Zwischen Schonung und Menschenjagden - Tilman Plath - E-Book

Zwischen Schonung und Menschenjagden E-Book

Tilman Plath

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Beschreibung

Es gab sie auch im Baltikum - regelrechte Menschenjagden als Rekrutierungsmethode zur Gewinnung von Arbeitskräften für die deutschen Kriegsanstrengungen. Vor Ort mussten nicht nur jüdische Zwangsarbeiter unter mörderischen Bedingungen in KZs und anderen Haftstätten Zwangsarbeit leisten. Und doch nehmen sich die Gesamtzahlen von Zwangsarbeitern aus dem Baltikum deutlich geringer aus als in anderen Gebieten der besetzten Sowjetunion. Wie erklären sich diese höchst unterschiedlichen Opferschicksale in der Region? Der Autor geht auf Grundlage bisher nicht bekannter und umfassender Dokumente aus osteuropäischen Archiven dem komplexen Phänomen der Arbeitseinsatzpolitik im Baltikum zwischen 1941 und 1944 nach. Analytisch durchleuchtet er dabei die höchst komplexen Besatzungsstrukturen und die nicht selten widerstreitenden Zielvorstellungen verschiedener Akteure, woraus mitunter die einheimischen Verwaltungskräfte ihren Nutzen zum Nachteil der slawischen Bevölkerungsteile ziehen konnten. Erstmalig dokumentiert diese Studie die Leiden und das Schicksal zahlreicher Zwangsarbeitergruppen im Baltikum und leitet diese aus den kausalen Zusammenhängen der spezifischen Besatzungssituation im Baltikum ab. Das Buch eröffnet somit sowohl der Zwangsarbeitsforschung als auch der Forschung über die Besatzungsgebiete in Osteuropa neue Horizonte.

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Tilman Plath

Zwischen Schonung und Menschenjagden

 

Tilman Plath

Zwischen Schonung und Menschenjagden

Die Arbeitseinsatzpolitik in den baltischenGeneralbezirken des ReichskommissariatsOstland 1941–1944

Umschlagabbildungen:

Oben: Das Lager Salaspils bei Riga nach dem Abzug der Deutschen im Herbst 1944, aus: Nollendorfs, V. (Hrsg.), Museum of the Occupation of Latvia. Latvia under the Rule of the Soviet Union and National Socialist Germany, Riga 2002, S. 74.

Unten: Männer des Reichsarbeitsdienstes bei einer Parade auf dem Domplatz von Riga 1943, aus: Latvia State Archive of Audiovisual Documents, Standbild aus „Ostland-Woche“ Nr. 65.

1. Auflage September 2012Satz: Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG, HammUmschlaggestaltung: Volker Pecher, EssenISBN 978-3-8375-0199-5eISBN 978-3-8375-0892-5.

© Klartext Verlag, Essen 2012Alle Rechte vorbehalten

www.klartext-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Grußwort

Vorwort

1. Einleitung

1.1 Methodisch

1.1.1 Thema

1.1.2 Allgemeine Fragestellungen

1.1.3 Forschungslage

1.1.4 Quellen

1.2 Inhaltlich

1.2.1 Einführung zur Geschichte des Baltikums am Vorabend der Deutschen Besatzung

1.2.2 Grundzüge der nationalsozialistischen „Arbeitseinsatzpolitik“

1.2.3 Einführung zum Begriffsfeld der Interaktion von Besatzern und Besetzten – Kollaboration

2. Die „Arbeitseinsatzpolitik“ in den baltischen Generalbezirken mit Perspektive auf die Akteure

2.1. Zivilverwaltung

2.1.1 Struktur – vier Verwaltungsebenen und sich überschneidende Kompetenzen

2.1.2 Zielvorstellungen zum Ort des „Arbeitseinsatzes“ – Verteidigung gegen Ansprüche von außen

2.1.3 Zielvorstellungen zur Art des „Arbeitseinsatzes“ und zur Methode der Rekrutierung – Kontrast zwischen Wirtschafts- und Politikabteilungen

2.1.4 Rassenideologische Zielvorstellungen – Spannungen von Nah- und Fernzielen

2.1.5 Zusammenfassung – Zivilverwaltung als kraftlose Zentrale der „Arbeitseinsatzpolitik“

2.2 Polizei

2.2.1 Struktur – Gegensatz von Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) und Reichssicherheitshauptamt (RSHA)

