Zigeunerkind - Eva Sereza - E-Book

Zigeunerkind E-Book

Eva Sereza

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Beschreibung

"Zigeunerkind" handelt von Schatten und Licht, von Liebe, Schmerz und Vergebung – doch auch vom Zauber des Neubeginns, von der Kraft der inneren Wahrheit. Das Buch zeigt uns wie durch ein Kaleidoskop viele Leben, Menschen, Gefühle, die alle sowohl einzigartig als auch miteinander verbunden sind. Es führt uns durch die Welt der Protagonistin Eva, auf der Suche nach sich selbst, dem dunklen Geheimnis ihrer Vergangenheit. Eva ist Erzählerin und nimmt zugleich Teil an jedem Geschehen, an den Geschichten, die ihr begegnen. Sie taucht ein in das Leben der Menschen, mit denen ihr Schicksal verwoben ist. Was sie in der Tiefe sieht, verwandelt sie in Poesie, in Worte, Gefühle und Bilder. Damit folgt sie ihrer Bestimmung, die ihr nach der Geburt prophezeit wurde. Die Erzählung hat sowohl mythologische als auch autobiographische Züge. Die Protagonistin lädt die Leserin und den Leser ein, sie auf ihrer Reise zwischen Märchen und Wirklichkeit zu begleiten. Die Geschichten sollen uns berühren und uns einen Weg der Hoffnung zeigen. Eva Serezas "Zigeunerkind" macht jenen Mut, die um ihren Platz in dieser Welt kämpfen. Dem Schmerz zu begegnen ist niemals leicht. Das Leben ist dennoch ein Geschenk – weil aus tiefem Leid große Stärke erwächst. Es gibt Narben, die wir immer tragen. Es gibt Wunden, die wir nicht überwinden. Aber wenn wir in Frieden sind mit uns selbst, wenn wir dem Vergangenen vergeben, erst dann können wir Schmerz verwandeln und lernen, uns selbst und andere zu lieben. Erst dann werden wir ganz.

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Eva Sereza

Zigeunerkind

Ein Leben zwischen Schatten und Licht

 

 

 

