Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich - E-Book

Zwei Freunde E-Book

Liselotte Welskopf-Henrich

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Beschreibung

Ein junger Mann, Oskar Wichmann, kommt in die große Stadt. Büro und Theater, möbliertes Zimmer, Weinstube und Ballsaal, Klub und Reitstall, das elegante Haus und das Haus der Verarmten werden Schauplatz seines Erlebens. Er wird eingefangen von dem Reiz einer Frau und seiner Leidenschaft, angezogen von dem kulturellen Leben der Stadt, von jugendlichem Ehrgeiz erfüllt. Männer, Frauen und Mädchen, Beamte und Intellektuelle, ehemalige Offiziere, Vorgesetzte, Kollegen, Intriganten und Spießer umgeben den jungen Assessor und ziehen ihn in das Gespinst der Gesellschaft in der Weimarer Republik. Die Freundschaft mit seinem Vorgesetzten Grevenhagen bedeutet für ihn einen großen menschlichen Wert, bleibt aber nicht ohne Widersprüche und Gefahren. Als in Deutschland die geschichtlichen Ereignisse die persönliche Entscheidung jedes einzelnen verlangen, trennen sich die Wege der beiden Freunde. Grevenhagen geht zur SS, Wichmann wird von der Gestapo inhaftiert und gefoltert. Im Zwiespalt leben die Freunde nebeneinander weiter, jeder in seiner Welt, beide aber in der Hoffnung, eines Tages wieder zueinander finden zu können. Das aber wird erst möglich, als nach dramatischen Konflikten der Kriegszeit in Feld und Heimat der Zusammenbruch des Faschismus dem deutschen Volk und damit auch den beiden Freunden einen neuen Anfang ermöglicht. Liselotte Welskopf-Henrich schrieb die Erstfassung dieses Werkes während der Zeit der Nazidiktatur auf einzelne Zettel, die sie jeweils an eine sichere Adresse versandte. Es ist bemerkenswert, dass bereits im April 1943 beim Abschluß der Arbeit, zeitlich zwar nicht genau fixiert, vorausschauend ein Ausblick auf Niederlage und Zusammenbruch des »Tausendjährigen Reiches« literarisch dargestellt war.

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Seitenzahl: 2085

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Liselotte Welskopf-Henrich

Zwei Freunde

Roman

Mit einem Nachwort von Gerd Noglik

Palisander

eBook-Ausgabe

© 2015 by Palisander Verlag, Chemnitz

Erstmals erschienen 1956 im Verlag Tribüne, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Covergestaltung: Anja Elstner unter Verwendung des Bildes »Großstadtwinkel« von Hans Baluschek

Lektorat: Palisander Verlag

Redaktion & Layout: Palisander Verlag

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

ISBN 978-3-957840-12-7 (e-pub)

Liselotte Welskopf-Henrich (1901-1979) war eine deutsche Schriftstellerin und Wissenschaftlerin. In den Jahren der Naziherrschaft war sie am antifaschistischen Widerstandskampf beteiligt. Ihre Erfahrungen aus der Weimarer Republik und dem »tausendjährigen Reich« verarbeitete sie in ihren Romanen »Zwei Freunde« und »Jan und Jutta«. 1951 erschien die Urfassung ihres Indianerromans »Die Söhne der Großen Bärin«, den sie später zu einem sechsteiligen Werk erweiterte. 1966 erschien »Nacht über der Prärie«, der weltweit erste Gesellschaftsroman über die Reservationsindianer im 20. Jahrhundert. In den folgenden Jahren, bis zu ihrem Tod, entwickelte sie diese Thematik in vier weiteren Bänden weiter. Darüber hinaus war sie seit 1960 Professorin für Alte Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität und seit 1962 Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Sowohl als Wissenschaftlerin als auch als Schriftstellerin fand sie internationale Anerkennung. Die Stammesgruppe der Oglala verlieh ihr für ihre tatkräftige Unterstützung des Freiheitskampfes der nordamerikanischen Indianer den Ehren-Stammesnamen Lakota-Tashina, »Schutzdecke der Lakota«.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Über die Autorin

Teil I – Ein Anfang und das Ende

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Teil II – Das Ende und ein Anfang

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Nachwort

Weitere Bücher

Teil I

Ein Anfang und das Ende

1

Der junge Mensch löste sich aus dem Schlaf. Aus dem Mutterschoß des Unbewußten gelangte er wie das Neugeborene in Träume und Ahnungen; durch noch geschlossene Lider grüßten ihn rote und grüne Sonnen des werdenden Lichts. Er öffnete die Augen, und die bunten Sonnen erloschen. Im Dämmer zerfloß noch gnädig die Härte begrenzter Gegenstände. Das Bewußtsein schied den Erwachenden nur langsam aus dem Eins, in das die Arme des Kosmos ihn geschlungen hatten.

