111 Gründe, selbst zu kochen - Anke Nussbücker - E-Book

111 Gründe, selbst zu kochen E-Book

Anke Nussbücker

4,9
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Selbstgekochtes schmeckt besser, ist gesünder, verbraucht weniger Ressourcen, bleibt erschwinglich, bringt Sinnlichkeit ins Rendezvous und Charme in jede Küchenparty. Die erste eigene Wohnung oder das Zimmer mit Gemeinschaftsküche, das erste Kind, Appetit auf Spaghetti, das erste Rote-Bete-Risotto in Weißwein, Besuch von den Eltern oder der Schwiegermutter, der gesündere Schokoladenpudding, der allererste Gänsebraten - Anlässe sowie handfeste Gründe, den Kochlöffel zu schwingen, mit dem Tourniermesser einem Radieschen zu Leibe zu rücken, ein Hühnerei auf dem Tassenrand aufzuschlagen oder den Liebsten von der Fertigdose Ravioli abzubringen, gibt es viele. Wer das Handwerk des Kochens erlernen möchte - sei es als Hobby oder schlicht für die (eigene) Gesundheit seiner Lieben -, findet in diesem Buch motivierende Geschichten übers Kochen, Zubereiten und das gemeinsame Genießen. EINIGE GRÜNDEWeil die guten Bratkartoffeln nur dem Liebsten gelingen. Weil gemeinsames Kochen jede Beziehung erprobt. Weil die eigene Küche mehr Platz für Zweisamkeit bietet. Weil Schokoladenpudding Männer nachts in die Küche lockt. Weil Liebstöckel den Geschmack viel schöner verstärkt. Weil Thüringer Klöße Heimatgefühle wecken. Weil Rote-Bete-Ragout an Science-Fiction erinnert. Weil die lieblichsten Kräuter auf der Fensterbank wachsen. Weil Atheisten wie das Jod im Salz der Erde sind. Weil die besten Partys in der Küche stattfinden. Weil der Mensch von Brot alleine nicht leben kann. Weil Sauerkraut Pickel verschwinden lässt. Weil Linsen süß-sauer beim Schlankbleiben helfen. Weil Spargelspitzen ein erotisches Gemüse sind. Weil Fische in Butter schwimmen können. Weil gute Gänse auf der Wiese watscheln. Weil Löwenzahn nicht nur den Kaninchen mundet. Weil Artischocken ein regionales Gemüse sein können. Weil Kürbissuppe so einfach geht. Weil Bettelstudenten auch essen müssen. Weil Mikrowellen den Durst unserer Zellen veralbern. Weil Lieblingsspeisen meist von Großmüttern stammen. Weil für die Katze etwas übrig bleibt. Weil Aluminium womöglich Alzheimer verursacht. Weil Konservendosen an die Nieren gehen. Weil Zucchini so schrecklich vielseitig sind. Weil Spinat im Soufflé mit Hirse überrascht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 376

Bewertungen
4,9 (18 Bewertungen)
17
1
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Sammlungen