Dieses eBook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Für Daniel

AUTORENINFORMATION Eva Sereza

Zigeunerkind - EXPOSE

VORWORT und DANK der Autorin

Zigeunerkind – PROLOG

Teil 1 - Erwachen

EOS (Göttin der Morgenröte) - Aus der Dunkelheit ins Licht

SELENE (Göttin des Mondes) - Schwester der Sonne

PROTEUS (Gott der Gezeiten) - Der Gestaltenwandler

HERA (Göttin der Geburt) - Die große Mutter

ZEUS (Der Göttervater) - Krieger des Lichts

HELIOS (Gott der Sonne) - Die Sehnsucht des Sonnenkönigs

Teil 2 - Allein

MORPHEUS (Gott des Traumes) - Wüstenrose

PAN (Gott der Verwandlung) - Der Formenschöpfer

HYPNOS (Gott des Schlafes) - Traumpfade

URANIA (Göttin der Sterne) - Wurzeln und Flügel

PHOENIX (Die Wiedergeborene) - Asche und Glut

APHRODITE (Göttin der Liebe) - Der Traum vom Glück

PROMETHEUS (Gott des Feuers) - Brennendes Herz

HEKATE (Göttin des Verborgenen) - Die dunkle Seite der Sonne

DOLOS (Schöpfer des Scheins) - Der Sturz vom Olymp

Teil 3 - Sterben

PHOBOS (Gott der Angst) - Todestanz

ARES (Gott des Krieges) - Liebe und Tod

HERMES (Gott der Magie) - Der Magier auf dem Drahtseil

EROS (Gott des Begehrens) - Der kalte Verführer

ADONIS (Gott der Schönheit) - Zerbrochener Spiegel

PERSEPHONE (Göttin der Unterwelt) - Sterben und Werden

Teil 4 - Reise

HEBE (Göttin der Jugend) - Für immer jung

PARIS von Troja (Kassandras Bruder) - Stadt der Liebe

KALLIOPE (Muse der Philosophie) - Die Reise der Träumerin

TERPSICHORE (Muse des Tanzes) - Tänzerin im Sturm

APOLLON (Gott des Lichts) - Ein Zauber

HYMENAIOS (Gott der Hochzeit) - So tief wie das Meer

HERAKLES (Sohn des Zeus - Der starke Held) - Löwenherz

PHAETON (Sohn des Helios - Lenker des Sonnenwagens) - Der verlorene Sohn

ASKLEPIOS (Gott der Heilkunst) - Mein Lebenstraum

IKARUS (Der fliegende Göttersohn) - Schein oder Sein

MNEMOSYNE (Göttin der Erinnerung) - Heilung

ACHILL (Der unverwundbare Held) - Zorniger Krieger

PENTHESILEA (Königin der Amazonen) - Schattenkind

MYRINE (Amazone des Lichts) - Ruhelose Flamme

ATHENE (Göttin der Weisheit) - Schwert und Schmetterling

ODYSSEUS von Ithaka (Der Reisende) - Heimat und Weite

DYONISOS (Gott der Fruchtbarkeit) - Das Leben ist schön

ORPHEUS (Sohn Kalliopes - Der Musiker) - Santana, Shango und das Meer

PLUTOS (Gott des Reichtums) - Aller Glanz dieser Erde

Teil 5 - Neubeginn

HEPHAISTOS (Gott der Schmiedekunst) - Seelengold

POSEIDON (Gott des Meeres) - Insel zwischen dunklen Türmen

HESTIA (Göttin des heiligen Herdfeuers) - Reine Liebe

DEMETER (Die dreifache Muttergöttin) - Beschützerin

METIS (Göttin des klugen Rates) - Hüterin der Seelen

GAIA (Göttin der Erde) - Die Schamanin

THEMIS (Göttin der Gerechtigkeit) - Ordnung des Schicksals

ERATO (Muse der Liebe) - Erdenstern

SIRENE (Zauberin der Gefühle) - Zigeunerkind

Zigeunerkind – EPILOG

Impressum

Für Daniel

AUTORENINFORMATION Eva Sereza

Die Autorin Eva Sereza, geboren 1973, lebt in Süddeutschland. Sie arbeitet unter anderem als Ghostwriterin und Coach für biographisch-therapeutisches Schreiben.

Evas Mutter floh mit ihr kurz nach der Geburt vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Er bedrohte und verfolgte sie, entführte und verschleppte seine Tochter im Alter von wenigen Monaten. Eva wurde nach mehreren Wochen mit Hilfe der Polizei zur Mutter zurück gebracht, der Vater verlor daraufhin das Sorgerecht. Das Trauma seiner Übergriffe und Todesdrohungen verfolgt die Mutter ein Leben lang und beeinträchtigt sie psychisch schwer. Die Kindheit der Autorin war geprägt von zeitweisen Aufenthalten in einer Pflegefamilie oder bei den Großeltern, der Adoption im Alter von sechs Jahren durch den zweiten Ehemann ihrer Mutter und damit der Aufnahme in eine gesellschaftlich hoch angesehene Familie - eine Ehe, die jedoch nur zwei Jahre hielt. Es folgten eine schwere Erkrankung sowie weitere Umzüge und Brüche in der familiären Situation, in der sich Evas Mutter weiterhin in fatale Beziehungen verstrickte. Ihren leiblichen Vater, der den Verlust seiner Tochter zwar verschuldet, doch niemals verkraftet hat, traf sie erst mit dreiundzwanzig Jahren.