2.2.2 Zielvorstellungen zum Ort des „Arbeitseinsatzes“ – Widerstand gegen die Sauckelaktionen

2.2.3 Zielvorstellungen zur Art des „Arbeitseinsatzes“ und zur Methode der Rekrutierung – Zwangsmaßnahmen in Lagern

2.2.4 Rassenideologische Zielvorstellungen – Geringere „Bevorzugung“ für die baltische Mehrheitsbevölkerung

2.2.5 Zusammenfassung – Dominanz des sicherheitspolizeilichen Aspekts und Zunahme der Befugnisse für den Polizeiapparat

2.3. Wehrmacht

2.3.1 Struktur – Wehrwirtschaftliche Behörden und Institutionen im „Reichskommissariat Ostland“

2.3.2 Zielvorstellungen zum Ort des „Arbeitseinsatzes“ – Widerstand gegen die Sauckelaktionen

2.3.3 Zielvorstellungen zur Art des „Arbeitseinsatzes“ und zur Methode der Rekrutierung – „Härteres Durchgreifen“ und selektive Milde

2.3.4 Zusammenfassung – Zielkonflikte zwischen Heeresgruppe Nord und Rüstungsinspektion Ostland

2.4. Wirtschaftsbehörden

2.4.1 Struktur – Der „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz“ als Vertreter der Reichswirtschaft und die Ostgesellschaften

2.4.2 Zielvorstellungen zum Ort des „Arbeitseinsatzes“ – Gegensatz von Sauckel und Ostgesellschaften

2.4.3 Zielvorstellungen zur Art des „Arbeitseinsatzes“ und zur Rekrutierung – „Kriegsentscheidende Dringlichkeit rechtfertigt jedes Mittel“

2.4.4 Rassenideologische Zielvorstellungen – Indifferenz

2.4.5 Zusammenfassung – Primat des Nutzens – „Die Masse Mensch als Rohstoff“

2.5. „Landeseigene Verwaltungen“

2.5.1 Struktur – Landesdirektoren, Generaldirektoren, Generalräte und „landeseigene“ Arbeitsverwaltung

2.5.2 Zielvorstellungen zum Ort des „Arbeitseinsatzes“ – Verteidigung der Arbeitskräfte gegen Ansprüche von außen

2.5.3 Zielvorstellungen zur Art des „Arbeitseinsatzes“ und zur Methode der Rekrutierung – Entschärfung deutscher Vorgaben und Widerstand von unten

2.5.4 Rassenideologische Zielvorstellungen – Antislawische Politik

2.5.5 Zusammenfassung – Gestaltungsspielräume durch personellen Überhang

3. Die „Arbeitseinsatzpolitik“ in den baltischen Generalbezirken mit Perspektive auf die Betroffenen

3.1. Baltische Mehrheitsbevölkerung – Esten, Letten und Litauer

3.1.1 „Arbeitseinsatz“ und Rekrutierung zum „Reichseinsatz“ 1941

3.1.2 „Arbeitseinsatz“ und Rekrutierung zum „Reichseinsatz“ 1942

3.1.3 „Arbeitseinsatz“ und Rekrutierung zum „Reichseinsatz“ ab 1943

3.1.4 „Arbeitseinsatz“ und Rekrutierung zum „Reichseinsatz“ ab Sommer 1944

3.1.5 Fazit des „Arbeitseinsatzes“ der baltischen Bevölkerungsmehrheiten – relative Bevorzugung und Gleichzeitigkeit von passivem Widerstand und abwartender Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung

3.2. Slawische Arbeitskräftegruppen

3.2.1 Indigene slawische Minderheiten – „Menschenjagden“ als Rekrutierungsmethode

3.2.2 Kriegsgefangene – „Kriegsgefangene ohne Recht“

3.2.3 „Ostarbeiter“ – Benachteiligung trotz normativer Gleichstellung

3.2.4 „Evarussen“ ab 1943 – „Schlimmer als die bolschewistische Verschleppung“

3.2.5 Fazit des „Arbeitseinsatzes“ der slawischen Arbeitskräftegruppen – Benachteiligung wegen fehlender Repräsentationsmöglichkeit