Anke Nussbücker

111 GRÜNDE, SELBST ZU KOCHEN

Von der Freude am Kochen, dem Geheimnis des Würzens und dem Wissen, wie,s geht

•Weil wir wieder die Erde berühren 12

•Weil die eigene Küche mehr Platz für Zweisamkeit bietet 16

•Weil kleine Kinder sofort zu essen anfangen 20

•Weil Wintersalate lauwarm sein dürfen 23

•Weil rote Tomaten keinen Kühlschrank mögen 26

•Weil Rohkost vor dem Hauptgang die Entzündungsherde im Bauch abkühlt 30

•Weil spanische Filetes nach Olivenholz duften 34

•Weil Bier den Appetit anregt 36

•Weil Avocados jede Rohkost bereichern 41

•Weil das Frühstück an die Tapasbar zu erinnern vermag 44

•Weil gute Freunde Ensalada Rusa mitbringen 47

•Weil halb getrocknete Tomaten den Spinat verstecken 49

•Weil ich selbst bestimme, welches Öl ich mag 54

•Weil Porridge viel besser als Haferschleim schmeckt 60

•Weil selbst gekochte Marmelade besser mundet 64

•Weil jeder sein individuelles Frühstücksei köchelt 67

•Weil Milchreis mit Reismilch ohne Zimt nicht schmeckt 70

•Weil ein Kräutertee glücklich macht und beim Verdauen hilft 74

•Weil Linsen süß-sauer beim Schlankbleiben helfen 77

•Weil Estragon jedem Hühnchen schmeichelt 81

•Weil Liebstöckel den Geschmack viel schöner verstärkt 85

•Weil meine Käsesuppe keine Orthophosphate enthält 89

•Weil Kürbissuppe so einfach geht 91

•Weil die selbst gekochte Suppe zum sympathischeren Straßenfest führt 97

•Weil Rote Bete ohne Gewächshaus gedeiht 102

•Weil Rote Bete an Science-Fiction erinnert 106

•Weil Eierstich keinem diätetischen Rührei gleicht 109

•Weil Brennnesselsuppe im Frühling schmeckt 114

•Weil Eier und Kartoffeln das beste Protein ergeben 117

•Weil Pilze im Wald unsere Instinkte wecken 121

•Weil ich Shiitake- und Butterpilze kombinieren kann 126

•Weil die besten Partys in der Küche stattfinden 130

•Weil man beim Zwiebelschälen endlich über alles weinen kann 134

•Weil wir über alles reden können 139

•Weil wir irgendwann in einer »Öko«-Diktatur leben werden 142

•Weil Oktopus nicht nur im Urlaub schmeckt 146

•Weil Köche bei der Arbeit Wein trinken dürfen 149

•Weil Schafe und Lämmer über Felsgestein springen 153

•Weil die lieblichsten Kräuter auf der Fensterbank wachsen 158

•Weil die Haselnuss zusammen mit Brokkoli schmeckt 163

•Weil Zucchini so schrecklich vielseitig sind 168

•Weil Rosenpaprika ein starkes Gewürz ist 172

•Weil wir wieder feine Nuancen schmecken 176

•Weil Schärfe nicht in Minuten gemessen wird 181

•Weil Berlins älteste Feuerwache selbst kocht 183

•Weil kleine Kinder klare Bilder mögen 186

•Weil Spätzle aus Eiern und Mehl gemacht werden 190

•Weil schon die alten Germanen gern Hirse aßen 192

•Weil Spinat im Soufflé mit Hirse überrascht 196

•Weil Thüringer Klöße Heimatgefühle wecken 199

•Weil Kartoffelklöße ganz ohne Schwefel gelingen 202

•Weil Königsberger Klopse nicht gepökelt sind 206

•Weil man genau weiß, was hineinkommt 211

•Weil gute Gänse über die Wiese watscheln 215

•Weil die knusprige Haut daheim am besten gelingt 219

•Weil ich ohne gehärtetes Fett auskomme 223

•Weil selbst gemachte Burger kein Fast Food sind 228

•Weil für die Katze etwas übrig bleibt 232

•Weil man zu Hause weiß, was in die Maschine kommt 235

•Weil der Mensch von Brot alleine nicht leben kann 238

•Weil die guten Bratkartoffeln nur dem Liebsten gelingen 243

•Weil wir wieder wissen, wann Erntezeit ist 247

•Weil Kartoffelbrei einfach unwiderstehlich schmeckt 251

•Weil jedes billige Steak einen anderen Menschen ins Elend stürzt 254

•Weil Bettelstudenten auch essen müssen 259

•Weil man die Nachbarn kennenlernt 262

•Weil Risotto mit Roter Bete und Weißwein am allerbesten schmeckt 264

•Weil die eigene Küche zur Apotheke wird 268

•Weil Sellerie einen hohen Blutdruck senkt 270

•Weil Sauerkraut mit Topinambur lieblicher schmeckt 280

•Weil Sauerkraut zu jeder Bratwurst passt 283

•Weil Schwarzwurzeln der Spargel des Winters sind 287

•Weil Rosen aus Brüssel ein herbes Gemüse sind 289

•Weil selbst gekochter Ketchup vor Sonnenbrand schützt 295

•Weil »Sauce de la Kokos« am Spargel noch fehlt 304

•Weil Spargel auch mit Sojasahne schmeckt 308

•Weil in der Spargelzeit noch keine süßen Pflaumen reifen 311

•Weil Löwenzahn nicht nur den Kaninchen mundet 314

•Weil Manneskräfte im Bärenklau stecken 318

•Weil Artischocken ein regionales Gemüse sein könnten 322

•Weil man von türkischen Spezialitäten in Ohnmacht fallen kann 327

•Weil Auberginen matschig gedünstet werden dürfen 330

•Weil Kochen ein feines Handwerk ist 334

•Weil grüne Bohnen gekocht werden müssen 338

•Weil fast jedes Gemüse zehn Prozent Anteil Rohkost verträgt 343

•Weil Fische in Butter schwimmen können 347

•Weil Karpfen nicht ertrinken wollen 351

•Weil gute Soße manchmal mehr als Lyrik überzeugt 355

•Weil gemeinsames Kochen jede Beziehung erprobt 359

•Weil Himalajasalz zur sparsamen Verwendung erzieht 363

•Weil die Gebrüder Klitschko gerne Okraschoten essen 367

•Weil Buchweizen-Blinis vor Krampfadern schützen 370

•Weil Pampelmusen beim »Gewichtmachen«67 helfen 373

•Weil ein grüner Smoothie auch als Aperitif durchgeht 377

•Weil die steilsten Spaghetti-Feten vor dem Marathon steigen 380

•Weil Joghurt die Ernährung des Yogis sichert 384

•Weil Ravioli (k)eine chinesische Erfindung sind 387

•Weil Lieblingsspeisen meist von Großmüttern stammen 391

•Weil Heidelbeeren den Blutzucker senken 394

•Weil Holundersuppe Erkältungen vertreibt 397

•Weil Schokopudding Männer nachts in die Küche lockt 400

•Weil Fertigpizza teurer und Mozzarella viel frischer ist 405

•Weil der Imbiss nebenan das Frittierfett so selten erneuert 407

•Weil Mikrowellen den Durst unserer Zellen veralbern 410

•Weil Aluminium womöglich Alzheimer verursacht 414

•Weil unlackierte Dosen an die Nieren gehen 420

•Weil Zinn den Außerirdischen ein Rätsel aufgibt 423

•Weil die Dose Klee und Kühe ums Leben bringt 426

•Weil gebratene Karotten neue Welten offenbaren 430

Die Informationen für eine gesundheitsbewusste Ernährung und die Tipps zum Kochen in diesem Buch sind von Autorin und Verlag sorgfältig geprüft worden, dennoch kann keine Garantie übernommen werden. Jegliche Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlages für Gesundheitsschäden sowie Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Ein Wort zuvor oder:

Der 1. Grund

Weil wir wieder die Erde berühren

Für die Geschichten in diesem Buch hätte ich mir gewünscht, sie alle hätten die sommerliche Leichtigkeit der »Tomaten, die keinen Kühlschrank mögen« und die Unbeschwertheit meines ersten Naxos-Urlaubs bekommen. Unsere Zivilisation jedoch hat sich weit von der Natur entfernt, manchmal so weit, dass ich es nicht vermochte, meine Augen davor zu verschließen.

Wenn wir wieder häufiger selbst kochen, treten wir in Kontakt mit den wirklichen Mitteln, die wir fürs Leben brauchen. Dieses Buch erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es sind einige Erinnerungen an gelungene Mahlzeiten und die vielfältigen Wege dahin.

Unser Freund Malko wird nicht müde zu betonen, er koche, weil es ihm einfach Freude bereitet. Möhren schaben, Erbsen palen, einen ganzen Kohlkopf in dünne Streifen hobeln, den richtigen Zeitpunkt abpassen, wann das Öl in der Pfanne heiß genug ist – das alles tut er mit Liebe und freut sich, wenn ein Krümel Erde an den Kartoffeln klebt. Selbst zu kochen kann eine meditative Beschäftigung sein, einen Ausgleich schaffen zum technisierten Alltag. Denn bei allen Raffinessen der heutigen zahlreichen Küchengeräte, Spargelschälen & Co gehören zur Kategorie der Handarbeit.

Wer sich darauf einlässt, eigene Kräutertöpfe auf sein Fensterbrett zu stellen, kommt der Erde wieder ein Stück näher. Aber auch der Bummel über einen Wochenmarkt, ein Ausflug ins Grüne oder das Öffnen der Tür eines kleinen Bioladens kann uns dazu bringen, wieder mehr der eigenen Nase zu vertrauen. Und hat man einmal den lieblichen Geschmack einer selbst gekochten Speise ausgekostet, wird man womöglich zum Wiederholungstäter. In diesem Buch sind nun meine Lieblingsgründe, den Kochlöffel selbst zu schwingen, versammelt. Selbst am Herd zu stehen, zu kochen und zu brutzeln, ist eines der sinnlichsten Erlebnisse in der Mittagspause, an langen Winterabenden oder an Sonn- und Feiertagen. Diese Freude möchte ich weitergeben und zum Selbermachen motivieren.

Vorwissen und Talent stehen dabei zunächst im Hintergrund – vielmehr kommt es auf Neugier an, auf den Spaß und die Lust, etwas selbst zu kreieren.

Als Ernährungswissenschaftlerin bin ich keine »gelernte Sterneköchin«, und ich will auch zugeben, dass meine ersten Kochversuche nicht immer überzeugend waren. Dennoch bereitet es mir die größte Freude, mit gerade vorhandenen Zutaten, einer überreichlichen Gemüseernte aus dem Garten von Freunden und dieser wie jener Anregung aus einem klassischen Rezept eine fröhliche Mahlzeit zu improvisieren. Großmutters Rezepte nach neuesten ernährungsmedizinischen Erkenntnissen abzuwandeln, weckt meinen Ehrgeiz bei der Küchenarbeit. Ebenso finde ich es reizvoll, ein Rezept für alte, wiederentdeckte Getreidearten aufzuspüren. Gern koche ich eine Speise nach, die mir bei Freunden, im Restaurant oder bei einem festlichen Anlass besonders gut schmeckte. Oftmals war ich regelrecht überrascht vom Wohlgeschmack eines neu probierten Gerichts, wie beispielsweise Rote-Bete-Risotto mit Weißwein.

Die Zeit, die wir beim Kochen verbringen, ist eine wertvolle Zeit, weil wir selbst etwas tun, etwas lernen und bald auch können. Selbst zu kochen gibt uns ein Stück Selbstbestimmtheit in unser Leben, denn wir schlucken nicht alles, was uns andere auftischen wollen. Die Qualität und der Wohlgeschmack unseres Essens wirkt sich auch darauf aus, wie wir uns fühlen und was wir sind.

Mit einer gehörigen Portion Zutrauen in die Geschicklichkeit aller Anfänger und Fortgeschrittenen, die vielleicht hungrig die Kühlschranktür aufreißen und am liebsten sofort zu essen anfangen, beschreibe ich mit diesem Buch 111 Gründe, selbst zu kochen und mit Gewürzen zu zaubern.

So lade ich alle ein, Zauber- beziehungsweise Kochlehrling in der eigenen Küche zu werden. So viel sei zu Beginn noch gesagt: Fantasie und Mut sind wichtiger als starre Regeln. Nachsalzen und Abschmecken erwünscht. Das nötige Rüstzeug für erste Erfolgserlebnisse ist schnell erlernt. Das tägliche Motiv, vor dem Kochtopf zum Täter zu werden, steckt in jedem einzelnen Kapitel. Ich wünsche guten Appetit!

Anke Nussbücker

Kapitel 1

Vorspeise & Salat

2. Grund

Weil die eigene Küche mehr Platz für Zweisamkeit bietet

»So kriegst du nie einen Freund!«, kommentierte Sandra, meine allerbeste Freundin, den spärlichen Inhalt meines Kühlschranks.

