Wirtschaftsmacht Fußball - Dieter Hintermeier - E-Book

Wirtschaftsmacht Fußball E-Book

Dieter Hintermeier

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Beschreibung

Aus der Tiefe des Raums muss das Runde immer ins Eckige ...

Der Profifußball kann große Krisen meistern: Auch die Corona-Pandemie war nicht in der Lage, die beliebteste Sportart der Welt in die Knie zu zwingen. Die Show ging trotz des Virus weiter. Nach der Pandemie kam der Ball dann wieder richtig ins Rollen, und zwar so, als hätte es Corona nie gegeben.
Neue Entwicklungen zeichnen sich am Fußballhorizont ab. So ist der Frauenfußball plötzlich en vogue. Doch bei der WM in Australien und Neuseeland schied das Team bereits in der Vorrunde aus. Ebenso die deutsche (Männer-)Nationalmannschaft, die seit dem Gewinn der WM 2014 eine Pleite nach der nächsten abliefert.
Im Vereinsfußball werden weiterhin große Räder gedreht. Die Transfersummen steigen immer weiter. Und neue Player sind am Fußballmarkt aufgetaucht. Nach dem sukzessiven Rückzug von chinesischen Investoren spielen arabische (Staats-)Fonds eine immer größere Rolle im Milliarden-Business Fußball.
Wohin geht die Fußballreise? Ist der Fußball noch zu retten? Oder macht ihn die globale Kommerzialisierung letztendlich kaputt? Welche Rolle spielen die Medien und die Investoren? Wer sind die Gewinner? Und wer sind die großen Verlierer?
Der Autor, Dieter Hintermeier, selbst Fußballtrainer und gleichzeitig Wirtschaftsexperte, liefert Antworten auf diese Fragen und viele weitere Einblicke in die hoch kommerzielle und globale Welt des Fußballs – mit kritischem Blick, aber ohne anzuklagen.

Highlights

- Top-Thema zur EM 2024 in Deutschland
- 60 Jahre: Erfolgsgeschichte Bundesliga
- Wirtschaftliche Zusammenhänge des Profifußballs greifbar gemacht
- Inklusive Interviews mit Top-ExpertInnen aus der Welt des Fußballs

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Dieter Hintermeier

Wirtschaftsmacht Fußball

Hintergründe, Fakten und Visionen eines globalen Milliardengeschäfts

2., vollständig überarbeitete Auflage

Im vorliegenden Buch wurde weitgehend auf eine gendergerechte Sprache verzichtet.Es sind selbstverständlich immer alle Geschlechter (m/w/d) gemeint.

Print-ISBN:        978-3-446-48010-0E-Book-ISBN:   978-3-446-48042-1E-Pub-ISBN:      978-3-446-48175-6

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© 2024 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Lisa Hoffmann-BäumlHerstellung: Carolin BenedixCovergestaltung: Max KostopoulosTitelmotiv: © Max Kostopoulos und Verwendung von © shutterstock.com/Andrush, xpixel, Evannovostro, Andrey_PopovSatz: Eberl & Koesel Studio, Kempten

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

1 Prolog

Ausdruck des Klassenkampfes

Ein später Weg in die Professionalität

Am Ende gewinnt das Geld

2 Die Krisenwelt – Fußball und Politik

Am Tag des Hamas-Überfalls rollte das runde Leder

Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Mord und Terror

Gestenreiche Fußballer auf dem Feld

Die Innenministerin zeigt klare Kante

Der DFB und das liebe Geld

Colin Kaepernick: Footballer als politische Symbolfigur

Fußball als politisches Symbol

3 Fußball-Europameisterschaft

Was sich die Politik vom Fußball wünscht

Neuer Standard für sportliche Großevents

„Menschenrechtserklärung für die Fußball-Europameisterschaft 2024“

„Deutschland wird keine Standards setzen“

Philipp Lahm: Verdienter Nationalspieler als EM-Turnierdirektor

Die 17. Fußball-Europameisterschaft

Wer die Zeche zahlt

4 60 Jahre Bundesliga

Die erfolgreichsten Vereine in 60 Jahren Bundesliga

Die wichtigsten Spieler in 60 Jahren Bundesliga

Meilensteine für die Popularität der Liga

5 Investoren

Investoren aus dem Nahen Osten entdecken ihre Liebe zum Fußball

Aus Mittelmaß einen Spitzenklub entwickeln

Investments verstoßen gegen das Financial Fairplay

Saudi-Arabiens Engagement im Fußball

6 Die Frauen und der Fußball

Eine unterschätzte Macht

Leistungsgefälle in den Ligen

Erfolgreichstes Team im Deutschen Fußball

In Sachen Frauenfußball früher ein Entwicklungsland

Herrenriege des DFB als Spaßbremse

Die Gehälter im Frauenfußball

Interview mit Julia Simic: Anspruchsvoller und ausgeglichener werden

7 Der Markt

Groß und lukrativ

Medienrechte

Kapitalgesellschaften als Geldsammelstelle

Geldquelle Wettbewerbe

Der Rubel rollt: Das verdienen die Klubs

Der Fernsehmarktwert der UEFA

Der Marktpool der UEFA

Die Europäische Super League ante portas

Interview mit Lars Figura: Solidarität neu denken

8 Die Spieler

Nicht alle haben Glück

Das Spiel des Lebens

Nicht den Fuß vom Gas nehmen

Leistungszentren entwickeln junge Fußballer

Das geben Europas Spitzenklubs für ihre Spieler aus

Die Rolle der Spielerberater

Interview mit Ulf Baranowsky: Nur sehr wenige Millionengehälter

9 Die Top-5-Ligen in Europa

England – Premier League

Spanien – La Liga

Italien – Serie A

Die Bundesliga

Frankreich – Ligue 1

Die Transfers im europäischen Fußball

Interview mit Dietmar Hopp: „Fußball sollte der Spaßfaktor in meinem Leben sein.“

