Zauber der Herzen - Linda Lael Miller - E-Book

Zauber der Herzen E-Book

Linda Lael Miller

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Beschreibung

Eine bezaubernde Liebesgeschichte in den Weiten des Wilden Westens ...

Port Hastings, Washington, 1887: Jeff Corbin ist an einem absoluten Tiefpunkt angekommen: Seine Angebetete ist unerreichbar für ihn, und durch ein Attentat verliert er sein Schiff und beinahe sein Leben. Um ihn aufzumuntern, schleppt sein Bruder die Zauberkünstlerin Fancy Jordan samt Kaninchen an. Jeff ist davon wenig begeistert. Erst recht, als er erfährt, dass Fancy ausgerechnet die Verlobte des Mannes war, der den Angriff auf sein Schiff veranlasst hat. Aber die hübsche junge Frau reizt ihn nicht nur - sie hat auch ihre Reize. Und denen zu widerstehen ist gar nicht so leicht ...

Dieser historische Liebesroman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Wer ein Lächeln des Glücks einfängt" erschienen.

Die Corbin-Saga geht weiter - im nächsten Band findet Keith das "Lächeln des Glücks".

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Seitenzahl: 308

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin bei beHEARTBEAT

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

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17

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Weitere Titel der Autorin bei beHEARTBEAT:

Die Corbin-Saga

Band 1: Paradies der Liebe

Band 3: Lächeln des Glücks

Springwater – Im Westen wartet die Liebe

Band 1: Wo das Glück dich erwählt

Band 2: Wo Träume dich verführen

Band 3: Wo Küsse dich bedecken

Band 4: Wo Hoffnung dich wärmt

Die McKettrick-Saga

Band 1: Frei wie der Wind

Band 2: Weit wie der Himmel

Band 3: Wild wie ein Mustang

Über dieses Buch

Eine bezaubernde Liebesgeschichte in den Weiten des Wilden Westens …

Port Hastings, Washington, 1887: Jeff Corbin ist an einem absoluten Tiefpunkt angekommen: Seine Angebetete ist unerreichbar für ihn, und durch ein Attentat verliert er sein Schiff und beinahe sein Leben. Um ihn aufzumuntern, schleppt sein Bruder die Zauberkünstlerin Fancy Jordan samt Kaninchen an. Jeff ist davon wenig begeistert. Erst recht, als er erfährt, dass Fancy ausgerechnet die Verlobte des Mannes war, der den Angriff auf sein Schiff veranlasst hat. Aber die hübsche junge Frau reizt ihn nicht nur – sie hat auch ihre Reize. Und denen zu widerstehen ist gar nicht so leicht …

Über die Autorin

Linda Lael Miller wurde in Spokane, Washington geboren und begann im Alter von zehn Jahren zu schreiben. Seit Erscheinen ihres ersten Romans 1983 hat die New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin über 100 zeitgenössische und historische Liebesromane veröffentlicht und dafür mehrere internationale Auszeichnungen wie den Romantic Times Award erhalten. Linda Lael Miller lebt nach Stationen in Italien, England und Arizona wieder in ihrer Heimat im Westen der USA, dem bevorzugten Schauplatz ihrer Romane. Neben ihrem Engagement für den Wilden Westen und Tierschutz betreibt sie eine Stiftung zur Förderung von Frauenbildung.

Mehr Informationen über die Autorin und ihre Bücher unter http://www.lindalaelmiller.com/.

Linda Lael Miller

Zauber der Herzen

Aus dem amerikanischen Englisch von Katharina Braun

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1985 by Linda Lael Miller

Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Corbin’s Fancy“

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with the original publisher, Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 1991/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: „Wer ein Lächeln des Glücks einfängt“

Lektorat: Katharina Woicke

Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © shutterstock: bmphotographer | Paul B. Moore; © ALETA RAFTON

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-6865-9

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prolog

Port Hastings, Staat Washington, 24. Dezember 1887

Der große Weihnachtskranz schaukelte am Haken, als Jeff Corbin die Haustür zuschlug, die Hände in den Taschen seines schweren Seemannsrocks vergrub und die Stufen hinunterstürmte.

Fast im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür wieder. »Verdammt!«, polterte eine raue Stimme. »Warte einen Moment!«

Jeff blieb auf dem schneebedeckten Weg stehen und presste grimmig die Lippen zusammen. Er drehte sich nicht zu seinem Bruder um, das erlaubten seine Gefühle nicht. Selbst als Adam zu ihm herüberkam, weigerte Jeff sich, ihn anzuschauen.

»Wie lange willst du noch so weitermachen?«, fragte Adam barsch.

Jeff blieb stumm, trotz des inneren Aufruhrs, der in ihm tobte. Doch da er sonst nicht dazu neigte, seine Gefühle zu verbergen, fiel es ihm jetzt ganz besonders schwer, nichts zu entgegnen.

»Es ist Weihnachten, Jeff«, erinnerte Adam ihn. »Du kannst nicht einfach gehen.«

»Ich muss gehen«, murmelte Jeff mit abgewandtem Blick, Herz und Gedanken erfüllt von Banner, seiner Schwägerin, und den Kindern, die sie Adam geboren hatte. Zwillinge – ein Junge und ein Mädchen ...

