111 Orte in Graubünden, die man gesehen haben muss - Christian Löhden - E-Book

111 Orte in Graubünden, die man gesehen haben muss E-Book

Christian Löhden

4,8

Beschreibung

Graubünden ist spitze. Nirgendwo in Europa wohnt man und braut man Bier an höherer Stelle. Seit jeher ist Graubünden Schnittpunkt von Handelsrouten und Kulturen. Drei Sprachen werden hier gesprochen, in mancher Gemeindeversammlung herrscht gar babylonische Sprachverwirrung. Neben wunderschönen Landschaften bietet der größte Kanton der Schweiz viele spannende und skurrile Orte: Erfahren Sie, wer dem Sennen die Haut vom Körper zieht und wo sich das Wasser zwischen drei Meeren entscheiden muss. Wandeln Sie auf den Spuren von Reichen und Todkranken in der Belle Époque und ziehen Sie sich doch mal Hip-Hop auf Rätoromanisch rein.

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111 Orte in Graubünden, die man gesehen haben muss

Christian Löhden

emons: Verlag

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Emons Verlag GmbH // 2015 Alle Rechte vorbehalten Texte: Christian Löhden © alle Fotografien: Christian Löhden, außer Ort 24: Klibühni, Das Theater; Ort 50: Hirn & Hand, Reiner Schilling Gestaltung: Emons Verlag Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL ISBN 978-3-86358-935-6 E-Book der gleichnamigen Originalausgabe erschienen im Emons Verlag

Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über Neues von emons: Kostenlos bestellen unter www.emons-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1_St. Peter in Mistail | Albula/Alvra-AlvascheinKostbares Kleinod mit Federvieh

2_Der Zigeunerwagen | Albula/Alvra-StiervaLebe unstet, aber ganz entspannt

3_Die Rofflaschlucht | Andeer«So an Wasserfall, den ha mer ou»

4_Der Seelabalgga | Avers-CrestaTranszendenz-Aspekt beim Hausbau

5_Das höchstgelegene Dorf | Avers-JufDem Himmel ganz nah

6_Der Murmeltierpfad | Avers-JuppaHör' mal, wer da pfeift!

7_Heidis Zöpfe | Bergün/BravuognHaariges Relikt eines Mythos

8_Die Viel-Sprachen-Gemeinde | BivioDolmetscher am Dorfstammtisch?

9_Der Julier | Bivio/SilvaplanaAlter Weg über die Alpen

10_Die Mordmühle | BonaduzVerlassener Tatort mit Schauerfaktor

11_Das gerettete Haus | Bregaglia-CastasegnaVon der Sintflut verschont

12_Die Villa Garbald | Bregaglia-CastasegnaArkadien für Kunst und Kultur

13_Salecina | Bregaglia-MalojaLuxus ohne Strassenanschluss

14_Das Segantini-Atelier | Bregaglia-Maloja«Ich will meine Berge sehen!»

15_Der Pass Lunghin | Bregaglia-MalojaEntscheidung im Tiefschnee

16_Der Blick auf die Piz-Badile-Nordostwand | Bregaglia-SoglioPioniertat mit Flusstaufe

17_Die Mammutbäume | Bregaglia-Soglio«Verzaubertheit» im Palastgarten

18_Die Alp Sovrana | Bregaglia-Soglio-MadrisDas Vermächtnis der «Langen Heidi»

19_Die Albigna-Staumauer | Bregaglia-VicosopranoKathedrale der Technik

20_Die Folterkammer | Bregaglia-VicosopranoLieber gleich gestehen

21_Der Russ im Bergell | Bregaglia-VicosopranoDie Erstbesteigungen des Mehlsacks und seines Feldmarschalls

22_Der Grotti-Weg | CamaEin Luftloch für die Haltbarkeit

23_Der Hof | Chur-Altstadt«Kleine Vatikanstadt»

24_Die Klibühni | Chur-AltstadtDie Szene-Aufmischer

25_Die Löwenapotheke | Chur-AltstadtSchöne Medizin

26_Das Schmuckcafé | Chur-AltstadtGold und Kaffee

27_Die Seelenflucht | Chur-AltstadtStreet Art nach alter Sage

28_Das Sennentuntschi im Rätischen Museum | Chur-AltstadtSexpuppe für die Sommeralp

29_Das Lacunaquartier | Chur-RheinquartierManhattan im Alpental

30_Das Welschdörfli | Chur-WelschdörfliSündige Meile Churs

31_Die Giger-Bar | Chur-WestAn Bord mit dem Alien

32_Das Institut für Schnee- und Lawinenforschung | Davos-DorfBitte eine CT für den Schnee!

