Wolf - Saša Stanišić - E-Book

Wolf E-Book

Saša Stanišić

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Beschreibung

Saša Stanišićs erstes Kinderbuch erzählt von der Angst und macht Mut  Ein Ferienlager tief im Wald. Das ewige Wandern, das Braten von Folienkartoffeln, das Sirren von Mücken. Heranwachsende, ein paar Tage aufeinander und auf die Natur losgelassen, lose von einigen mehr oder weniger motivierten Betreuern begleitet.  Zwei Klassenkameraden, Außenseiter, versuchen die unliebsamen Aktivitäten und Gruppenzwänge auszuhalten. Einen der beiden, Jörg, trifft es hart - er wird unter Druck gesetzt, erniedrigt, wird andersiger gemacht. Der andere beobachtet die Übergriffe bloß, aus Angst, selbst Opfer zu werden. Als die Situation zu eskalieren droht, taucht auch noch der Wolf auf. Ein Alptraum bloß? Oder eine Aufforderung, sich dem Alptraum der Wirklichkeit zu stellen und mutig zu sein: für sich und andere?  Wolf ist ein meisterhaft beobachtender Kinderroman darüber, wie schmal der Grat zwischen Anderssein und Ausgrenzung ist.  - thematisiert Mobbing unter Jugendlichen - ein Buch über Freundschaft, Empathie und Charakterbildung - grandios erzählt vom vielfach preisgekrönten Bestseller-Autor Saša Stanišić Die digitale Ausgabe von »Wolf« ist ausschließlich als Fixed Format verfügbar und eignet sich deshalb nur für Tablets und Smartphone-Apps.

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Dieser Roman basiert auf der Erzählung »Ferienlager im Wald«
von Saša Staniši�, die erstmals 2016 in dem Buch »Fallensteller – Erzählungen«
im Luchterhand Literaturverlag erschienen ist.
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gibt es nach Anmeldung auf carlsen.de
©
2023 Carlsen Verlag GmbH,
Völckersstraße 14 –20, 22765 Hamburg
Text: Saša Staniši
Illustrationen: Regina Kehn
Umschlaggestaltung: Regina Kehn
Lektorat: Frank Kühne, Katharina Eisele
Herstellung: Derya Yildirim
Lithografie: Margit Dittes
E-Book Umsetzung: Zeilenwert GmbH
ISBN 978-3-646-93787-9
Carlsen-Bücher gibt es überall im Buchhandel
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Alle deutschen Rechte bei Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2023
Für Flo
I
im Finger oder die Zecken?
Grüppchen lästern
wenn du was aussterben lassen könntest?
Unfreiwillig hier
Jörg
Es wird gewandert
Lagerfeuer
VIII Das Gelb
Inhaltsverzeichnis
Wieso zeigen Prospekte für Wälder nie die Splitter
11
II
In Grüppchen stehen und über andere
16
III
Was würdest du aussterben lassen,
21
IV
27
V
33
VI
43
VII
62
70

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Dickkopf
Die Zeichenstunde
Die Kletterwerkstatt
Was ich zugeben muss,
im Laufschritt durch den Wald
XIII
Der Koch kotzt
XIV
Der Rucksack
Die Wut: Wolf
XVI Beate
XVII
Die letzten Stunden im Ferienlager im Wald
IX
73
X
82
XI
89
XII
111
133
149
XV
153
173
179