3.3. Juden und Roma

3.3.1 Juden – Vom Massenmord zum „kriegswichtigen Arbeitseinsatz“ in der Ölschieferproduktion

3.3.2 Roma – Vernichtungspolitik mit Ausnahmen

3.4. „Arier“ und Sondergruppen

3.4.1 Nicht Deutsche

3.4.2 Deutsche – Erwünschte und unerwünschte Ansiedlung im „Reichskommissariat Ostland“

4. Fazit

Abkürzungsverzeichnis

Quellen

Literaturverzeichnis

Grußwort

Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurde im Jahr 2000 mit doppeltem Auftrag gegründet. Ihr vorrangiges Ziel war zunächst, Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer zu leisten. Diese Aufgabe hat sie erfolgreich abgeschlossen: Von 2001 bis 2007 wurden 4,4 Milliarden Euro an 1,66 Millionen Menschen in fast 100 Ländern ausgezahlt. Der zweite Auftrag der Stiftung bleibt: In Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischen Unrechts setzt sich die Stiftung EVZ für die Stärkung der Menschenrechte und für Völkerverständigung ein. Sie engagiert sich weiterhin auch für die Überlebenden. Die Stiftung EVZ ist damit Ausdruck der fortbestehenden politischen und moralischen Verantwortung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft für das nationalsozialistische Unrecht.

Im Erinnern an die Gräuel der Nationalsozialisten wurde die millionenfache Zwangsarbeit lange Zeit vergessen oder bewusst verschwiegen. Um Wissenslücken in der historischen Forschung zur Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus sowie zur Situation ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nach 1945 zu schließen, unterstützte die Stiftung EVZ 13 internationale Forschungsprojekte, darunter auch das hier vorliegende. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen untersuchten verschiedene Aspekte der Zwangsarbeit, die Menschen für das Deutsche Reich auch außerhalb seiner Grenzen sowie in mit Deutschland verbündeten Ländern leisten mussten. Hier hat Tilman Plath mit seiner Arbeit über die Zwangsarbeit im „Reichskommissariat Ostland“ einen beispielhaften Beitrag geleistet.

Andere geförderte Forschungsprojekte befassten sich unter anderem mit Themen wie den Zwangsarbeitslagern für Juden im Distrikt Krakau, den Arbeitsverwaltungen in jugoslawischen Besatzungsgebieten, der Zwangsarbeit von nach Transnistrien deportierten Roma und den Zwangsarbeitserfahrungen belarussischer Opfer.

Eine internationale Konferenz im November 2010 bildete den Abschluss des Forschungsprogramms und bot die Möglichkeit, Forschungsergebnisse vorzustellen, zu diskutieren und zu vergleichen. Dadurch wurde ein differenzierter Blick auf die nationalsozialistische Zwangsarbeit als transnationale Erfahrung in der europäischen Geschichte möglich.

Nach dem Ende der Auszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter erfüllt die Stiftung EVZ mit ihrer einmaligen Förderinitiative einen ihrer gesetzlichen Grundaufträge: Sie unterstützt die internationale und nationale Auseinandersetzung mit der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus und hilft Wissenslücken in der historischen Forschung zu schließen.

Günter Saathoff

Vorstand der Stiftung EVZ

Vorwort

Der vorliegende Band ist das Resultat eines Projekts, das in mehrfacher Hinsicht prototypisch ist für das Haus, an dem es entstand – das Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte der Universität Flensburg (IZRG).

Wesentlichen Tendenzen der Forschung folgend haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten immer wieder in verschiedenen Forschungsprojekten mit dem Thema der Zwangsarbeit ausländischer Arbeitskräfte im nationalsozialistischen Deutschland beschäftigt. Dazu gehören neben einer umfänglichen Statuserhebung bezogen auf die preußische Provinz Schleswig-Holstein zahlreiche Regionalstudien sowie eine wichtige Spezialstudie zum Thema Zwangsarbeit und Krankheit.

Weniger offensichtlich ist der Forschungsschwerpunkt zum „Reichskommissariat Ostland“ für eine regionalhistorische Einrichtung. Hier liefert die stark ausgeprägte Personalunion von Besatzungspersonal und schleswig-holsteinischen Nationalsozialisten, angefangen bei Reichskommissar, Oberpräsident und NSDAP-Gauleiter Hinrich Lohse bis hinunter zu einfachen Verwaltungskräften und Fahrern, eine wichtige Begründung für das Paradoxon, das „Reichskommissariat Ostland“ auch als ein Stück schleswig-holsteinische Regionalgeschichte zu begreifen.