Eva, die schon früh auf sich selbst gestellt ist, entwickelt eine außergewöhnliche Sensibilität für ihre Umwelt und zugleich eine große innere Kraft, mit der sie sich gegen Gewalt erhebt und lernt, sich selbst und andere zu schützen. Sie kann bereits als kleines Mädchen in Menschen lesen - aufgrund ihrer Kindheit, vielleicht auch ein Erbe, eine Gabe, die man Zigeunern nachsagt: Ihre Vorfahren sind böhmische Roma, andere italienischer und preußischer Herkunft. Sie sieht Dinge in Träumen vorher und deutet die Zukunft in den Karten, sie kann mit den Händen Schmerzen lindern. Doch ihre eigene Identität hat sie dabei verloren. Oft fühlt sie sich einsam und verzweifelt, verbirgt ihre wahren Gefühle vor anderen. Sie erlebt Krisen und Exzesse zwischen Unterwelt und High Society, einen Suizidversuch, den Drogentod ihres Pflegebruders, zahlreiche dramatische, teils destruktive Affären und Beziehungen, bereits als Teenager gewalttägige Bedrohungen und Missbrauchsversuche sowie eine frühe, gescheiterte Ehe – doch ebenso viele wertvolle, schöne und faszinierende Begegnungen, starke und kreative Zeiten, Reisen, Ruhm, die große Liebe.

 Mit Poesie, Kunst, Musik und Tanz, mit Galgenhumor und Lebenswillen überwindet sie alle Krisen und kämpft für ihr Glück. Sie findet es schließlich: In ihrer eigenen, neuen Familie. Das Schreiben, das sie mit neun Jahren beginnt, gibt ihr bis heute Kraft und Mut. Mit „Zigeunerkind“ malt die Autorin ein poetisches Mosaik aus Wirklichkeit und Mythologie - sie  lädt uns damit ein, sich mit ihr ans Feuer zu setzen um zu versinken im Zauber der Geschichten, die den Abgrund zeigen, doch auch die Hoffnung des Neubeginns, das Licht, das wir in uns finden, wenn wir danach suchen.

Zigeunerkind - EXPOSE

„Zigeunerkind“ handelt von Schatten und Licht, von Liebe, Schmerz und Vergebung – doch auch vom Zauber des Neubeginns, von der Kraft der inneren Wahrheit. Das Buch zeigt uns wie durch ein Kaleidoskop viele Leben, Menschen, Gefühle, die alle sowohl einzigartig als auch miteinander verbunden sind. Es führt uns durch die Welt der Protagonistin Eva, auf der Suche nach sich selbst, dem dunklen Geheimnis ihrer Vergangenheit.

Eva ist Erzählerin und nimmt zugleich Teil an jedem Geschehen, an den Geschichten, die ihr begegnen. Sie taucht ein in das Leben der Menschen, mit denen ihr Schicksal verwoben ist. Was sie in der Tiefe sieht, verwandelt sie in Poesie, in Worte, Gefühle und Bilder. Damit folgt sie ihrer Bestimmung, die ihr nach der Geburt prophezeit wurde.

Die Erzählung hat sowohl mythologische als auch autobiographische Züge. Die Protagonistin lädt die Leserin und den Leser ein, sie auf ihrer Reise zwischen Märchen und Wirklichkeit zu begleiten. Die Geschichten sollen uns berühren und uns einen Weg der Hoffnung zeigen. Eva Serezas „Zigeunerkind“ macht jenen Mut, die um ihren Platz in dieser Welt kämpfen. Dem Schmerz zu begegnen ist niemals leicht. Das Leben ist dennoch ein Geschenk – weil aus tiefem Leid große Stärke erwächst. Es gibt Narben, die wir immer tragen. Es gibt Wunden, die wir nicht überwinden. Aber wenn wir in Frieden sind mit uns selbst, wenn wir dem Vergangenen vergeben, erst dann können wir Schmerz verwandeln und lernen, uns selbst und andere zu lieben. Erst dann werden wir ganz.

VORWORT und DANK der Autorin

Unsere Geschichte ist unser größter Schatz, der in uns wohnt, der uns gehört. Darum habe ich alles aufgeschrieben - um nie mehr zu vergessen, wer ich war, wer ich bin. Wir können unsere Dämonen besiegen, wenn wir ihnen begegnen, wenn wir nicht mehr schweigen.