»Für mich alleine kochen macht eben keinen Spaß«, erwiderte ich in anklagendem Ton. Hatte sie vergessen, dass ich seit geraumer Zeit wieder Single war und die Gesteinsbrocken und Scherben der letzten Beziehung erst noch verdauen musste? Aber sie machte sich weiter lustig: »Bio-Joghurt, Kümmerling und Oliven, mehr haste nicht im Kühlschrank!«

»Immerhin, und im Gefrierfach sogar Sommergemüse.«

»Das ist es ja eben, damit hältst du keinen echten Mann.«

*

So kaufte ich wenigstens eine spanische Paprika-Salami, als mein zukünftiger Ehemann mich das erste Mal besuchte. Das ganz besondere Highlight des Abends: eine Glockensinfonie auf dem Domplatz. Die teuerste Veranstaltung der mittelgroßen Universitätsstadt. Romantisch sollte das sein, auch wenn ich eigentlich nicht so viel Geld dafür ausgegeben hätte. Ein wirklich guter Kumpel hatte die Karten für mich besorgt, weil ich mich am Vorverkaufstag zur Geburtstagsfeier meiner Großmutter begeben hatte. Aber der wirklich nette Kommilitone hatte selbst einen Hunderter draufgelegt für die teuren Eintrittskarten, den er hernach selbstredend von mir zurückverlangte. Ja, es gibt sie eben noch, die echte Freundschaft zwischen Mann und Frau. Außerdem hatte ich keine Preisobergrenze genannt.

Die Glocken erklangen, mein Geld war futsch. Der Gesang missfiel uns, bestand er doch nur aus einer Liedzeile, die hundertmal wiederholt wurde, und überhaupt passte das alles so gar nicht zu der verliebten Stimmung, in der wir uns gerade befanden. Wie zwei schlimme Kulturbanausen schlichen wir uns noch vor der Pause davon und brachen, in gehörigem Abstand zum Ort des Geschehens, in befreiendes Gelächter aus.

»Das Essen in Gaststätten ist auch nicht immer das Wahre«, versuchte ich dem weiteren Abend eine Richtung zu geben.

»Gehen wir eben zu dir, müssen wir nicht den ganzen Idioten zusehen, wie sie sich Schnitzel mit Fritten reinziehn«, stimmte mir mein Zukünftiger zu.

»Ja, ist auch schöner, ich kenne mich hier in der Stadt auch noch nicht so gut aus.«

Nun war die Knoblauchfrage zu klären. Wenn nur einer von zweien Knoblauch mag, tut dieser besser daran, darauf zu verzichten. Aber beantwortet werden muss die Frage auf jeden Fall, denn sie entscheidet über die Art der Vorspeise.

»Wenn wir beide Knoblauch essen würden, geht das?«

»Klar, geht das!«, antwortete er liebenswürdig.

»Fein, machen wir Tsatsiki.«

»Kann man das nicht auch fertig kaufen?«

»Frisch schmeckt es unwiderstehlich«, erwiderte ich lächelnd und begann, eine Minigurke in dünne Scheibchen zu hobeln. »Würdest du den Knoblauch klein schneiden, ich habe leider keine Presse dafür.«

»Kann ich gut«, bot der Liebste an. Und wirklich, so viel Geduld beim Würfeln zweier Knoblauchzehen würde ich im Traum nicht aufbringen.

»Streue schnell ein bisschen Salz darüber, damit der Knoblauch nicht bitter wird.«

»Das wäre wirklich bitter«, erntete ich ein Lächeln.

»So, noch etwas Olivenöl, Quark und griechischen Joghurt. Der ist etwas fester und besser geeignet.«

»Ist ja auch eine griechische Speise.«

»Oder eine türkische, da gab es mal einen riesigen Streit zwischen Türken und Griechen«, entgegnete ich.

»Lass uns darüber nicht streiten«, klang besänftigend seine Stimme.

»Magst du gebratene Zucchinischeiben?«

»Würde bestimmt gut dazu passen.«

So wusch ich zwei kleine Zucchini und schnitt sie in dicke Scheiben, stellte eine Schüssel mit kaltem Wasser und einen Teller mit Mehl bereit. »Könntest du eine Flamme am Gasherd entzünden?«

»Wo ist denn das Feuerzeug?«

»In der Schublade, links. Und gib einen ordentlichen Schwapp Öl in die Pfanne.«

Schon tauchte ich die Gemüsescheiben kurz in kaltes Wasser und wendete sie im Mehl. Auf beiden Seiten knusprig gebraten ergaben sie das perfekte Pendant zum Tsatsiki mit frischem Dill. Mit Baguette, Oliven und Salami war die Vorspeisenplatte fertig.

»Mmmmmh, herrlich, die knusprigen Zucchinischeiben …«, ließ er verlauten. Ach, wenn das doch meine beste Freundin hätte hören können, dachte ich. Gut gesättigt brauchten wir keinen Hauptgang mehr und hatten viel Zeit, den Sinn und Zweck unserer späteren Ehe zu erproben.

Zutaten für Tsatsiki (für 2-4 Portionen):

150 g Joghurt, 250 g Quark, 1/3 grüne Gurke, geraspelt, 3 Knoblauchzehen, 2 EL Olivenöl, 1 Zweig Dill, Salz

3. Grund

Weil kleine Kinder sofort zu essen anfangen

»Darf ich das essen?«, lautete die erste Frage meiner zweieinhalbjährigen Tochter, als ich beschloss, sie am Geheimnis des Kochens teilhaben zu lassen. Mit Freude blickte die Kleine abwechselnd auf die durchsichtige Tüte voller Spirelli und die farbenfrohen Paprikaschoten.

»Eigentlich nicht …«, lag mir schon auf den Lippen, »das wollen wir ja zuerst vorbereiten, putzen, klein schneiden, würzen, dünsten, kochen, abschmecken, und was der Raffinessen mehr sind.« Aber weil ich so gerne in Kochbüchern lese, hatte ich von der Weisheit der Meisterköche gehört, die ihren Lehrlingen von Anfang an erlaubten, stets von jeder Zutat zu naschen. Und was für 16-jährige Azubis gilt, sollte doch wohl erst recht für Kleinkinder gelten.

Zuallererst nehme man einen Apfel, zwei Karotten oder eine grüne Gurke und ein Dutzend Oliven, ein kleines Schneidmesser sowie Brettchen. Die Oliven sind schnell in ein dekoratives Schälchen gegeben. Schon kann die Vorspeise beginnen. Auch wenn die Gurke nach den begeisterten Versuchen meines Töchterchens bald wie nach dem schlimmsten Massaker aussieht, macht uns die Küchenarbeit Spaß. Die rohen Apfelschnitze bewahren uns vor einer Unterzuckerung. Einige Minuten vor der großen Mahlzeit genossen, haben wir auch keine Gärung im Darm zu befürchten. Man stelle sich vor: der rohe Apfel, der nach einem fetten Eisbein im Dünndarm einfach nicht weiterkommt und stattdessen zu Fuselalkoholen abgebaut wird. Wer will das schon, zumal für sein zweijähriges Kind oder für seinen Geist, der noch studieren soll?

Zur gleichen Zeit wird das Wasser zum Sieden gebracht. Und da vertrete ich die Ansicht: Einen Topf mit Wasser auf den Herd zu stellen, ist für mich beinahe das Erste, was ich in der Küche sozusagen auf den Weg bringe. Alles Weitere findet sich. Im Allgemeinen benötigen die Sattmacher, die Lieferanten guter Kohlenhydrate, eine ziemlich lange Garzeit. Aber mit einer frisch geschrappten Möhre zwischen den Zähnen wachsen gleichsam die Geduld und der Appetit auf die Hauptmahlzeit. Obendrein vermag das bissfeste Gemüse noch den Stress des Tages abzubauen. Die Muskeln des Ober- und des Unterkiefers gehören zu den stärksten unseres ganzen Körpers. Und wenn ich in Erinnerung rufen darf, wozu Stresshormone entwicklungsgeschichtlich gesehen ausgeschüttet werden: eben zur Jagd und zum Zermalmen der erbeuteten Wurzeln!

Mit Freude knabbert unsere Jüngste grüne Gurkenstücke, aber nur in Form länglicher geschälter Sticks! Gurkensalat rührt sie nicht an. Ganz genau beobachtet sie, wie ich die Zwiebel schneide. »Geh, nicht so nah heran, sie beißt sonst«, mahne ich zur Vorsicht.

»Beißt dich die Zwiebel? Soll ich dich trösten, Mama?« Ja, unsere Kleinen sind heutzutage so empathisch, obendrein auch sehr selbstsicher in ihrem Urteil.