»Jeff.«

Jeff zwang sich, Adam anzusehen. Der Wind war bitterkalt an diesem Weihnachtsabend, pfiff zwischen den beiden Männern hindurch und trennte sie noch weiter voneinander.

»Ich muss gehen«, wiederholte Jeff, »Die Sea Mistress läuft bei Tagesanbruch aus, und die Mannschaft ist bereits an Bord.«

»Zum Teufel mit der Sea Mistress!«, erwiderte Adam gereizt. »Ich musste euch Papas Krankheit verschweigen, Jeff! Begreifst du das nicht?«

Jeff nickte. »Doch«, sagte er, aber es war nur die halbe Wahrheit. Fünf Jahre lang hatte Adam ihn in dem Glauben gelassen, ihr Vater sei tot, und als er dann herausfand, dass er die ganze Zeit gelebt hatte, war es ein harter Schlag für Jeff gewesen.

»Du verstehst es nicht«, beharrte Adam. »Er hatte Lepra, Jeff!«

»Ich weiß. Und du warst da, um dich um ihn zu kümmern. Adam, der treue, der opferbereite Sohn. Wozu brauchte Papa mich schon, solange er dich hatte?«

Adam zuckte zusammen. »Es ist mehr als das, nicht wahr?«

Jeff hob trotzig den Kopf. »Ja«, gab er ruhig zu. »Ich liebe deine Frau, Adam. Ich liebe Banner und wünsche mir nichts sehnlicher, als dass deine beiden Kinder meine wären. Habe ich mich jetzt klar genug ausgedrückt?«

Der erwartete Ausbruch blieb aus; Adam seufzte nur und schaute zum schneeverhangenen Himmel hinauf. Schneeflocken glitzerten auf seinem dunklen Haar und seinem markanten männlichen Gesicht. »Du wirst es überwinden, Jeff. Lass dir nur Zeit ...«

Jeff ging abrupt an seinem Bruder vorbei und auf das Tor zu. »Die Zeit heilt alle Wunden, nicht wahr, Doktor?«, rief er über die Schulter zurück, froh, dass Adam sein Gesicht nicht sehen konnte. »Ich werde sechs Monate unterwegs sein, bleib also nicht auf, um auf mich zu warten.«

Da fühlte Jeff sich ganz unvermittelt an den Schultern gepackt und herumgewirbelt. Adam stieß ihn gegen die massive Steinmauer und sagte beschwörend: »Jetzt wirst du mir einmal gut zuhören!«

Jeff schüttelte die Hände seines Bruders ab. »Geh zur Hölle!«, entgegnete er schroff.

»Ja, ich liebe dich auch, Jeff«, meinte Adam spöttisch, aber seinen nächsten Worten fehlte der Sarkasmus, der einen Teil seiner Persönlichkeit ausmachte. »Bitte, geh nicht, Jeff. Nicht so ...«

Und da geschah es. Die Tränen, die Jeff mühsam unterdrückt hatte, lösten sich in einem heiseren Schluchzen. »Verdammt, Adam«, sagte er erstickt. »Ich kann nicht bleiben ...«

Adam zog seinen Bruder an sich und hielt ihn einen Moment umfangen. Dann trat er zurück und sagte rau: »Du weißt, dass ich dich nicht leiden sehen möchte, nicht wahr, Jeff?«

Jeff nickte. »Ja, das weiß ich.«

Adam berührte noch einmal flüchtig seine Schulter. Dann drehte er sich wortlos um und ging zum Haus zurück. Ins Haus, wo Banner wartete – Banner mit ihrem zimtroten Haar und den grünen Augen ...

Jeff, der es eben noch so eilig gehabt hatte fortzukommen, blieb stehen und starrte das stattliche Haus an, das er immer als sein Heim betrachtet hatte, trotz seiner ausgedehnten Reisen. Heute Nacht jedoch kam er sich fast ausgesperrt vor.

Schließlich öffnete er das Tor und ging hinaus. Durch den eisigen Schnee wanderte er zum Kai hinunter, wo sein Schiff verankert lag. Seine Männer begrüßten ihn mit derben Späßen, wie immer, aber diesmal winkte Jeff nur müde ab und ging mit gesenktem Kopf auf seine Kajüte zu. Whiskey. Was er jetzt brauchte, war Whiskey.

Die erste Explosion erfolgte, als Jeff die Stufen erreichte, die unter Deck führten. Schreie ertönten, und dann eine zweite Explosion, die das Schiff in der Mitte auseinanderzureißen schien.

Benommen kletterte Jeff an Deck zurück. Es brannte, überall, die orangeroten Flammen leckten an den Masten hinauf, verzehrten die Segel und tanzten auf der Reling. Männer mit lichterloh brennendem Haar und brennender Kleidung sprangen schreiend über Bord.