10 Die großen Wettbewerbe im Fußball im Überblick

Wettbewerbe im internationalen Fußball

Klubwettbewerbe

Interview mit Katja Kraus: „Der Fußball bietet eine enorme emotionale Verbundenheit.“

11 Die Rolle der Medien

Die Medien

Mit „Anpfiff“ beginnt neue Fußballepoche

TV-Publikum ist angetan

Symbiose zwischen Fußball und Medien

Vereine und Verbände wollen verdienen

Marketing-Spektakel Superbowl

Die Stars der Branche

The show must go on

Interview mit Andreas Kötter: „Eine nüchterne Ergebnismeldung kann sich heute niemand mehr leisten.“

12 Künstliche Intelligenz und Big Data spielen mit

Hilfe bei Transfers

Marktwert des Spielers ermitteln

Social-Media-Auftritte helfen beim Imageaufbau

Statistik gewinnt keine Spiele

Digitalisierung bringt Wettbewerbsvorteile

Andere Sportarten nutzen Technologie

Fehlentscheidungen verhindern

Wichtiger Bestandteil des Fußballs

Interview mit DHL-Manager Arjan Sissing: „Leuchtturm-Events wie die EURO 2024 in Deutschland haben eine herausragende Wirkung für das Land, aber auch für alle Partner sowie die Sponsoren.“

13 Trainer und Manager

Die erfolgreichsten Trainer

Ist Fußballtrainer ein Traumjob? Jein!

Die Manager

Kriterien eines Sportmanagers

14 Schiedsrichter: Die Autorität im Fußballstadion

15 Die Fans im Blick

Der Sport ist Nebensache

Im Stadion selten zu sehen

Deutschland bleibt eine Fußballnation

In der Premier League zur Kasse gebeten

Spitzenfußball, ein teures Vergnügen

Ultras: Große Bedeutung für die Fankultur

Die Generation Z und der Fußball

16 Das Finale

Die EM im Spannungsfeld der politischen Krisen

Klubs als Wirtschaftsunternehmen

Attraktivitätsverlust bei Jüngeren

Ins Zwielicht gerückt

17 Anhang

Ethik-Kodex des Deutschen Fußball-Bundes

18 Literatur- und Quellenverzeichnis

19 Der Autor

 1Prolog

„Fußball ist das Heraustreten aus dem versklavten Ernst des Alltags in den freien Ernst dessen, was nicht sein muss und deshalb so schön ist.“

Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger; faz.net 2006)

Der 10. November 2001 war ein ganz normaler Samstag. In Buenos Aires erfreuten sich die Menschen am argentinischen Frühling. Doch so normal sollte der Tag in der argentinischen Hauptstadt nicht werden, denn im Stadion La Bombonera des Kultklubs Boca Juniors, dem Klub der Rang- und Namenlosen, nahm ein ganz Großer des Weltfußballs seinen Abschied vom Fußball. Sein Name: Diego Armando Maradona. Für viele ist der 1,65 Meter „große“ Mann der beste Fußballer aller Zeiten. Andere, die ihm nicht Wohlgesonnenen, erinnern sich bei Maradona vielleicht nur an dessen Eskapaden während und nach seiner aktiven Spielzeit. Übergewichtig, laut feiernd, krank, drogenaffin, aufgeschwemmt durch die Einnahme vieler Medikamente und Hilfe suchend beim kubanischen Staatschef Fidel Castro.

In der Tat: In seinem Fußballerleben hat Maradona alle Höhen und Tiefen des Fußballgeschäfts miterlebt. Seine rauschenden Partys waren genauso legendär wie seine Tore. Apropos Tore: Bei seinem wichtigsten (und das ihn auch gleichzeitig in den Legendenstatus erhob) war sogar die „Hand Gottes“ im Spiel. Es war ein irreguläres Tor, das er am 22. Juni 1986 bei der Weltmeisterschaft im Spiel der argentinischen Nationalmannschaft gegen England erzielte. Fast 115 000 Zuschauer sahen Diegos „Tor“ unter Zuhilfenahme seiner Hand zum 1 : 0 für Argentinien im Aztekenstadion in Mexiko-Stadt. „Es war ein bisschen Maradonas Kopf und ein bisschen die Hand Gottes“, kommentierte „der Goldjunge“, wie Maradona genannt wurde, seinen Treffer. Doch der Fußballgott wollte Maradona an diesem 22. Juni im Aztekenstadion nicht als elenden Schwindler in die Historie des runden Leders eingehen lassen. Im selben Spiel gelang ihm nach einem 60-Meter-Solo, bei dem er gefühlt zehn englische Spieler ausdribbelte, ein regulärer Treffer, der später zum WM-Tor des Jahrhunderts gewählt wurde.

Welchen Stellenwert dieses Spiel und Maradonas „Hand“-Tor für sein Heimatland hatte, kann nur der verstehen, der weiß, dass der Falkland/Malwinen-Krieg im Jahr 1982 zwischen Argentinien und England mit einer Schmach für das südamerikanische Land endete, das die britische Insel im Atlantik angegriffen hatte. Nach nur rund zweieinhalb Monaten hatten die Briten den Aggressor besiegt. Vier Jahre später stellt dann der „Goldjunge“ Maradona die „Ehre“ seines Landes mit seinen beiden Toren im Spiel gegen England wieder her. Spätestens ab diesem Zeitpunkt genießt Maradona in seinem Land – in dem auch ein Fußballspieler namens Lionel Messi, der im Jahr 2022 mit Argentinien in Katar Fußball-Weltmeister wurde, das Licht der Welt erblickte – einen Heldenstatus. Und Helden verzeiht man bekanntlich (fast) alles.

