10 Blind Dates für die große Liebe - Ashley Elston - E-Book
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10 Blind Dates für die große Liebe E-Book

Ashley Elston

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Beschreibung

Sophie wünscht sich nur eins: Zeit zu zweit mit ihrem Freund. Doch dann serviert Griffin sie aus heiterem Himmel ab - und Sophies Herz ist gebrochen. Zum Glück weiß ihre Nonna, was man gegen Liebeskummer tun kann: Zusammen mit der ganzen Familie arrangiert sie für Sophie zehn Blind Dates an zehn Tagen. Doch zwischen all den süßen, aber auch verrückten Typen weiß Sophie schon bald gar nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Und als wäre das nicht schon (Gefühls-)Chaos genug, steht plötzlich auch noch Griffin vor ihrer Tür, der sie zurückgewinnen will. Aber möchte Sophie das überhaupt? Denn vielleicht schlägt ihr Herz schon längst für jemand anderen ...

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Seitenzahl: 363

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Freitag, 18. Dezember

Samstag, 19. Dezember

Sonntag, 20. Dezember

Montag, 21. Dezember

Dienstag, 22. Dezember

Mittwoch, 23. Dezember

Donnerstag, 24. Dezember

Freitag, 25. Dezember

Samstag, 26. Dezember

Sonntag, 27. Dezember

Montag, 28. Dezember

Dienstag, 29. Dezember

Mittwoch, 30. Dezember

Donnerstag, 31. Dezember

Freitag, 1. Januar

Drei Monate später …

Danksagung

Ashley Elston

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Cherokee Moon Agnew

Deutsche Erstausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2019 by Ashley Elston

Published by Hyperion, an imprint of Disney Book Group

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »10 Blind Dates«

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven von © mythja/shutterstock, © ideldesign/shutterstock, © Marylia/shutterstock, © Bokeh Blur Background/shutterstock, © Vandathai/shutterstock, © foxvix/shutterstock

E-Book-Produktion: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-7855-9

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Ein verlagsneues Buch kostet in Deutschland und Österreich jeweils netto ohne UST überall dasselbe.

Damit die kulturelle Vielfalt erhalten und für die Leser bezahlbar bleibt, gibt es die gesetzliche Buchpreisbindung. Ob im Internet, in der Großbuchhandlung, beim lokalen Buchhändler, im Dorf oder in der Großstadt – überall bekommen Sie Ihre verlagsneuen Bücher zum selben Preis.

Für meinen Ehemann Dean, den ich bei einem Blind Date am Valentinstag 1992 kennenlernte.

&

Für meinen Bruder und meine Cousins – alle 21 von euch! Danke, dass ihr mir eine magische Kindheit ermöglicht habt.

Freitag, 18. Dezember

»Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?«

Mom lehnt sich aus dem Fenster der Beifahrerseite und drückt mich zum ungefähr zehnten Mal an sich. Ihr flehender Ton verfehlt nicht seine Wirkung. Ich bin so kurz davor, endlich frei zu sein … und kurz davor, nachzugeben und auf den Rücksitz zu springen. Ich erwidere ihre Umarmung, sogar ein wenig fester als gewöhnlich.

Dad lehnt sich nach vorn. Das bläuliche Licht des Armaturenbretts erhellt sein Gesicht. «Sophie, es gefällt uns überhaupt nicht, dass wir dich über Weihnachten allein lassen. Wer stellt jetzt sicher, dass ich das Muster auf den Erdnussbutterplätzchen richtig hinbekomme? Ich weiß nicht, ob ich das allein hinkriege.«

Lachend senke ich den Kopf. »Doch, ganz bestimmt.« Und ich meine es auch so. Der Abschied fällt mir schwer, aber ich kann die nächsten anderthalb Wochen unmöglich bei Margot verbringen und auf ihre aufgedunsenen Gliedmaßen starren.

Meine Eltern fahren nach Breaux Bridge, eine kleine Stadt im Süden Louisianas, die ungefähr vier Stunden von hier entfernt liegt, um meine Schwester und deren Mann zu besuchen. Margot bekommt in sechs Wochen ihr erstes Kind und hat eine überlagerte Präeklampsie entwickelt – was auch immer das heißen mag. Ich weiß nur, dass sie seitdem ans Bett gefesselt ist und unglaublich dicke Füße bekommen hat. Und das weiß ich auch nur, weil sie mir vor lauter Langweile ständig Bilder von ihnen schickt.

»Ich bin ja nicht allein«, füge ich hinzu. »Nonna, Nonno und die restlichen fünfundzwanzig Verwandten werden mir Gesellschaft leisten.«

Dad verdreht die Augen. »Keine Ahnung, warum sie immer so aufeinanderhängen müssen«, murmelt er.

Mom pikst ihm in die Rippen. Kein Witz, unsere Familie ist wirklich riesig. Mom hat sieben Geschwister, die fast alle mehrere Kinder haben. Das Haus meiner Großeltern ist immer voller Leute, aber in der Weihnachtszeit verwandelt es sich regelrecht in die Grand Central Station. Betten und Plätze am Tisch werden nach Alter vergeben. Als meine Cousins und ich noch kleiner waren, quetschten wir uns im Hobbyraum wie die Ölsardinen auf eine große Matratze, und bei jeder Mahlzeit musste man Teller und Plastikbecher irgendwie auf dem Schoß balancieren. Keine leichte Aufgabe.

»Bist du sicher, dass du nicht lieber bei Lisa bleiben willst? Bei ihr zu Hause ist es ruhiger«, fragt Mom.

»Ist schon okay. Ich bleibe bei Nonna und Nonno.«

Bei Tante Lisa wäre es tatsächlich wesentlich ruhiger. Sie ist Moms Zwillingsschwester und ganze drei Minuten älter als sie, was bedeutet, dass sie mich genauso streng beobachten wird wie Mom. Und darauf habe ich keine Lust. Ich brauche ein wenig Freiheit. Und ein bisschen Zeit mit Griffin allein. Beides ist eher Mangelware, wenn man in einer kleinen Stadt lebt, in der der eigene Vater Polizeichef ist.

»Okay. Zu Nonnas Geburtstagsfeier sollten wir wieder zurück sein. Dann gibt es die Weihnachtsgeschenke eben erst an diesem Tag.« Mom rutscht auf ihrem Sitz herum. Es ist offensichtlich, dass sie noch nicht bereit ist zu fahren. »Würden Brads Eltern nicht kommen, müssten wir gar nicht hinfahren. Aber du weißt ja, dass seine Mutter jedes Mal Margots Küche umräumen und die Möbel umstellen will. Ich will nicht, dass Margot sich aufregt und sich die ganze Zeit fragt, was diese Frau wohl treibt, während sie im Bett liegen muss.«

»Seine Eltern kümmern sich um eure Tochter? Gott behüte!«, necke ich sie. Mom ist viel zu überfürsorglich. Schon als Margot auch nur erwähnt hat, dass Brads Eltern vorbeikommen, war Mom schon dabei, ihren Koffer zu packen.

