Young Agents – New Generation (Band 5) – Im Netz der Spione - Andreas Schlüter - E-Book

Young Agents – New Generation (Band 5) – Im Netz der Spione E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Auf ihrem Weg in die Stadt werden Tim und Billy fast von einem Motorrad überfahren. Sofort nehmen die beiden Jungagenten die Verfolgung auf und werden Zeugen, wie der Fahrer auf ein Motorboot wechselt und der Polizei entkommt. Der Geheimdienst beschließt: kein Fall für die Young Agents! So fahren Billy und Abena wie geplant ins Schullandheim.Aber als die beiden auf einem Bauernhof in der Nähe ihrer Jugendherberge das Flucht-Motorrad entdecken, werden sie von den Verbrechern entdeckt, die daraufhin die gesamte Schulklasse als Geiseln nehmen. Beim Versuch, die Schüler zu befreien, entdecken die Young Agents, dass es hier nicht um Geld, sondern um geheime Regierungsdokumente geht.Wird es den Young Agents gelingen, sich auch gegen internationale Spionage zu behaupten?

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Seitenzahl: 234

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INHALT

Achtung: Gefahr!

Schüsse und ein Auftrag

Ein turbulenter Drohnenflug

Einsatz in den Flammen

Shiona wieder mal auf der Flucht

Klassenreise mit Hindernissen

Auf der Agenten-Akademie

Eine unglaubliche Beobachtung

Mysteriöser Banküberfall

Spionage in der Nachbarschaft

Ein Besuch auf der Bank

Ein geheimes Fach

Brisante Beute

Böse Überraschung

Ein gefährlicher Doppel-Auftrag

Geheimes Treffen

Abgeschossen!

Alarm in der Nacht

Angriff!

Auf der Lauer

Nachts auf dem Friedhof

Spione im Abflug

ACHTUNG: GEFAHR!

Ich weiß, es klingt etwas peinlich. Deshalb erzähle ich es auch so gut wie niemandem. Aber manchmal fühle ich mich wie Spider-Man. Ich kann zwar keine Wände hinaufkrabbeln und auch keine Spinnennetze werfen – für beides besitzen wir YOUNG AGENTS aber entsprechende Ausrüstungen der Geheimdienstzentrale. Doch das ist ein anderes Thema. Was die Leser der Comics und die Zuschauer der Filme oft vergessen: Spider-Man besitzt auch einen sogenannten »Spinnensinn«, der ihn vor Gefahren warnt. Schon öfter hat sich in mir genau so ein »Sinn für Gefahren« gemeldet. Zum Beispiel damals, als das Gartenhaus einer Mitschülerin gesprengt wurde. Und auch mein letzter Fall begann damit, dass ich die Gefahr bereits witterte, bevor mich dann tatsächlich eine Straßenbande überfiel. Und jetzt spüre ich schon wieder dieses nervöse Kribbeln in mir, das mir sagt: Eine Gefahr steht unmittelbar bevor!

Dabei gehe ich einfach nur gemeinsam mit Billy – meinem Mentor, Freund und Agentenkollegen – ganz privat und ohne jeden Auftrag durch die Hamburger Innenstadt. Gerade haben wir uns in einem Kaufhaus jeder eine neue Hose gekauft, schlendern nun am Alsterfleet entlang und überlegen, ob wir uns an einem Imbissstand nur einen Burger oder doch lieber auch Pommes dazu holen sollen. Billy hätte am liebsten etwas von einem Thai-Imbiss. Aber nein danke! Meine Pflegeeltern besitzen einen Thai-Imbiss bei uns im Stadtteil. Dort esse ich fast jeden Mittag oder Abend. Wenn ich schon in der Innenstadt zum Einkaufen bin – was höchst selten vorkommt –, dann will ich nicht schon wieder Thailändisch essen.

»Ich hätte auch Lust auf Backfisch mit Kartoffelsalat«, sagt Billy. »In der Nähe gibt es eine alteingesessene Fischbratküche, wie sie früher hießen. Superlecker. Und Fassbrause. Wollen wir nicht dorthin gehen?«

»Von mir aus«, stimme ich zu. »Wo ist die denn genau?«

Billy will mir gerade die Richtung anzeigen, als wir plötzlich ein lautes Motorengeräusch hinter uns hören. Sofort ist mir klar: Das ist ein Motorrad mit Vollgas.

Ein schneller Blick über die Schulter bestätigt es mir:

Mit Karacho rast ein Motorrad auf uns zu!

Ein Anschlag auf uns?