Die Hitze war schon unerträglich, als Jeff sich über die Reling in die kalte Dunkelheit stürzte, die ihn dort erwartete, und für einen flüchtigen Moment glaubte er, den Teufel persönlich lachen zu hören.

1

Wenatchee, Staat Washington, 12. Mai 1888

Das Kaninchen kam nicht aus dem Hut.

Fancy ertastete das Tier mit ihrer rechten Hand – es kauerte ängstlich zitternd in seinem schwarzen Samtbeutel und dachte nicht daran, sich zu bewegen. Die Gruppe der Kinder vor Fancys Zaubertisch wurde langsam ungeduldig.

»Sie kriegt es nicht heraus!«, beschwerte sich ein kleiner Junge. »Und es ist auch gar kein Damenhut.«

»Vielleicht ist sie keine Dame!«, bemerkte ein barfüßiger Junge naseweis.

Schweißtropfen bildeten sich zwischen Fancys Brüsten und Schulterblättern, und sie zog noch fester an dem Kaninchen, als sie Mister Ephraim Shibbles warnende Blicke spürte. Hinter seiner stattlichen Silhouette schienen die rosa und weißen Blüten der Apfelbäume zu verschwimmen.

»Tu es mir nicht an, Hershel«, flüsterte sie bittend. Eine leichte Brise, die nach Blüten und Gras roch, kühlte ihre heißen Wangen und trocknete die feuchten Strähnen ihres silberblonden Haars.

»Ich habe euch ja gesagt, dass sie es nicht schafft!«, rief triumphierend der kleine Junge, der zuerst gesprochen hatte, und er warf Fancy einen feindseligen Blick zu.

Gekränkt zerrt Fancy an Hershels Fell, und er kam endlich aus dem Hut heraus – aber den schwarzen Samtbeutel, in dem er versteckt gewesen war, zog er wie eine Fahne der Niederlage hinter sich her.

Die Erwachsenen, die zugeschaut hatten, wandten sich kopfschüttelnd ab, einige verärgert, andere voller Mitleid für die junge Frau, die in ihrem lächerlichen, mit glitzernden Sternen besetzten Kleid steif dastand und das Kaninchen am Genick festhielt.

Als sich auch die Kinder zu zerstreuen begannen, bückte Fancy sich und verbannte Hershel in seinen Käfig unter dem Tisch. Beim Aufrichten schaute sie in die kalten Augen von Mister Ephraim Shibble, ihrem Arbeitgeber.

Der untersetzte Mann, der stark schwitzte in seinem leichten Anzug, bückte sich und hob das Schild auf, das vor Fancys Tisch lehnte. »Fancy Jordan«, las er in verächtlichem Ton. »Sie singt. Sie tanzt. Sie zaubert.«

Fancy senkte den Kopf und verschränkte die Hände auf dem Rücken. »Mister Shibble, ich ...«

Shibble unterbrach sie, indem er das Schild schüttelte – ein wahrer Regen von Flitter blätterte ab und sank auf die Erde. »Sie sind eine Schwindlerin«, sagte er anklagend. »Und Sie sind gekündigt!«

Das war es, was Fancy am meisten gefürchtet hatte, aber sie bemühte sich dennoch, Haltung zu bewahren und Mister Shibbles Blick nicht auszuweichen. »Sie können mich nicht hier zurücklassen«, erwiderte sie ruhig, in einem Ton, der nichts von ihrer Angst verriet. »Ich habe keine Stellung, kein Geld ...«

Shibble drückte ihr das Schild in die Hände. »Dann schlage ich vor, dass Sie singen und tanzen, wenn Sie schon nicht zaubern können. Mit meiner Truppe reisen Sie jedenfalls nicht weiter, Miss Jordan!«

»Aber ...«

»Nein! Sie haben mich zum letzten Mal vor unserem Publikum beschämt!« Damit wandte Mister Shibble sich ab und stürmte davon, um sich eine andere Darbietung seiner kleinen Varietétruppe anzusehen.

Als Fancy sicher war, von niemandem beobachtet zu werden, ließ sie sich auf die Stufen der kleinen Bühne sinken und legte den Kopf an das weiß gestrichene Geländer. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihren Lippen.

»So schlecht waren Sie gar nicht«, bemerkte eine sympathische Männerstimme.

Den Tränen nahe, hob Fancy den Kopf und schaute den großen Mann an, der mit gefalteten Armen vor ihr stand. Seine blauen Augen verrieten Mitleid und Belustigung. Er trug dunkle Hosen, eine Weste und ein schmuckloses weißes Hemd mit Priesterkragen.

»Schlecht genug, um meinen Job zu verlieren«, entgegnete Fancy leise.

Der Mann bückte sich, hob das Schild auf und las. »Können Sie wirklich zaubern?«, fragte er dann nachdenklich.

Fancy errötete. Obwohl es ihr nach dieser missglückten Vorstellung sicher niemand glauben würde, war sie eine recht gute Zauberin. Sie konnte Münzen hinter den Ohren ihrer Zuschauer hervorziehen und feurige Blitze aus ihren Fingerspitzen sprühen lassen. Einmal war es ihr sogar gelungen, eine Frau in der Mitte durchzusägen und sie wieder zusammenzusetzen. Allerdings war es nicht leicht, Freiwillige für diesen Trick zu finden, und die nötigen Geräte hatte sie sich von einem anderen Zauberer ausgeliehen.