Der aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Maradona war nicht nur der König der Armen und Entrechteten Argentiniens, sondern auch ein Profiteur des aufblühenden Fußballbusiness der 1980er-Jahre. Als er 1982 von den Boca Juniors zum edlen FC Barcelona wechselte, soll die Top-Summe von umgerechnet acht Millionen Euro beim Transfer geflossen sein. Aber es sollte für Maradona noch besser kommen. Bei seinem Weggang vom katalanischen Spitzenklub zum SSC Neapel im Jahr 1984 soll die damals unglaubliche Summe von umgerechnet rund zwölf Millionen Euro für ihn gezahlt worden sein. Dass der bürgerliche FC Barcelona diese Ablösesumme für den „Goldjungen“ problemlos aufbringen konnte, hatte damals niemand in der Fußballwelt verwundert. Schließlich hatten sich die Katalanen bei einigen Zeitgenossen den Ruf erworben, nicht viele echte Fans zu haben, sondern dass es vielmehr solvente „Kunden“ waren, die den Fußballtempel Camp Nou aufsuchten. Und die erlesene Kundschaft verlangte nach Stars wie Maradona. Für die Barca-Vereinsfunktionäre gehörte es deshalb zum guten Ton, auf diesem Gebiet für Nachschub zu sorgen. Wie es aber dem SSC Neapel aus der Metropole des armen italienischen Mezzogiorno gelang, die damals astronomische Summe von umgerechnet zwölf Millionen Euro für den Maradona-Transfer aufzubringen, bleibt bis heute, mit Verlaub, nebulös.

Dank einer Analyse des Nachrichtenmagazins Spiegel wissen wir heute, dass die europäischen Transfers des „Goldjungen“ aus Argentinien die kostspieligsten der letzten Jahrzehnte waren. Gemessen an heutigen Maßstäben hätten die Maradona-Transfers ohne Probleme die 100-Millionen-Euro-Marke durchbrochen. Das ist fast genau der Preis, den Real Madrid 2013 für den Wechsel des walisischen Stürmers Gareth Bale vom Premier-League-Klub Tottenham Hotspur zahlte. So war Bale im direkten Vergleich mit Maradona nur der Sieger auf dem Papier – böse Zungen würden behaupten: Bale war ein Papiertiger.

Als der grandiose Superstar des internationalen Fußballs am 25. November 2020 im Alter von nur 60 Jahren an einem Herzinfarkt in einer Wohnanlage in Buenos Aires starb, stürzte Argentinien und der Weltfußball in fassungslose Trauer. Zu seiner Aufbahrung im Präsidentenpalast in Buenos Aires strömten rund eine Million Menschen. „Weltweit nahmen sogar hunderte Millionen Fans Abschied. Die Trauerfeier von Maradona war damit nicht nur eine der bewegendsten, sondern auch eine der größten Welt“, notierte die BILD-Zeitung. Und sein Weltmeister-Trainer César Luis Menotti gab Maradona mit auf den Weg: „Der Ball und er kamen zusammen auf die Welt, wie beim Tango. Diego existierte in keiner anderen Welt als auf dem Fußballplatz.“

Ausdruck des Klassenkampfes

Dass im Fußball das Geld schon immer eine wichtige Rolle spielt, ist fast so alt wie dieses Spiel selbst. So überführten die Erfinder des europäischen Fußballs auf der britischen Insel diesen Mannschaftssport relativ zügig in professionelle Strukturen – mit der Folge, dass seit 1888 in England schon Profimannschaften gegeneinander antraten. Klaus Zeyringer beschreibt diesen Wandel des britischen Fußballs von einem Sport der britischen Oberschichtjugend in seinem Buch Fußball. Eine Kulturgeschichte: „Mit dem Beginn der Fankultur wurde der Fußball zum Geschäft. Die Proficlubs waren jetzt Unternehmen. Sie fingen an, Spieler zu kaufen und zu verkaufen und sie brauchten dazu Betriebsleiter“, berichtet Zeyringer. Aus dieser, nennen wir es mal, Firmenphilosophie, ist auf der britischen Insel die Funktion des Trainers entstanden, der konsequenterweise dann auch „Manager“ genannt wurde. Eine Berufsbezeichnung, die heute noch im britischen Fußball gang und gäbe ist. Der Manager ist in Personalunion Trainer und gleichzeitig quasi Sportdirektor des Klubs und folglich mit einer entsprechenden Machtfülle ausgestattet

Im deutschen Fußball konnte sich diese Form des Fußballmanagers nach britischem Vorbild dagegen nicht durchsetzen. Wenn man zum Beispiel von Felix Magath absieht: Die Ikone des Hamburger SV aus glorreichen Zeiten, als der hanseatische Klub noch in den 1980er-Jahren den europäischen Fußballthron der Landesmeister erklomm, heuerte 2009 bei Schalke 04 an, nachdem er mit dem VfL Wolfsburg sensationell Deutscher Meister wurde. Von den S04-Bossen wurde er in Personalunion zum Trainer und Manager bestimmt. On top gab es für Magath noch einen Posten im Vorstand des Vereins. Das Experiment „Manager“ nach britischem Vorbild endete für den Fußballeuropameister Magath schon 2011. Ihm wurden unter anderem „zu viele“ Transfers vorgeworfen. Als „Kündigungsgrund“ diente für Magath dann auch noch der (phasenweise) mangelnde sportliche Erfolg der Mannschaft.

Obwohl Magath zum Beispiel mit den damaligen Schalke-Verpflichtungen der beiden Starstürmer Raúl von Real Madrid und Klaas-Jan Huntelaar vom AC Mailand Akzente in der Liga setzen konnte, scheiterte das britische Firmenmodell „Manager“ im deutschen Profifußball. Dort setzte man stattdessen weiterhin auf Arbeitsteilung innerhalb eines Profiklubs. So gibt es heute immer noch den klassischen Trainer, der sich im Regelfall rein um die sportlichen Belange des Teams kümmert, und eine stattliche Anzahl von Managern, die für die verschiedenen Aufgabenbereiche des Fußballunternehmens zuständig sind: angefangen vom Finanzsektor über das Merchandising und dem Marketing bis hin zum Sportdirektor.

Im deutschen Profifußball gibt es nach wie vor eine Arbeitsteilung zwischen Trainer und dem Management.