Ich will ebenso wie Billy beiseitespringen. Doch als YOUNG AGENT habe ich gelernt, immer und selbst in größten Gefahrensituationen ein größeres Umfeld im Blick zu behalten. Und so sehe ich, dass ein paar Meter weiter eine Mutter mit ihrem Kinderwagen die Straße überquert. Sie achtet aber nicht auf den Verkehr, sondern glotzt stur auf ihr Smartphone, in das sie mit einer Hand gerade eine Nachricht eintippt, während sie mit der anderen Hand den Wagen schiebt. Alles, was um sie herum geschieht, ist ausgeblendet. So sieht sie auch das Motorrad nicht.

Die ganze Szene läuft in Bruchteilen von Zehntelsekunden ab. Billy und ich springen dem Motorrad aus dem Weg, aber nicht einfach beiseite, sondern auf die Mutter und ihr Kind zu. Billy reißt die Frau zu Boden und rollt sich mit ihr zur Seite. Ich hechte zum Kinderwagen, verpasse ihm einen kräftigen Stoß und entkomme dem Motorrad gerade eben so mit einer Flugrolle. Das Bike rast mit voller Geschwindigkeit zwischen mir mit dem Kinderwagen auf der einen und Billy mit der Frau auf der anderen Seite hindurch. Dann donnert es weiter die Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung entlang, die zur Alster führt.

Die Frau muss sich erst einmal berappeln. Sie schaut rüber zum Kinderwagen, sieht, dass er unversehrt ist, und schreit: »Wo ist mein Handy?«

Billy und ich sind nicht nur von dem Motorradfahrer, sondern auch von der Frage geschockt.

Billy schaut zu mir rüber. Ich hebe den Daumen.

»Ihr Kind ist okay!«, teilt er der Mutter mit. Die scheint erst jetzt zu realisieren, dass sie mit einem Kinderwagen unterwegs war. Endlich steht sie auf, läuft rüber zum Kinderwagen und hebt das Baby heraus, das losschreit, als es aus dem Schlaf geholt wird.

Ich entdecke das Handy der Frau am Straßenrand, sage aber nichts, sondern lasse es dort liegen. Im Moment gibt es wirklich nichts Unwichtigeres als das blöde Teil.

Schon umringen uns die ersten Passanten, die den ganzen Beinahe-Unfall beobachtet haben. Die Sache wäre richtig böse ausgegangen, wenn Billy und ich nicht instinktiv (und geschult) so blitzartig gehandelt hätten. Das haben auch die Passanten erkannt. Sie überschütten uns mit Lob. Manche machen Fotos mit ihren Smartphones, andere fangen an zu telefonieren.

Für Billy und mich ist vollkommen klar: Wir müssen weg von hier. Und zwar sofort! Denn wir beide wissen, was passieren wird: In Sekundenschnelle tauchen erste Fotos von uns oder vielleicht sogar Videos von unserer Rettungsaktion in den sozialen Medien auf. Blitzartig werden irgendwelche Reporter zur Stelle sein, die dann über uns berichten. Die Schlagzeilen kann ich mir schon vorstellen: Junge Helden retten Mutter und Kind! oder so ähnlich. Nein, das wird dem Prof, der unsere Geheimdienstabteilung leitet, bestimmt nicht gefallen. Und uns auch nicht. Auch, wenn Billy und ich privat einkaufen waren: Wir sind Agenten. Uns kann nichts Schlimmeres passieren, als Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erregen. Allein schon, was in der Schule los wäre, wenn wir plötzlich in den Schlagzeilen irgendwelcher Boulevardzeitungen auftauchen würden. Also: Nix wie weg.

Billy nickt mir zu, zieht sich seine Kapuze über den Kopf, duckt sich etwas weg und verschwindet in der versammelten Menge der Schaulustigen. Ich mache es genauso und folge ihm. Mir fällt das Abtauchen sogar noch leichter als ihm, denn ich bin viel kleiner. Wäre ich nur einen Zentimeter kleiner, würde ich medizinisch offiziell als kleinwüchsig gelten. So gelte ich zwar noch als normalgroß, bin aber dennoch auffällig klein. Was mir jetzt sehr nützt. Ich husche zwischen den Schaulustigen hindurch, ohne dass es jemand mitbekommt. Im Gegenteil. Die meisten schauen über mich hinweg in die Mitte des Pulks, um zu sehen, was dort geschehen ist, ohne zu merken, dass unter anderem ich Gegenstand der Beobachtungen bin.

Wir verkrümeln uns Richtung Alsterfleet und bleiben überrascht stehen.