Und während mein Töchterchen an einer rohen Spirelli lutscht und zu dem Ergebnis »Schmeckt nicht!« kommt, brodelt es unterdessen im Topf. Aus der Kasserolle duftet es nach ungarischer Paprika und aromatischen Balkontomaten.

»Wann sind die Nudeln fertig?«, fragt uns das Kind.

Wir fangen an, über Bissfestigkeit von Nudeln zu philosophieren.

»Außen weich, innen einen bissfesten Kern«, gibt der liebste Ehemann kund, worauf ich entgegne: »Ich mag es nicht, wenn dieser Kern noch allzu deutlich zu spüren ist.«

»Wenn die Nudeln abgegossen sind, garen sie im heißen Topf noch ein klein wenig nach«, gibt er zu bedenken.

»Also könnte man sie durchaus eine Minute früher vom kochenden Wasser befreien, als auf der Packung steht?«

»Oder eine einzelne Nudel probieren!«

»Vorsicht, heiß!«

Zutaten für Paprika-Tomaten-Soße (für 3 Portionen):

1 Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, 2 EL Olivenöl, 2 ungarische Paprikaschoten, Apfel, 200 ml passierte Tomaten (Glas), Oregano, Pfeffer, Rosenpaprika, Rosmarin, Basilikum

4. Grund

Weil Wintersalate lauwarm sein dürfen

Der Vorteil eines dienstlichen Abendessens besteht darin, die neuesten Kreationen von Sterneköchen probieren zu können. Dieses Mal war der liebste Ehemann zur Betriebs-Weihnachtsfeier eingeladen. Die Fahrt sollte zu einem Schloss in der brandenburgischen Pampa führen, mit Sektempfang und allem Pipapo und gefühlten 111 Geschichten, mit der jeder einzelne Mitarbeiter der geliebten Firma zu huldigen hatte. Weil ich bei Kind und Katze daheim bleiben musste, trug ich ihm auf, ein Exemplar der Speisekarte mitzubringen. Viele Sterneköche haben ja nicht nur das Händchen für ihr Frischgemüse, sondern auch die Gabe, ihre Ideen wunderschön zu beschreiben. Da ist von »mediterran dressierten nordischen Blättern« die Rede, von »weißem Trüffel an Erdapfelmus« und was die Fantasie der Begabtesten unter ihnen sonst noch zu dichten vermag.

Der »Kürbis als Carpaccio« hatte es dem liebsten Ehemann tatsächlich angetan. »Der war wirklich lecker!«, schwärmte er.

Einen Carpaccio bereitet der Italiener im Allgemeinen aus dünn geschnittenem zarten Rinderschinken zu, mit Rotweinessig und Pfeffer. Aber auch Kürbis lässt sich bestimmt in dünne Scheibchen hobeln.

»Wie hat es geschmeckt?«, fragte ich neugierig.

»Ein bisschen nach Ingwer, jedenfalls sehr gut.«

»Und wie hat es ausgesehen?«

»Orange, wie Kürbis eben so aussieht.«

Obwohl seine Beschreibung sehr dürftig blieb, war meine Neugier geweckt. Ich begann, in unserer eigenen Küche zu experimentieren. Den Kürbis garte ich über dem Dämpfeinsatz nur wenige Minuten, achtete darauf, dass er ja nicht zu Brei zerkochte.

Die mediterrane Vinaigrette war schnell gemacht: mit geriebenem Ingwer, drei Esslöffeln Olivenöl, Apfelsaft und einigen Blättchen Verveine. Damit die Farbe schön zur Geltung käme, schmeckte ich mit Weißweinessig ab.

»Und hat es so ähnlich geschmeckt?«

»Na ja, die Scheibchen waren dünner«, wendete der liebste Ehemann ein.

»Und hab ich es dieses Mal ›richtig‹ hingekriegt?«, fragte ich nach meinem zweiten Versuch. »So, wie du es in Erinnerung hast, Franky?«

»Er wurde lauwarm serviert«, verriet er mir plötzlich.

»Und das sagst du erst jetzt?«

»Der Ingwer heizte zusätzlich ein.«

»Das will ich glauben.« Wieder hatte ich etwas gelernt. Abgesehen vom Kürbis-Carpaccio lässt sich auch ein Brokkoli-Blumenkohl-Salat durchaus lauwarm genießen. Aber davon in einer anderen Geschichte.

Rezept für Kürbis-Carpaccio mit Ingwer-Hanföl-Vinaigrette (für 5-8 Portionen):

1 kleinen (700 g) Kürbis achteln, 10 min. dämpfen, in dünne Scheiben schneiden, mit einer Vinaigrette aus je 2 EL Weißweinessig, Hanf- und Leinöl, geriebenem Ingwer und dem Saft einer Orange marinieren.

5. Grund

Weil rote Tomaten keinen Kühlschrank mögen

Heutzutage mag sich ja kaum jemand einen Salat ohne frische Tomaten vorstellen. Eigens für Tomaten aufgebaute Gewächshäuser bedecken fast 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Spaniens. Unserer Vorliebe für die roten Früchte wegen lässt sich jeder zweite Kneipier oder Imbiss-Inhaber mit der eingeflogenen Ware beliefern. Aber was tun mit dem empfindlichen Gemüse? Die gentechnisch geniale Anti-Matschtomate hat die Testphase nicht überstanden. Was bleibt den Köchen und Küchenhelfern anderes übrig, als die Tomaten bis zur Bestellung kühl zu lagern?

Klar, alle schimpfen, die Tomaten heutzutage schmeckten nur noch nach Wasser. So manch einer spricht gar nicht mehr darüber. Vom obligatorischen Tomatenviertel auf dem Döner mit »Salat komplett?« erwartet niemand mehr Geschmack und Aroma.

Aus hygienischen Gründen befinden sich alle Salatbestandteile von Dürüm oder Chicken Döner hinter einer sehr kalt eingestellten Kühltheke. Wie schade, so ist das Aroma zwar kein Matsch, aber trotzdem futsch. Und auch in der Pizzeria neulich, als noch Sommer war, kamen die Cocktailtomaten leider aus dem Kühlschrank. So wie unser ganzes Pizza-Essen eigentlich als sinnfrei bezeichnet werden konnte. Hätte ich lieber gesagt: »Ich esse eigentlich keine Pizza, und zwar aus diätetischen Gründen!« Dann allerdings hätten mich alle für orthorektisch erklärt. Auf Deutsch: Das ist jemand, der sich nur von gesunden Sachen ernährt. Eine Krankheit, die vor allem Ernährungswissenschaftler und Diätassistenten befällt. Das wollte ich mir nicht nachsagen lassen. Außerdem hätte es so schön sein können. Mit ihren Eltern kamen noch zwei Freunde unserer Tochter mit, die wir vom Spielplatz kannten. Alle drei Kinder stürzten sich auf die knusprigen Grissini, die neben Messer und Gabel lagen. Von der Pizza interessierte sie nur der Rand. Schon lief unsere Tochter mit ihrer Freundin davon, natürlich in Sichtweite, aber ohne Gemüse im Bauch.

Recht hatte sie, die servierten Cocktailtomaten stehen zu lassen. Das lässt sich bestimmt auch biochemisch erklären. Aber ich fange zuerst mit der Temperatur an. Um es ganz prosaisch zu sagen: Tomaten sind ein mediterranes oder mexikanisches Gemüse. Tomaten, ob grün, gelb oder rot, lieben Temperaturen über 20 Grad. In sonniger Wärme gedeihen und reifen sie. In der Wärme behalten sie ihren Geschmack. Und weil das auch der liebste Ehemann vor vielen Jahren noch nicht wusste, prangte an unserem Kühlschrank stets die Aufschrift in Rot: »Tomaten lieben den Kühlschrank nicht!« Lieber nehme ich eine verschimmelte Tomate in Kauf als eine ohne Duft und Geschmack. Sicher kann man einer Tomate, wenn sie einige Stunden kühl gelagert wurde, wieder zu mehr Aroma verhelfen, wenn man sie mindestens einen Tag lang bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Aber wer von den hiesigen Gaststättenleitern würde solch ein Vorgehen gutheißen?

So plädiere ich, Tomate-Mozzarella eher auf dem heimischen Balkon zu genießen. Und wenn die dünnen Tomatenscheibchen auf dem vorher leicht gesalzenen Mozzarella zu liegen kommen, mit Olivenöl fein beträufelt, vor dem Essen noch einige Minütchen von der Sonne beschienen werden, dann wird der Genuss perfekt.