Der Tag, an dem wir erkennen, dass wir für die Liebe geboren wurden, ist der Tag, an dem wir beginnen zu leben. Denn Liebe ist das, was uns immer bleibt, auch wenn alles andere wegfällt. Jeder trägt einen Schmerz, jeder hat eine Gabe in sich. Es ist Zeit, unser Selbst mit der Welt zu teilen und neue Welten entstehen zu lassen. Das Leben ist ein großes Wunder - wir alle sind ein Teil davon.

Mein Dank und meine Liebe gilt:

 Meinen leiblichen Eltern, ohne die es mich nicht gäbe.

Meiner Mutter, die trotz all ihrem Leid vieles auf sich genommen hat, um mich zur Welt zu bringen und mich lange Zeit allein aufzuziehen.

 Meinem Vater und seiner Familie, die nach vielen Jahren doch noch Teil meines Lebens wurde.

 Daniel, Bruder meiner Seele.

 Meinem Adoptiv-Vater und meiner Adoptiv-Familie – sie haben mich liebevoll angenommen und Verantwortung getragen.

 Meiner ganzen Familie und meinen Freunden, die mich so lange schon begleiten, durch gute und durch schwere Jahre.

 Allen, die immer zu mir standen, sich mir in den Weg stellten vor dem Abgrund, mich festhielten, wenn ich den Halt verlor.

 Allen, mit denen ich wachsen und lernen durfte. Danke für Eure Liebe, Euer Verstehen, Eure Freundschaft und Inspiration.

 Meiner Tochter - mein größtes Geschenk. Meiner neuen Familie.

 Ich trage Euch in meinem Herzen und werde immer für Euch da sein!

 Für das große Glück, das ich trotz aller schweren Zeiten hatte, bin ich unendlich dankbar. Dieses Glück möchte ich weiter geben, so gut ich es kann.

Eva Sereza

Zigeunerkind – PROLOG

Erwachen

Ich wurde in einer Raunacht geboren, der kältesten Zeit des Jahres. Ein Kind der Sünde, wie mein Großvater sagte, Vater des Vaters, ein Fremder für mich. Sein Fluch war gesprochen, der Bann meines Namens, ausgelöscht in seiner Sippe, doch nie vergessen, niemals verschwunden. Den Namen der Menschenmutter trug ich, Eva, das Leben und zugleich die Versuchung, die Erkenntnis bringt, aber auch die Schuld. Meine einzige Sünde war, da zu sein, obwohl es mich niemals geben sollte. Sie waren nicht füreinander bestimmt, meine Mutter und der Zigeunerbaron, der große Magier der Gefühle. Eine andere war es, der er gehörte. Er jedoch erwählte Eos und legte seinen Zauber auf sie, dem sie sich ergab, bevor sie erkannte, welcher Dämon in ihm schlief.

 Meine Augen öffneten sich und sahen hinein in die Welt, tief wie das Meer und so hell wie Feuer. Mit Glasmurmelaugen sah ich sie an, Eos, die mich geboren hatte. Sie war mir so nah und unendlich fern, von sich selbst, vom Leben, das zu viel von ihr nahm. Sie kämpfte gegen den Mann, den sie liebte, dessen Wahn ihn selbst und auch sie verletzte. Mein Vater Proteus, der Herr der Gezeiten, der sie in sein Reich der Leidenschaft holte und mit ihr in die Finsternis sank. Er wurde die Angst in ihr, die blieb, Schriftzug der Seele, bleiern, versteinert. Dennoch wuchs die Kraft, die sie trieb, fort von ihm, von seiner Macht, aus der Dunkelheit ins Licht. Schon bevor ich ihren Leib verließ, widerstand ich dem Zorn, der sie traf, doch auch mich. Die Schläge, die Tritte, die Schreie: „Ich bring dich um!“, während sie verzweifelt versuchte, sich selbst und das Leben in ihr zu retten vor dem Monster, das Besitz von ihm nahm und plötzlich wieder verschwand. Ganz klein wurde ich in ihrem Bauch, zog mich zurück in einen Panzer, wie eine Schildkröte schützte ich mich, bis der Sturm da draußen vorüber war. Danach ihre Tränen und sein Flehen: „Verlass mich nicht, sonst bin ich verloren!“ Die ersten Worte, die mich empfingen, sie waren erfüllt von Wut und Leid.