»Wir könnten auch erst morgen früh fahren«, schlägt Mom vor.

Doch Dad schüttelt schon den Kopf, ehe sie den Satz überhaupt zu Ende gesprochen hat. »Wenn wir heute Abend fahren, kommen wir besser durch. Morgen ist der Samstag vor Weihnachten. Da wird auf den Straßen die Hölle los sein.« Wieder beugt er sich nach vorn und sieht mich an. »Pack deine Sachen und fahr direkt zu deinen Großeltern. Und ruf sie vorher an, und gib Bescheid, dass du auf dem Weg bist.«

Das ist mein Dad – immer klare Anweisungen. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass er mal ein paar Tage nicht auf dem Polizeirevier sein wird.

»Mache ich.« Mom umarmt mich ein letztes Mal, und ich werfe Dad eine Kusshand zu. Dann sind sie weg.

Die roten Rücklichter des SUV werden immer kleiner. Eine Welle an Gefühlen überflutet mich – prickelnde Vorfreude, aber auch ein Schmerz, der sich in meinem Magen ausbreitet. Ich gebe mein Bestes, ihn abzuschütteln. Es ist nicht so, als wollte ich nicht mit ihnen zusammen sein. Im Gegenteil. Wenn ich daran denke, am ersten Weihnachtsfeiertag aufzuwachen und meine Eltern nicht bei mir zu haben, verknoten sich meine Eingeweide. Aber ich kann unmöglich meine ganzen Ferien in Margots und Brads winzigem Apartment eingesperrt sein.

Zurück in meinem Zimmer rufe ich sofort Nonna an, um ihr zu sagen, dass ich in ein paar Stunden da sein werde. Doch sie ist nicht bei der Sache. Im Hintergrund höre ich die Kunden ihres Blumenladens laut reden. Wahrscheinlich bekommt sie nur jedes dritte Wort mit, das ich sage.

»Fahr vorsichtig, Schätzchen«, sagt sie, und als sie auflegt, höre ich noch, wie sie Randy den Preis für die Weihnachtssterne zuruft. Ich muss mir das Grinsen verkneifen.

Es ist sechs Uhr. Minden liegt von Shreveport, wo meine Großeltern und der Rest der Familie leben, nur eine kurze Autofahrt entfernt. Nonna wird mich nicht vor zehn erwarten.

Vier wundervolle Stunden ganz für mich allein.

Ich lasse mich aufs Bett fallen und starre den Deckenventilator an, der sich langsam um seine eigene Achse dreht. Obwohl ich schon siebzehn bin, mögen es meine Eltern nicht, wenn ich allein zu Hause bin. Und wenn ich es dann doch mal schaffe, fährt eine ganze Parade an Polizeiwagen am Haus vorbei – nur, um mal nachzusehen. Total lächerlich.

Ich taste nach meinem Handy und rufe Griffin an, um ihm Bescheid zu sagen, dass ich nicht mitgefahren bin. Doch nach dem ungefähr achten Klingeln springt die Mailbox an. Also schreibe ich ihm eine Nachricht und warte darauf, dass die drei kleinen Punkte erscheinen. Ich habe ihm nichts davon erzählt, dass ich meine Eltern eigentlich davon überzeugen wollte, ohne mich zu fahren. Ich wollte einfach nicht das Risiko eingehen, dass er enttäuscht wäre, falls es nicht klappt.

Noch ein paar Sekunden lang starre ich auf das Display, bevor ich das Handy aufs Bett werfe und mich an meinen Schreibtisch setze, der übersät ist von Make-up, Buntstiften und diversen Nagellackfläschchen. An meiner Pinnwand hängen lauter weiße Karteikarten, eine für jedes College, das für mich in Frage kommt. Auf jeder Karte stehen fein säuberlich in grüner Schrift die Vorteile, in Rot die Nachteile, plus die jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen. Manche Karten habe ich mit einem großen grünen Haken versehen, was bedeutet, dass ich die Voraussetzungen erfülle und angenommen wurde, aber von den meisten Colleges habe ich noch nichts gehört. Die Pinnwand bedeutet für mich pure Inspiration – Mom nennt es die totale Besessenheit.

Mein Blick wandert zur ersten Karteikarte, die ich schon vor Langem angepinnt habe – die der Louisiana State University. Früher war ich der festen Überzeugung, es wäre das einzige College, welches es auf meine Pinnwand schaffen würde. Doch dann wurde mir klar, dass ich mir mehrere Optionen offenhalten muss.

Mein Handy klingelt, und mein Blick fällt wieder aufs Bett. Nur eine Mitteilung, dass jemand meinen letzten Post mit »Gefällt mir« markiert hat. Keine Antwort von Griffin.

Ich beäuge den Stapel an leeren Karteikarten auf meinem Schreibtisch und denke kurz darüber nach, für Griffin auch eine Liste anzulegen. Wir sind jetzt schon fast ein Jahr zusammen. Der Schulalltag hat uns meistens fest im Griff, doch jetzt liegen zwei Wochen Ferien vor uns, ohne Prüfungen oder Hausarbeiten, um die wir uns kümmern müssten. Die Vorstellung, hier mit ihm allein zu sein, versetzt mich in helle Aufregung. Wir lassen es langsam angehen, aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht schon mal darüber nachgedacht hätte, unsere Beziehung auf die nächste Stufe zu heben.

Grün: Schon fast ein Jahr zusammen.

Wir sind jetzt in der Abschlussklasse und fast achtzehn.

Rot: Haben uns noch nicht »Ich liebe dich« gesagt.

Nicht sicher, ob ich schon bereit bin, »Ich liebe dich« zu sagen.

Mom würde es ganz und gar nicht gefallen, wenn sie die Karteikarte an meiner Wand entdecken würde, also widerstehe ich dem Drang, sie anzupinnen.

Mein Smartphone klingelt erneut. Mein Herz macht einen Satz, als ich sehe, dass ich eine Nachricht bekommen habe, aber es ist nur ein weiteres Foto von Margot.

Ich öffne das Bild und starre es einige Minuten lang an. Man sollte ihr wirklich dringend das Handy wegnehmen.

ICH: ????? Was ist das???

MARGOT:Eine Nahaufnahme von meinen Zehen. Zwischen ihnen ist kein bisschen Platz mehr. Ich kann sie weder bewegen noch spreizen. Sie sehen aus wie Würstchen.

ICH:Was, wenn sie nie wieder ihre normale Form bekommen? Was, wenn du nie wieder Flip-Flops tragen kannst, weil du das Plastikteil nicht zwischen die Zehen kriegst? Dein Kind wird sich für deine Füße schämen.