Billy tippt mich an: »Tim, sieh mal dort!«

Aber ich habe es selbst schon entdeckt: Am Ufer des Alsterfleets steht das Motorrad, das uns eben um ein Haar über den Haufen gefahren hätte. Den Fahrer entdecken wir auch. In Lederkombi und noch immer mit dem Helm auf dem Kopf ist er auf ein bereitstehendes Motorboot gesprungen, das gar nicht am Kai festgemacht war und nun sofort losbraust. Und zwar nicht in südlicher Richtung, die zum Binnenhafen führt, von wo das Boot sehr wahrscheinlich auch gekommen ist. Sondern es rast nach Norden davon, unter einer flachen Brücke hindurch auf die Binnenalster! Dort ist das Fahren mit privaten Motorbooten verboten. Lediglich Alsterdampfer und die Polizei oder vielleicht Leute vom Ordnungsamt oder so dürfen mit motorisierten Booten fahren. Ansonsten sind nur Segel-, Ruder- und Tretboote, Kanus und SUP-Boards erlaubt. Wenn jemand sich so rabiat über jegliche Verbote hinwegsetzt, muss das einen Grund haben.

Billy und ich hetzen auf die Brücke. Von dort aus haben wir einen guten Blick rüber auf die nächste, die Reesendammbrücke, unter der das Boot soeben durchgesaust ist.

Schon bestätigt sich meine Vermutung. Mit lautem Sirenengeheul fahren zwei Polizeiwagen heran und bremsen scharf mit quietschenden Reifen. Die Polizisten springen aus ihren Autos und rennen auf uns zu. Sie meinen aber nicht uns. Auch sie wollen von hier aus nur den besten Blick haben, rüber zur anderen Brücke, durch die die vermeintlichen Gangster gerade getürmt sind.

»Mist!«, flucht einer der Polizisten, der gerade begreift, dass ihm die Ganoven durch die Lappen gegangen sind. Sein Kollege berichtet über Funk an seine Zentrale, was gerade geschehen ist. Vermutlich wird jetzt ein Polizeiboot losgeschickt, aber ehe das auf der Binnenalster auftaucht, dürften die Gangster längst über die Außenalster, weiter durch einige der vielen Kanäle und dann vermutlich irgendwo wieder zurück auf die Straße verschwunden sein. Der dritte Polizist und seine Kollegin aus dem zweiten Streifenwagen stehen immer noch neben uns und blicken dem nicht mehr zu sehenden Motorboot hinterher, als könnten sie es durch telepathische Kräfte zurückholen. Billy nutzt die Gelegenheit und fragt: »Was ist denn passiert?«

Die Polizistin schaut uns kurz an und antwortet: »Nichts für euch, Kinder!«

Und ihr Kollege ergänzt: »Geht weiter! Hier gibt es nichts zu sehen.«

Das finden Billy und ich ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Es gab eine ganze Menge zu sehen. Denn offensichtlich sind der Polizei soeben ein paar flüchtende Gangster entkommen. Nur: Weshalb waren sie auf der Flucht? Was haben sie getan?

Ein Passant, der Billys Frage mitbekommen hat, gibt die Antwort, die die Polizisten gerade verweigert hatten: »Da vorn ist eine Bank überfallen worden!«

Er erntet böse Gesichter von den Polizisten, die dann aber wortlos wieder in ihren Streifenwagen steigen und davonfahren.

Für Billy und mich ist klar: Das müssen wir uns näher ansehen.

»Welche Bank?«, fragt Billy.

Der Passant ist eigentlich schon weitergegangen. Doch er dreht sich noch mal um und ruft uns zu: »Keine Ahnung. Ich hab’s auch eben nur gehört. Dort vorn irgendwo.«

Na ja, sicher in die Richtung, aus der der Motorradfahrer gekommen war. So viel ist uns schon klar. Billy holt sein Handy hervor, um auf der Karte nachzusehen, welche Banken es im Umkreis gibt. Nur ein paar Hundert Meter weiter gibt es eine Filiale einer großen, auch international bedeutsamen Bank.

Während wir darauf zugehen, kommen wir wieder an dem Unfallort von eben vorbei und müssen aufpassen, nicht wiedererkannt zu werden. Denn einige Passanten stehen immer noch dort, obwohl sowohl wir als auch die Mutter mit ihrem Kinderwagen längst verschwunden sind.