 Proteus mit den vielen Gesichtern, der Meister der Gestaltenwandlung, er war die Finsternis in mir, die ich nicht begriff – bis ich ihm begegnet bin. Der Schatten, der mir lange folgte, war Fleisch und Blut, vertraute Fremdheit und zugleich unheimliche Nähe. Das Glück, meine Wurzeln zu finden, war stärker als meine Furcht. Flüchtling war ich, Gefangene einst in ihrem Krieg, der sie beide zerstörte. In dem ihr Herz brach, der ihn zurückließ, allein auf den Trümmern seiner Schlacht. Ich bin das Kind, das er ihr entriss, um festzuhalten, was ihm nicht gehörte. Das Kind, in dem er Erlösung suchte, das sein Leben erhellen sollte und ihm doch nicht seine Angst nahm, seine unendliche Traurigkeit. So setzte er alles, auch mich, aufs Spiel. Er verlor - meine Mutter, sich selbst, sein Kind. Tochter der Liebe, Tochter des Schmerzes, eine bittersüße Frucht. Kind der Sturmflut. Zerbrechlich und stark. Das bin ich.

 Ich erhielt die Gabe mit meiner Geburt. Es war das Erbe meiner Ahnen, das die Ursitory, die Schicksalsengel der Zigeuner, mir prophezeiten. Drei Tage, nachdem ich geboren war, kamen sie zu mir, wie die Sage es will und der erste Engel trat vor, um zu sprechen: „Du wirst in die Herzen der Menschen sehen und ihre verborgene Geschichte erzählen. Du wirst den Schmerz von anderen nehmen, mit deinen Worten, mit deiner Berührung. Doch hüte dich vor der Verführung der Macht, denn sie wird dich zerstören, wenn du ihr verfällst. Die Kraft, die dich leiten soll, ist allein die Liebe. Du wirst das Buch der Geschichten füllen, um es ans Feuer des Lebens zu tragen, das die Welt erhellt, das uns Hoffnung schenkt. Das uralte Feuer, nach dem ihr stets sucht, das dennoch in jedem von euch wohnt.“ Dann sprach der zweite Engel zu mir: „Die Götter bringen ihre Botschaft durch die Menschen zu dir. Diese Menschen berühren deine Seele und zugleich wirst du ihnen Antwort geben, denn ihr Schicksal ist stets mit deinem verwoben. So wie wir alle verbunden sind, so wie wir uns nur im anderen erkennen, getrennt voneinander und doch eins.“ Der dritte legte ganz sanft seine Hand auf meine Brust, als wollte er mir seinen Segen schenken, weil er wusste, dass meine Reise lang und meine Einsamkeit groß sein würde: „Dein Leben wird eine Suche sein, nach dir selbst und nach dem Geheimnis der Welt, nach deinen Wurzeln, nach deinem Blut, bis du dort ankommst, wohin dein Herz dich trägt. Es ist deine Bestimmung, die Wahrheit zu finden, auch wenn du selbst durch die Dunkelheit gehst. Du wirst Schmerz erleben und doch viele Wunder, du wirst dich verlieren und neu beginnen. Widerstehe dem Abgrund in dir, der dich ruft, denn der Tod ist dir immer nah. Du wirst ihm in die Augen sehen, doch du kehrst zurück, um dein Schicksal zu erfüllen. Suche stets das Licht, denn es leuchtet in dir, wie das Feuer deiner Ahnen.“

 Die Gabe lenkte meine Hände, wenn ich die Schmerzen der Menschen sah. Meine Berührung drang durch ihre Haut, hinein in ihr Fleisch, weit hinab in die Tiefe. In ihren Seelen verschloss ich die Wunden und zog die Trauer in mich hinein. Bevor ich begriff, dass ihr Schmerz mich verbrannte, dass in mir tausend Geschichten wohnten, war ich auf der Flucht vor mir selbst, vor dem Leben. Ich löste mich los von der Wirklichkeit und versank im schimmernden Glas der Kugel, die ich stets bei mir trug wie einen Schatz, als suchte ich in der gläsernen Tiefe nach der Wahrheit, der Antwort auf meine Träume, die mir Angst machten, die mich doch führten, in meine Zukunft, auf meinen Weg.