MARGOT:Würstchenzehen sind immer noch besser als Würstchenfinger. Vielleicht muss ich ab jetzt so hässliche orthopädische Schuhe tragen wie Tante Toby früher.

ICH:Du könntest sie ein wenig aufmotzen und deinen Namen in Neon draufschreiben. Das werden bestimmt ganz reizende Würstchenzehenschuhe.

MARGOT:Jetzt habe ich Lust auf Würstchen.

ICH:Das ist ekelhaft. Und angsteinflößend. Ich werde niemals schwanger werden, aus Angst vor Würstchenzehen und orthopädischen Schuhen.

Es dauert ein paar Minuten, bevor sie mir antwortet.

MARGOT:Mom hat mir gerade geschrieben, dass du nicht mitkommst!!! Was zur Hölle, Soph??? Du solltest mich doch vor dem Tauziehen zwischen Mom und Gwen beschützen. Du weißt, was passiert, wenn sie zusammen sind!!

ICH:Da musst du jetzt allein durch. Sie streiten sich bestimmt darum, wer die Fusseln zwischen den Würstchenzehen rausholen darf. Vielleicht müssen sie dafür ja sogar Zahnseide benutzen.

MARGOT:Dieses Bild werde ich nie wieder aus dem Kopf bekommen. Ich wünsche dir auch Würstchenzehen an den Hals – und zwar für den Rest deines Lebens!

ICH:Ich komme euch besuchen, sobald das Baby da ist.

MARGOT:Versprochen??

ICH:Versprochen.

MARGOT:Und? Ist Griffin schon da?

ICH:Das geht dich nichts an.

MARGOT:Sag’s mir. Nein, warte … lieber nicht.

ICH:Haha.

Ich scrolle durch alle sozialen Netzwerke und warte darauf, dass Griffin endlich anruft. Irgendwann klingelt schließlich mein Handy, und sein Name leuchtet auf dem Display auf. Automatisch fange ich an zu grinsen und versuche erst gar nicht, dagegen anzukämpfen.

»Hey!«, schreit er gegen die laute Musik im Hintergrund an.

»Hey! Wo bist du?«, frage ich.

»Bei Matt.«

Ich habe schon diverse Posts von Leuten gesehen, die in Matts Garten an seinem Pool abhängen, darunter auch Addie, meine beste Freundin seit der dritten Klasse.

»Bist du auf dem Weg zu Margot?«, fragt er.

»Planänderung. Ich bleibe bei Nonna und Nonno. Aber ich habe noch ein paar Stunden, bevor ich dort sein muss.«

»Was? Ich kann dich kaum hören«, schreit er.

»Planänderung!«, schreie ich zurück. »Ich bleibe hier.«

Ich höre zwar den rhythmischen Bass, kann aber den Song nicht erkennen.

»Ich kann nicht fassen, dass dich dein Dad nicht dazu gezwungen hat mitzukommen«, sagt er.

»Ja, nicht wahr? Willst du vorbeikommen? Oder ich kann auch zu Matt kommen.«

Es folgt kurzes Schweigen, bevor er erwidert: »Komm her. Alle sind hier.«

Ein Anflug von Enttäuschung überkommt mich, doch dann antworte ich: »Okay, bin in ein paar Minuten da.«

***

Es sind mehr Leute bei Matt, als ich vermutet habe. Heute war der letzte Schultag vor den Ferien, und anscheinend ist allen nach Feiern zumute. Matts Haus und die umliegenden Sträucher und Bäume sind mit mindestens einer Million Lichtern dekoriert. Ohne Witz, einfach alles, was sich nicht bewegt, ist mit Lichterketten bedeckt.

Die meisten tragen T-Shirts und kurze Hosen. Trotz der Deko ist es schwierig, in Festtagsstimmung zu kommen. Fühlt sich nicht unbedingt nach Weihnachtsferien an, wenn man die ganze Zeit Mücken abwehren muss. Blödes Louisiana-Wetter.

Ich parke vier Häuser weiter, einen näheren Parkplatz habe ich nicht gefunden. Sogar von hier kann ich schon den dröhnenden Bass aus Matts Garten hören. Würde mich nicht wundern, wenn die Nachbarn innerhalb der nächsten Stunde die Polizei rufen. Hoffentlich sind wir dann schon weg. Wie soll ich meinen Eltern erklären, dass ich statt bei meinen Großeltern bei Matt bin, wenn einer von Dads Kollegen bei ihnen anruft?

Als ich bei Matts Haus ankomme, fallen mir ein Kerl und ein Mädchen ins Auge, die vor der Einfahrt auf dem Rasen sitzen und sich streiten. Normalerweise beginnt das Drama erst viel später. Als sie mich bemerken, werden sie ganz still, und ich lege einen Zahn zu, um ihre Privatsphäre nicht zu stören. Ich folge der Musik in den Garten zum Poolhaus. Gerade als ich um die Ecke biegen will, zieht jemand an meinem Oberteil.

Im nächsten Moment schließen sich schon zwei Arme um mich, die mir die Luft aus der Lunge pressen.

»Ich dachte, du kommst nicht!« Addie kreischt so laut, dass sich einige Köpfe zu uns umdrehen.

»Ich habe meine Eltern dazu überredet, ohne mich zu fahren. Unglaublich, oder?«

»Ich fasse es nicht! Verbringst du die Ferien dann bei deinen Großeltern?« Schmollend schiebt sie die Unterlippe vor. »Dann sehen wir uns aber trotzdem kaum!«

Ich lache. »Doch, tun wir. Ich habe einen Plan. Nonna wird tagsüber so viel zu tun haben, dass sie gar nicht merken wird, wenn ich nicht da bin. Dann komme ich zurück, und wir können zusammen abhängen.«

»Deine Eltern werden ausflippen, wenn sie es herausfinden. Wir werden dein Auto verstecken müssen.« Addie hüpft auf und ab. »Oh! Und bring Olivia mit. Ich habe sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«

Ich nicke, obwohl ich bezweifle, dass Olivia mitkommen wird. Sie ist eine meiner vielen Cousinen und die Tochter von Tante Lisa. Uns trennen nur zwei Monate. Als wir noch jünger waren, klebten wir wie Kletten aneinander, aber seit ein paar Jahren sehen wir uns immer seltener. »Olivia hilft Nonna im Laden. Ich weiß nicht, ob sie Zeit hat.«

Addies Augen leuchten auf, dann zerrt sie mich zum Poolhaus. »Dann müssen wir eben einen Weg finden, sie irgendwie da rauszuholen.«

»Hast du Griffin gesehen?«, frage ich und lenke das Thema weg von Olivia.