Ganz sicher mag es Restaurants und Küchenchefs geben, die ihre Tomaten wirklich verstehen, sie für den Gast gut sichtbar auf dem ungekühlten Teil des Tresens drapieren, regelmäßig frisch verarbeiten und im sonnigen Garten servieren. Da bleibt am Ende nur die Frage des Geldbeutels. Wie oft im Sommer kann ich mir diese Gourmet-Restaurant-Tomaten finanziell leisten? Oder investiere ich lieber in die gut ausgereifte Tomate, geerntet im Umkreis von 50 Kilometern? Da brauche ich wahrscheinlich nicht unbedingt einige Äpfel neben das Gemüse zu legen, um die Enzyme wieder aufzuwecken, welche die Tomate so lebendig werden lassen …

Wie in einen Apfel im Ganzen beißt unser Kind da am liebsten hinein. Wieder hat der Kindermund recht, denn es waren Tomaten, die den Namen Paradiesäpfel erhielten.

Wohl dem, der einen irdischen Garten sein Eigen nennt. Wir warten noch auf den sonnigen Altweibersommer, damit unsere Jüngste die herzhaft duftenden Balkontomaten endlich selbst pflücken darf.

Rezept für Bulgarischen Schopska-Salat (für 3-5 Portionen):

1/2 Gurke, 4 Tomaten, 1 Paprika, 1 Frühlingszwiebel in mundgerechte Stücke schneiden, Saft 1/2 Zitrone, 2 EL Olivenöl, Dill, alles gut vermischen, portionsweise in eine Kompottschüssel füllen, Salatteller darauflegen, um den Salat bergförmig auf die Teller zu stürzen, Schafskäse (Feta) darüberreiben

6. Grund

Weil Rohkost vor dem Hauptgang die Entzündungsherde im Bauch abkühlt

Ursprünglich diente das Feuer den frühen Menschen vor allem ihrem Schutz vor wilden Tieren. Es spendete Licht an langen Winterabenden. Das Feuer wärmte. Aber vor allem diente eine Fackel oder das Feuer am Eingang einer Höhle der Abschreckung von Bären, hungrigen Wölfen oder Panthern.

Recht bald entdeckten die Menschen, dass ihre Nahrung besser schmeckte, wenn sie überm Feuer geröstet, erhitzt und gegart wurde. Der moderne Neandertaler aß am Abend gerne warm.

Trotzdem behielten Homo neanderthalensis und Homo sapiens die tägliche Portion Rohkost noch lange Zeit bei, und zwar zumeist in Form von Beeren, Wurzeln und Kräutern, die er kurzerhand gleich unterwegs verzehrte und nur einen Teil davon in seinen Höhlen als Wintervorrat trocknete. An diese Rohkost sind die menschlichen Verdauungsorgane und das Immunsystem angepasst. Das warme Essen war nur eine Zukost und die Männer gingen keinesfalls täglich auf die Jagd. Getrocknete Beeren brauchte man nicht zu kochen. Einige Wurzeln überzeugten mit ihrem Röstaroma – vielleicht Möhren oder Zwiebelgewächse, die bestimmt viel kleiner und dünner waren als die, welche wir heute essen.

So mancherlei Gebackenes und Gekochtes, das der Darm, verglichen mit der Rohkost, viel schneller in die Blutbahn schickt, erkennt das Immunsystem als Fremdkörper, die im menschlichen Organismus Entzündungsmechanismen auslösen. Die Zahl der weißen Blutkörperchen erhöht sich sprunghaft – man spricht hier von einer Leukozytose nach einer Mahlzeit. Einige Anhänger ungekochter Pflanzenkost sind deshalb der Meinung, nach jeder gekochten Speise würde der Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Beweiskräftige wissenschaftliche Studien stehen allerdings noch aus.1

Ganz sicher ist: Einen Teil unserer Nahrung roh zu verzehren, gehört zu einer »artgerechten menschlichen Ernährung«, wie es Experten angesichts der Gießener Rohkoststudie von 1998 formulieren.2

Wie lässt sich nun eine eventuelle Verdauungsleukozytose umgehen? Ganz einfach, wenn jede Mahlzeit mit einem kleinen Anteil Rohkost begonnen wird. Warum nicht eine viertel Grapefruit, eine Mandarine oder einen halben Apfel vor dem Brötchen? Ein kleiner Salat vor dem Mittagessen ist ja inzwischen fast überall zu bekommen.

Manfred Bruer geht in seinem beachtenswerten Buch Alt werden – gesund bleiben noch einen Schritt weiter.3 Genau das, was es nachher in gekochter Form geben soll, gibt es vorher in einer rohen Variante. Für die meisten Obst- und Gemüsearten ist das möglich, eine Ausnahme bilden Hülsenfrüchte und Kartoffeln. Und wenn ich in dem alten Kochbuch meiner Großmutter blättere, entdecke ich beim genauen Lesen: Schon damals wurde empfohlen, in jede gekochte Gemüsespeise 1/3 fein zerkleinertes rohes Gemüse dieser Sorte am Ende des Garvorgangs hinzuzufügen. Totgekocht? Nein danke! Auch die Asiaten wissen das, wenn sie ihre Bambussprossen nur wenige Minütchen im gusseisernen Wok schwenken.

Aber zurück zum Salat. Seit dem Skandal um EHEC-Bakterien meiden manche Menschen mit empfindsamem Darm jedes einzelne rohe Salatblatt. Und dann gibt es eine sogenannte vulnerable Gruppe von Menschen, die Immunsuppressiva schlucken müssen. Dies betrifft nicht nur sämtliche Patienten nach einer Organtransplantation, auch manche Allergiker können hiervon betroffen sein. Nun ist für diese Menschen nicht die Rohkost an sich gefährlich, sondern bestimmte Enterobakterien, Gelbkeime, Hefepilze, Schimmel- und Schwärzesporen.

Ein guter Koch kennt jedoch auch hier einen althergebrachten Kniff, den schon die alten Römer und Griechen nutzten. Hippokrates beschrieb bereits um 400 vor Christus die positive Wirkung von Essig, ganz besonders bei Darmbeschwerden. Und da haben wir sie – die klassische Grundzutat jeder schmackhaft zubereiteten Rohkost. Der Mikrobiologe Dr. Gerhard Strauß hat in der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt in Speyer die alte Erkenntnis mit neuen Methoden bewiesen: Alle erdenklichen Keime waren nach dem gründlichen Waschen von Blattsalaten und mit einem Dressing aus Essig und Öl zu 99 Prozent mausetot.4

»Sind die ›guten‹ Bakterien dann auch alle tot?«, will mein liebster Ehemann wissen.

»Die Frage lässt sich anders stellen. Denn es sind die Ballaststoffe aus Gemüse, die gerade die gesundheitsfördernden Bakterien im Darm wachsen lassen.«

»Also immer drauf mit dem Rotweinessig?«

»Na ja, auch hier gilt: Abwechslung schadet nie. Gerne da, wo es geschmacklich passt, auch mal frisch gepressten Zitronensaft oder milchsauer vergorenes Gemüse. Bei letzterer Variante überleben die probiotischen Bakterien. Salzgurken im Sommer. Gerne zwei Löffel rohes Sauerkraut im Winter.«

»Das haut durch, oder?«

»Nichts übertreiben. Mit winzigen Mengen anfangen. Langsam daran gewöhnen. Verträglichen Anteil austesten.«

»Klingt ja wie eine hochgefährliche Angelegenheit!«

»Wir sind eben schon so weit weg von der Natur. Und bedenke: Die Jäger und Sammler mussten zuerst jede Wurzel einzeln ausgraben. Ihre Zähne konnten die Rohkost auch nicht so schnell zerkleinern, wie das die Küchenmaschine heute für uns übernimmt. Die haben ihre kleineren Portionen bestimmt automatisch langsamer gegessen. Damals waren Essen und die Suche danach die Hauptbeschäftigung des Tages. Heute?«

»Schon gut, dann lass uns jetzt mal den Rotkohl schnippeln!«

Zutaten für Rotkrautrohkost mit Oliven (für 5-8 Portionen, gekühlt 2 Tage haltbar):

1 kleines Rotkraut, 5 g Salz, 5 g Zucker, 2 Äpfel, je 2 EL Aceto balsamico, Olivenöl, Schwarzkümmelöl, 150 g grüne Oliven

7. Grund

Weil spanische Filetes nach Olivenholz duften

Während die Griechen beim Trinken die ehrenwerte Regel »Nur in Gesellschaft und nur zusammen mit Speisen« befolgen, dient das Tellerchen mit Tapas bei den Spaniern zusätzlich dem profanen Grund, möglichen Insekten keinen Einflug ins Glas zu gewähren.