»Ja«, bestätigte sie mit Würde. »Ich kann zaubern.«

»So etwas könnten wir hier gebrauchen«, entgegnete der junge Priester sinnend.

Fancy schaute sich um und betrachtete zum ersten Mal seit ihrer Ankunft an diesem Morgen die Umgebung, in der sie sich befand. Sie sah ein stattliches Haus aus massivem Naturstein, umgeben von vielen Hektar Land, das mit Apfelbäumen bestanden war, einen Fluss, der die ausgedehnte Rasenfläche vor dem Haus begrenzte, und einen Garten mit blühenden Rosensträuchern und weißen Marmorbänken.

»Wohnen Sie hier?«, fragte sie, verwundert, dass ein Priester so reich sein sollte.

»Ja«, erwiderte er mit einer leichten Verbeugung und amüsiertem Blick. »Das Land gehört meiner Familie. Ich verwalte es nur.«

Fancy war beeindruckt und deutete auf einen der Apfelbäume, der mit Luftballons, bunten Bändern und Geschenken geschmückt war. »Hat jemand Geburtstag?«

Der Priester lachte leise. »Nein, in meiner Familie ist es Tradition, den Beginn der Apfelblüte zu feiern. Dazu laden wir die ganze Gemeinde ein, und jedes Kind bekommt ein Geschenk aus dem Baum.« Er machte eine Pause und runzelte die Stirn. »Es klingt wie ein heidnischer Brauch, nicht wahr? Wie ein Frühlingsritual oder so.«

Trotz ihrer unglücklichen Lage lächelte Fancy. »Es ist eine wunderbare Idee«, antwortete sie.

»Ich habe Hunger, Miss Jordan«, erklärte der Mann ganz unvermittelt. »Und Sie?«

Fancy hatte seit dem frühen Morgen nichts mehr zu sich genommen und war mehr als hungrig. »Ich habe ein Kaninchen, das wir rösten könnten«, schlug sie scherzhaft vor.

Der Priester reichte ihr lächelnd die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Das würde viel zu lange dauern«, meinte er vernünftig.

Bevor Fancy seine Hand ergriff, warf sie einen bedrückten Blick auf den abgenutzten Rock ihres Zauberkostüms. Einer der silbernen Sterne, die sie aufgenäht hatte, löste sich bereits, und sie versuchte vergeblich, den langen Rock glatt zu streichen. »Ich kenne Ihren Namen nicht«, sagte sie.

»Keith«, erwiderte er ohne Förmlichkeit. »Keith Corbin.«

Corbin. Der Name traf Fancys leeren Magen und löste einen Schwindel in ihr aus, der sie einen Moment die Augen schließen ließ.

Du lieber Himmel, er meinte doch hoffentlich nicht die Corbins aus Port Hastings!

Pastor Corbin beugte sich vor und maß Fancys blasses Gesicht mit einem prüfenden Blick. »Was haben Sie?«

»N-nichts«, log Fancy. Aber in Gedanken standen allerlei erschreckende Bilder vor ihr – die Explosion des Schiffes, das im Hafen von Port Hastings verankert gelegen hatte, und Temple Royce – damals ihr Arbeitgeber und feuriger Verehrer –, wie er sein Glas gehoben und auf den Tod des Schiffskapitäns getrunken hatte ...

»Ich glaube, Sie sollten etwas essen«, meinte der Pastor und zog Fancy auf die Beine.

Nachdem sie an einem langen Büfett ihre Teller gefüllt hatten, kehrten Fancy und der Priester zu den Stufen der verlassenen Bühne zurück, wo sie sich setzten und schweigend aßen. Fancy war dankbar für den Schinken, die kandierten süßen Kartoffeln, die grünen Bohnen und das knusprige Brot – der liebe Himmel wusste, wann sie wieder essen würde, nachdem sie ihren Job verloren hatte!

»Sie brauchen Arbeit«, bemerkte Corbin, als hätte er Fancys Gedanken erraten.

Sie nickte düster. Nach allem, was sie gesehen hatte, war Wenatchee ein sehr kleiner Ort, und es war ziemlich ausgeschlossen, dass sie hier eine Stellung fand. »Ich weiß«, sagte sie bedrückt.

»Ich könnte Ihnen Geld geben«, schlug er vor.

Fancy schüttelte rasch den Kopf. Schulden hatte sie bisher immer vermieden angesichts der Sorgen, die sie ihren Eltern bereitet hatten. »Ich muss mir meinen Lebensunterhalt verdienen«, sagte sie entschieden.