»Noch nicht, aber Danny und ich sind eben erst gekommen. Vielleicht ist er drinnen.« Mit einer Kopfbewegung deutet sie auf das Poolhaus. »Willst du ein Bier?«

»Nee, ich muss doch noch zu meinen Großeltern fahren. Hier gibt’s bestimmt auch irgendwo Wasser.« Unsere Wege trennen sich. Addie steuert auf das Bierfass zu, das im Gebüsch versteckt ist, und ich schiebe mich durch die Menschenmasse. Drinnen ist die Musik so laut, dass man sich nicht mal unterhalten kann.

Schließlich schaffe ich es, den Raum zu durchqueren und entdecke ein paar von Griffins Freunden.

»Sophie! Was geht ab?«, ruft Chris und versucht mich zu umarmen. Er trägt nur noch ein weißes Unterhemd und seine Boxershorts. Ich strecke den Arm aus, um ihn auf Abstand zu halten. Chris ist der Typ, der es auf jeder Party schafft, sich fast komplett auszuziehen. An Halloween kam er als Cowboy zum Schulball, doch am Ende des Abends war – abgesehen von seinen Boxershorts – der Hosenschutz das Einzige, was von seinem Kostüm übriggeblieben war. Dafür wurde er eine Woche lang von der Schule suspendiert.

»Nicht viel. Wo ist Griffin?«, frage ich und drehe mich um, um den Raum abzusuchen.

Chris deutet nach hinten. »Irgendwo da. Wollte sich ein Bier holen.«

Ich nicke und schiebe mich an ihm vorbei. Mühsam kämpfe ich mich weiter durch die Masse. Dann entdecke ich Griffin, als er gerade in der kleinen Küche im hinteren Teil des Poolhauses verschwindet. Da ich mitten in den Kreis Tanzender geraten bin und Josh Peters mich nicht eher gehen lässt, bevor er mich nicht ordentlich herumgewirbelt hat, dauert es eine Weile, bis ich vorankomme. Ich will gerade die Küche betreten, als ich Griffin sagen höre: »Sophie ist auf dem Weg hierher.«

Es sind nicht seine Worte, die mich innehalten lassen. Es ist die Art, wie er es sagt. Enttäuscht.

Parker, einer seiner besten Kumpels, nimmt zwei Bier aus dem Kühlschrank. Weder er noch Griffin merken, dass ich direkt im Türrahmen stehe.

»Ich dachte, sie fährt zu ihrer Schwester oder so was?«, fragt Parker.

Griffin senkt den Kopf. »Hatte sie auch vor. Jetzt aber nicht mehr.«

Er ist völlig am Boden zerstört. Als hätte ich ihm die Ferien versaut. Ich kann es in seiner Stimme hören, dieses schreckliche Gefühl. Das Gefühl, das man hat, wenn man vor Freude platzen könnte, und dann kommt jemand und versaut es einem. So habe ich mich gefühlt, als ich dachte, ich würde meine Ferien nicht hier verbringen.

Und anscheinend geht es ihm jetzt genauso, nachdem er gehört hat, dass ich bleibe.

Was passiert hier gerade?

Als Griffin sich umdreht, weiche ich schnell zurück. Warum verstecke ich mich? Eigentlich sollte ich in die Küche stürmen und nach Antworten verlangen. Aber ich bin wie festgefroren. Langsam zähle ich bis fünf, bevor ich erneut einen Blick in die Küche werfe.

»Sie wird jede Minute hier sein«, sagt er, ohne sich vom Fleck zu bewegen.

Parker öffnet eine der Bierflaschen, reicht sie Griffin und nimmt einen großen Schluck.

»Und was ist das Problem?«, fragt Parker. Ihm scheint Griffins Enttäuschung ebenfalls aufzufallen.

Er zuckt mit den Schultern. »Ich klinge jetzt wie ein Arschloch, aber ich war irgendwie froh, dass sie nicht da ist. Als sei es eine Art Test, wie es sein würde, wenn wir nicht mehr zusammen wären.«

Mein Herz hämmert wie verrückt.

»Willst du dich von ihr trennen?«, fragt Parker und nimmt noch einen Schluck von seinem Bier.

Wieder zuckt Griffin mit den Schultern. Am liebsten würde ich laut schreien.

»Ich glaube schon.«

Ich schnappe nach Luft. Die Jungs drehen sich beide zur Tür. Parker reißt die Augen auf und blickt von mir zu Griffin und wieder zurück zu mir.

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegt Griffin, ob ich gehört habe, was er gesagt hat. Aber mein Gesichtsausdruck ist mehr als eindeutig.

Ich taumle rückwärts und stoße mit dem Rücken gegen die Wand, bevor ich mich umdrehe und weglaufe.

Ich muss hier raus. Ich kann ihm unmöglich in die Augen sehen. Ich kann nicht länger hierbleiben.

»Sophie!« Griffin folgt mir, doch ich ducke mich und weiche den Leuten aus, bis ich endlich die Tür erreicht habe. Ich befürchte, dass ich es nicht nach draußen schaffe, bevor mir die Tränen kommen. Als Addie mich sieht, kämpft sie sich durch die tanzende Menge und zieht mich endlich ins Freie.

»Was ist passiert?«, fragt sie.

Ich sacke auf dem Boden zusammen und erzähle ihr alles.

»So ein Arschloch.« Addie dreht sich um und hält nach Griffin Ausschau, als wollte sie ihn zur Strecke bringen.

»Bitte hilf mir, hier wegzukommen«, flehe ich.

Sie blickt zurück zu mir. »Natürlich. Lass uns gehen.«

Addie hilft mir auf. Gemeinsam suchen wir uns einen Weg durch den Garten. Die Tränen rinnen mir nun in Strömen über die Wangen, doch ich versuche nicht mal, sie zurückzuhalten.

Mein Herz ist gebrochen.

Nein, schlimmer noch.

Pulverisiert.

Er will mit mir Schluss machen.

»Ich fasse es nicht«, murmelt Addie. »Er will dich verlassen? Was soll das? Er kann froh sein, dass er dich hat!«

Darauf kann ich nichts erwidern. Ich weiß nicht, ob ich jemals die richtigen Worte finden werde.

Gerade als wir die Einfahrt erreichen, entdecken wir Griffin. Er rennt auf den Bürgersteig und blickt suchend die Straße hinab.

»Ich kann jetzt nicht mit ihm reden«, krächze ich. Addie nickt und schiebt mich hinter ein Auto, bevor sie auf ihn zugeht, um ihn zur Rede zu stellen.

»Nein. Ein ganz klares Nein«, sagt sie. »Sie will nicht mit dir reden.«

Griffins Gesicht wird von der Lichterkette erhellt, die an der Dachtraufe hängt. Er sieht furchtbar aus. Schuldbewusst, ja, aber in seinen Augen liegt auch Traurigkeit.

»Bitte, Addie. Ich muss mit ihr reden.« Mit zusammengekniffenen Augen blickt er in die dunkle Einfahrt hinein, in der ich mich verstecke. »Bitte, Sophie. Sprich mit mir. Ich habe es nicht so gemeint.«

Ich mache einen Schritt zurück, will nicht, dass er mir zu nahekommt. Ich will seine Ausflüchte nicht hören. Stolpernd suche ich Zuflucht hinter einer Azalee. Ich muss Abstand zu ihm gewinnen.