Das Tellerchen mit drei Garnelen oder einem gebratenen Brokkoli-Röslein oder sieben schwarzen Oliven dient nämlich als Deckel auf dem Glasrand. Was gibt es Besseres, als bei alledem mit guten Freunden auf die gegenüberliegende Bergkette zu schauen, die wie eine Riesenechse vor der Festung von Comares lauert, und in der Abendstimmung sowie der milden Wärme der Sonne, die sich rotglühend verabschiedet, mit einem Anís del Mono anzustoßen?

»Sieh mal, hier ist ein ganz anderes Licht«, begeisterte sich Franky, mich vom Flughafen in Málaga abholend. Mit dem Bus ging es quer durch die überfüllte quirlige Stadt. Zunächst fuhr der Bus direkt am Meer entlang, übers flache Land, doch alsbald ging es in die Berge. Riesige Gartenzelte und Gewächshäuser säumten den Straßenrand von Vélez Málaga. Von da aus kamen wir nur noch mit dem Taxi weiter. Das hielt jedoch im Dorf – ab jetzt mussten wir laufen. Ein Pfad, der auf der rechten Seite steil abfiel, schlängelte sich zwischen riesigen Kakteen. Mannshohe Jumbos waren das, die ich tags darauf mit Aquarellfarben aufs Papier zu bannen versuchte. Inklusive Kaktusfeigen, die sich orange bis rosafarben vom stacheligen dickfleischigen Mattgrün der ohrenförmigen Blätter abhoben und mit kleinen Dornen besetzt waren.

Mit Gepäck dauerte der Aufstieg eine Stunde. Der Grill, aus Backsteinen gebaut, auf denen ein Rost lag, war schon angeheizt. Von Zeit zu Zeit zischte das Baumharz, welches aus dem glühenden Olivenholz austrat. Es gab Filetes zur Begrüßung, hauchdünn, von unseren Freunden in Rotwein, Senf und Knoblauch eingelegt, dazu vom unvergleichlichen Aroma des Olivenholzes durchzogen. Der Zukünftige trug seinen Cowboyhut. Wir blickten zur Festung von Comares, die noch in keinem Krieg bisher eingenommen wurde – offenbar hatte bisher noch kein Besatzer große Lust verspürt, den Berg mühsam hinaufzuklettern. Die da oben hatten eine Wasserquelle und genug Nahrungsvorräte. Die hatten wir jetzt auch, denn die Filetes waren gerade fertig. VorzüglicheresGrillgut aß ich nie und nirgendwo!

Rezept für Eingelegte Filetes mit Knoblauch (für 4 Portionen):

400 g hauchdünn geschnittene Steaks vom Schwein mit 3 EL Senf bestreichen, salzen, pfeffern, 5 Knoblauchzehen in dünnen Scheibchen darauflegen, mit Rosmarin und Rosenpaprika bestreuen und in 5 EL Olivenöl und 100 ml Rotwein marinieren.

8. Grund

Weil Bier den Appetit anregt

Wir grillten nicht oft Filetes. Des Abends folgten wir der spanischen Tradition: Wir tapatierten, so unsere freie Übersetzung des spanischen Verbes »tapear«, für das Wandern von einer Tapasbar zur nächsten und das Verspeisen der kleinen Häppchen auf dem »Deckel« eines Glases. Allzu weit zogen wir nicht durch die Tapasbars, aus dem einfachen Grunde, weil es im Dorf ja gar nicht so viele Bars gab. Unser finales Ziel am Sonnabend war der Everstar, die beste Diskothek weit und breit.

Bei Los Pepes gab es die Tapas ungefragt, einfach so dazu. »Du bestellst etwas zu trinken«, erläuterte mir der Liebste, »dann bekommst du eine kleine Speise dazu. Das ist spannend, denn man kann sich nicht etwas ganz Bestimmtes bestellen. Es gibt das, was in der Küche gerade frei ist.« So saßen wir zusammen mit den alten Spaniern, die bei Speis und Trank Stierkampf, aber auch Fußball guckten, stets mit gleichgültiger Miene – es sei denn, der FC Málaga spielte.

Pacos Bar verfügte über eine überdachte Terrasse, deshalb nannten wir ihn Terrassen-Paco. Er hatte es sich abgewöhnt, seinen ausländischen Gästen Tapas zu servieren. Die Engländer mochten keine Tapas, die meisten Deutschen ebenfalls nicht. Traurig guckten wir in unsere Gläser, bis unsere Freundin Madeleine in ihrem Spanisch-Wörterbuch blätterte und beherzt ausrief: »Con tapas, por favor – Mit Deckel, bitte!«

Da lagen die Boquerones auf dem Tellerchen, frittiert oder in Sherry-Essig eingelegt, fünf Oktopus-Stückchen, gebraten mit Knoblauch, Ensalada Rusa oder ein halbes gekochtes Ei, zwei Mini-Filetes mit Weißbrot, ein Hackfleischklößchen in einer unnachahmlich würzigen Tomatensoße. Und wir stellten fest, dass wir »con tapas« mehr tranken, ohne wirklich betrunken zu werden.

Pub Paco servierte grundsätzlich keine Tapas zum Drink. Dort guckten wir Champions League, im Finale trat der FC Valencia gegen Bayern München an. Weil die sonst so unbeteiligten Spanier so übertrieben für Valencia brüllten, musste unser Freund Malko für die deutsche Mannschaft sein. Selbst der Liebste sagt: »Das war das einzige Spiel, bei dem ich für die bajuwarischen Seppelhosen war. Ja, wenn du in Spanien bist und alle dort plötzlich für Valencia sind – wo es ihnen sonst gleichgültig ist –, dann kannst du nicht anders – dann bist du eben für Bayern München.«

Ein Spanier, der sich nicht an der Anti-Deutschland-Brüllerei beteiligte, war unser Freund Borego, der Chef der Disco. Dafür forderte er Malko zum Penalty-Trinken heraus – bei jedem Tor gab es einen Drink. Für Borego einen Jägermeister, für Malko auf eigenen Wunsch siebenjährigen Havana Club. Das Spiel stand 1:1 unentschieden selbst nach der Verlängerung. Es kam zum Elfmeterschießen – und das dauerte ewig.

Ich dachte die ganze Zeit nur an den bevorstehenden Aufstieg, der in der vergangenen Woche einmal beinahe damit geendet hatte, dass Malko den Abhang hinunterstürzte. Glücklicherweise bewahrte ihn ein vier Meter hoher Opuntienkaktus vor dem großen Fall. Auch der Liebste war gefährlich zwischen den stachelbewehrten Hecken hin und her getorkelt – kaum, dass ich mich bei ihm unterhaken konnte. Den steilen Pfad hatten wir erst nach reichlich zwei Stunden erklommen. »Anís del Mono!«, rief Malko beim Erreichen unseres Ziels, und der Liebste sagte: »Herzlich willkommen!« Sein Trinkspruch weit nach Mitternacht.

Bayern München entschied das Spiel für sich. Unseren Freund hatte es trotzdem umgehauen, denn das Elfmeterschießen endete 6:5, und die Jungs hatten weit, weit mehr als ihre Tor-Schnäpse intus. Spanisches Krankenhaus, Magen auspumpen und ausnüchtern, ans Bett geschnallt und vom bulligen Wachmann mit dem großen Gummiknüppel am Gürtel beruhigt.

»Binde mich los!«, beschwor Malko seine Freundin.

»Was machst’n dann?«

»Ich bring alle um!«

»Falsche Antwort!«

Der spanische Arzt setzte noch eins drauf. »Und übrigens, ich war für Valencia!«, sagte er zu Malko, um den Kampfgeist seines Patienten anzustacheln. Die Adrenalinspritze war nicht mehr nötig.