33_Die BierVision | Davos-MonsteinAuf dem Dach der Bierwelt

34_Der Bolgenlift | Davos-PlatzBequem mit dem Bügel hinauf

35_Die Heilstätte Etania | Davos-PlatzLindernde Luft, zerstörerischer Schnee

36_Das Medizinmuseum | Davos-PlatzAusspucken verboten!

37_Der Schatzalp-Speisesaal | Davos-PlatzLeiden und Laster auf dem Zauberberg

38_Der Jungfernflug | Domleschg-AlmensHoch hinaus wollen alle

39_Der Landwasserviadukt | Filisur/SchmittenWie im Modellbahn-Keller

40_Die Casascura | FläschEin gelungener Mix

41_Der Caumasee | Flims-WaldhausNaturjuwel reloaded

42_Die kleinste Stadt der Welt | FürstenauAlles dicht beieinander

43_Die Trockensteinmauern | FürstenauArkadisches Landschaftsmosaik

44_Der Ziegentrieb | HinterrheinAuf Umwegen zur Alp

45_Dagoberts Klause | Ilanz/Glion-PigniuCooler Schlager aus den Bergen

46_Das Heeresgemälde | Ilanz/Glion-PigniuLanger Marsch über die Pässe

47_Der Polenweg | Ilanz/Glion-RueunStrassenbau und verbotene Liebe

48_Das Rundfunkmuseum | Klosters-Serneus-PagrüegTechnik, die begeistert

49_Das Skigebiet Gotschna-Parsenn | Klosters-Serneus-Platz/DavosRote Blutkörperchen auf unschuldig Weiss

50_Die Alpkäseprämierung | LandquartWer hat den besten Laib?

51_Die stillgelegte Bahntrasse | Leggia/Cama/SoazzaChillen auf Schienen

52_Der Klangwald | LohnSymphonie der Naturmaterialien

53_Das Beinhaus | Lumnezia-VrinAm Ende alle beisammen

54_Das Bilderbuch-Dorf | Lumnezia-VrinAch wie gut, dass kaum jemand weiss ...

55_Die Design-Telefonzelle | Lumnezia-VrinLass das Smartphone zu Hause!

56_Socka Hitsch | Maienfeld«Null-Null-Säwan, chumm amol do ana»

57_Die Rohanschanze | MalansFreund oder Feind an deiner Seite?

58_Das Castello di Mesocco | MesoccoMarkant und uneinnehmbar

59_Das Posthotel Löwen | MulegnsWer küsst mich wach?

60_Der Gletscherlehrpfad | PontresinaLehrstück über den Klimawandel

61_Die Casa Tomé | PoschiavoMitten im Leben

62_Die Palazzi der Spaniolen | PoschiavoZuckerbäcker-Klassizismus

63_Die Riesen-Spaghetti | PoschiavoSize matters

64_Das Wohnhaus von Wolfgang Hildesheimer | PoschiavoZuflucht vor der Barbarei

65_Der Spiegelsaal | Rossa-AugioPrunkvoller Liebesbeweis

66_Der Calancasca-Weg | Rossa-Augio/Calanca-ArvigoMildes Wasser, wildes Wasser

67_Die Porta Rhaetica | RothenbrunnenToblerone aus Beton

68_Der Lamatreck | Safiental-Safien PlatzGemütliche Gefährten

69_Der Biohof | Safiental-TennaKomfort im Stall

70_Der Solarskilift | Safiental-TennaDie Sonne schleppt nach oben

71_Die Krokuswiesen | Safiental-ThalkirchZarte Tupfer im Übergangsgrau

72_Der Schweizer Grand Canyon | Safiental-VersamWilder Westen am Rhein

73_Der Antifaschist auf dem Dorf | SamedanGewehre statt Grabsteine

74_Das Zollausschlussgebiet | Samnaun-DorfEinkaufen auf hohem Niveau

75_Bügl Plaz | ScuolSauerwasser für alle

76_Die Doppelmühle | Scuol-Ftan«Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht ...»