Das Schrillen des Weckers vernichtete die harmonischen Schwingungen von Leib und Seele. Dieses hassenswerte künstliche Werk, in dem Oskar Wichmann am Abend seinen Willen mechanisiert hatte, um zur festgelegten Stunde in die bürgerlichen Einteilungen zurückzukehren, schrillte mit unaufhörlichem Schreien. Der Fünfundzwanzigjährige hörte ohnmächtig dem Rufen seiner eigenen Entschlüsse zu. Er schlug die seidenbezogenen Daunendecken zurück, erhob sich von der Couch und lief bloßfüßig über den Teppich zu dem Kalender, auf dem nach dem Lösen des obersten Blattes der »1.Oktober 1928« in schwarzen Lettern erschien.

Die Wandlung war vollzogen. Der Regierungsassessor, Doktor der Rechte, begriff, daß ihn das hohe Ministerium, Erzeugnis desselben menschlichen Geistes, der Uhr und Kalender erfunden hatte, ab heute zum Dienst berief. Er begab sich durch die weiträumige Wohnung in das Badezimmer, dessen Benutzung in dem Mietpreis eingeschlossen war. Durch die grüne Fensterscheibe fiel schwindsüchtig das Herbstlicht. Die Wanne war gestrichen und an den Stellen, die der Wasserstrahl traf, verfärbt. Aus dem kalten Wasser stieg für den Badenden noch einmal ein Phantasiebild von nachtkühlem See und ersten Sonnenstrahlen auf. Die gesunden, kräftigen Glieder fröstelten. Dann verflog das Bild, und es blieben Seife, Frottierhandtuch und Rasierapparat.

Nach der Rückkehr in sein Zimmer hielt sich der Regierungsassessor vor dem Standspiegel auf, den die verwitwete Geheimrätin ihm abgetreten hatte. Er streckte das Kinn vor und strich über die glatte Haut, an der kein dunkler Schimmer mehr zu sehen war. Hemd, Socken, Krawatte, die zu dem gewählten Anzug paßten, lagen schon bereit, aber er verwarf die Entscheidung des vergangenen Abends wieder und kramte das noch bessere Hemd mit den feinen Streifen, die noch diskreter gemusterte Krawatte aus den Tiefen der Schublade hervor. Als der Scheitel durch das braune Haar gezogen, die Nägel geschnitten waren, rief die Klingel nach dem Frühstück.

Der Wartende trat an das rechte der beiden altmodisch hohen Fenster. Vor dem Haus tanzte die Sonne in den Nebelschleiern, die die Nymphen des nahen Parks nächtlicherweile in die Kreuderstraße hinübergeworfen hatten. Der Zuschauer verfolgte das Spiel, während sich seine Fingerspitzen im eindringenden Sonnenlicht wärmten. Die Straße unten lag morgendlich still. Die glatte Ruhe des Asphalts war nicht von Schienen durchfurcht, und nur wenige Spuren bremsender Autoreifen deuteten auf das Ausundeingehen der Familien und Gäste in den anliegenden Häusern. In der Mitte der Fahrbahn lagen drei welke Ahornblätter, die den Bemühungen des täglich und sorgsam reinigenden Besens entgangen waren. Der Wind hatte ihr sterbendes Leben von jenen Zweigen gepflückt, die das Gartentor der gegenüberliegenden Villa verschatteten. Die gilbenden Blattfächer der noch lebendigen Schwestern und Brüder fraßen tausendfältig Lichtstrahlen in ihre Zellen und Adern und ließen den sandbestreuten Gartenweg mit den Rasenrändern unter sich im Moderduft. Weit hinter dem Ahornbaum, der die Neugier ausschloß, schimmerte das undurchsichtige Glasauge eines Fensters.

Es klopfte und Martha trat ein. Ihre Augen blinkten munter. Sie brachte den duftenden Kaffee, Brötchen, Butter und das Ei, das Oskar Wichmann sich zur Stärkung seiner Willenskraft an einem bedeutenden Tag gestatten wollte.

Nein, der Herr Doktor hatte sonst keine Wünsche.