Fröhlich saßen Borego und Malko auf der Rückbank des Autos auf dem Weg zurück ins Dorf, nur mit dem Unterschied, dass Malko wieder ziemlich fit war, während Borego noch seine elf Jägermeister verdauen musste.

An diesem Vormittag bastelte Malko seinen berühmten ACE-Teller. Vitamine waren angesagt. Reichlich Karotten, wenige Orangenfilets und Avocado, in Spanien bis Ende März zu ernten. Auch wenn die Avocado beträchtliche Mengen Fett enthält, dem Magen bekommt sie besser als alles andere. Der berühmte Steuer-Konz hat sogar damit seinen kranken Magen auskuriert.

Die Möhren kochte er im Ganzen, und wir stellten fest, dass sie so ihren Geschmack am besten bewahrten. Kein Vergleich mit den maschinengeraffelten Möhrenstückchen in so mancher Gemüsemischung, die ich früher im Gefrierfach hatte. Die heißen Möhren mit einer Marinade aus Sherry-Essig, Olivenöl, Knoblauch und frischem Majoran übergossen, entwickelten das wahrhaft spanische Temperament: Die Süße der Karottenwurzel mit der besonderen Essigsäure, die sich aus einem aromatischen Sherry zu bilden scheint, das bedeutet Leidensfähigkeit, wie sie nur den Südspaniern eigen ist.

Zutaten für Spanischen Möhrensalat (für 3-4 Portionen):

500 g Möhren, 3 EL Olivenöl, 2 EL Sherry-Essig, 1/2 Zitrone, Salz, Kreuzkümmel, frische Majoranzweige

9. Grund

Weil Avocados jede Rohkost bereichern

Ende Oktober beginnt die Hauptsaison für spanische Avocados. Das Geschenk der Azteken an den spanischen Eroberer Cortés trägt dazu bei, Haut, Magen und Darm gesund zu erhalten, und kann sogar den Blutzuckerspiegel stabilisieren.

Der bis zu 20 Meter hohe Avocadobaum mit dem botanischen Namen Persea americana gehört zur Familie der Lorbeergewächse. Die birnenförmigen Früchte mit der ledrigen, meist dunkelgrünen Schale werden ihres Aussehens wegen auch Alligator-Birne genannt. Bevor die Bäume nach der Pflanzung zum ersten Mal tragen, vergehen sieben bis acht Jahre.

Ihr Fruchtfleisch – hellgrün und sehr gehaltvoll – wurde von den Ureinwohnern Südamerikas liebevoll die »Butter des Waldes« genannt. Das Fett der Avocado besteht hauptsächlich aus der einfach ungesättigten Palmitoleinsäure, von der man weiß, dass sie das erwünschte HDL-Cholesterin erhöht und das schädliche LDL-Cholesterin senkt. Reichlich vorhandenes Vitamin E und farbgebende Flavonoide schützen vor dem sprichwörtlichen Ranzigwerden der Fette im menschlichen Körper. Auch viele Hautpflegeprodukte werben mit der »Avocadoschönheit«, häufig im Zusammenhang mit dem enthaltenen Biotin und Provitamin A.

Der dreimal so hohe Kaliumgehalt, verglichen mit dem in Bananen, sowie weitere Mineralstoffe wie Magnesium und Kalzium, machen die Avocado auch für die Sporternährung interessant.

Werden Wurst und Pökelfleischwaren durch ein »Avocado-Tatar« ersetzt, kommt das besonders Magen und Darm zugute. Für die Besserung einer Gastritis müssen sicherlich mehrere Ernährungsfaktoren geändert werden. Das Weglassen von Nitritpökelsalz nach dem Motto: lieber pflanzliche Kost oder frisch gekochtes Fleisch anstelle von Wurst, spielt dabei jedoch eine sehr wichtige Rolle.

Für alle, die deshalb gerne mehr Rohkost servieren möchten, bietet sich wunderbar die geschmacklich sehr wandelbare Avocado an. In der mexikanischen Küche wird zu fast allen Gelegenheiten Guacamole gereicht, als Dip beziehungsweise kalte Soße mit winzig geschnittenen Tomatenstückchen darin. Fast legendär erscheint der Heilbericht von Franz Konz, der auf Wildkräuter mit Avocado schwörte und so viele Liegestütze schaffte, wie er Jahre alt war.

Erhitzt man die Avocado, wird sie bitter, dafür bereichert sie roh püriert Salatdressings, Brotaufstriche oder Kräuterquark. Zusammen mit Banane, Kiwi oder geriebenem Apfel gemixt entstehen leckere hellgrüne Cremes und Desserts, die sogar die gute alte Schlagsahne in den Schatten stellen. Damit sich das Fruchtfleisch nicht braun verfärbt, beträufelt man Avocadospeisen gern mit Zitronensaft.

Allen Diätwilligen sei gesagt: Die Avocado macht schnell satt und zügelt auf natürliche Weise den Appetit. Noch harte unreife Früchte reifen bei Zimmertemperatur innerhalb weniger Tage nach.

Und nie vergesse ich, wie uns Antonio, der Mann einer unserer spanischen Freundinnen, eines sonnigen Nachmittags mit einem großen Bastkorb voller wohlschmeckender Avocados beschenkte und uns somit die Gelegenheit für allerlei Kreationen mit dieser wunderbaren Frucht bot.

Rezept für Avocado-Tatar (für 3-4 Scheiben Brot):

Eine weiche Avocado längs halbieren, das Fruchtfleisch herauslöffeln, mit einer Gabel fein zerdrücken, je eine Zwiebel und Knoblauchzehe würfeln, mit der Avocadocreme vermischen, mit 1 TL Senf, 1 Prise Salz, Pfeffer und einem Hauch Muskatblüte (Macis) würzen.

10. Grund

Weil das Frühstück an die Tapasbar zu erinnern vermag

Jeder Abend begann, verlief und endete mit Anís del Mono. Zwei Wochen lang jeden Tag den süßen, milden Schnaps mit dem Gewürz, das froh stimmt und Urlaubslaune zaubert. Wieder zurück im kühlen Deutschland, rufen wir: »Mach doch mal Urlaub im Glas«, mit Anís del Mono oder einem Gläschen Pacharán. Immer wieder gut, eisgekühlt oder 1:1 mit kühlem Wasser gemischt, trübt sich das Getränk, jedoch nicht das Gemüt. Trotzdem musste ich mir beim zweiten Spanienurlaub eingestehen, dass ich den Anís del Mono einfach nicht mehr riechen konnte.

Dabei bildete er wie gesagt den Auftakt des Abends. So mancher alte Spanier, so hörten wir von einem Insider, benutze den Anis-Schnaps wie Zahnputzwasser bereits am Morgen. Genau so kam es uns auch vor, als wir eines frühen Morgens unten im Dorf zusammen mit etlichen hochbetagten Männern auf den Bus Richtung Málaga warteten.

Wieder passierten wir die Gartenzelte, verließen die hügelige Landschaft, bewunderten die gepflegten Palmen am Straßenrand der zweitgrößten Stadt Andalusiens. Unterhalb der alten maurischen Festung Gibralfaro umrahmten Silberakazien den Platz. Mit ihren lang herunterhängenden gefiederten Zweigen gaben sie dem Plaza de la Merced eine besondere Leichtigkeit. Dort gewahrten wir die beste Tapasbar von Málaga.

In einer lang gestreckten, einladenden Kühltheke türmten sich die verschiedensten Tapas-Arten: zierliche Gambas mit dünn geschnittenen Chilihalbringen, marinierte gelbe und rote Paprikaschoten, Salat von Muscheln mit glatten Petersilienblättchen, junge dicke Bohnen mit frischen Majoranzweigen, Spinat-Tortilla, mehrere Pyramiden Ensalada Rusa, dessen grüne Erbsen aparte Pünktchen zwischen den Kartoffelwürfeln bildeten, oder Mangold mit Champignons und katalanischer Spinat mit Rosinen und Pinienkernen.