»Dann arbeiten Sie doch für mich! Ich fürchte, in Wenatchee besteht nicht viel Bedarf an Zauberkünstlerinnen.«

Wäre der Vorschlag von einem anderen Mann gekommen, hätte Fancy sicher mit Misstrauen reagiert. Immerhin war sie schon seit drei Jahren auf sich selbst angewiesen, obwohl sie erst neunzehn war, und hatte gelernt, sich vor allzu freundlichen ›Herren‹ zu hüten. Aber dieser Mann war anders, das spürte sie, und nicht nur des Priesterkragens wegen, den er trug. »Worin bestünde meine Arbeit, Pastor Corbin?«

Er lächelte. »Nennen Sie mich doch bitte Keith – damit ich Sie Fancy nennen kann.«

»Na schön, Keith.« Fancy nickte widerstrebend. »Was müsste ich hier tun? Die Apfelernte ist noch nicht ...«

Keith nahm ihr den leeren Teller aus der Hand und stellte ihn beiseite. »Nein, die Äpfel werden erst im Herbst geerntet. Ihre Arbeit hier wäre ganz anders geartet, Fancy – und ich fürchte, sie verlangt eine ordentliche Portion Zauberei von Ihnen.«

Fancy wartete gespannt.

»Am vergangenen Weihnachtsabend lag das Schiff meines Bruders, die Sea Mistress, in Port Hastings vor Anker ...«

Fancys Herz stieg ihr in die Kehle, das Blut dröhnte schmerzhaft in ihren Ohren. O Gott!, dachte sie. Nein, nur das nicht! Es ist dieselbe Familie!

Keith brach ab und schaute Fancy an. »Wissen Sie, wo Port Hastings liegt?«, fragte er. »Am Puget Sound, an der Meerenge von Juan de Fuca ...«

Fancy nickte stumm und glaubte wieder Temples hässliches, triumphierendes Lachen zu hören.

»Jedenfalls wurde Jeff – das ist mein Bruder – bei einer Explosion seines Schiffes schwer verletzt. Er hat Brandmale auf dem Rücken und an den Armen, aber die schlimmsten Narben, die er davongetragen hat, sind nicht äußerlicher Natur.«

Fancy wurde so übel, dass sie die Augen schloss. Verdammter Schuft!, dachte sie und verwünschte Temple Royce. Leise und froh, dass es so war, sagte sie dann: »Aber Kapitän Corbin ist nicht gestorben.«

»Nein, nicht richtig. Wie viele der anderen Männer sah er sich gezwungen, über Bord zu springen. Das Wasser war kälter als gewöhnlich, und es dauerte eine ganze Weile, bis er an Land geholt wurde. Die Folge war eine Lungenentzündung, die er fast nicht überlebt hätte.«

Keith seufzte und schaute nachdenklich zum Haus hinüber. »Jeff ist hier. Als er sich einigermaßen erholt hatte, wollte er nicht länger in Port Hastings bleiben. Es ist eine Kluft entstanden zwischen ihm und unserem ältesten Bruder, über die keiner von beiden reden will – aber das tut auch eigentlich nichts zur Sache. Tatsache ist nur, dass Jeff langsam stirbt, Fancy, obwohl er körperlich wieder völlig gesund ist.«

Fancy erschauerte. »Ich begreife nicht, wie ich Ihnen helfen soll«, entgegnete sie ausweichend. »Ich bin keine Krankenschwester ...«

»Jeff braucht Gesellschaft – jemanden, der in seiner Nähe bleibt und ihn aus der düsteren Stimmung reißt, in die er sich vergraben hat. Durch meine Arbeit habe ich leider nicht genug Zeit, mich um Jeff zu kümmern, aber ich liebe meinen Bruder, Fancy, und möchte ihn nicht verlieren.«

»Ich ... ich soll ihm Gesellschaft leisten? Was würden Sie denn damit erreichen?«

»Ich hoffe, dass Sie irgendeine Gefühlsregung in ihm auslösen, Fancy. Bringen Sie ihn zum Lachen, zum Weinen oder in Wut – was, ist mir vollkommen egal. Hauptsache, er reagiert.«

Fancy schluckte und schaute auf ihren Rock. Mit jeder Faser ihres Seins schämte sie sich für das, was Temple Royce Jeff Corbin und seiner Familie angetan hatte, ganz zu schweigen von den Seeleuten, die ihr Leben bei der Explosion verloren hatten. Zwar war sie, Fancy, nicht verantwortlich dafür, aber schon zu wissen, wer die Explosion ausgelöst hatte, war eine unerträgliche Bürde für sie. Anstatt ihr Wissen preiszugeben und den Schuldigen anzuzeigen, hatte sie der Stadt den Rücken zugekehrt und war geflohen ...

Jetzt musterte sie Keith Corbins ernstes Gesicht und fragte sich, was geschehen mochte, wenn sie ihm sagte, dass Temple Royce das Dynamit auf dem Schiff hatte anbringen und zünden lassen. Aber sie wusste auch, dass sie es nicht wagen würde.

Leider war das nicht alles, was zu bedenken war. Sie hatte in Port Hastings auf der Silver Shadow gearbeitet, einem früheren Dampfer, der in einen Saloon umgebaut worden war. Angenommen, Kapitän Corbin hätte sie dort gesehen und erkannte sie nun wieder? Oder, schlimmer noch, er erinnerte sich daran, dass sie damals vorhatte, Temple Royce zu heiraten – einen Mann, den er als seinen schlimmsten Feind betrachten musste?