Inhaltlich ist Tilman Plaths Studie ergo tief verankert im Arbeitsgebiet des IZRG. Zugleich spiegelt die Tatsache, dass die Studie mit hoher Intensität in hoher Qualität und rekordverdächtiger Zeit von nur zwei Jahren abgeschlossen wurde, das Tätigkeitsprofil und das Verständnis von Projektarbeit in unserem Haus wider. Dazu gehört auch, dass Tilman Plath seine Sachkenntnis, Arbeitskraft und sein sonniges Gemüt in die Arbeit des Instituts und vor allem in die am Haus beheimatete Doktoranden-Arbeitsgemeinschaft eingebracht hat, von der er als junger Doktorand selbst erheblich profitieren konnte.

Zur Realität der täglichen Forschungsarbeit nicht zuletzt kleinerer Institute gehört, dass Projekte, wie jenes, dessen Ergebnisse nun hier vorliegen, ohne eingeworbene Drittmittel kaum denkbar sind. Umso erfreulicher ist zu bewerten, dass die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ das Projekt „Zwischen Schonung und Menschenjagden. Die Arbeitseinsatzpolitik in den baltischen Generalbezirken des Reichskommissariats Ostland 1941–1944“ in ihr Forschungsprogramm „Dokumentation der Zwangsarbeit als Erinnerungsaufgabe“ aufgenommen und durch ein Stipendium sowie durch die Finanzierung der Druckkosten des Bands auf großzügigste Weise gefördert hat.

Prof. Dr. Uwe Danker (Geschäftsführender Direktor des IZRG),

Schleswig im Juni 2012

1. Einleitung

1.1 Methodisch

1.1.1 Thema

„Die Juden haben wir ihnen ja nun beseitigt, bei den Altgläubigen und Polen gehen ihre Ziele konform mit unseren. Nun kommt das Problem der Russen. Auch diese möchte man nun bei der Gelegenheit aus Lettgallen herausbringen. Es wird von lettischer Seite mit allen Mitteln versucht, dieses Ziel, das ihnen in den 20 Jahren nicht gelungen ist, nun zu erreichen und durchzusetzen mit Hilfe und auf die Kappe der Deutschen“1.

Zu dieser Einschätzung kam der deutsche Gebietskommissar in Dünaburg (Daugavpils) Friedrich Schwung im Sommer 1942. Schwung bezog sich auf die „Lettgallenaktion“, bei der etwa 8000 Zivilpersonen aus der im Osten Lettlands gelegenen Region Lettgallen (Latgale) unter der organisatorischen Regie der deutschen Arbeitseinsatzverwaltung für den „Reichseinsatz“ deportiert worden waren. Diese „Aktion“ besitzt gewissermaßen exemplarische Funktion der historischen Problematik der deutschen „Arbeitseinsatzpolitik“ in den drei baltischen Generalbezirken. Das nationalsozialistische Verwaltungskonstrukt „Reichskommissariat Ostland“, das am 17. 7. 1941 ins Leben gerufen wurde2, umfasste neben den drei baltischen Bezirken noch den Generalbezirk Weißruthenien, der sich jedoch nicht nur bezüglich der „Arbeitseinsatzpolitik“ von der Besatzungsherrschaft im Baltikum gravierend unterschied3. Hier war die deutsche Besatzungspolitik deutlicher von der auf der Idee des „Untermenschentums“ basierenden Politik bestimmt. Doch auch die „Arbeitseinsatzpolitik“ im Baltikum war alles andere als eine nur auf die Zustimmung der Zivilbevölkerung abzielende Strategie, wie folgende im Zitat Schwungs deutlich werdende Problemfelder aufzeigen:

• Die menschenverachtende Qualität der deutschen „Arbeitseinsatzpolitik“4: Wie in dem Zitat deutlich wird, stellte das Baltikum keine Ausnahme dar. Im Gegenteil, die Versuche auch aus dieser Region einen größtmöglichen Nutzen für die deutschen Kriegsanstrengungen zu gewinnen, stellen einen exemplarischen Fall für die allgemeine deutsche „Arbeitseinsatzpolitik“ dar.

• Die rassenideologische Komponente der „Arbeitseinsatzpolitik“: Schwung stellt in diesem Zitat unmissverständlich die inhaltliche Verknüpfung zwischen Rekrutierung von Arbeitskräften und dem Kriterium von ethnischen Gruppen als potentielle Opfergruppen her. Wie am Beispiel des „Arbeitseinsatzes“ von Fremdarbeitern im Reich schon hinlänglich gezeigt5, war die Praxis des nationalsozialistischen „Arbeitseinsatzes“ massiv von einer auf rassenideologischen Grundsätzen basierenden Hierarchie begründet. Auch diesbezüglich war das Baltikum keine Ausnahme. Und trotzdem war diese Region in gewisser Weise ein Spezialfall, wie die Definitionsgrenze des Ostarbeitstatus‘ verdeutlicht6: Denn Arbeitskräfte aus dem Baltikum – einschließlich der slawischen Minderheiten – galten nicht als „Ostarbeiter“. Und doch gab es „Ostarbeiter“ im Baltikum7 – eine widersprüchliche Situation, auf die einzugehen sein wird.