Ich melde mich per Smartphone bei Balu, der bestimmt in der Agentenwohnung in seinem Zimmer sitzt. Balu, unser Technikgenie, ist ein YOUNG AGENT aus Mumbai, der schon genauso lange hier in Hamburg stationiert ist, wie auch ich bei den YOUNG AGENTS bin. Die dritte, die zur New Generation gehört, ist Abena. Mein Freund Billy hingegen zählt gemeinsam mit Charles und Naomi zur älteren Generation, obwohl sie alle drei nur ein bis zwei Jahre älter sind als wir. Charles und Naomi waren zwischendurch schon wieder nach Hause in ihre Heimatstädte gereist: Charles nach London, Naomi nach Paris. Doch der letzte Fall, bei dem wir einen »Maulwurf«, also einen Verräter, in unseren Reihen befürchteten, hatte es erfordert, alle sechs YOUNG AGENTS wieder zusammenzubringen. Deshalb ist es in der Agentenwohnung, die eigentlich nur für zwei Personen vorgesehen ist, nun etwas eng. Charles, Naomi und Balu wohnen derzeit darin. Allerdings planen sowohl Charles als auch Naomi schon wieder ihre Rückflüge nach Hause.

Balu macht die Enge in der Wohnung aber nichts aus. Wenn es nicht gerade zwingend erforderlich ist, dann verlässt er sein Zimmer oder präziser gesagt: seinen Schreibtischstuhl eh nicht. Balu liebt es, vor seinen Computerbildschirmen zu sitzen und von dort aus sowohl unsere Aktionen als auch den Rest der Welt im Allgemeinen zu beobachten und zu überwachen. Ihn also frage ich, ob er etwas von dem Banküberfall gerade eben gehört hat.

»Natürlich!«, antwortet er in perfektem Deutsch. Anders als Charles hat Balu in Rekordzeit die deutsche Sprache gelernt. Mittlerweile beherrscht er sie grammatisch vermutlich besser als ich, obwohl ich in München geboren wurde. »Ich wollte euch gerade anrufen, weil das ja ganz in eurer Nähe passiert ist.«

»Woher weißt du, wo wir gerade sind?«, frage ich. Und merke selbst, wie dumm meine Frage war, kaum dass ich sie ausgesprochen habe.

Entsprechend lacht Balu laut auf: »Also bitte!«

Natürlich haben unsere Smartphones GPS, und natürlich kann Balu die Signale spielend aufrufen und weiß über jeden unserer Schritte Bescheid.

»Habt ihr gute Hosen bekommen?«, fragt er, um mir aufzuzeigen, wie exakt er unser Bewegungsprofil kennt.

Ich übergehe die Frage deshalb und komme auf meine zurück: »Also, was ist passiert?«

»Zunächst einmal seid ihr bereits Helden auf Social Media«, verkündet Balu.

»WAS? WIE?«, frage ich entsetzt.

Balu erläutert uns, dass schon etliche Fotos und Berichte von unserem kleinen Rettungseinsatz auf den verschiedenen Plattformen kursieren. Insgesamt haben wir einige Zehntausend Likes.

»Wie kann das sein?«, seufze ich ins Telefon. »Wir haben uns doch so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht!«

»Niemand ist schnell genug für die Social-Media-Kanäle«, teilt Balu uns mit. »Da könnt ihr nichts dafür.«

Mist!, denke ich. Gerade als Agenten ist es uns überhaupt nicht recht, so stark in die öffentliche Aufmerksamkeit zu geraten. Aber wir können es jetzt eh nicht mehr ändern. Also hören wir Balu weiter zu, der berichtet: »Es hat einen Banküberfall gegeben. Oder wie immer man das nennen will. Eigentlich war es mehr ein Diebstahl oder ein Einbruch und kein wirklicher Überfall.«

Ich verstehe nicht so recht.

»Ein einzelner Mann ging in den Keller …«, setzt Balu an.

»Allein? In den Tresorraum?«, unterbreche ich ihn.

»Lass mich ausreden!«, fordert Balu.

Ich entschuldige mich.

»Also …«, fängt Balu von vorn an. »Ein einzelner Mann ging in den Raum mit den Schließfächern und knackte einige von ihnen, bis er bemerkt wurde. Daraufhin hat er zwei Sicherheitsbeamte überwältigt und ist getürmt. Wohl auf dem Motorrad, das …«

»Schon klar«, unterbreche ich ihn dieses Mal mit gutem Grund. »Den Rest haben wir mitbekommen. Aber was heißt überwältigt? Hat er …?«

»Nein, nein«, antwortet Balu. Er ahnt, was ich fragen wollte. »Er war wohl unbewaffnet. Er hat die beiden Wachmänner mit je einem Kinnhaken niedergestreckt. Muss wohl ein Boxer oder so etwas gewesen sein. Auf jeden Fall ein Vollprofi, was den Diebstahl angeht. Der wusste genau, was er suchte, hat es blitzschnell geholt, und weg war er.«

»Und was hat er gesucht?«, will ich wissen.