Für Zeyringer ist die organisierte Form des Fußballs, wie wir ihn heute kennen, eine Folge der Entwicklung der englischen Industriegesellschaft und den Kämpfen zwischen Fabrikbesitzern einerseits und Arbeitern und Gewerkschaften andererseits. Letztlich setzte sich das Credo der Industriegesellschaft, dass Raum und Zeit der Planung bedürfen, um erfolgreich zu sein, auch im „Fußball“ durch. Statt das Chaos regieren zu lassen, wurde der Spielbetrieb von nun an einem geregelten Ablauf unterworfen. Und dass sich die Fanbasis des Fußballs im Laufe der Industrialisierung immer mehr vergrößerte, ist auch den Arbeitskämpfen der englischen Gewerkschaften zu verdanken. Sie erkämpften zum Beispiel den Samstag als arbeitsfreien Tag. Dieses Mehr an freier Zeit nutzten die Arbeiter zum Beispiel dann auch zum Besuch von Fußballspielen. Während sich der Fußball in der britischen Industriegesellschaft durch diese Entwicklungen immer mehr zum Sport für die breite Masse entwickelte, suchte die junge britische Oberschicht, die eigentlichen Erfinder und Protagonisten des heutigen Fußballspiels, nach Abgrenzung von diesem „Massensport“. Die Eliteschüler von Cambridge bis Eton wandten sich deshalb wieder anderen Sportarten zu. Hierbei spielte dann Rugby plötzlich eine besondere Rolle. Während sich die britische Upperclass-Jugend vom Massensport Fußball verabschiedete, traten bei den Fußballklubs Sponsoren vermehrt auf den Plan. Hier zählten Brauereien und Gaststätten zu den frühen Gönnern der Klubs.

Das Leistungsprinzip des britischen Bürgertums hielt während des aufstrebenden Kapitalismus in England nach und nach Einzug in den Sport und folglich auch in den Fußball. „Die viktorianische Gesellschaft legte großen Wert auf physisches und psychisches Wohlbefinden“, schreibt Zeyringer. Den Körper betrachtete das Bürgertum im aufblühenden kapitalistischen Wirtschaftssystem als „Maschine“. Und war die „Maschine“ gesund, folgte dieser auch der „Geist“, so die simple Schlussfolgerung.

Über die katastrophalen Zustände in englischen Fabriken während der Industrialisierung gibt es zahlreiche sozialwissenschaftliche Abhandlungen. Unter diesen Umständen in den Fabriken lag es nahe, dass Sportausübung als Mittel, um die Gesundheit der Arbeiter zu erhalten, auch von Fabrikbesitzern propagiert wurde. „Immerhin förderten nicht wenige Unternehmen in Großbritannien den Fußball. Damit konnten sie sich als gute Väter ihrer Arbeiter zeigen, denen sie eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung ermöglichten und sie derart vom Alkoholismus und von gefährlicher Agitation fernhielten“, so Zeyringer, und er nennt ein Beispiel für dieses doch tendenziell eigennützige Engagement der Fabrikbesitzer. So habe es beispielsweise in der Londoner Thames Ironworks einen Streik gegeben, woraufhin der Fabrikbesitzer Arnold F. Hills kurzerhand den Fußballverein West Ham United ins Leben rief, um seine Arbeiter von weiteren Arbeitskampfaktionen abzuhalten. Stattdessen sollten diese sich der fußballerischen Ertüchtigung hingeben. Die Maßnahme war ein kluger unternehmerischer Schachzug. Hills, der 1894 in seinem Unternehmen auch den Achtstundentag einführte, blieb vielleicht wegen seines West-Ham-Schachzugs vom großen London-Engineer-Streik im Jahr 1897 verschont.

Der Siegeszug des Fußballs war nun auch in Deutschland mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr aufzuhalten. Zuerst als „Fußlümmelei“ oder „englische Krankheit“ verächtlich gemacht, begeisterte der Fußball im Laufe der Jahre immer mehr die breiten Massen. Nach der Überlieferung soll es der Lehrer Konrad Koch gewesen sein, der den Fußball im Jahr 1874 in Deutschland etablierte. Koch war Lehrer am Braunschweiger Gymnasium Martino-Katharineum. Gespielt wurde in der Schule zunächst nicht mit einem klassischen Fuß-, sondern mit einem Rugbyball. Pädagoge Koch hatte sich zum Ziel gesetzt, seinen Schülern die ethischen Tugenden des Sports zu vermitteln und dabei gleichzeitig dem möglichen Bewegungsmangel seiner Schützlinge vorzubeugen.

Anders als in England musste der Fußball in Deutschland viel länger um die gesellschaftliche Anerkennung kämpfen.

Das Turnen stand als sportliche Leibesertüchtigung in deutschen Schulen und beim Militär ganz hoch im Kurs. „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn hatte 1811 die deutsche Turnbewegung ins Leben gerufen. Es war sein Versuch, auf die damalige „französische Fremdherrschaft“ (gemeint ist der Zeitraum der Napoleonischen Kriege im Nachgang der Französischen Revolution) zu reagieren. Jahn wollte mit seinem Faible für das Turnen die deutsche Jugend körperlich auf einen möglichen Befreiungskrieg gegen Frankreich vorbereiten.

Ein später Weg in die Professionalität

Mit dem aus England importierten Fußball etablierte sich im deutschen Kaiserreich neben dem Turnen aber eine neue Form der Körperkultur. Dabei diente der Fußball nicht wichtigen politischen Zielen, wie das Turnen dies implizierte, sondern er avancierte zu einer unpolitischen, bürgerlichen Form der Freizeitgestaltung. In der Anfangszeit des neuen Sports in Deutschland spielten in aller Regel die Mitarbeiter englischer Unternehmen, Studenten, Techniker, Geschäftsleute und britische Botschaftsangehörige Fußball. Von einem „Arbeitersport“ konnte zu dieser Zeit, Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, in Deutschland deshalb keine Rede sein. Im Gegenteil: Fußball spielten vielmehr die sogenannten besserverdienenden Gesellschaftsschichten. Für den deutschen Arbeiter war der Sport schlicht zu teuer im Hinblick auf die Anschaffungskosten für die Ausrüstung, um an einem geregelten Fußballvereinsleben teilzunehmen. Sie hielten deshalb weiterhin in der Mehrzahl den Turnvereinen die Treue.