Fancys hartnäckigster Gedanke war, dass sie fliehen und diese Stadt und diese Familie hinter sich lassen musste, bevor eines ihrer Mitglieder sich an sie erinnerte, so wie sie sich jetzt an sie erinnerte. Aber ohne Job hatte sie gar keine Möglichkeit, weiterzureisen, und ein Instinkt riet ihr, etwas für diese Familie zu tun – als kleinen Ausgleich für Temples Tat.

»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann«, murmelte sie nervös, »aber ich werde es versuchen.«

»Danke«, sagte der Pastor erleichtert und legte seine große, warme Hand beruhigend auf Fancys.

Jeff stand am Fenster und schaute dem allgemeinen Aufbruch der Gäste zu. Die schäbigen Wagen der kleinen Varietétruppe waren als erste weitergezogen, aber eine der Schaustellerinnen war zurückgeblieben – ein verwirrendes, elfengleiches Geschöpf in einem sternenbesetzten Kleid. Irgendetwas an ihr löste Unbehagen in Jeff aus, obwohl selbst aus der Entfernung nicht zu verleugnen war, dass es sich um ein ausgesprochen hübsches Mädchen handelte.

Er seufzte und brachte es nicht über sich, das Fenster zu verlassen. Das Mädchen sprach mit Keith, schon sehr lange – wenn er es genau bedachte, waren sie schon den ganzen Nachmittag zusammen. Wer war das Mädchen, und warum war sie nicht mit den anderen weitergezogen?

Jeff runzelte die Stirn. Was dachte Keith sich eigentlich dabei, eine gut aussehende Frau zu hofieren, wenn er in knapp einem Monat Amelie Rogers heiraten würde? Die Frage beschäftigte ihn noch, als das elfengleiche Wesen seine Unterhaltung mit Keith unterbrach und zum Fenster hinaufschaute, wo Jeff stand. Sie konnte ihn nicht sehen, das war ausgeschlossen, und doch schien sie ihm mit den Blicken zuzuwinken ...

Da Jeff sich fast versucht fühlte, ihren stummen Gruß zu erwidern, wandte er sich rasch ab. Mit nacktem Oberkörper trat er vor den großen Spiegel hinter seinem Schreibtisch. Wenn er sich ein bisschen seitwärts drehte, konnte er die rote, geschwollene Narbe auf seinem Rücken sehen, die zwischen seiner rechten Hüfte und seinem linken Schulterblatt verlief. Aber die Narbe, wie jene auf seinem Arm, ging viel tiefer als bis auf die Haut und auf den Muskel. Mit geschlossenen Augen versuchte er, sich Banner O’Brien vorzustellen, die jetzt die Frau seines Bruders war. Doch stattdessen sah er eine zierliche blonde Elfe in einem sternenübersäten Kleid ...

Durch die offene Zimmertür hörte Jeff Schritte auf der Treppe. Fluchend griff er nach dem Hemd, das am Bettpfosten hing und schloss gerade den ersten Knopf, als Keith auf der Schwelle erschien.

»Ich möchte dir jemandem vorstellen«, verkündete der Pastor lächelnd.

Jeff warf seinem Bruder einen ärgerlichen Blick zu und fluchte unterdrückt. Aber vielleicht aus Achtung vor dem Mann, der er einmal gewesen war, bevor er seinen Vater, Banner und sein Schiff verlor, praktisch alles auf einen Schlag, strich er sich das zerzauste Haar aus der Stirn.

»Hallo«, sagte die Elfe, als sie aus dem Schatten in das helle Zimmer trat. »Ich bin Fancy.«

Keith wandte sich diplomatisch ab und ging hinaus. Seine Stiefelabsätze verursachten ein einsames, hallendes Geräusch auf der Treppe.

»Was für ein Name soll das denn sein? ›Fancy‹ heißt auch ›Verrücktheit‹«, meinte Jeff unfreundlich, während er das silberblonde Haar betrachtete, das in weichen Wellen ihr Gesicht umrahmte. Ihre Augen waren von einem intensiven Violett.

»Es ist eine Kurzform für Frances«, erwiderte das Mädchen, ohne gekränkt zu wirken.

Sie hatte ein winziges Grübchen am Kinn. »Wo haben Sie dieses alberne Kleid her?«

Nun blitzten ihre violetten Augen doch zornig auf. »Das habe ich selbst geschneidert, und ich trage es bei meinem Auftritt.«

Obwohl Jeff mitten im Raum stand, fühlte er sich in die Ecke gedrängt, und seltsamerweise war es kein unangenehmes Gefühl. Doch er ignorierte es hartnäckig, spreizte die Beine und stemmte die Hände in die Hüften, bevor er mit düsterer Miene sagte: »Falls Sie nicht zum Stepp tanzen hierhergekommen sind, möchte ich Sie bitten, mein Zimmer zu verlassen! Sonst könnte ich nämlich auf falsche Ideen kommen.«

»Sie stecken voller falscher Ideen, glaube ich«, entgegnete das Mädchen ungerührt und rümpfte ihre hübsche kleine Stupsnase. »Gott, wie stickig es hier ist!«, fuhr sie missbilligend fort und besaß die Frechheit, erst ein Fenster zu öffnen und dann ein zweites. Dann bückte sie sich, um Jeffs überall im Raum verstreuten Kleidungsstücke aufzuheben.