»Ja, das musst du ihn fragen«, antwortet Balu lachend. »Alles kann selbst ich nicht wissen. Ich vermute aber: wertvollen Schmuck. Was sonst? Offenbar wusste er genau, was sich in den einzelnen Schließfächern, die er geknackt hat, befand. Das könnte der Polizei bei ihren Ermittlungen helfen.«

»Der Polizei?«, frage ich nach und denke an die mürrischen Polizisten auf der Brücke, denen wir nicht einmal eine Antwort wert waren. »Na, das kann ja etwas werden.«

Zu Abend esse ich gemeinsam mit Billy bei meinen Pflegeeltern im Thai-Imbiss. Billy hatte ja mittags schon Appetit auf thailändisches Essen gehabt.

»Warten deine Eltern nicht mit dem Essen auf dich?«, frage ich Billy.

Doch der winkt nur ab und antwortet: »Nein. Weil die ja noch weniger als ich selbst wissen, wann ich für wie lange irgendwo zu einem Einsatz muss, haben sie es schon lange aufgegeben, mit dem Essen auf mich zu warten. Allerdings steht immer ein Topf mit Gulasch auf dem Herd, den ich mir jederzeit warm machen kann.«

»Lecker!«, kommentiere ich. Das Gulasch seiner Eltern kenne ich, weil ich zu Beginn meiner Agententätigkeit bei Billy gewohnt habe.

Grinsend schlägt er vor: »Wir können ja mal tauschen. Ich komme eine Woche lang hierher, und du isst eine Woche lang wieder Gulasch bei mir zu Hause.«

Ich werfe meinen Pflegeeltern hinter dem Tresen einen liebevollen Blick zu und antworte ihm: »Nein, danke. So lecker finde ich Gulasch dann auch wieder nicht.«

Billy lacht.

Meine Pflegemutter bringt das Essen, das mein Vater im Wok zusammengebrutzelt hat, zu uns an den Bistrotisch. Wir beide lassen es uns schmecken und reden dabei noch ein bisschen über den merkwürdigen Banküberfall. Allerdings nur, wenn gerade außer uns kein Fremder im Laden ist. Das kommt allerdings kaum vor, weshalb wir immer wieder unterbrechen und fortsetzen müssen.

Pappsatt bedanken wir uns schließlich für das Essen, verlassen den Imbiss und verabschieden uns. Billy muss in die entgegengesetzte Richtung wie ich.

Ich werde den Rest des Abends gemütlich allein zu Hause verbringen. Der Imbiss hat bis 23 Uhr geöffnet. Das heißt, meine Pflegeeltern werden vor Mitternacht nicht zurück sein. Bis dahin schlafe ich schon längst. Ob YOUNG AGENT oder nicht, ich bin ja trotzdem erst elf Jahre alt und brauche meinen Schlaf.

Als ich um die nächste Ecke biege, um nach Hause zu schlendern, habe ich das Gefühl, jemand verfolgt mich.

Ich weiß auch, dass es in einer Großstadt wie Hamburg so gut wie nie vorkommt, dass man allein durch eine Straße geht. Schon gar nicht um diese Uhrzeit. Es ist kurz nach sieben Uhr am Abend. Viele Menschen kommen erst jetzt von der Arbeit heim. Andere machen sich auf den Weg zum Spät- oder Nachtdienst. Und wiederum andere gehen schon ihren Abendvergnügungen nach: ins Theater, ins Kino, ins Restaurant, zu Freunden … Und dennoch stört es mich, dass da jemand hinter mir geht.

Wie gesagt, manchmal habe ich so etwas wie einen »Spinnensinn«, der mich vor Gefahren warnt.

Weil ich mit Billy heute privat in der Stadt war, habe ich so gut wie keine Agenten-Sachen dabei. Keinerlei Waffe, keinerlei Gegenstände aus der Technik-Abteilung unseres Geheimdienstes. Eigentlich nur mein Agenten-Smartphone, das ich in meinem Gürtel verstecke. Ich gehe weiter die enge, recht dürftig beleuchtete Gasse entlang. Schon rückt die Gestalt hinter mir näher. Ich bleibe stehen und drücke mich an die Häuserwand, als würde ich auf jemanden warten. Jetzt werden wir ja sehen, ob er an mir vorbeigeht oder etwas von mir will.

Er geht vorbei.

Ich atme erleichtert auf – bin allerdings ein wenig besorgt über meinen »Spinnensinn«. Schlägt der auch manchmal Fehlalarm? Bisher hatte er mich eigentlich noch nie enttäuscht.