Im Angestelltenmilieu zeigte man sich stattdessen offen für neue Freizeiterscheinungen wie den Fußball. So war eine große Zahl der Angestellten auch generell bereit, für ihre Freizeitvergnügen viel Geld auszugeben. Ausgestattet mit dieser Neugier auf neue Entwicklungen und dem nötigen „Kleingeld“, um dieses neue Freizeitvergnügen auch für sich persönlich auszutesten, wandten sich nicht wenige Angestellte in Deutschland dem Fußball zu. Auch bei den Studenten hinterließ der Fußball seine Spuren, wenn auch auf Umwegen. So war es zum Beispiel deutschen Technikstudenten nicht erlaubt, sich Studentenverbindungen anzuschließen. Diese mussten sich deshalb neue Wege bahnen, um an der herrschenden Verbindungskultur im studentischen Umfeld teilzuhaben. So kreierten sie verbindungsnahe Vereinsnamen wie „Borussia“ und „Alemannia“, die heute noch landauf und landab in Deutschland als Klubnamen zu finden sind. Welchen Einfluss bürgerliches Selbstverständnis auf den „englischen Sport“ hatte, wird auch dadurch dokumentiert, dass die frühen deutschen Fußballer großen Wert auf Orden, Medaillen und Ehrentitel wie „Meister“ legten. „Titel“, die dem Bürgertum entliehen wurden.

Der Weg in die Professionalität gelang dem deutschen im Vergleich zum englischen Fußball ebenfalls spät. Zu sehr war der Fußball in Deutschland dem Amateurgedanken verbunden.

Während in England die ersten Profis schon Mitte der 1880er-Jahre dem Fußball hinterherrannten, mussten in Deutschland fast 100 Jahre vergehen, bis der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Realitäten ins Auge sah und dem professionellen Fußball keine Steine mehr in den Weg legte.

Dass der professionelle Fußball in Deutschland aber nicht zu verhindern war, wurde bereits in den 1920er-Jahren deutlich. In die Stadien strömten ab diesem Zeitpunkt immer mehr Zuschauer, die Kassen der Vereine waren dadurch prall gefüllt. Die Klubs, hier vor allem die Spitzenvereine, versuchten nun, mit sogenannten Handgeldern Spieler aus anderen Vereinen abzuwerben oder gute Kicker durch verdeckte Gehaltszahlungen im Verein zu halten. Einen regelrechten Skandal in dieser Hinsicht gab es im Jahr 1930, als bekannt wurde, dass der FC Schalke 04 an viele Spieler Geld gezahlt hatte. Der DFB wollte daraufhin die Kicker lebenslang sperren. Nach großer öffentlicher Empörung wurden die „lebenslangen Strafen“ aber bereits nach einem Jahr vom Verband zurückgenommen.

Der DFB merkte nun, dass am Profifußball kein Weg mehr vorbeiging, und schrieb sich auf seinem Bundestag im Oktober 1932 die Einführung einer professionellen Reichsliga auf die Fahnen. Wie das Vorhaben operativ umzusetzen sei, wollte der Fußballverband auf einer Sondersitzung im Mai 1933 beschließen. Dazu kam es durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten dann nicht mehr. Es sollte bis zum Jahr 1949 dauern, bis das Profithema im Fußball wieder Fahrt aufnahm.

Der DFB führte ab diesem Zeitpunkt den sogenannten Vertragsspieler ein. Hierunter verstand man bis zur Einführung der Bundesliga im Jahr 1963 einen Spieler, der sich vertraglich für eine oder mehrere Saisons an einen Verein band. Dafür wurde er mit einer Entschädigung entlohnt, die anfangs 320 DM im Monat betrug. Außerdem musste der Vertragsspieler einen Beruf oder eine Ausbildung nachweisen, dem er nachging bzw. die er absolvierte. Mit dem Start der Bundesliga wurde dann aus dem Vertrags- ein Lizenzspieler, dem der DFB jetzt ein monatliches Gehalt von 1200 DM erlaubte.

Ausnahmen gab es hier für Nationalspieler, diese durften ein höheres Gehalt erhalten, damit sie nicht den finanziellen Verlockungen ausländischer Vereine erlagen. Die „normalen“ Bundesligaspieler waren aber weiterhin Halbprofis, die neben ihrem Fußballjob noch einer Berufstätigkeit nachgingen. In den rebellischen 1970er-Jahren machten dann die Bundesligavereine in Sachen Profifußballer immer mehr Druck auf den DFB – mit der Folge, dass der Verband die Gehaltszahlungen an Profifußballspieler ab 1972 endlich komplett freigab.

Seit 1972 gelten auch für Spielergehälter in Deutschland die freien Regeln des Marktes.

Die Gehälter der Spieler haben mittlerweile im Fußballbusiness fast irrationale Höhen erreicht. Schon ein durchschnittlicher Bundesligaspieler darf mit einer Millionengage rechnen. Top-Spieler wie der ehemalige Bayern-München-Goalgetter Robert Lewandowski sollen mit einem Salär von 15 Millionen Euro im Jahr ausgestattet worden sein. Aktuell hat in der Bayern-Gehaltsliste der Kapitän der englischen Nationalmannschaft, Harry Kane, die Top-Position inne. Der Stürmer, für den die Münchner 100 Million Euro an den Premier-League-Klub Tottenham Hotspurs überweisen mussten, steht mit 25 Millionen Euro (brutto) jährlich auf der Payroll des deutschen Rekordmeisters.