• Die Verbindung der „Arbeitseinsatzpolitik“ mit dem System der „Vernichtung durch Arbeit“8: Wie durch den Verweis Schwungs auf die Vernichtung der Juden dargelegt, ist diese Politik auch unmittelbar im Zusammenhang des Holocaust zu verstehen9. Das Zitat Schwungs zeigt, wie gleichgültig physische Vernichtung („die Juden haben wir ihnen ja nun beseitigt“) mit der Deportation zum „Arbeitseinsatz“ von Menschen gleichsetzt wurde. Die Berücksichtigung des Holocaust und des jüdischen „Arbeitseinsatzes“ ist für das Baltikum10 auch deshalb von großer Bedeutung, da sich die einzigen KZs auf sowjetischem Territorium im Baltikum befanden und das KZ Kaiserwald in Riga sowie die Ölschieferabbaustätten Estlands zu den wichtigsten Schauplätzen von jüdischer Zwangsarbeit zählten11.

• Gestaltungsspielräume der „landeseigenen Verwaltung“: Schwungs Beschwerde über den Versuch der Beeinflussung der deutschen Besatzungspolitik durch lettische Kräfte verweist auf die Tatsache, dass der deutschen Besatzungsmacht nur begrenzte machtpolitische Mittel zur Verfügung standen. Hierbei ergeben sich Fragen sowohl nach der Reichweite der deutschen Aufsichtsverwaltung bei der Umsetzung politischer Ziele als auch nach Formen von Kollaboration12 und Widerstand, die Relevanz für das weite Forschungsfeld der Kollaborationsforschung anhand des exemplarischen Falls der Arbeitseinsatzverwaltungen besitzen13.

• Ethnische Konflikte: Die Relation von Rasse- und „Arbeitseinsatzpolitik“ fand in Lettland, wie das Zitat Schwungs zeigt, vor dem Hintergrund eines bereits bestehenden ethnischen Konfliktes statt, der insbesondere zwischen dem lettischen und slawischen Bevölkerungsteil schwelte14. Ähnliche angespannte Situationen bestanden auch in den beiden Nachbarländern Lettlands zwischen den Mehrheitsbevölkerungen und den slawischen Minderheiten15.

All diese Punkte bilden nicht etwa in sich abgeschlossene Problemfelder, sondern bedingten sich wechselseitig und entwickelten eine interdependente Dynamik, welche die „Arbeitseinsatzpolitik“ im Baltikum kennzeichnete. Beispielsweise verschärfte die nationalsozialistische Rassedoktrin die interethnischen Konflikte ebenso, wie die menschenverachtenden Züge der deutschen „Arbeitseinsatzpolitik“ die Beziehungen zu der „landeseigenen Verwaltung“ belastete. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die hier vom Gebietskommissar Schwung suggerierte Einheit der deutschen Besatzungspolitik insbesondere auf dem Feld der „Arbeitseinsatzpolitik“ eine Illusion und alles andere als geschlossen war. Ganz im Gegenteil wurde sie zum Austragungsort von machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen einer Vielzahl von deutschen und nicht deutschen Akteuren. Dass das Charakteristikum der Widersprüchlichkeit die „Arbeitseinsatzpolitik“ kennzeichnete, war also nicht nur das Ergebnis einer in sich wechselhaften und unentschlossenen Politik, sondern auch Folge von Zielkonflikten, welche die unterschiedlichen Akteure der deutschen Besatzungspolitik untereinander austrugen16.

Relevanz des Themas – Erkenntnisgewinne:

Die „Arbeitseinsatzpolitik“ im Baltikum wird hier als exemplarisches Untersuchungsfeld der nationalsozialistischen Herrschaft in ihrer Gesamtheit verstanden und bewertet, eingebettet in umfassendere Fragen der Forschung zur nationalsozialistischen „Arbeitseinsatzpolitik“ – eine Politik, die zu keinem Zeitpunkt eine zur Ruhe kommende Balance zwischen den beiden Gegenpolen von rassenideologischen Vorstellungen und kriegswirtschaftlichen Notwendigkeiten gefunden hat.

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