Ich gehe weiter.

Mit einem Mal bleibt die Gestalt vor mir stehen, dreht sich um, schießt auf mich zu und packt mich am Kragen.

Verdammt! Wieso hab ich meinem »Spinnensinn« nicht vertraut?

Genau wie damals die Bande vor der Schule hat mich jetzt der Typ am Kragen. Nur, dass dieser Typ viel größer und stärker ist als die Jugendlichen damals. Diesmal habe ich es mit einem ausgewachsenen Mann zu tun. Ich schätze ihn auf 1,85 Meter. Breite Schultern, sehr kräftig, was ich auch an seinem festen Griff spüre, mit dem er mich am Kragen gepackt hat. Ich schaue ihm ins Gesicht. Dunkle, kurz geschnittene, gepflegte Haare. Glatt rasiert. Ich kann sein Aftershave riechen. Ich habe zwar keine Ahnung von so was, aber irgendwie riecht es teuer. Zu meiner Überraschung trägt er keine Alltagsklamotten, sondern einen feinen dunklen Anzug mit weißem Hemd und dunkelblauer Krawatte. Aber es passt zu seinem Alter. Denn der Mann ist bestimmt älter als vierzig. Das würde die meisten Menschen vermutlich beruhigen. Denn der Mann sieht alles andere als gefährlich aus. Eher wie ein seriöser Geschäftsmann, der es in seinem Leben schon zu etwas gebracht hat. Auf keinen Fall ist das ein Straßenräuber.

Aber ich weiß, dass solche Typen, wenn sie handgreiflich werden, x-mal gefährlicher sein können als die Einbrecher und Räuber, bei denen ich selbst mal undercover mitgemacht habe. Zudem hat der Typ offenbar keine Skrupel, einen kleinen Jungen wie mich anzugreifen. Deshalb ist meine erste Assoziation: Ich habe es mit einem Typen von der Organisierten Kriminalität zu tun. Irgendein Mafia-Typ vielleicht. Und sofort schießen mir zwei Schwerverbrecher in den Sinn, die wir mal hinter Schloss und Riegel gebracht haben: der »Boss« und sein »Stellvertreter« Thorsten Maffei, der Vater von Shiona, die ebenfalls mal unseretwegen im Jugendgefängnis saß.

Aber der Mann schaut nicht mal böse. Am Kragen hat er mich dennoch fest im Griff. Doch offenbar nicht, um mich zu bedrohen, sondern nur, um zu verhindern, dass ich weglaufen kann.

»Hallo, mein Freund«, säuselt er freundlich. »Wie ich höre, hast du heute eine große Heldentat vollbracht. Herzlichen Glückwunsch.«

»Danke«, antworte ich schüchtern. »Wer sind Sie?«

»Ein Freund und Helfer«, sagt der Mann und grinst.

Mir ist klar, dass er kein Polizist ist.

»Du hast eine Mutter mit ihrem Kind gerettet und bist dem Motorrad gefolgt«, sagt er. »So kann man es überall lesen. Stimmt das?«

»Ja«, gebe ich zu. Auf diese Weise erfahre ich vielleicht, was er wirklich will.

»Und? Kannst du den Motorradfahrer beschreiben? Oder hast du dir sein Kennzeichen gemerkt?«

Natürlich. Beides sogar! Ich bin schließlich ein Agent. Aber das weiß der Mann ja nicht. Also antworte ich: »Nein.« Und frage noch einmal: »Wer sind Sie?«

»Und du hast mit deinem Handy auch kein Foto von dem Motorrad gemacht? Ihr Jugendlichen fotografiert doch sonst alles Mögliche.«

»Nein«, antworte ich. Auch das ist geschwindelt. Natürlich haben Billy und ich sofort Aufnahmen von dem flüchtenden Motorrad und dem Motorboot gemacht.

»Das glaube ich dir aber nicht«, beharrt der Mann. »Also her damit.«

»Her womit?«, frage ich und stelle mich dumm.

»Dein Handy!«, befiehlt der Mann.

»Ich habe keines!«, behaupte ich. Zum Glück habe ich es dank meines »Spinnensinns« in weiser Voraussicht unter meinem Gürtel versteckt.

Der Mann gibt sich mit meiner Antwort nicht zufrieden.

»Kein Handy?«, brummt er. »Das gibt es doch gar nicht. Alle in deinem Alter haben eins.«

»Ja«, stimme ich ihm zu. »Das habe ich meinen Eltern auch gesagt. Ich kriege trotzdem keines.«

Der Mann stutzt, hält meine Ausrede offenbar für glaubhaft. Dennoch lässt er nicht von mir ab. Ohne meinen Kragen loszulassen, beginnt er, mich mit seiner freien Hand zu durchsuchen.