Hoffentlich folgt er mir nicht. Ein kleiner Teil in mir möchte Griffins Worte nehmen und sie so verdrehen, dass sie mich nicht verletzen. Aber ich kann noch immer die Enttäuschung in seiner Stimme hören. Ganz egal, was er jetzt sagt – er wollte mich nicht sehen. Er wollte nicht, dass ich zu Matts Party komme.

Als ich endlich vor meinem Auto stehe, bin ich vollkommen am Boden zerstört. Hinter mir höre ich Schritte, und ich wappne mich innerlich.

»Sophie, würdest du bitte mit mir reden?«, fleht Griffin.

Ich halte den Blick auf die Autotür gerichtet. Er steht direkt hinter mir, und ich weiß, dass Addie irgendwo hinter ihm steht.

Ich presse die Lippen aufeinander. »Ich habe mich so gefreut, dass meine Eltern mir erlaubt haben, allein zu Hause zu bleiben, weil ich dachte, wir könnten miteinander Zeit verbringen. Nur wir beide. Darauf habe ich mich gefreut. Aber du willst eine Pause. Von mir. Richtig? Das ist es, worauf du dich gefreut hast, nicht wahr?«

Sanft legt er die Hand auf meine Schulter. »Dreh dich um, bitte. Sieh mich an und sprich mit mir.«

Ich schüttle ihn ab. »Ist es das, was du willst?«

Ich spüre, dass es ihm schwerfällt, die richtigen Worte zu finden. »Ich weiß nicht, was ich will, Soph. Alles ist gerade so verwirrend. Es ist so ernst geworden zwischen uns. Es ist unser letztes Jahr auf der Highschool. Eigentlich sollten wir doch Spaß haben!«

Ich wirble herum. »Na schön, dann werde ich es dir jetzt ganz leicht machen. Du willst eine Pause? Bitte schön. Es ist aus.«

Er streckt die Hand nach mir aus, doch ich weiche zurück. Er wirkt panisch, aber bestimmt nur, weil er nicht wollte, dass es so abläuft. Er konnte das vorher nicht testen.

»Warte, Sophie. Können wir bitte reden? Ich liebe dich. Wirklich.«

Seine Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht. Seit Monaten warte ich darauf, dass er mir seine Liebe gesteht.

Ich kann das nicht.

Ich muss hier weg.

»Bitte bleib und rede mit mir«, bettelt Griffin. Ich drehe mich um und steige ins Auto.

Als ich den Motor starte, tritt er schließlich zurück auf den Bürgersteig, und Addie kommt ans Fenster gerannt. »Ich fahr dich.«

Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Schon in Ordnung. Ich rufe dich später an, okay? Hab dich lieb.«

Kurz drückt sie mich durchs Fenster. »Hab dich auch lieb.«

Zum Glück bleibt Griffin auf Abstand.

Innerhalb weniger Minuten bin ich auf der I-20 in Richtung Shreveport unterwegs.

***

Als ich endlich das Haus meiner Großeltern erreiche, bin ich ein nervliches Wrack. Ich mustere mein Gesicht im Rückspiegel und fange beinahe an zu schreien, als mir die Fremde mit der verschmierten Wimperntusche entgegenstarrt. Meine Nase ist rot, meine Augen sind geschwollen, und wahrscheinlich habe ich getrocknete Rotze auf dem Shirt.

Zum Glück brennen im Haus nur wenige Lichter, die Chancen stehen also gut, dass gerade keiner außer meinen Großeltern hier ist. In diesem Haus ist es nicht ungewöhnlich, über schlafende Menschen zu stolpern, wenn man das Haus betritt. Von den acht Kindern, die meine Großeltern haben, leben sechs in Shreveport, vier davon nur wenige Häuserblocks entfernt. Und obwohl sie es nicht weit bis nach Hause haben, bleiben sie meist trotzdem über Nacht. Heute Abend scheint es jedoch ruhig zu sein.

Ich schalte den Motor aus und nehme meine Tasche vom Rücksitz. Doch kurz bevor ich die erste Treppenstufe betreten kann, breche ich zusammen. In diesem Zustand kann ich unmöglich hineingehen. Nonna wird meine Eltern anrufen, und sie werden sauer sein, weil ich nicht direkt zu meinen Großeltern gefahren bin. Und das mit Griffin wird sie auch aufregen. Sie lieben ihn. Obwohl sie so viele verrückte Regeln haben, haben sie ihn behandelt, als würde er zur Familie gehören.

Ich lege mich auf die Treppenstufe, benutze meine Tasche als Kopfkissen und starre hinauf zum Mond. Am liebsten würde ich mich jetzt auf Moms Schoß zusammenrollen und weinen.

Ein Jahr. So viel Zeit habe ich an Griffin verschwendet. Ein verdammtes Jahr.

Was ist mir entgangen? Wir haben uns auf die Schule konzentriert. Wir haben uns aufs College gefreut und wollten sicherstellen, dass wir da angenommen werden, wo wir wirklich hinwollten. Ich dachte, wir würden eine glückliche Beziehung führen.

Aber anscheinend war er nicht glücklich.

»Willst du heute Nacht hier draußen verbringen, oder willst du lieber reinkommen und erzählen, was los ist?«

Das Gesicht meiner Großmutter schiebt sich in mein Blickfeld, und ich falle beinahe vom Treppenabsatz.

»Nonna!« Ich springe auf und falle ihr so stürmisch in die Arme, dass wir fast das Gleichgewicht verlieren und umkippen.

Sie streichelt meinen Rücken, und wieder fange ich an zu weinen.

»Ach, herrje. Komm rein und erzähl mir alles.«

Hand in Hand gehen wir ins Haus und in Richtung Küche. Sie ist das Herz des Hauses – ein großer Raum mit vielen Schränken und einer großen Arbeitsfläche. Der Kühlschrank ist einer von diesen riesigen aus rostfreiem Edelstahl, der mit Fotos übersät ist. Ich weiß genau, dass er mit Essen vollgestopft sein wird, wenn ich ihn öffne. Entlang der Kücheninsel steht eine Reihe an Barhockern, und vor den Fenstern mit Blick auf das Nachbarhaus steht ein großer rustikaler Holztisch, dessen Mitte immer eine Vase mit frischen Blumen ziert.

Die Küche ist mein Lieblingsraum im ganzen Haus.

Nonna führt mich zu einem der Hocker und schneidet mir ein Stück vom üppigsten Schokoladenkuchen ab, den ich je gesehen habe. Hier gibt es zwar immer allerlei Leckereien, doch der Kuchen heute Abend schmeckt mir besonders gut.