77_Schellen-Urslis Haus | Scuol-GuardaDer Letzte wird der Erste sein

78_Das Schloss Tarasp | Scuol-Tarasp-SparselsAuf Mundhygiene gebaut

79_Die Trinkhalle | Scuol-Tarasp-VulperaHeilende Wasser und bröckelnder Putz

80_Crap Carschenna | Sils im DomleschgFreilicht-Atelier mit Aussicht

81_Die Halbinsel Chastè | Sils im Engadin/Segl-BaselgiaDieses Licht ...

82_Engadiner Wasserfreuden | SilvaplanaIm Auge des Malojawinds

83_Die Ewige Wiederkunft | Silvaplana-SurlejNietzsche in der Über-Landschaft

84_Das Dorf für alle Sinne | SoazzaEin Hauch von Süden

85_Das Schmetterlings-Ristorante | Soazza-BoffaloraAuch Marsianer willkommen

86_Alte Herberge Weiss Kreuz | SplügenSüsser die Säumer nie träumten

87_Der Pschuuri-Brauch | SplügenAnbandeln mit Schmiere

88_Die Schoggitaleraktion | SplügenDank den alten Wutbürgern

89_Der Bobrun | St. Moritz-DorfFlüsterrennen auf Natureis

90_Der schiefe Turm | St. Moritz-DorfMit dem Hang zur Neigung

91_Die Festungskantine | SufersKüche, Kunst und kein Krieg

92_Die Kapelle Sogn Benedetg | Sumvitg-Sogn BenedetgLicht und Klarheit am Berg

93_Der Landrichtersaal | TrunGute Stube vom Grauen Bund

94_Der verschwundene See | TschappinaKommt das Ungeheuer zurück?

95_Die Wiege des Bündner Hip-Hops | Tujetsch-DieniKicks, Snares, Hi-Hats und Sursilvan

96_Die Porta Alpina | Tujetsch-SedrunTiefbahnhof in Warteschleife

97_Die Ruine Rappenstein | UntervazAb ins feuchte Versteck

98_Das Astrovillage | Val Müstair-LüKlare Sicht auf die Milchstrasse

99_Der Aual Foppumvasch | Val Müstair-MüstairElement archaischer Landwirtschaft

100_Die Handweberei | Val Müstair-Santa MariaDas Glück der Weberinnen

101_Der Bärenbrunnen | Val Müstair-TschiervKuschel-, Problem- oder Risikobär?

102_Das Museum Chasa Jaura | Val Müstair-ValchavaModerne Kunst in der alten Stüva

103_Der Steinbruch | ValsQuarzit, der um die Welt geht

104_Die Florinuskirche | Valsot-RamoschDer listige Heilige

105_Die Hangterrassen | Valsot-RamoschÖkologische Nischen in Gefahr

106_Der Whisky-Stall | Valsot-TschlinKein Highland Malt für Highland Cattles

107_Die Holzwerkstatt | Valsot-VnàSchwibbögen à la Engiadina

108_Die Sprachenschilder | Valsot-VnàKlassenzimmer Dorf

109_Die Viamala | Zillis-ReischenSchauergeschichten vom Bösen Weg

110_Das Zimmer der Kaiserin | ZizersEine ganz normale Pensionärin

111_Die geteilten Brunnen | ZuozWasser für viele Fälle

Bildteil

Übersichtskarten

Vorwort

Wer hat den besten Laib im ganzen Land? Wie kommt der Spiegelsaal ins einsame Bergtal? Wer nimmt den Blauen Heinrich mit ins Dorf? Warum ist mit den Pschuurirolli nicht zu spassen? Diese Fragen sind mehr als berechtigt, und sie müssen beantwortet werden. Genau das tun «111 Orte in Graubünden, die man gesehen haben muss».