Der 30-jährige Kane, der seit der Saison 2023/2024 für die Bayern aufläuft, hat einen Vierjahresvertrag bei den Münchnern unterzeichnet. Somit beläuft sich das Kane-Investment der Bayern über dessen Vertragszeitraum auf 200 Millionen Euro. Dagegen sind die Gehälter, die Bayern für seine weiteren Spitzenkräfte zahlt, durchaus „bescheiden“. Für Mittelfeldspieler Joshua Kimmich und Keeper Manuel Neuer sind jeweils „nur“ 18 Millionen Euro jährlich fällig.

Dass diese Gehälter von den Klubs gezahlt werden, haben sie der immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs zu verdanken. Vor allem die Medien haben in den letzten 35 Jahren dafür gesorgt, dass den Vereinen immer mehr Geld in die Kassen gespült wurde. Für Übertragungsrechte kassieren die europäischen Ligen mittlerweile Milliardenbeträge. Auch die Klubs haben sich in den letzten Jahrzehnten zu Wirtschaftsunternehmen gewandelt, bei denen der Gewinnmaximierung kein unwichtiger Stellenwert zukommt.

Darüber hinaus haben sich die einzelnen Fußballligen in Europa durch die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs zu mächtigen Wirtschaftsimperien gewandelt. Mit einem Umsatz von 6,4 Milliarden Euro ist aktuell die englische Premier League der unangefochtene Spitzenreiter. Deutlich dahinter folgt mit 3,3 Milliarden Euro die spanische La Liga auf dem zweiten Platz. Dritter in der europäischen Umsatzliga ist die Bundesliga. Sie setzt aktuell 3,1 Milliarden Euro jährlich um. Das sind Zahlen, die von der Beratungsgesellschaft Deloitte für die Saison 2021/2022 ermittelt wurden. An diesen Umsatzzahlen kann man zweifellos erkennen, dass die europäischen Fußball-Profiligen die traurigen Zeiten der Corona-Pandemie weitgehend überwunden haben.

Spitzenumsätze: Saison 2021/2022

       Premier League: 6,4 Milliarden Euro

       La Liga: 3,3 Milliarden Euro

       Bundesliga: 3,1 Milliarden Euro

Doch die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs gefällt nicht allen. Die groß angelegte Studie „Situationsanalyse Profifußball 2017“ kommt zu dem Schluss, dass die größten Probleme des deutschen Profifußballs vor allem auf dem primären Streben (der Vereine, der Funktionäre, der Spieler und ihrer Berater) nach immer mehr Geld zurückzuführen sind. Darüber hinaus sorge die ungleiche Verteilung dieser Gelder für erhebliche negative Folgen für den Profifußball. Dazu zählt die Studie Entfremdung der Klubs von den Fans, Realitätsverlust der Vereine, Wettbewerbsverzerrung und Langeweile im Ligabetrieb. Im Ergebnis bleibe der Fan bei dieser bedenklichen Entwicklung auf der Strecke, so die Studienautoren.

Zurück zum 10. November 2001 in Buenos Aires. Diego Maradona hält im Stadion La Bombonera im Konfettiregen seine Abschiedsrede vor 50 000 Fans, die ihrem Idol huldigen. Maradona bedankt sich „beim Fußball“, und er wünscht sich, dass dieses Fest für ihn nie zu Ende gehen wird. Fußball, so Maradona, ist der schönste und ehrlichste Sport der Welt. Und wenn jemand im Fußball Irrwege geht, dann liegt das nicht am Fußball. Das sagte ein ganz Großer des Fußballsports, der es wissen muss – unter Tränen.

Am Ende gewinnt das Geld

In diesem Buch kommen bekannte Protagonisten der Fußballbranche zu Wort und erklären ihre Sicht der Dinge, wenn es um das Thema Profifußball geht. So zum Beispiel Dietmar Hopp. Der Name des SAP-Gründers und Stifters ist untrennbar mit der TSG 1899 Hoffenheim verbunden, dem Verein, den der Mäzen Hopp in die Bundesliga verhalf. Dietmar Hopp ist auch heute noch mit Leib und Seele dem Fußball verbunden. „Wenn wir ein Spiel verlieren, dann schlafe ich schlechter und träume von dem Mist. Fußball ist noch immer der Sport, der mir am meisten Spaß macht. Selbst wenn es nur Torwandschießen ist. Oder ich mit den Enkeln im Garten spiele. Ich habe mit Überzeugung und Weitsicht investiert“, sagt er in unserem Gespräch. Doch er macht sich auch Sorgen um den Profifußball. „Die Summen, die da im Spiel sind, verleiten eben auch zur Unehrlichkeit. Dem muss begegnet werden. Ich hoffe, dass die zuständigen Verbände ihrer Wächterfunktion da etwas besser gerecht werden können, als dies bislang der Fall zu sein scheint“, fordert er ein.

Einen Blick auf die Profifußballer aus Arbeitnehmersicht wirft Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV). Er räumt mit Vorurteilen auf. „In Relation zur großen Masse der Fußballer kommen nur sehr wenige Spieler in den Genuss von Millionengehältern. Stellen Sie sich einen Eisberg vor: Die kleine Spitze ragt aus dem Wasser heraus und wird gesehen. Die breite Masse treibt quasi unsichtbar unter der Wasseroberfläche“, stellt er fest. Über das Innenleben eines Profifußballers berichtet Simon Rolfes. Der ehemalige Profifußballer und Nationalspieler kennt die zwei Seiten einer Medaille im Fußballgeschäft, denn heute ist er Geschäftsführer Sport beim Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen.