Das ist meine Chance, mich seinem festen Griff zu entziehen: durch das Überraschungsmoment.

Ich verpasse ihm zwei blitzschnelle Tritte. Einen gegens Schienbein, den zweiten zwischen seine Beine. Durch seinen Aufschrei und seine Abwehrreaktion kann ich seine Hand wegschlagen, ihm ein Bein stellen und ihn durch einen gleichzeitigen kräftigen Schlag gegen die Kehle aus dem Gleichgewicht bringen. Der Mann kippt nach hinten um und fällt auf die Straße.

Ich renne davon, sehe aber noch, dass er sich schnell besinnt. Zu schnell! Er springt auf und hastet mir hinterher.

Verflixt! Wieso gerate immer ich in solche Situationen? Damals war auch die Jugendbande hinter mir her. Ich konnte mich nur deshalb in einem Innenhof verstecken, weil mir Murat – ein Nachbarsjunge von Billy – geholfen hat. Aber jetzt bin ich ganz auf mich gestellt. Ich muss meinen Verfolger abschütteln. Eben gerade konnte ich ihn durch das Überraschungsmoment überrumpeln. Ein zweites Mal wird mir das nicht gelingen. Der Typ scheint mir kampferfahren. Er ist nicht nur viel größer und stärker, sondern leider auch schneller als ich. Durch meine geringe Körpergröße sind meine Schritte einfach zu kurz, um einem erwachsenen Mann zu entkommen.

An der Straßenecke sehe ich mich um. Und kann keine Möglichkeit entdecken, mich wirksam zu verstecken. Außer …

… an einer roten Ampel steht ein Transporter ungefähr von der Größe eines Ford Transit. Ein Handwerkerwagen – mit Dachgepäckträger, auf dem eine Leiter festgezurrt ist. Ich renne auf ihn zu.

Die Ampel springt auf Gelb und dann weiter auf Grün.

Ich muss den Wagen erreichen!

Der Transporter setzt sich in Bewegung.

Ich renne weiter. Viel fehlt nicht mehr. Ein paar Meter noch.

Der Fahrer gibt Gas, der Wagen wird schneller.

Ich bin dran. Aber ich weiß, dass ich gleich schon keine Chance mehr haben werde, ihn einzuholen, wenn ich weiter hinterherlaufe. Ich muss draufspringen. JETZT!

Ich springe!

Und lande auf der Stoßstange, von der ich gleich wieder abspringe, während ich gleichzeitig nach oben zur Leiter greife. Ich erwische sie gerade eben mit einer Hand. Ich packe zu, baumle nun mit einer Hand an der Leiter.

Der Wagen biegt links ab, wodurch meine Beine nach rechts außen geschleudert werden. Aber ich kann mich festhalten.

Als der Wagen wieder gerade in die Spur kommt, gelingt es mir, mit der zweiten Hand nachzufassen und mich nun mit beiden Händen an der Leiter festzuhalten und mich an ihr hochzuziehen, während ich mich mit den Füßen an den Hecktüren abstütze.

Ich schaue nach hinten.

Mein Verfolger bleibt stehen. Er hat aufgegeben.

Ich bin ihm entkommen.

Aber die Frage bleibt: Wer war das? Und warum war er so erpicht auf Informationen über den Bankräuber? Und vor allem: Wie hat er mich überhaupt gefunden?

SCHÜSSE UND EIN AUFTRAG

Tim hat Billy und mir – Abena – gestern Abend noch eine Nachricht geschrieben, dass wir uns dringend heute Morgen vor dem Schultor treffen müssen. Da stehen wir jetzt, und während die anderen Schüler an uns vorbei in ihre Klassenräume ziehen, berichtet Tim uns, was gestern Abend passiert ist.

»Wahnsinn!«, sagt Billy. »Das müssen wir dem Prof melden.«

Bisher haben wir vergeblich auf eine Nachricht vom Prof gewartet, dass wir uns um den Banküberfall kümmern sollen. Vermutlich will der Geheimdienst die Sache der Polizei überlassen. Das wäre ja auch okay, wenn nicht Tim genau wegen des Bankraubs nun von einem unbekannten Typ verfolgt worden wäre.

»Ich hab dem Prof schon Bescheid gesagt«, teilt Tim uns mit.

»Und was hat er gesagt?«, will ich wissen.

Tim zieht die Schultern hoch. »Noch nichts.«

Billy und ich schauen uns ratlos an.