Graubünden ist spitze. Und das nicht nur, weil man nirgendwo in Europa näher am Himmel wohnt. Die einzige Natureisbahn der Welt steht hier – in St. Moritz –, der erste Schlepplift der Welt brachte Davoser Skifahrer auf die Piste.

Dass es schön ist in Graubünden, weiss man schon lange. Seit es Bergtourismus gibt, kommen Reisende, um die Landschaft zu geniessen. Andere folgten, ihre Leiden in der Höhenluft zu lindern. So entstand ein Bädertourismus mit prachtvollen Belle-Epoque-Bauten. Davos, St. Moritz, Engadin, Bergell: klangvolle Namen, die man in der ganzen Welt kennt. Dazu Mythen und klassische Themen: Heidi, die Viamala, das Almleben. Dieser Band nimmt manche von ihnen auf und beleuchtet neue, unbekannte Seiten. Doch er führt vor allem auch an unentdeckte Orte und entlockt ihnen faszinierende Geschichten. Geschichten etwa vom Verkehrswegebau infolge des Reisens, Geschichten von Auswanderern, die heimkehrten und Kurioses mitbrachten.

Und Geschichten von der Sprachenvielfalt. Drei Amtssprachen gibt es, zwischen den hohen Bergen hielten sich unzählige Mundarten. Auch kulturelle Eigenständigkeit und manch urige Traditionen erhielten sich in den Tälern.

Erfahren Sie mehr über verschwundene und gerettete Seen, essen Sie tief im Berg ein Schinkengipfeli. Lauschen Sie den Symphonien des Windes. Sehen Sie, wo das Wasser sich zwischen drei Meeren entscheiden kann. Und ziehen Sie sich doch mal Hip-Hop auf Rätoromanisch rein. Kommen Sie mit auf eine Entdeckungstour durch tiefe Schluchten und über himmelhohe Pässe in Graubünden.

Albula/Alvra-Alvaschein
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1_St. Peter in Mistail

Kostbares Kleinod mit Federvieh

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Man geht einen Waldweg leicht bergab. Hinter einer Biegung sieht man sie auf einer Lichtung vor sich, die Kirche St. Peter in Mistail: Eine helle Erscheinung und doch ein bisschen weltvergessen wirkt sie an diesem Ort – abseits von Siedlungen auf einem kleinen Plateau über dem Albulatal. Dabei kreuzen sich wenige hundert Meter von hier wichtige Verkehrsrouten. Dass es hier dennoch so beschaulich zugeht, verwundert angesichts der kulturhistorischen Bedeutung von St. Peter: Als einzige Kirche der Schweiz hat sie drei original erhaltene Apsiden – das ist nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, das sieht auch sehr schön aus.

Auf der wiesenbegrünten Lichtung steht nur ein Bauernhaus der Kirche zur Seite, eine Gänseschar begrüsst einen – oder hält Wache? Dass man – Federvieh ausgenommen – den Ort bisweilen ganz für sich allein hat, verstärkt die historische Aura, die der Bau aus karolingischer Zeit ausstrahlt.

Info

Adresse Mistail, 7451 Albula/Alvra-Alvaschein | Anfahrt A13, Chur–San Bernardino, Ausfahrt Thusis-Süd, links auf Albulastrasse, nach 10,5 Kilometern rechts auf Mistail, parken, circa 10 Minuten Fussweg | Öffnungszeiten in schneefreier Zeit tagsüber geöffnet (falls geschlossen: Schlüssel im Bauernhaus nebenan)| Tipp In Bad Alvaneu, wenige Kilometer östlich von Tiefencastel, ist bei konstant 34 Grad Badetemperatur Entspannung angesagt. Das Wasser kommt aus einer Schwefelquelle (Albulastrasse, 7473 Albula/Alvra-Alvaneu Bad, Mo–So 10–19 Uhr geöffnet, Nov. geschlossen).