Den Kapitalmarkt und den Profifußball hat Lars Figura in unserem Gespräch im Fokus. Der ehemalige erfolgreiche Leichtathlet und Fußballtrainer ist heute Partner der internationalen Beratungsgesellschaft KPMG. Für ihn steht fest, dass der Fußball mittlerweile auch für institutionelle Anleger ein interessantes Investment sein kann. Figura sagt: „Geld schießt keine Tore, aber am Ende gewinnt das Geld.“

In diesem Jahr wird der Fußball einmal mehr im Fokus stehen. Denn die Fußballeuropameisterschaft beginnt in Kürze. Diesmal steht dieser Wettbewerb unter ganz besonderen Vorzeichen, denn die Fußballeuropameisterschaft wird in Deutschland ausgetragen. Am 14. Juni 2024 wird das Eröffnungsspiel in der Fußballarena in München ausgetragen. Einen Monat später, am 14. Juli 2024, ist das Berliner Olympiastadion Schauplatz des Euromeisterschafts-Endspiels. Was bleibt?

Trotz aller Skandale und schmutzigen Geschäfte, die im Profifußball dankenswerterweise immer wieder ans Tageslicht befördert werden, die Faszination dieses Spiels wird trotzdem immer wieder die Menschen in ihren Bann ziehen – daran wird sich nichts ändern.

 2Die Krisenwelt – Fußball und Politik

„Das ist wie beim Fußball: 90 Minuten nutzen, Nachspielzeit gibt es nicht. Mit wem man duschen geht, klärt man hinterher.“

Franz Müntefering, SPD-Ikone, im Wahlkampf 2009. Er übte Kritik an seinen Parteigenossen, da sie schon vorab über mögliche Koalitionen diskutierten.

Dass der 11. September des Jahres 2001 ein Tag sein würde, der in die Geschichte eingehen würde, das wussten die Fans des FC Schalke 04 bereits lange zuvor. Denn an diesem Abend trug der Traditionsklub aus dem Revier sein erstes Champions-League-Spiel der Vereinsgeschichte aus. Das Team um die damalige Trainerikone Huub Stevens trat vor heimischer Kulisse in Gelsenkirchen gegen Panathinaikos Athen an. Wäre es nach den Verantwortlichen auf Schalke gegangen, dann hätte das Spiel niemals stattfinden dürfen, notierte die Neue Zürcher Zeitung am 14. November 2023 in einem Online-Beitrag. Für die Absage des Spiels hatten Klub-Verantwortliche einen triftigen Grund. In New York waren bei einem Anschlag auf die beiden Türme des World Trade Centers über 3000 Menschen ums Leben gekommen. Der europäische Fußballverband UEFA hatte für das Ansinnen der Schalke-Offiziellen aber kein Verständnis und ließ das Spiel trotz weltweiten Entsetzens über den Terroranschlag stattfinden.

Das war ein Beispiel dafür, wie der Fußball in die Bredouille geraten kann, wenn die Politik und die Welt wegen vieler Krisen aus den Fugen geraten. Jüngstes Beispiel für diese krisengeplagte Welt ist der 7. Oktober 2023. An diesem Tag überfielen Hamas-Terroristen ein Musikfestival in Israel und töteten im Zuge des Angriffs über 1400 Menschen und nahmen Hunderte von Geiseln. Die israelische Armee schlug nach dem Überfall erbarmungslos zurück und rückte in den Gazastreifen ein. Tausende von Zivilisten kostete dieser Krieg zwischen der palästinensischen Hamas und Israel das Leben. Auch in dieser Situation stellte sich einmal mehr die Frage: Wie soll sich der Fußball angesichts des stattfindenden Krieges verhalten?

Am Tag des Hamas-Überfalls rollte das runde Leder

Im Vergleich zu den Terroranschlägen des 11. September 2001 zeigte sich der Fußball relativ unbeeindruckt. Am Tag des Hamas-Überfalls rollte das runde Leder auf dem gesamten europäischen Kontinent weiter. Auch in den USA fanden an diesem Anschlagswochenende Sportveranstaltungen statt, als wenn nichts passiert wäre. Hier stellt sich die Frage, warum in aller Regel der Fußball in die Verantwortung genommen wird, wenn Krisen die Welt erschüttern und die Politik mit ihrem Latein am Ende ist. Liegt es vielleicht am Fair Play und dem „Verbindenden“, das dem Fußball seit jeher zugeschrieben wird? Aber mit diesen Argumenten im Rücken könnten in solchen Krisenzeiten auch Theater geschlossen und Unterhaltsames aus dem TV gestrichen werden.

Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Mord und Terror

Dass der Fußball von den internationalen Verbänden nicht gerne in Position gegen Krisen gebracht wird, beweist exemplarisch die Fußball-Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien. Sportlich wird diese WM den Fans mit der „Schande von Cordoba“ in Erinnerung bleiben. Damals verlor die deutsche Nationalmannschaft in der Zwischenrunde gegen den „Erzrivalen“ Österreich mit 2 : 3. Politisch herrschten in dem südamerikanischen Land seit 1976 die Militärs, gestützt von den USA. Dem Terror sollen in diesen Jahren der Diktatur in Argentinien 30 000 Menschen zum Opfer fallen. Auch während der WM soll in der Militärakademie ESMA in Buenos Aires gefoltert und gemordet worden sein.

Das Makabre daran: Die Militärakademie befand sich ganz in der Nähe des River Plate Stadion, in dem viele WM-Spiele ausgetragen wurden. Im Klartext hieß das: Während im Stadion den Mannschaften zugejubelt wurde, fanden wenig entfernt Menschen einen gewaltsamen Tod. Mit der WM wollte die Junta ihre Macht im Land stabilisieren und von ihren Verbrechen ablenken. In Frankreich, den Niederlanden und Schweden diskutierte man in der Öffentlichkeit deshalb den Boykott dieser WM.

In Deutschland war ein solches Ansinnen kein Thema, obwohl in der Öffentlichkeit darüber ebenfalls diskutiert wurde. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) unter dem damaligen Präsidenten Hermann Neuberger versuchte sogar, sich mit einer Rechtfertigung des Militärputsches aus der Affäre zu ziehen. Das Land sei vor der Machtübernahme der Generäle am Ende gewesen und im Chaos versunken (Quelle: www.taz.de, 09. Juli 2014), so soll es Neuberger formuliert haben.

