch viel bequemer. Um 18 Uhr hat er Feierabend, danach noch die Kinder ins Bett zu bringen, das wären ja quasi Überstunden. Unbezahlte, selbstverständlich.

„Na ja“, antwortete ich, „sie arbeitet ja auch, nur eben zu Hause, und hätte vielleicht auch gerne um 18 Uhr Feierabend. Ihr habt ja beide Anspruch darauf und müsstet am Abend eigentlich beide den Stift oder eben die Windel fallen lassen und alles, was dann noch zu tun ist, gerecht aufteilen.“ Ein zweiter Vater hörte inzwischen interessiert zu. In seinem Blick las ich eine Mischung aus „Das ist doch verrückt“, „Was willst du jetzt eigentlich von uns?“ und „Mist, klingt logisch, was sage ich da jetzt?“ Dann lachten beide und sagten: nichts. Schnell wurde das Thema gewechselt, und weil wir auf einem Spielplatz waren, ich mit diesen sonst sehr netten Menschen auch weiterhin entspannte Spielplatznachmittage verbringen wollte und auch keine Muße hatte, da jetzt zwischen Wippe und Sandkasten die große Care-Arbeits-Debatte vom Zaun zu brechen, beließ ich es dabei. Seine Frau erschien, wie angekündigt, ein paar Stunden später auf dem Elternabend.