»Nichts?«, wiederhole ich. »Hast du nicht direkt mit ihm geredet?«

»Doch, klar« antwortet Tim. »Aber er hat nichts weiter dazu gesagt. Nur Danke. Wir prüfen das.«

Jeder von uns YOUNG AGENTS hat zu Hause in seinem Zimmer ein eingerahmtes, ganz besonderes Poster hängen. Ich zum Beispiel das Foto eines Jaguars – also die Raubkatze, nicht das Auto. Billy hat den Fußballer Ronaldo im Zimmer hängen und Tim einen Feuer speienden Drachen. Das Bild ist nur Tarnung. Im Rahmen ist ein kompletter Überwachungscomputer eingebaut, über den wir jederzeit mit dem Prof kommunizieren können. Das Poster verwandelt sich dann in einen Bildschirm, auf dem wir eine Videokonferenz abhalten. Die Kehrseite dieser Technik: Der Prof kann uns jederzeit überwachen oder uns Befehle erteilen. Über dieses Poster also hat Tim gestern Nacht mit dem Prof gesprochen.

»Wir prüfen das?«, wiederhole ich fassungslos. »Mehr nicht?«

Tim zuckt nochmals bedauernd die Schultern.

»Dann machen wir doch das, was der Prof sagt«, schlägt Billy vor, wobei er verschlagen lächelt. »Wir prüfen das. Ich meine, WIR prüfen das.« Beim zweiten Mal betont er das Wort »wir« und zeigt reihum auf uns.

Ich muss nun auch lächeln. Denn so hat der Prof das natürlich nicht gemeint. Das ist schon klar. Aber wenn man seine Aussage wörtlich nimmt, dann tun wir zwar das Gegenteil dessen, was der Prof wollte – nämlich, dass wir uns zunächst aus dem Fall heraushalten. Aber wörtlich genommen befolgen wir nur seine Anweisung, wenn wir uns um den Fall kümmern: WIR prüfen das.

Tim hat Billy ebenfalls verstanden, und sofort sind wir drei uns einig.

»Wir müssen nur noch die anderen drei informieren«, sagt Billy.

Und so setzen wir für den Nachmittag eine Teambesprechung in der Agentenwohnung an und gehen zufrieden in unsere Klassenräume.

Ich bin mit Billy in einer Klasse. Uns steht eine Klassenreise bevor, zu der wir beide keine Lust haben. Jetzt noch weniger als zuvor. Denn ich stelle mir gerade vor, dass Billy und ich in dem Bankraubfall vorankommen und ein gefährliches Abenteuer bestehen könnten, während wir stattdessen auf einer doofen Klassenreise an irgendeiner Tischtennisplatte herumhängen und uns zu Tode langweilen müssen. Das darf auf keinen Fall passieren.

Als ich den Klassenraum betrete, sehe ich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. Einige Jungs und Mädchen haben im Klassenraum ein paar Tische zusammengeschoben, ein Tischtennisnetz drüber gespannt und spielen »Runde« – in Vorbereitung der Klassenreise.

Billy scheint genauso entsetzt wie ich zu sein.

»Was soll das denn?«, ruft er in die Klasse hinein. Denn auch unser Tisch wurde zur Tischtennisplatte umfunktioniert. Billy und ich sitzen ja nebeneinander.

Sofort unterbricht Gonzo das Spiel und geht drohend auf Billy zu. »Hast du ein Problem, du Bratzbirne?«

Gonzo und Billy konnten sich noch nie leiden. Bei jeder Gelegenheit gehen die beiden aufeinander los.

»Du kannst doch gar kein Tischtennis spielen! Was soll das also?«, provoziert Billy Gonzo.

Das war nicht besonders klug von ihm, finde ich. Denn Gonzo ist einer, der keiner Prügelei aus dem Weg geht. Im Gegenteil. Und Billy ist einer, der sich nicht prügeln darf, damit er seine antrainierten Agentenfähigkeiten nicht verrät. Das hat uns der Prof immer und immer wieder eingebläut. Jetzt stehen die beiden sich Nase an Nase gegenüber und schnauben sich an.

In meinem Geburtsland Ghana gibt es eine Redewendung: Ein Krieg kündigt sich durch Schimpfworte an. Über diese Phase sind die beiden hinweg. Ein einziges falsches Wort, ein einziges falsches Augenzucken, eine einzige falsche Mundbewegung, und die beiden gehen aufeinander los.

Also muss ich einschreiten.

»Hey, Gonzo!«, rufe ich ihm zu. »Ich spiele mit.«

Gonzo lässt sofort von Billy ab und staunt mich an: »Wirklich?«