Nonnen haben wahrscheinlich um 800 an diesem abgeschiedenen Ort ein Kloster gegründet, drei Jahrhunderte später wurde die nachnachfolgende Generation vertrieben. Später diente das abgelegene Gotteshaus als Bestattungskirche. Das Innere schmücken Fresken aus verschiedenen Epochen, die meisten aus gotischer Zeit, aus dem 14. Jahrhundert. An den Seitenwänden und in der südlichen Apsis – das ist von innen betrachtet die rechte – sind aber auch verblasste Fresken aus der Zeit kurz nach dem Kirchenbau im 9. Jahrhundert zu erkennen.

Wenn alljährlich im Sommer beim Kulturfestival «Origen» verschiedene Orte im Surses (Oberhalbstein) auf Rätoromanisch bespielt werden, ist oft auch St. Peter in Mistail einer der Veranstaltungsorte. Werden in diesem Gebäude morgens um 5.30 Uhr die Laudes – gregorianische Morgengesänge – angestimmt und dringt durch die kleinen Fenster das erste Tageslicht herein, wird die mystische Stimmung des Ortes in ungeahntem Mass verstärkt.

In der Nähe

Der Zigeunerwagen (1.65 km)

Crap Carschenna (8.43 km)

Die Viamala (8.65 km)

Der Landwasserviadukt (8.96 km)

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Albula/Alvra-Stierva
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2_Der Zigeunerwagen

Lebe unstet, aber ganz entspannt

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«Lustig ist das Zigeunerleben», sagt zumindest der Volksliedmund. Auch wenn die Wirklichkeit sicher oft anders aussah, wohnt doch dem Umherziehen ohne festen Wohnsitz das Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit inne. Sinnbildlich dafür steht der Wagen, in dem das «fahrende Volk» wohnte und mit dem man jederzeit schnell den Wohnort wechseln konnte. In unserer durchorganisierten Welt ist heute wenig Raum fürs Nomadisieren, dafür hat das einfache Leben in ungemauerter Wohnstatt inzwischen einen Geschmack von Freiheit und Luxus bekommen.

Bei Stierva, hoch über dem Albulatal, kann man mitten im Grünen ein Zigeunerleben auf Zeit führen. Auf die Option, Bett und vier Wände mitzunehmen und einfach an anderer Stelle wiederaufzubauen, muss man allerdings verzichten, der Wagen bleibt stets an Ort und Stelle. Die ist dafür bestens gewählt: Man schaut von aussichtsreicher und sonnenverwöhnter Terrassenlage in drei Richtungen auf die umliegende Bergwelt. In der Umgebung gibt es viel Natur zu erkunden. Um den Magen zu füllen, muss nicht nach dem «Hirschlein» aus dem Lied übers Zigeunerleben gejagt werden – der Bio-Bauernhof Culegna Sundelas der Familie Brenn-Luiprecht, der die ungewöhnliche Ferienbehausung anbietet, sorgt für die nötige Verpflegung. In der Kochnische oder an der zum Wagen gehörenden Grillstelle lässt sich dann das Erlegte gut zubereiten, und das ein oder andere Liedchen wird am Feuer sicher auch in Erinnerung kommen. Statt zum Betten «Moos und Reisig» in ein Loch zu legen, wie im Volkslied erdacht, kuschelt man sich ins bequeme Federbett des Bauwagens. Im Winter ist er beheizt. Allerdings steht der Wagen dann nicht mehr oberhalb des Dorfes in der Natur, sondern gleich neben Culegna Sundelas. Den Wagen hat die Familie von einem Alphirten übernommen, mit Malereien an der Aussenwand aufgehübscht und mit den Annehmlichkeiten des modernen Lebens versehen.

Info

Adresse Culegna Sundelas, 7459 Albula/Alvra-Stierva | Anfahrt H3, Chur–Silvaplana, in Tiefencastel rechts auf Julierstrasse Richtung Mon/Stierva, nach 200 Metern rechts auf Kirchgasse, nach 4 Kilometern rechts auf Caschneras Richtung Stierva, nach 2,6 Kilometern rechts 1. Haus | Öffnungszeiten Buchungen unter Tel. 081/6812340| Tipp Auf der Ranch Farsox in Alvaneu Bad kann man sich sowohl im Tipi als auch im Kornbettzimmer über dem eigentlichen Feld zur Ruhe betten. Die verschiedenen Übernachtungsgelegenheiten sind im Internet unter www.wasserundbrot.ch zusammengefasst.