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I
Wieso zeigen Prospekte für
Wälder nie die Splitter im Finger
oder die Zecken?
Mutter und ich machen Salat. Ich liebe es, mit Mutter Salat
zu machen, wir reden dann nur über den Salat. Wir sind
komplett für den Salat da.
Heute ist es anders. Heute beginnt Mutter ohne Not einen
Satz mit »übrigens«. Sätze, die meine Mutter mit »übrigens«
beginnt, enden nicht gut für mich.
»Übrigens«, sagt also meine Mutter und schält den
Knoblauch, »ich habe dich zu einem Ferienlager
angemeldet.«
»Sie belieben wohl zu scherzen?«, sage ich in die Gurke wie
in ein Mikro und halte ihr dann das Gurkenmikro hin.
»Erste Ferienwoche. Ich krieg da nicht frei. Gib mal bitte
die Knoblauchpresse.«
»Verehrtes Publikum«, sage ich und wende mich an die
Tomaten, »die Knoblauchdame scherzt nicht.« Ich reiche
ihr die Presse und beschließe, die Sache ebenfalls ernst zu
nehmen. »Ich kann doch zu Oma«, schlage ich vor.
11
eine Woche. Das Ferienlager liegt mitten im Wald und –«
ABENTEUER
WALD
ABENTEUER
MENSCH
»Oma macht Malkurs in Malente.« Mutter presst den
Knoblauch mit Gewalt in die Soße. »Außerdem: Ein bisschen
Natur wird dir guttun.«
»Natur? Mir? Mama, seit wann kennen wir uns?«
»Abende am Lagerfeuer, Folienkartoffeln in der Glut?«
»Rauch in den Augen, die Zunge verbrannt? Und bitte.
Es gibt doch kein traurigeres Feuer als eines, in dem
Folienkartoffeln braten!«
»Hör zu«, sagt Mutter und sieht mich an. »Es ist nur für
»Im Wald? In den Wald geh ich auf keinen Fall.«
»Fast alle aus deiner Klasse kommen mit«, sagt Mutter.
»Fast alle aus meiner Klasse sind mir komplett egal«, sage
ich.
»So eine Woche kann das ja ändern«, sagt Mutter.
»Warum sollte ich das ändern wollen?«, sage ich.
Aus ihrer Küchenschürze hext Mutter eine grelle
Ferienlager-Broschüre. Sie trägt die Überschrift:
Vorne zeigt ein Foto ein paar Hütten auf einer Waldlichtung.
»Guck, wie hübsch die Bäume sind«, sagt Mutter.
12
»Ich finde Bäume nur als Schrank super«, sage ich.
Mutter wischt sich mit dem Handgelenk eine Strähne
aus dem Gesicht. Die Geste macht, dass sie komplett müde
aussieht.
Ich seufze und klappe die Broschüre auf. Der Wald-
broschürenwald sieht aus, als hätte jemand gerade durch-
gesaugt, und die Waldbroschürenlichtung, als hätte jemand
das Gras gekämmt. Ich wette, die Hütten auf der Lichtung
wurden extra sauber geschrubbt für die Fotos. Wüsste man
nicht, was für heimtückische Zeitgenossen Wälder sind,
könnte man sie wegen solcher Broschüren für komplett
harmlos halten.
Keine Brennnesseln, kein dorniges Dickicht – ich meine,
allein schon das Wort »Dickicht«!
Auch Insekten sind nicht zu sehen, keine Zecken, keine
Mücken. Und Mücken, Mücken sind das Letzte. Es wurden
mal tausend Leute statistisch befragt, was sie gern aussterben
lassen würden, wenn sie es könnten, und jetzt rate mal, auf
welchem Platz die Mücke gelandet ist?
Richtig.
Ich gebe Mutter die Broschüre zurück. »Sorry«, sage ich,
»aber das ist wirklich nichts für mich.«
»Sorry«, sagt Mutter, »aber wir diskutieren das nicht.
Olivenöl, bitte.«
13
»Entscheidungen, die mich betreffen«, sage ich, »wollten
wir doch diskutieren.«
»Diese Entscheidung betrifft vor allem mich«, sagt Mutter
leise und mehr zur Salatsoße als zu mir. »Also: Entweder ist es
das Ferienlager oder die Ferienbetreuung an der Schule.«
Das sitzt. Sie weiß, wie komplett ich die Ferienbetreuung
hasse. Mies bezahlte Erzieher denken sich miese Aktivitäten
aus für eine Meute mies gelaunter Daheimgebliebener,
deren Eltern sich keinen Urlaub erlauben dürfen oder leisten
können. Hölle. Im Sommer letztes Jahr musste man sich
gleich am ersten Tag zwischen »Basteln mit Pappmaschee«
und »Gaudi im Schulgarten« entscheiden, und ich hätte am
liebsten alles angezündet: das Pappmaschee, den Schulgarten
und die Gaudi, die darin bestand, irgendwas zu graben,
irgendwas zu gießen und irgendein armes Insekt mit einer
Lupe zu stalken. Ich entkam, versteckte mich vier Stunden
lang auf dem Klo und zählte vier Stunden lang die Fliesen,
das war spannender.
Mutter schneidet Schnittlauch. »Ich habe auch schon Pläne
gemacht. Du weißt doch, wie das ist, das … alles«, fügt sie nun
hinzu mit einer Stimme, als täte der Lauch ihr leid.
Ich weiß es, natürlich weiß ich es. Seit wir zu zweit sind
und alles zu zweit wuppen, muss Mutter superviel arbeiten.
Ihr bleibt wenig Zeit und Kraft für sich.
14
Dass sie Pläne gemacht hat, Pläne ohne mich, finde ich