Er schaute ihr ungehalten zu. »Was glauben Sie, was Sie da machen?«, erkundigte er sich empört.

Die violetten Augen musterten ihn unbefangen. »Ich helfe Ihnen, das ist doch klar. Dazu hat Ihr Bruder mich schließlich eingestellt.«

»Er soll zum Teufel gehen! Ich brauche keine Hilfe!«

»Ja, das ist anscheinend Ihr größtes Problem. Das und die Tatsache, dass Sie sich mehr wie ein verwöhnter kleiner Junge benehmen als wie ein erwachsener Mann.« Mit diesen Worten ging sie zur Tür und warf die aufgesammelte Wäsche in den Gang hinaus. Danach entfernte sie die Laken vom Bett und zog die Kissenbezüge ab. »Es wird Zeit, dass Sie mit dem Schmollen aufhören und sich Ihrem Alter entsprechend verhalten, Jeff Corbin.«

Jeff war sprachlos, aber nur für einen Moment, dann kam ihm die Komik der Situation zu Bewusstsein, und er begann zu lachen. Was für einen lächerlich entzückenden Anblick diese Fancy bot, mit ihrem widerspenstigen Haar, das sich aus seinen Klammern gelöst hatte, und dem Stern, der von ihrem Rock baumelte. Als sie sich bückte, um die Laken aufzuheben, verspürte Jeff ein vertrautes Ziehen in den Lenden.

Fancy blieb stehen und schaute ihn an, zum ersten Mal ein bisschen unsicher. »Was finden Sie so komisch?«

»Das Kleid. Ihren Namen. Alles.«

Fancys wohlproportionierter kleiner Körper versteifte sich, und sie schob trotzig ihr Kinn vor. »Ich freue mich, dass Sie lachen können«, sagte sie kühl. »Damit sind wir schon einen Schritt weiter.«

Wieder strich Jeff sein Haar zurück. »Was hat mein Bruder Ihnen erzählt? Ich wäre eine Art Einsiedler? Oder ich bräuchte jemandem, der mich vor mir selber rettet?«

»So ungefähr.«

Jeff wurde zornig. »Ich liebe eine Frau, die ich nicht haben kann«, erklärte er schroff. »Sie ist mit meinem Bruder verheiratet.«

»Das Leben ist hart«, entgegnete Fancy achselzuckend.

»Ich habe mein Schiff verloren!«

»Man verliert ständig etwas.« Sie brach ab und schaute sich in dem großen, elegant eingerichteten Raum um. »Aber so viel ich sehe, haben Sie immer noch sehr viel mehr als die meisten Leute.«

»Sie verstehen es nicht!«

Fancy ließ die Laken fallen und trat vor Jeff. »Ich fürchte, doch. Sie sind verletzt. Sie sind wütend. Und deshalb machen Sie eine Szene.«

»Eine Szene?« Jeffs Zorn war so groß, dass er ihn fast körperlich empfand, und zum ersten Mal seit Monaten fühlte er sich wieder lebendig. »Wie können Sie wagen, so etwas zu sagen?«

»Ich wage es«, antwortete sie.

Darauf hatte Jeff keine Erwiderung. Er schaute in stummer Wut zu, wie Fancy sich abwandte, die Bettwäsche aufhob und auf die Tür zuging. Was mochte sie als Nächstes vorhaben – die Vorhänge abzunehmen? Den Teppich aufzurollen?

»Verdammt!«, murmelte er.

»Ich hole frisches Bettzeug«, verkündete sie heiter.

An eine solche Reaktion war Jeff nicht gewöhnt, vor allem nicht bei Frauen. Wie impertinent dieses Mädchen war! »Warten Sie!«, brüllte er ihr nach.

Sie blieb stehen. »Ja?«

»Ich will Ihre Hilfe nicht, klar? Ich will nicht, dass Sie meine Sachen aufheben und mein Bett beziehen ...«

»Jemand muss es tun«, antwortete sie vergnügt.

Jeff lehnte sich an den Türrahmen und schlug wütend auf das Holz. »Aber nicht Sie, verdammt noch mal!«, schrie er Fancy nach.

Fancy breitete ein Laken auf dem Boden aus, legte die Wäsche darauf und band alles zu einem Bündel zusammen. »Warum nicht?«, fragte sie gleichmütig.

»Weil ...«

»Ja?«, forschte die Elfe, während sie den Sack auf die Schulter schwang wie ein weiblicher St. Nikolaus.

Wieder verschlug es Jeff die Sprache. Eine derart lästige Frau hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gekannt!