Zwischen zehn und elf Uhr verspeist man bereits einige Oliven und Brot, bestrichen mit Tomatenmus, beträufelt mit Olivenöl. Anstelle von Kaffee wird auch schon mal ein trockener Sherry oder ein Bier – in Spanien etwas dünner gebraut – auf die Theke gestellt. Zu diesem richtigen Frühstück mochte ich gern einen Café con leche und etwas später einen an Portwein erinnernden Sherry mit der Lieblichkeit von Rosinen, aber nicht quietschsüß, schwer, aber nicht so schwer wie ein Likör. Ganz besonders passte würzige Paprika-Salami dazu. Ein angenehmes Gefühl von leichtem Berauschtsein in der mediterranen Hitze des späten Vormittags erfasste uns. Es war ein Genuss, beim Verspeisen der kleinen Häppchen kaum eines der wohlklingenden spanischen Worte von den anderen Tischen zu verstehen. Alles ging über in eine Geräuschkulisse, die dem heiteren Geist derart schmeichelte, dass er sich nicht anzustrengen bemüßigt fühlte.

Und wem das Hirn doch leer wird – wie es Hildegard von Bingen einst so treffend formulierte – angesichts all der süßen hochprozentigen Getränke, dem seien die spanischen goldbraunen gesalzenen Mandeln empfohlen. »Der Spanier trinkt nicht, ohne eine geröstete Mandel dazu zu essen«, beschreibt Anja Werth in ihrem kulinarischen Streifzug dessen Lebenskunst.5

Wie sollte es anders sein, nähren die Almendras Saladas den Bereich im Gehirn, der Mandelkern genannt wird und der besonders bei Depressiven und alkoholkranken Menschen verkleinert ist. Nichts für ungut, seien trotzdem auch jedem Gesunden immer mal wieder einige alkoholfreie Tage und Abende gepriesen.

Rezept für Meeresfrüchte-Salat mit Paprika (für 4-5 Portionen):

500 g Meeresfrüchte wie Muscheln, Shrimps, Baby-Oktopus, Calamares in 2 l sprudelnd kochendes Wasser mit 4 EL Weißweinessig geben, blanchieren, abgießen, Marinade aus 3 EL Olivenöl, Knoblauch, 3 EL Sherry-Essig, Saft 1/2 Zitrone, 1 Prise Salz, 1 Chili in Ringe geschnitten zubereiten, nach Belieben gelbe und rote Gemüsepaprika und frische mediterrane Kräuter hinzugeben, 1 h durchziehen lassen.

11. Grund

Weil gute Freunde Ensalada Rusa mitbringen

Geburtstag im allerengsten Freundeskreis. Die engsten Freunde sind die, welche schon seit 20 Jahren stets da sind, wenn man sie braucht, zum Feiern, bei Umzügen in eine schönere Wohnung, zum Verreisen an stets denselben Ort, weil er zur zweiten Heimat wurde, zum Übernachten in einem alten VW Golf kurz vor Porto, weil die Zelte irgendwo in Spanien geklaut worden sind. Freunde sind es, weil sie dann trotzdem bis ans Ende von Portugal weiter fahren und sich dort zu einer Weinprobe überreden lassen.

»Wir trinken ordentlich, dann kaufen wir die preiswerteste Flasche«, lautete damals ihre Devise. Doch dann zauberte der Wirt eine Flasche Portwein auf den Tisch, einen ganz besonderen Jahrgang.

»Das ist mein Geburtsjahr!«, rief der Freund aus, »1966, der Portwein ist beim Kauf genau 25 Jahre alt.« Am Ende kauften die Jungs für etliche Hundert D-Mark Portwein, und zum Saufen am Strand eine Kiste vom »billigen« Fünfjährigen …

Der spanische Kartoffelsalat mit dem russischen Namenszusatz steht nun hoch aufgetürmt, grüne Erbsen und Möhrchen leuchten unter der Mayonnaise hervor. Immer mal wieder versucht jemand, einen Scherz zu machen, immer mal wieder schweifen die Gedanken in die Vergangenheit. Aus der Flasche 66er Portwein wird nun reihum eingeschenkt. Jeder möchte einmal kosten. Madeleine schmettert ein fröhliches »Mach doch mal Urlaub im Glas!« Nur unsere engsten Freunde verstehen, was sie damit meint: Einen Moment Urlaubsfeeling genießen während der heimischen Küchenparty. Denn unsere »zweite Heimat« gibt es nicht mehr.

Während ich diese Zeilen schreibe, demonstrieren Tausende Spanier in Madrid. Es ist nichts mehr so wie vor zwölf Jahren. Der Pfad, bei dessen Aufstieg man sich nach etlichen genossenen Drinks in Acht nehmen musste, dass man nicht den steilen Abhang hinunterrollte, und an dessen oberem Ende angelangt jede noch so angeheiterte Person wieder nüchtern genug war, um weiterzutrinken – dieser Pfad wurde inzwischen platt gewalzt und asphaltiert. Rund um das einzelne Häuschen in der Jumbo-Kakteen-Wildnis wurde alles zugebaut wie in einer kleindeutschen Reihenhaussiedlung. Eine breite Straße führt den Berg hinauf. Ich frage mich: »Wie kurz ist jetzt der Weg bis zur Festung von Comares?« – »Take the long way home!«, wie es die Band Supertramp Ende der 1970er in ihrem Album Breakfest in Amerika sang, fände ich als Lebenstempo besser.

Wir stoßen an, machen Urlaub im Glas – und wissen doch, dass wir diesen Ort nicht mehr aufsuchen werden. Erinnerungen an ihn und unsere Zeit dort zaubern wir noch einmal auf den Tisch. Meeresfrüchte mit gelben und roten Paprikaschoten, Möhrensalat in Sherry-Essig, grüne Oliven gefüllt mit Anchovis, Weißbrot, Schinken und natürlich Anís del Mono. Die Flasche Portwein, 1966er Jahrgang, haben wir bis zur letzten Neige leer getrunken.

Zutaten für Ensalada Rusa (für 5-7 Portionen):

500 g festkochende Kartoffeln, je 150 g Erbsen und grüne Bohnen (Tiefkühl) 7 min kochen, 3 frische Möhren bissfest kochen, 150 ml Mayonnaise, 2 EL Sherry-Essig, 1/2 TL Salz, weißer Pfeffer, 2 gekochte Eier, Estragon

12. Grund

Weil halb getrocknete Tomaten den Spinat verstecken

Auch wenn es inzwischen fast alle wissen, dass Spinat keine überdurchschnittlichen Mengen Eisen enthält, gilt das grüne Gemüse nach wie vor als sehr gesund. Einfach aus dem Grund, weil er im späten Herbst oder zeitigem Frühjahr zu den wenigen Gemüsearten zählt, die uns Vitamin K sowie die Farbe Grün auf den Teller bringen.

Mein Dilemma: Franky mag seinen Spinat nicht. All meine Versuche, ihn schmackhaft darzubieten, schlugen bisher fehl. Dabei gibt es Momente, in denen er freiwillig danach fragt, zum Beispiel hauchdünn eingebacken in Börek, einer türkischen Spezialität aus Weizenmehl, Schafskäse und ein bisschen Spinat.

Weizenmehl steht nicht so häufig auf meinem Speiseplan, daher backe ich auch keinen Börek. Aber neulich waren wir bei unserer Nachbarin eingeladen, es gab Spaghetti mit spinathaltiger Soße. Da traute ich meinen Augen kaum: Der Liebste aß mit großem Appetit.

Nach dem Geheimnis der Soße gefragt, antwortet sie liebenswürdig: »Blauschimmelkäse!« Gut, dass ich das erst nach dem Essen erfuhr, denn ich grusele mich vor Blauschimmelkäse. Der sah immer so grün und blau verschimmelt aus, wenn meine Oma ihn für den Opa auf ein Holzbrettchen gab und das mit auf den Esstisch stellte. Nicht zu vergessen, dass der Opa fast immer solche seltsamen Sachen aß, Brot mit Kartoffeln darauf und ebendiese spezielle Art von Käse.

Lange haderte ich mit mir, diese Spinatsoße mit diesem Käse einmal selbst zu kochen. Zur besten Spinaterntezeit überwand ich mich endlich und fragte im Bio-Laden nach Blauschimmelkäse, Gorgonzola oder Roquefort. Es ist ja ein Edelschimmel, der den fetten Käselaib durchzieht, ermunterte ich mich innerlich.