okay. Mütter sind okay. Ist auch echt nicht einfach mit mir.
Neulich hab ich versucht, ein T-Shirt im Toaster zu trocknen.
»Zeig noch mal«, sage ich und deute auf die Broschüre, als
könnte es da wirklich etwas geben, das mich interessiert.
16
II
scheinen
in den Wald zu wollen, was ist nur los mit der
In Grüppchen stehen und über
andere Grüppchen lästern
Selbstverständlich findet die Abfahrt zu einer Uhrzeit statt,
wo man alles, was nicht Schlafen ist, unter Strafe stellen
müsste. Treffpunkt ist ein grauer Busparkplatz am grauen
Stadtrand. Ja, es wird Bus gefahren, dreihundert Kilometer
Schaukelei in der Atemluft von vierzig Gleichaltrigen. Ich
hoffe, es gibt genug Kotztüten.
Mutter hatte leider recht: Fast alle aus meiner Stufe
Jugend von heute? Ausnahme sind Amir, Eset und Özlem, die
wahrscheinlich schön in der Türkei chillen bei Oma und Opa.
Und ein paar von den reichen Kids, die in irgendwelchen
Resorts mit ihresgleichen Reichen-Tennis spielen.
Sogar Jörg ist da. Hundertpro hatte auch er keine Wahl.
Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass Jörg auch in den
Ferien freiwillig Zeit mit uns verbringt. Steht abseits, wie
immer abseits. War der je mal im Wald? Der Rucksack, den
ihm sein Vater umschnallt, um an ein paar Gurten zu ziehen,
sieht alt und grau aus und wirkt zu klein. So Pins sind drauf,
uncooler geht es nicht. Die beiden umarmen einander und
machen so einen komplizierten Handschlag. Lächeln sich an.
Lieb.
Sonst, wie in der Schule: lauter Grüppchen. Die Netten, die
Zocker, die Sportler, die Einser, die Pferdemädchen.
Und Marko und seine beiden Jungs: die Dreschke-
Zwillinge. Sind jetzt schon beunruhigend gut drauf. Lachen
zu laut, lachen einfach, um zu laut zu sein. Das fieseste
Lachen ist das unechte, oder?
Was machen die da an den Reifen? Hey, ich will nicht
in einem Bus sterben, wegen Idioten in baugleichen
Steppwesten. Okay, scheint bloß »dummen Spruch auf die
Felge kritzeln« zu sein. Was über Mädchen vermutlich. Oder
über Jörg.
18
Auch die Eltern warten in Grüppchen, dass wir losfahren.
Die Ausländereltern stehen zusammen, die Ökos lassen
eine Tupperbox mit Radieschen kreisen, die Jacken der
Outdoor-Eltern reflektieren sinnlos vor sich hin. Die würden
am liebsten mitfahren, also, die Outdoor-Eltern und ihre
Jacken. Die Eltern von Marko und seinen Kumpels sind auch
Kumpels und lachen ebenfalls zu laut.
Ich grüße niemanden, wuchte meine Tasche in das
Gepäckfach und steige direkt in den Bus. Ein schläfriger
Rentner hakt meinen Namen auf einer Liste ab. Ich hoffe,
mein Auftritt zeigt meine schlechte Laune. Draußen wird
aber einfach weitergequasselt, meine Laune interessiert
niemanden.
Mann mit Ziegenbart versammelt –
Ein Elternpulk hat
sich um eine junge Frau
mit Dreadlocks und einen jungen
vermutlich Betreuer, die eine letzte
Sprechstunde halten. Mutter ist nicht
dabei und hat sich auch nicht unter
die anderen Eltern
gemischt. Sie lehnt
an unserem Auto
und raucht. Sonst
hat oft jemand
Mitleid mit ihr,
so als Allein-
erziehender,
und stellt
sich dazu,
fragt, wie es
geht, ob sie
was braucht.
Mutter
mag das
gar nicht,
glaub ich.
Jetzt kommt niemand. Vielleicht
weil sie raucht? Alleinerziehend und
alleinrauchend ist den Leuten dann doch
zu viel.
Vielleicht raucht Mutter, damit keiner
kommt?
Ich fänds okay. Und wünsche mir,
dass doch jemand rübergeht zu ihr.
Sie hat mich am Fenster entdeckt und
winkt. Ihre Hand sieht froh aus. Weil ich
weggehe, denke ich.
Kompletter Quatsch natürlich. Mutter
lächelt nämlich für mich und nicht für
sich. Behaupte ich jetzt einfach als Lächel-
Experte. Die Kippe zwischen ihren
Fingern, ein kleines Rauchzeichen.
Ich muss schlucken und weiß
gar nicht, wieso. Weil ich Mutter
nicht jetzt, aber sicher bald
vermisse?
Würde ich natürlich nie
zugeben, du spinnst ja. Und
winke dann doch zurück.
III
Was würdest du aussterben lassen, wenn
du was aussterben lassen könntest?
Ich zuerst Mücken, dann Waffen, dann Nicht-sagen-wie-es-
dir-wirklich-geht, dann lange Busfahrten. Das einzig Gute an
unserer Busfahrt war: Ich habe nicht gekotzt!
Dafür musste ich mir fünf Stunden lang anhören, wie der
ziegenbärtige Betreuer, der sich als Piotr Pietritsch vorstellte,
»aber ihr dürft mich ›Piet‹ nennen«, wie dieser Pietritsch also
zu jedem Kaff den Wikipedia-Artikel über die Sprecheranlage
vorgelesen hat.
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