Auf deutscher Seite machte der damalige Nationalspieler Paul Breitner aus seiner Abneigung gegenüber der Junta keinen Hehl. „Verweigert den Generälen den Handschlag“, gab er seinen Nationalmannschaftskollegen mit auf dem Weg. Für Chronisten bleibt noch in Erinnerung zu halten, dass Argentinien 1978 Weltmeister im eigenen Land wurde. Die Junta konnte sich in diesem Triumph der Fußballer sonnen. Vier Jahre später war der Spuk vorbei. Der von den Militärs angezettelte Falklandkrieg mit Großbritannien endete in einem Fiasko für die Argentinier. Die vernichtende Niederlage der Junta in diesem militärischen Abenteuer führte 1982 zum Sturz der Militärs und zur Wiederherstellung des demokratischen Systems.

Gestenreiche Fußballer auf dem Feld

Heute zeigen sich die deutschen Fußballer und Verbände nicht mehr ignorant gegenüber politischen Unbotmäßigkeiten. Gesten sollen hier der Öffentlichkeit demonstrieren, dass auch Fußballmillionäre „Haltung“ zeigen können. So zum Beispiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Je näher die WM in dem Wüstenstaat rückte, desto mehr meldeten sich die Kritiker zu Wort. Medial wurde der Austragungsort ebenfalls unter „Beschuss“ genommen. Zu den Vorwürfen, die gegen Katar ins Feld geführt wurden, gehören unter anderem die fehlende Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die Diskriminierung von homosexuellen Menschen. Besonders die schlechte Behandlung von ausländischen Arbeitern, die für den Stadionbau im Vorfeld der WM eingesetzt wurden, geriet in die weltweite Kritik. Viele Tausende dieser Arbeitskräfte sollen bei den Arbeiten ums Leben gekommen sein. Auch immer wieder wurde spekuliert, dass bei der WM-Vergabe an Katar im Jahr 2010 Korruption im Spiel gewesen sei.

Die Liste der Verfehlungen, die Katar zum Vorwurf gemacht wurden, war lang. Trotzdem hatte die FIFA kein Problem damit, die WM im November und Dezember 2022 stattfinden zu lassen. Doch der DFB und die deutsche Nationalmannschaft wollten ob der nicht enden wollenden Kritik am Austragungsort nicht zur Tagesordnung übergehen. Verband und Mannschaft entschieden sich dafür, dass Capitano Manuel Neuer mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde aufs Feld läuft. Auch andere Nationalteams wollten dies so handhaben. Doch der FIFA gefiel diese Symbolpolitik nicht, und sie drohte deshalb den Teams, die mit der Regenbogenbinde ein Zeichen setzen wollten, Strafen an. Derart vom Verband eingenordet, knickten die Teams ein und verzichteten auf die bunte Kapitänsbinde – auch der DFB.

Doch die deutsche Mannschaft wollte sich so von der FIFA nicht einfach abspeisen lassen und dachte sich einen neuen „Protest“ gegen die WM aus. Und dieser wirkte auf viele Fans schon fast skurril, denn die Kicker hielten sich beim Mannschaftsfoto vor dem ersten Gruppenspiel gegen Japan die Hand vor den Mund. Was sollte der Protest bedeuten, fragten sich danach viele? War das deutsche Team schon vor dem ersten WM-Spiel zum Schweigen gebracht worden?

Die Innenministerin zeigt klare Kante

Eine, die es sich nicht nehmen ließ, mit der Regenbogenbinde Flagge zu zeigen, war die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der bekannte Kabarettist Dieter Nuhr beschreibt in einem Interview mit dem Journalisten Ralf Schuler, was er dabei empfand, als Faeser in der Stadionloge in Katar auftauchte: „Was sie bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gemacht hat, war einfach verheerend. Das war ein Akt, den hätte man einem Kindergartenkind zugetraut. Aber dass eine deutsche Innenministerin dahinfährt, sich vor der Loge erst einmal halb auszieht und dann diese blöde Binde trägt, anstatt Diplomatie zu suchen. Ich glaube, die Politik hat die Aufgabe der Diplomatie. Was Faeser an Porzellan in diesem Moment zerschlagen hat, ist gar nicht zu überschätzen. Deutschland wird seitdem als lächerlich wahrgenommen.“ Eine bittere Bilanz des fußball-politischen Auftritts Faesers durch einen der bekanntesten Protagonisten des deutschen Kabaretts.

Sportlich verabschiedete sich die deutsche Nationalmannschaft von der WM in Katar mit einem Desaster. Schon in der Vorrunde war Schluss für das Team. Nach einer Woche durfte das DFB-Team die Heimreise antreten. Das war das zweite Vorrundenaus in Folge. Auch bei der WM in Russland mussten Manuel Neuer & Co. frühzeitig abreisen.

Der DFB und das liebe Geld

Und die schwachen Leistungen des Aushängeschildes Nationalmannschaft treffen den DFB, übrigens der größte Sportverband der Welt, knüppelhart. Denn „die Mannschaft“ ist die Cashcow des Verbandes. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung spült sie dem Verband rund 200 Millionen Euro jährlich in die Kasse. Weil hierbei Vermarktung und Sponsoring eine entscheidende Rolle spielen, haben schlechte sportliche Leistungen der Nationalmannschaft folglich keine unerheblichen Auswirkungen auf die Finanzen des DFB. Des Weiteren drücken den Verband Steuernachzahlungen. 50 Millionen Euro habe der Verband bislang an die Finanzbehörden zahlen müssen. Hintergrund sind die WM-Affäre 2006, bei der es finanztechnisch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll, und strittige Verbuchungen von Bandenwerbungen in den Jahren 2014 und 2015. Schließlich schlägt zu allem Überfluss noch ein Prestigeobjekt des DFB zu Buche. Der 2022 eröffnete sogenannte Campus des DFB in der Bankenmetropole Frankfurt am Main soll letzten Endes 180 Millionen Euro gekostet haben. Das sei doppelt so viel gewesen als geplant.

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