In der Nähe

St. Peter in Mistail (1.65 km)

Die Viamala (7.66 km)

Crap Carschenna (8.18 km)

Der Klangwald (9.57 km)

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Andeer
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3_Die Rofflaschlucht

«So an Wasserfall, den ha mer ou»

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... dachte sich Christian Pitschen-Melchior, Auswanderer vom Hinterrhein, als er die gigantischen Niagarafälle zu Gesicht bekam. Dass man in Amerika mit dem wilden Wasser-Spektakel ein gutes Geschäft machte, liess ihn nicht unbeeindruckt, schliesslich betrieb seine Familie das Wirtshaus an der Rofflaschlucht. Die war zu jenem Zeitpunkt noch nicht begehbar, bot aber auch einen rauschenden Wasserfall. Dass Christian Pitschen-Melchior überhaupt den Weg ins ferne Amerika antrat, lag an der miserablen wirtschaftlichen Situation im Hinterrheintal, nachdem das Transitgeschäft eingebrochen war – schuld war die Eröffnung des neuen Bahntunnels auf der Gotthardroute 1882. Mit Unterstützung der Gemeinden gingen viele junge Männer in die Fremde.

Pitschen-Melchior jedoch fühlte sich nicht wohl auf dem fremden Kontinent, wo er einem englischen Edelmann zu Diensten war und mit ihm herumreiste. Die Erfahrung der Niagarafälle brachte die zündende Idee. Zusammen mit seiner Frau, die ihm nachgezogen war, ging er 1901 zurück in die Heimat und machte sich daran, das Potenzial der gewissermassen hinterm Haus liegenden Ressource zu heben.

Info

Adresse Rofflaschlucht, 7440 Andeer | Anfahrt A13, Chur–San Bernardino, Ausfahrt Rofla/Avers, rechts auf Rofla Richtung Rofla/Andeer, nach 400 Metern rechts auf H13 | Öffnungszeiten April Do–Mo 9–18 Uhr; Mai–Okt. täglich 9–19 Uhr| Tipp Im Mineralbad Andeer lässt sich nach einem Gang durch die wilde Schlucht bei 34 Grad Celsius drinnen wie draussen gut entspannen (täglich 8–21 Uhr, 1. Dez.–21. Dez. geschlossen).

Er übernahm das Gasthaus und begann Ende 1906 mit der Erschliessung der Schlucht. Mit 8.000 Sprengladungen und viel Bohren per Hand legte die Familie Pitschen-Melchior binnen sieben Wintern – im Sommer war man mit Landwirtschaft beschäftigt – die Felsengalerie an, die man heute noch begehen kann. Die Investition lohnte sich, die Galerie, in die man nur durch das Gasthaus gelangt, brachte neue Besucher und sicherte der Familie die Existenz. Der Höhepunkt liegt am Ende des Weges – dort unterquert man den Hinterrhein, der mit mächtigem Getöse in die Schlucht hinabstürzt. Auf dem Weg bleibt man indes fast gänzlich trocken.

Im Dokumentationsraum am Zugang zur Schlucht erfährt man Wissenswertes zum Bau des Weges.

In der Nähe

Die Festungskantine (2.65 km)

Der Klangwald (7.64 km)

Der Pschuuri-Brauch (8.02 km)

Alte Herberge Weiss Kreuz (8.04 km)

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Avers-Cresta
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4_Der Seelabalgga

Transzendenz-Aspekt beim Hausbau

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Ein Paradoxon der modernen Zeit ist ihr Umgang mit dem Tod. Eigentlich müsste im Effizienz-Zeitalter das Ableben von alten und kranken Menschen gefeiert werden, vermeidet es doch Krankheitsund Pflegekosten, ausserdem wird meist ein Raum frei. Dennoch wird alles versucht, das Ende so lange wie möglich hinauszuzögern. Da der Tod zudem nicht chic ist, wird er verdrängt und findet oft in anonymen Einrichtungen statt. In früheren Zeiten dagegen gehörte er wie selbstverständlich zum Leben. Alte und Kranke wurden bis zuletzt zu Hause gepflegt, wo ein bewusstes Abschiednehmen möglich war.