Der junge Mann schaute noch immer durch das geöffnete Fenster, während er schon am Frühstückstisch saß und seine Zunge Butter und Dotter langsam zergehen ließ. Das versteckte Haus drüben lockte die Phantasie. Eine kühle Frau oder ein morgenfrisches Mädchen hätten aus diesem Hause heraustreten können. Aber der sandbestreute Weg blieb leer, und die schmiedeeiserne Rose des Torgriffs wurde nicht bewegt.

Die Uhr, deren Schreien sich vor einer halben Stunde überschlagen hatte, wollte nicht mehr vorrücken. Der Assessor hatte den Wecker zu früh gestellt. Wenn er sich diese Tatsache eingestand, mußte er auch zugeben, daß sein Unterbewußtsein wieder einmal mit mehr Achtung vor einem gewissen Ministerium gearbeitet hatte, als sein wacher Wille wahrhaben wollte. Mochte das Ministerium einem kleinen Regierungsassessor gegenüber von seiner Größe sehr überzeugt sein; Oskar Wichmann, von Bad und Frühstück gekräftigt, sah die Welt in anderen Dimensionen. Man hatte ihn berufen, und er wollte eine Probe machen, ob ihm die neue Dienststelle zusagte. Einem jungen Mann standen heute, da es der Wirtschaft nicht schlecht ging, viele Türen offen. Die Herren Ministerialräte würden sich ein wenig bemühen müssen, wenn sie Oskar Wichmann festhalten wollten. Es war ein bedeutsames Zeichen für ihre Einsicht in dieser Richtung, daß sie sich entschlossen hatten, einen sehr jungen Assessor in die Reihen ihrer Unnahbarkeit aufzunehmen. Es handelte sich allerdings um einen Assessor mit vorzüglichen Zeugnissen, aus guter Familie, von guter Erscheinung.

Die Eierschale war ausgegessen. Wichmann sah die »Frankfurter Zeitung« und die »Deutsche Allgemeine Zeitung«, die er sich selbst bestellt hatte, zerstreut durch und warf einen Blick auf den »Lokalanzeiger«, den die Geheimrätin ihm hatte dazulegen lassen. Die allgemeinen Verhältnisse interessierten ihn heute wenig. Sein Inneres war angefüllt mit persönlichen Erwartungen wie eine Flasche mit Wein; er mußte sich selbst kalt stellen, um für sich und seine Umgebung genießbar zu bleiben. Mit vorgetäuschter Gelassenheit ordnete er nochmals an seiner Kleidung und den wenigen persönlichen Gegenständen in dem großen Renaissance-Herrenzimmer des verstorbenen Herrn Geheimrats.

Es blieb nichts mehr zu tun. Draußen verflog schon der Nebel in der Sonne.

Noch einmal rückte die Hand an dem Hut– eine Aktenmappe war heute noch nicht nötig–, und der Doktor der Rechte ging auf die Tür zu. Die barocke Holzfigur des alten Heiligen in der Zimmerecke streckte ihm aus dem faltenreichen Gewand mahnend die drei übriggebliebenen Finger entgegen.

Das Zimmer war verlassen, und die Schritte des Anwärters einer steilen Laufbahn hallten über das Pflaster.

Vor dem in maßvollem Schritt Gehenden verließ ein dunkles Kabriolett die Straße in gleicher Richtung. Er hatte nicht darauf geachtet, woher es gekommen war. Glücklicherweise wurden weder hierüber noch über seine Wege durch den Park eidliche Zeugenaussagen von dem Assessor verlangt. Er hatte nichts wahrgenommen als lockererdige Reitwege, grüngelbes Licht und moorige Teiche, auf denen die Enten quakten.

Der Park entließ ihn in die breite Residenzstraße, noch immer ein Bereich feudaler Vornehmheit, überdacht von alten Bäumen, geschändet von hupenden Autos. Wichmann bog zur Seite ab, und seine Nerven spannten sich schärfer. Der Platz tat sich auf, an dem neben dem alten Palais das mächtige Eckgebäude des Ministeriums stand.

Die Masse des Sandsteins war von den Urgroßvätern mit Simsen und Friesen in zierlich-schlichte Gliederungen gezwungen worden. Verschobene Steine teilten die großen Wände. Zwischen Greifen und attischen Kriegern glänzten die Fensterscheiben. Das Schwebendverschleierte des Herbstlichts band jedoch alles wieder zu einer verschwimmenden, scheinbar schwerelosen Einheit, die in stiller Helle vor dem Beschauer stand, mehr eine Vision als Wirklichkeit.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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