Als sie mit dem frischen Bettzeug zurückkam, hatte er sich eine neue Taktik ausgedacht. Von einem bequemen Sessel neben dem Fenster aus schaute er zu, wie sie das Bett bezog.

»Ich hätte so etwas nie von meinem frommen Bruder erwartet«, bemerkte er im Konversationston. »Aber vielleicht ist es genau die Therapie, die ich brauche ...«

Das Mädchen war sehr geschickt im Bettbeziehen. »Und die wäre?«, fragte sie, ohne großes Interesse zu verraten.

»Sagen Sie bloß, das wissen Sie nicht – mit einem Namen wie ›Fancy‹?«

Das Laken rutschte ihr aus den Händen, und sie drehte sich langsam zu ihm um. »Wie war das bitte?«

Jeff unterdrückte ein triumphierendes Lächeln. »Ich meine, Sie werden dieses Bett doch mit mir teilen, nicht wahr? Das würde mich schneller gesund machen als alles andere.«

Ein zorniger Ausdruck erschien in ihren violetten Augen, aber zu Jeffs Enttäuschung verblasste er sehr schnell, genau wie die leichte Röte, die ihr in die Wangen gestiegen war. »Sie wissen sehr gut, dass ich Ihr Bett nicht teilen werde, Kapitän Corbin«, sagte sie ruhig.

Eine weitere vergessene Emotion erwachte in Jeff Corbin – er fühlte sich herausgefordert, und das war ein Spiel, das er meisterhaft beherrschte. »Sie unterschätzen meine Reize, Fancy«, erwiderte er lächelnd.

»Im Gegenteil – ich würde sagen, sie sind alles andere als erwähnenswert.«

»Sind Sie je mit einem Mann intim gewesen?«

»Das geht Sie zweifellos nichts an, aber da Sie schon fragen – nein, noch nie.« Damit wandte sie sich entschieden ab, und Jeff hatte Gelegenheit, ihren hübschen, sanft gerundeten ›derrière‹ zu betrachten. Was seine Entschlossenheit nur verstärkte.

»Gut«, sagte er. »Ich war schon immer gern der Erste.« Fancy beendete ihre Aufgabe ohne ein weiteres Wort und verließ dann stumm und hocherhobenen Kopfes den Raum. Jeff lachte in sich hinein, obwohl er selbst nicht wusste, warum. Dann stand er auf, trat vor den Spiegel und brachte sein weizenblondes Haar in Ordnung.

Fancy stand am Treppenabsatz und zitterte vor Empörung. Noch nie, in ihrem ganzen Leben nicht, war ihr ein unmöglicherer Mann begegnet! Oder ein attraktiverer, erinnerte sie sich und bereute bitter, diesen Job angenommen zu haben, während sie in die Küche hinunterging.

Hier waren eine Haushälterin und mehrere Küchenhilfen mit dem Spülen gewaltiger Stapel Geschirr beschäftigt.

Als Fancy gerade ein Tablett für seinen dreisten Bruder vorbereitete, kam Keith mit einer großen Platte Schinken herein. »Wie war es?«, fragte er in solch hoffnungsvollem Ton, dass Fancy augenblicklich besänftigt war.

»Es wird nicht einfach sein«, antwortete sie und legte einige Scheiben Schinken auf Jeffs Tablett. »Ich bringe ihm das Abendessen, dann komme ich herunter und helfe beim Aufräumen.«

Die Haushälterin, eine schlanke Frau, die sich als Alva Thompkins vorgestellt hatte, warf Fancy ein dankbares Lächeln zu. Der Gedanke, eine Freundin gefunden zu haben, stimmte Fancy ein bisschen glücklicher.

»Er wird nichts essen wollen«, bemerkte Keith besorgt.

»O doch, das wird er«, widersprach Fancy zuversichtlich.

Keith lächelte schwach und ging hinaus, um noch mehr Überreste des Picknicks hereinzuholen. Es war eine Aufgabe, die vermutlich die ganze Nacht beanspruchte, selbst wenn alle halfen.

Während sie das schwere Tablett hinauftrug, dachte sie empört, dass Jeff bestimmt nicht daran dachte, seine Hilfe anzubieten. Nein, lieber erging er sich in Selbstmitleid! Und was er alles zu ihr gesagt hatte! Ihr Name wäre albern, ihr Kleid lächerlich und ob sie nicht sein Bett teilen wollte?

Als Fancy Jeffs Zimmer erreichte, war ihr Zorn in seiner ganzen Macht zurückgekehrt. Verdammt, selbst wenn sie gezwungen wäre, unter freiem Himmel zu übernachten und den armen Hershel zu opfern, um nicht zu verhungern – eine solche Behandlung würde sie sich nicht gefallen lassen!

Bei ihrem Eintreten lächelte Jeff so freundlich, als hätte er all diese unentschuldbaren Dinge nicht gesagt.

Mit einer unvergleichlichen inneren Befriedigung trat Fancy vor ihn hin, erwiderte sein Lächeln und ließ den gesamten Inhalt des Tabletts auf seinen Schoß fallen.