»Wegen Mom und Dad wirst du wahrscheinlich nicht weinen. Ich nehme an, es geht um diesen Jungen. Wie heißt er noch mal?«

»Griffin«, murmle ich.

»Genau, Griffin. Erzähl mir, was passiert ist.«

Ich halte kurz inne, bevor ich erneut in das Kuchenstück beiße. Nonna und ich haben uns schon immer sehr nahegestanden, aber über mein Liebesleben haben wir uns noch nie unterhalten.

Sie merkt, dass ich zögere. »Ich habe vier Töchter großgezogen. Glaub mir. Ich habe schon viele Geschichten über Herzschmerz gehört. Genau an dieser Stelle«, sagt sie.

Mir entweicht ein seltsames Lachen. Was die Familie angeht, behauptet Nonna stolz, immer alles reparieren zu können, was kaputt ist – kein Problem ist zu groß oder zu klein. So ist sie nun mal.

Sie schenkt mir ein Glas Milch ein, und ich beobachte, wie sie in der Küche hantiert. In knapp einer Woche wird sie fünfundsiebzig, doch dank der verschwindend geringen Zahl an grauen Haaren und einer konsequenten Hautpflegeroutine würde man das niemals vermuten. Und sie ist immer noch stark genug, um in der Gärtnerei die Säcke mit Blumenerde und Mulch herumzuschleppen, obwohl Nonno immer mit ihr schimpft.

Ich hole tief Luft. »Ich weiß, dass ich dir erzählt habe ich wäre bei Addie gewesen, aber ich war woanders. Ein Freund von uns hat eine Party veranstaltet. Ich wollte Griffin noch mal sehen, bevor ich zu euch gefahren bin. Eigentlich wollte ich ihn damit überraschen, dass ich über die Weihnachtsfeiertage doch hierbleibe.«

Nonnas Augenbrauen schnellen nach oben. »Oh, oh. So etwas geht meistens nach hinten los.«

Ich verkneife mir das Lachen. »Da sagst du was.«

Nonna setzt sich neben mich und beißt in ihr Stück Kuchen, während ich ihr alles erzähle. Als ich fertig bin, streichelt sie mir den Rücken, und ich falle ihr in die Arme. »Meine süße Sophie. Ich weiß, es fühlt sich im Moment an wie ein Weltuntergang, aber das ist es nicht. Es ist besser, du weißt jetzt Bescheid, bevor du noch mehr Zeit an ihn verschwendest.«

Sie reicht mir eine Serviette, und ich tupfe mir die Augen. »Aber ich dachte, wir hätten die gleichen Vorstellungen.«

»Die Dinge verändern sich nun mal. Vielleicht dachtest du, ihr würdet euch in dieselbe Richtung bewegen, obwohl das überhaupt nicht der Fall war.«

Nachdem ich mein Kuchenstück aufgegessen habe, bringt sie mich nach oben ins Gästezimmer. »Du wirst das Zimmer ganz für dich allein haben, bis deine Eltern zurückkommen. Morgen kannst du mir im Laden helfen. Das wird dich auf andere Gedanken bringen. Und Olivia wird sich auch über deine Gesellschaft freuen. Sie schmollt, weil sie arbeiten muss, während alle anderen Ferien haben.«

Ich lasse mich von Nonna unter die Decke stecken und verhätscheln, wie sie es früher immer getan hat, als ich noch ein kleines Mädchen war. Es ist sogar noch schöner, als ich es in Erinnerung habe.

Sie gibt mir einen Kuss auf den Kopf. »Morgen früh sieht die Welt schon wieder ein bisschen besser aus.«

Samstag, 19. Dezember

Ich nenne Nonna nur ungern eine Lügnerin, aber inzwischen ist es Morgen, und alles ist immer noch genauso beschissen wie gestern. Vor lauter Heulen sind meine Augen so verquollen, dass ich kaum sehen kann, und meine Kopfschmerzen werden auch nicht besser.

Ich werfe einen Blick aufs Handy. Ich habe zweiunddreißig verpasste Anrufe und Nachrichten.

Ich scrolle nach unten zu Addies Namen und schicke ihr eine kurze Textnachricht: Alles in Ordnung. Ruf dich später an.

Ich überspringe Griffins Nachrichten und öffne die Unterhaltung mit Margot.

ICH:Schon wach, Würstchenzehe?

MARGOT:Natürlich bin ich wach. Ich muss den ganzen Tag im Bett liegen. Es ist so unbequem, dass ich nicht schlafen kann. Wie ist es bei Nonna?

ICH:Gut. Haben sie deine Zehenzwischenräume schon gereinigt?

MARGOT:KLAPPE!!!

ICH:Du hast damit angefangen, mir ekelhafte Bilder zu schicken.

MARGOT:Themawechsel. Reden wir lieber über Essen. Was gab’s gestern Abend? Die Mütter lassen mich nichts essen, was nicht bio und nicht frei von Gentechnik ist.

ICH:Dreischichtigen Schokokuchen mit Schokoglasur und Schokoraspeln. Ich habe ein gigantisches Stück verspeist.

MARGOT:Wie GEMEIN. Für ein Stück Schokoladenkuchen würde ich mein gesamtes Bankkonto leer räumen. Bringst du mir eins?

ICH:Ich weiß genau, wie viel du online shoppst, daher kann ich auch erahnen, wie viel du auf dem Konto hast. Und es ist nicht genug.

MARGOT:Nun gut, warte nur, bis du nachher mit Dad telefonierst. Er ist sauer, weil du dich nicht gemeldet hast, nachdem du angekommen bist.

Mist! Das habe ich total vergessen.

ICH:Wie sauer? So sauer wie damals, als wir Barbies Auto zu einer Rakete umfunktioniert und eines der Fenster kaputtgemacht haben?

MARGOT:Hahaha! Nein, so sauer war er nicht. Er hat Nonna angerufen, und sie meinte, du seist gerade unter der Dusche.

Für die Rückendeckung bin ich Nonna etwas schuldig.

ICH:Ich gebe es nur ungern zu, weil du mich für immer und ewig damit aufziehen wirst … aber irgendwie wäre ich jetzt gern bei dir und deinen Würstchenzehen.

Ich wische die Tränen weg. Ich könnte mich immer noch ins Auto setzen und zu ihnen fahren. Sie würden es mir ewig vorhalten, aber wenigstens könnte ich dann zu Margot ins Bett kriechen und erst nach Weihnachten wieder herauskommen.

MARGOT:Ich wünschte auch, du wärst hier. Aber du wärst bestimmt unglücklich. Ich bin unglücklich. Brad ist unglücklich. Sogar der Hund ist unglücklich. War eine gute Entscheidung, bei Nonna und Nonno zu bleiben.