Allein

 Schon damals hatte ich keine Heimat, denn mein Zuhause ist überall. Die Kinder des Feuers wandern einsam, aber meine Reise begann nicht allein. Geboren in derselben Raunacht und in der gleichen Stunde, wurde ein Junge mein Freund und Verbündeter. Er war wie mein Zwilling und mein Begleiter durch den zeitlosen Raum ohne Grenzen. Wir waren ein Geist und eine Seele, zur Welt gekommen mit der Sehnsucht, die Wunder in allen Dingen zu sehen. Deshalb teilten wir diese wortlos, waren verschworene Gefährten. Wir erkundeten verbotene Orte, ohne Angst und voller Glauben an die geheimnisvolle Kraft, die uns miteinander fest verband. Wir erzählten uns Geschichten am Feuer, das nur wir beide kannten - entzündet als Zeichen der Helligkeit, die wir ineinander sahen, auch wenn es um uns dunkel war.

 Das Leben trennte uns, bevor wir bereit dazu waren. Die schmerzliche Einsamkeit war uns vertraut und wir beklagten sie nicht mehr. So nahmen wir hin, was uns keine Wahl ließ, ich ging fort und er blieb zurück. Aus meinem Herzen verschwand er nie, damals nicht und auch nicht später, als er sich abwandte vom Leben. Als er zerbrach und ins Dunkle fiel, in Morpheus‘ Arme, für immer. Der Verlust war ein Schnitt mitten durch mein Herz, ein tiefer Abgrund in meinem Inneren. Ich habe ihm einen Engel gewünscht, auf dem Weg hinaus durch das Tor, durch das er trat, um das Licht zu finden. Seinen Tod hatte ich zuvor geträumt, doch es gab nichts, das ihn am Leben hielt. Er hatte sein Sterben schon längst gewählt, ist gegangen, bevor ich ihn festhalten konnte.

Sterben

 Als Kind war ich so leuchtend lebendig, aber das Fremde in mir machte mich verwundbar. Die finstere Zeit, die mich gebar, warf ihre Schatten auf mich, so als hätte der Hass zwischen meinen Eltern seine tödliche Saat in mich gelegt. Das Gift trug ich in mir, verborgen und dennoch gefährlich. Es machte mich schwächer, jeden Tag. Das Schicksal forderte seinen Preis, mich leben zu lassen nach all dem Entsetzen, nach meiner Geburt an der Schwelle des Todes. Das vergiftete Fleisch, das man aus mir schnitt, war leblos wie ein Teil meiner Wurzeln. So kämpfte ich ein weiteres Mal um mein Leben, um meinen Platz in dieser Welt. Die Ursitory behielten recht, ich sollte leben, mit aller Kraft - ich wurde gesund, denn ich war stark. Aber Ruhe konnte ich nicht finden, denn es gab keine Rast für meine Mutter und mich. Was vertraut war, verließen wir, ich war nicht willkommen, wohin ich auch kam. Die neue Stadt hatte keinen Raum für mich, die Nomadin, die nicht war wie sie. Eine Fremde, allein und verloren unter vielen, feindseligen Fremden. „Zigeunerin! Hexe!“ schrien die Kinder. „Du gehörst nicht hierher, geh weg von uns!“ Sie fürchteten mich, das konnte ich spüren, sie sahen das Dunkle, Verborgene. Auch später, als ich erwachsen war, wichen viele zurück vor mir, konnten mir nicht in die Augen sehen, als scheuten sie meinen Blick, der tief in ihre Gedanken drang. Ich kannte das Geheimnis noch nicht, das mich zu der machte, die ich war: Zigeunerin im Prinzessinnenkleid, aufgewachsen in einer Familie, die mir ein neues Zuhause gab und der ich dennoch immer fremd blieb, in der ich mich selbst nicht finden konnte.