Ich versuche, nicht allzu enttäuscht zu sein. Ich weiß, dass ich bei ihnen willkommen wäre, wenn ich sie fragen würde, ob ich vorbeikommen darf. Aber meine Laune würden sie nur noch mehr herunterziehen.

MARGOT:Alles in Ordnung bei dir?

ICH:Ja. Alles okay. Ich schreibe dir später wieder.

Keine Ahnung, warum ich ihr nicht von Griffin erzählt habe. Vielleicht habe ich Angst, es auszusprechen, weil es dann so real und endgültig wird. Oder weil Margot sowieso schon zu viel um die Ohren hat. Sie versucht, stark zu sein, aber ich weiß, dass sie sich Sorgen um das Baby macht.

Ich ignoriere die restlichen Nachrichten und verpassten Anrufe, schalte das Handy aus und stecke es in die Nachttischschublade. Darum kann ich mich jetzt nicht kümmern.

Nachdem ich mich endlich ins Bad geschleppt habe, ist mein Spiegelbild wesentlich schlimmer als erwartet. Ich bin wirklich keine Augenweide, so verheult wie ich aussehe. Das Rot um meine Augen lässt sie dunkler als gewöhnlich erscheinen, und meine sonst so sonnengebräunte Haut wirkt kränklich und blass. Das Herumwälzen gestern Nacht hat meine mühsam gestylten Locken ruiniert, für die ich eine halbe Ewigkeit gebraucht habe. Ich hatte mich für Griffin hübsch gemacht. Da dachte ich aber auch noch, dass er sich freuen würde, mich zu sehen. Jetzt gleicht mein schwarzes Haar einem Vogelnest.

Nachdem ich duschen war und mir die Haare geföhnt habe, fühle ich mich ein bisschen besser. Auf einer Skala von normal bis absolute Katastrophe befinde ich mich bei halbwegs passabel. Schließlich arbeite ich mich den Flur in Richtung Küche entlang, aus der ein Chor an Stimmen dringt, und bereite mich innerlich auf den Ansturm vor.

Die Familie ist da.

Meine Familie ist ein wilder Haufen. Mein Großvater kommt ursprünglich aus Sizilien. Eigentlich hätte er wieder zurück nach Hause gehen sollen, nachdem er eine Weile in den USA verbracht hat, doch da war er schon längst in meine Großmutter verliebt. Der Legende zufolge löste die Mutter meines Großvaters beinahe einen internationalen Skandal aus, als sie erfuhr, dass er in Louisiana bleiben wollte. Das Einzige, was sie davon abgehalten hat, war die Tatsache, dass Nonnas Familie ebenfalls aus Sizilien stammt, und zwar aus einer Stadt, die nicht weit von ihrer entfernt liegt.

Dad hat es nicht gerade leicht, wenn er hierherkommt. Er ist Einzelkind und hat keine besonders große Familie. Für ihn ist es, als würde er ein Kriegsgebiet betreten. Ich sehe es zwar nicht ganz so wie er, aber da wir – abgesehen von Onkel Michael – die Einzigen sind, die nicht in Shreveport leben, komme ich mir immer ein bisschen vor wie eine Außenseiterin.

Früher war das noch anders. Als ich jünger war, habe ich den ganzen Sommer und alle Ferien hier verbracht, umringt von meinen Cousins, Cousinen und den Nachbarskindern. Es war wie im Zeltlager. Am besten habe ich mich mit Olivia, unserem Cousin Charlie und dessen bestem Freund Wes von nebenan verstanden. Onkel Bruce, Olivias Vater, nannte uns sogar die Fantastischen Vier. Doch je älter wir wurden, desto weiter entfernten wir uns voneinander. Die drei gingen alle zur selben Schule, waren in denselben Clubs und feuerten dasselbe Team an. Also stürzte ich mich ebenfalls in verschiedene Clubs und jubelte meinem Team zu. Die Abstände zwischen meinen Besuchen wurden immer größer.

Als ich die Küche betrete, hat mich Tante Maggie Mae auch schon entdeckt.

»Da ist sie ja! Du siehst deiner Mutter immer ähnlicher!«

Ihr kennt doch die Leute, die sich über den Südstaatenakzent lustig machen, oder? Nun ja, meine Tante muss ihnen als Quelle gedient haben. Maggie Mae, die Frau von Onkel Marcus, ist – oder war mal – eine typische Südstaatenschönheit, inklusive dem ausladenden weißen Kleid, das die Southern Belles früher trugen, als sie in die Gesellschaft eingeführt wurden. Und darauf ist sie extrem stolz.

Sie drückt mich an sich, und ich habe Angst, zwischen ihren enormen Brüsten zu ersticken. »Ach, Liebes. Ich habe von deinem Liebeskummer gehört. Selbst ein Stein hat mehr Verstand als dieser Junge.«

»Ähm … danke, Tante Maggie Mae.« Oder so.

Im nächsten Moment werde ich in der Küche herumgereicht und bekomme Küsse auf die Wangen, die Stirn und sogar auf den Mund (und zwar von Tante Kelsey, die keinerlei Gespür für die Intimsphäre einer Person hat). Ich setze mich auf einen der Barhocker, während meine Tanten darüber diskutieren, wer den besten Ambrosiasalat macht – Tante Kelsey, die die klassische Variante bevorzugt, oder Tante Patrice, die ihrem Salat Wackelpudding untermischt – und den es an Weihnachten als Dessert gibt.

Ich gehöre im Übrigen zum Anti-Ambrosia-Lager, aber das behalte ich lieber für mich.

Tante Maggie Mae hat zwei Zwillingspärchen – zwei Mädchen, die etwa in meinem Alter sind, und dann noch zwei jüngere Söhne. Die Zwillingstöchter, Mary Jo und Jo Lynn, winken mir auf seltsame Weise zu, und ich winke ebenso ungelenk zurück. Als sie noch klein waren, unterschied sich ihre Kleidung nur anhand der aufgestickten Initialen. Selbst jetzt, mit achtzehn, stimmen sie ihre Klamotten immer noch aufeinander ab. Lächerlich. Sie sind zwar ein Jahr älter als Olivia, Charlie und ich, aber wir sind alle in der gleichen Klasse. Charlie nennt sie die »Bösen Joes«, seit wir zwölf sind und sie ihn nur mit einer Star Wars-Unterhose bekleidet aus unserer Wohnung in Florida ausgesperrt haben. Eigentlich hätte er die Hose schon längst nicht mehr tragen sollen, so klein und eng, wie sie war. Eine Gruppe von Mädchen, mit der er schon die ganze Woche über geflirtet hatte, erwischte ihn, wie er fast nackt vor der Tür stand, und man hätte meinen können, es wäre das Lustigste, was sie je gesehen haben. Den Rest der Woche fingen sie sofort an zu kichern, sobald Charlie auch nur in ihre Nähe kam.

Diesen Vorfall hat er nie so ganz überwunden.

Moms Schwester Lisa und ihr Sohn Jake sind auch hier.