 Auch meine zweite Familie zerbrach und ich stand allein zwischen ihren Fronten. Meine Mutter und der, den ich Vater nannte, sie rissen an mir mit ihren Worten, ertränkten mich in ihrer Enttäuschung, bis nichts mehr von mir übrig war, bis ich beinahe verschwand, hinein kroch in meine Zauberkugel, winzig klein, kaum mehr zu sehen, während ich zuhörte und schwieg und meine Tränen vor ihnen verbarg. Ich verlor mich und die Kraft, die mich trug, im leeren Raum zwischen ihren Herzen. Ich war nicht mehr in mir selbst zuhause, denn ich lebte in einer Welt aus Glas, die mich schützte, bis sie in Scherben zersprang. Sie gruben sich in meine Gedanken, zerschnitten mein Leben, verletzten mein Herz. Die Narben blieben, nicht blutend, nicht sichtbar. Doch eine Macht, die ich nicht mehr kannte, wohnte tief unter meiner Traurigkeit.

Reise

 Es war ein langer und steiniger Weg. Und er begann vor langer Zeit. Als die Fremdheit in meiner Seele begann. Als ich mich selbst verlassen hatte. Ich lernte zu leben nach den Regeln der Welt, doch meine Wirklichkeit war fern. Schon damals war ich rätselhaft, im Inneren wie eine Muschel verschlossen. So wenig sie mich sehen konnten, so sehr studierte ich die Menschen, blieb immer Betrachter, las ihre Gedanken. Wie Glasmurmeln waren sie Spiegel und Tor zur Welt des Unsichtbaren. Wie ein Magier lebte ich schwebend im Raum, bewegungslos im Auge des Sturms, während die Erde sich um mich drehte. Die Zeit in mir jedoch stand still.

 Als ich erwachte aus meinem Traum, war alles in endloser Ferne. Ich stand allein am Rande des Abgrunds mit ausgebreiteten Armen. Ich blickte hinab in die endlose Tiefe, aus der es keine Rückkehr gibt, so wie der dritte Engel mir sagte. Ich sah ihm ein weiteres Mal in die Augen, dem Tod, meinem mächtigen Lehrer. Zwei Jahre, bevor mein Zwilling fort ging, hinaus aus dem Leben, fort von mir. Er ließ mich zurück, doch ich bin noch hier, ruhelos und erfüllt von Geschichten. Ich weiß, dass ich die große Kraft, die ihm entglitt, die ihn zerstörte, nun für uns beide trage. Ich bin geblieben, um zu erzählen.

 Auch in den dunklen und traurigen Jahren, auf der langen Reise zu mir selbst, fand ich Begleiter und suchte die Hoffnung. Melpomene, die Muse der Dichtung, schenkte mir ihre Gabe, durch die Kraft der Kunst meine Schmerzen zu heilen. Ich malte Bilder von finsteren Türmen und Mauern, die mich gefangen hielten, die ich doch eines Tages sprengte. Die Verlorenheit, in der ich aufwuchs, sie hat mein Herz fest umklammert. Meine Stimme fand den Weg, hinaus aus dem Kerker der Einsamkeit, die mich verfolgte wie all meine Ahnen, die wir für immer in uns tragen. Was ich nicht mit Worten sagte, das konnte ich singend erzählen. Ich tanzte, atemlos, um zu überleben, tanzte den Schmerz aus meiner Seele. Wenn ich im Inneren der Menschen las, fühlte ich Musik, hörte Melodien. Ich schritt durch die Pforten der Wahrnehmung und sah die Farben ihrer Gedanken. Ich hörte das Rauschen der Worte, die durch sie rannen, lauter und leiser, immerzu trommelnd im Takt der Vernunft und tanzend im Rhythmus des Herzens. Die Geschichten der Menschen flossen zu mir, in mich hinein, wurden Teil von mir. Jene Welten, die ich in ihnen fand, gaben mir Mut, nach mir selbst zu suchen.