»Meine süße Soph! Es ist so schön, dich zu sehen!« Tante Lisa sieht Mom so ähnlich, dass es mir schwerfällt, nicht zu weinen.

»Ich freue mich auch, dich zu sehen.« Ich umarme sie ein wenig länger als gewöhnlich. Sie riecht sogar wie Mom. »Wo ist Olivia?«

»Schon im Laden«, erwidert sie. »Ich habe gehört, Nonna will dich die Ferien über einspannen.«

»Natürlich will sie das«, antworte ich lächelnd.

Jake stößt mich mit dem Ellbogen an. »Meine Güte, du siehst echt scheiße aus.«

Tante Lisa schlägt ihm auf den Hinterkopf. »Jake, benimm dich. Sei nicht so ein Idiot.«

Er lacht und humpelt los, um sich einen freien Platz am Tisch zu suchen. Jake hat sich in seinem Verbindungshaus an der LSU den Fuß gebrochen und muss jetzt einen von diesen Stiefeln tragen. Wahrscheinlich hatte es mal wieder irgendwas mit Höhe und Größenwahn zu tun.

Charlie kommt auf mich zu, und ich hüpfe grinsend vom Hocker. Ich habe ihn seit Ewigkeiten nicht gesehen. Er hält kurz inne, bevor er mich halbherzig umarmt. Sein Zögern irritiert mich ein wenig, aber nichtsdestotrotz schließe ich ihn in die Arme und fühle mich gleich besser.

»Geht’s dir gut? Nonna hat mir von Griffin erzählt«, sagt Charlie, als ich ihn endlich loslasse.

Natürlich hat sie es ihm erzählt. Wahrscheinlich hat sie es inzwischen jedem erzählt.

»Ja, alles gut.«

Er setzt sich neben mich. »Und wie geht’s dir sonst so?«

Ich zucke mit den Schultern. »Gut, schätze ich. Viel zu tun. Und dir?«

Er nickt. »Gut. Auch viel zu tun.«

Dann schweigt er, und ich zerbreche mir das Hirn darüber, was ich ihn noch fragen könnte. Mein Gott, seit wann ist es so schwer, sich mit Charlie zu unterhalten?

Bevor ich eine weitere Frage stellen kann, sagt er: »Wir wollen uns alle heute Abend nach dem Familiendinner treffen, falls du Lust hast.«

Ich nehme einen viel zu großen Schluck Kaffee und muss bei seinen Worten husten. »Familiendinner? Heute Abend?«, krächze ich. Wenn es sich tatsächlich schon herumgesprochen hat, dass mein Freund mit mir Schluss gemacht hat, weiß ich nicht, ob ich die ganzen mitleidigen Blicke ertrage.

Charlie lächelt. »Du weißt doch, wie schnell Nonna es immer schafft, alle zusammenzutrommeln. Jetzt, da du hier bist, holt sie bestimmt noch einen extra Tisch heraus. Und danach können wir zu Wes rübergehen, um dem Trubel zu entkommen.«

Wes wohnt direkt nebenan. Er ist vielmehr Charlies Bruder als nur ein Freund, was wahrscheinlich daran liegt, dass Charlie seine halbe Kindheit bei ihm verbracht hat. Charlies Eltern lernten sich auf den Philippinen kennen – Tante Ayins Heimatland –, als sie für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet haben. Sie helfen noch immer, wo auch immer sie gebraucht werden. Währenddessen leben Charlie und seine Schwester Sara bei Nonna, was bedeutet, dass Charlie immer noch viel Zeit mit Wes verbringt.

»Wir werden Olivia dazu überreden, auch mitzukommen«, sagt er. »Die Fantastischen Vier … wie früher.«

Ein nervöses Kribbeln überkommt mich, doch ich antworte: »Klar! Klingt gut.« Grinsend schnappt sich Charlie einen Muffin. Bevor ich es mir anders überlegen kann, ist er bereits verschwunden.

Nonna bringt mir ein Stück Quiche und drückt mich. »Geht’s dir schon besser?«, flüstert sie.

Ich nicke, während sie meine Kaffeetasse auffüllt.

»In einer Stunde gehen wir in den Laden, okay?«

»Okay«, erwidere ich. Ich habe sowieso nichts Besseres zu tun.

***

Der Laden befindet sich in einem alten Haus in einer Gegend, die in den letzten Jahren immer moderner geworden ist. Die meisten Ladenbesitzer haben sich dazu entschlossen, ihre Häuser abzureißen und neu zu bauen, doch Nonna und Nonno haben das süße, kleine, blaue Haus genau so gelassen, wie es war. Im Garten hinterm Haus steht ein Gewächshaus, während der Laden vollgestopft ist mit Gartenutensilien, Skulpturen und anderer Deko. Er strahlt eine gemütliche Atmosphäre aus.

Als wir noch klein waren, haben wir im Gewächshaus immer Verstecken gespielt und dabei geholfen, den Vorgarten zu bepflanzen. Als ich den Weg zum Eingang entlanggehe, überkommt mich ein Gefühl von Nostalgie.

Bevor Nonna durch das Gartentor verschwindet, deutet sie mit dem Kopf auf die Veranda. »Olivia sollte schon da sein. Kannst du ihr heute an der Kasse helfen?«

Ich nicke und bleibe vor den breiten Stufen stehen, die hinauf auf die Veranda führen. Auf jeder Stufe stehen rote Weihnachtssterne, und an der Eingangstür hängt ein riesiger Kranz mit einer großen roten Schleife. Links und rechts neben der Tür hängen Gaslaternen mit flackernden Flammen, und ich könnte schwören, dass in der Luft ein Hauch von Lebkuchen hängt.

Ein großer Teil in mir will nicht durch diese Tür gehen, obwohl sie sehr einladend wirkt. Es ist Ewigkeiten her, dass ich mit Olivia allein war. Plötzlich bin ich total nervös.

Ich hole tief Luft und öffne die Tür. Olivia schleppt gerade einen großen Sack Erde durch den Laden und stellt ihn auf einen alten, zerkratzten Holztisch in der Ecke des Raums. Es scheint, als würde sie gerade Rosmarin in hübsche Töpfchen umpflanzen.

»Hey!«, sage ich. Anscheinend habe ich sie erschreckt, denn sie lässt den Sack fallen, und eine Staubwolke hüllt uns beide ein. Ich habe sie mehr vermisst, als ich dachte. Meine Zurückhaltung schwindet augenblicklich. Ich lege einen Arm um sie und drücke sie fest an mich.

Wie Charlie vorhin zögert auch sie, bevor sie mich umarmt.

»Soph«, sagt sie. »Was machst du denn hier?«

Wir müssen beide husten, und ich lasse sie los, um mit meiner Hand den Staub, der in der Luft hängt, zu vertreiben. Dann mustere ich ihr Gesicht.