Dort, wo die Volksgruppe der Walser siedelte, wie im Averser Tal, hatten viele Häuser eine Öffnung in der Fassade, die mit einem herausnehmbaren Holzklotz verschlossen war – dem Seelabalgga. Die Menschen waren davon überzeugt, dass man der Seele eines Sterbenden einen separaten Austritt aus seiner Wohnstatt ermöglichen müsste. Lag jemand im Haus im Sterben, öffnete man den Seelabalgga, der in der Aussenwand des «Liggspycher» – der Schlafkammer – angebracht war. Hatte der Dahinscheidende einen kräftig gebauten Brustkorb und ein starkes Herz, öffnete man den Balken frühzeitig, da man annahm, der Todeskampf würde ansonsten länger dauern. Mit dem Entweichen der Seele aus dem Haus in die Bergwelt stellte man sich zugleich eine Reinwaschung von Sünden vor.

Info

Adresse Cresta 111, 7447 Avers-Cresta | ÖPNV A13, Chur–San Bernardino, Ausfahrt Rofla/Avers, links auf Rofla Richtung Avers-Juf, nach 18 Kilometern auf der linken Seite | Tipp Die Kirche von Cresta unterhalb des Dorfes hat zwar bescheidene Ausmasse, steht aber in ihrer exponierten Lage wie ein Wahrzeichen für das dünn besiedelte Tal.

Mittlerweile sind die Seelenbalken selten zu finden. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie nicht mehr genutzt, stattdessen öffnete man einfach das Fenster. Menschen, die in einem Raum mit Seelabalgga schliefen, berichteten verschiedentlich von seltsamen Klopfgeräuschen aus seiner Richtung.

Der Balken an dem 1546 erbauten Haus gegenüber dem «VOLG«-Laden in Cresta weist ausser einem kleinen Kreuz keine Verzierung auf, ist asymmetrisch und wie selbstverständlich in die Fassade integriert. Ein Zeugnis tief verwurzelten Glaubens.

In der Nähe

Der Murmeltierpfad (3.95 km)

Das höchstgelegene Dorf (5.95 km)

Die Alp Sovrana (8.55 km)

Das Posthotel Löwen (10.03 km)

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Avers-Juf
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5_Das höchstgelegene Dorf

Dem Himmel ganz nah

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Weltentrückt zwischen weichen Bergflanken liegen ein paar Häuser. Die Baumgrenze hat man schon unter sich gelassen. Die schmale Strasse, die an das Dorf heranreicht, endet hier, talaufwärts geht es nur zu Fuss weiter. Selbst die Strommasten verneigen sich vor der Abgeschiedenheit – die Leitungen versinken vor Juf, dem hintersten Tal-Ort, in der Erde. Juf ist in doppeltem Sinne das obere Ende der Welt.

Der letzte Weiler im Avers, Heimat von etwa 30 Seelen, liegt auf 2.126 Metern und ist damit die höchstgelegene ganzjährig bewohnte Siedlung Europas. Am oberen Ende auch deshalb, weil man von der nächsten Durchgangsstrasse immerhin 27 Kilometer talaufwärts unterwegs ist, bis man Juf erreicht. Den unteren Teil macht das Ferraratal aus, die oberen zehn Kilometer sind das eigentliche Avers, wo in acht Weilern ganze 170 Menschen leben.

Info

Adresse Ober Juf, 7448 Avers-Juf | Anfahrt A13, Chur–Bellinzona, Ausfahrt Rofla/Avers-Juf, links Richtung Avers-Juf | Tipp Im Winter führen Schneetouren in den unberührten Talschluss, auf umliegende Pässe und Gipfel oder über den Stallerberg nach Bivio.

Die Besiedlung des Tals durch die deutschsprachigen Walser geschah von Süden her. Diese von den Alemannen abstämmige Volksgruppe wanderte im 13. Jahrhundert vom heutigen Wallis gen Osten und liess sich in vielen Hochtälern der Bündner Zentralalpen nieder. Im Avers verdrängten sie die rätoromanische Bevölkerung, deren Besiedlung durch viele Ortsnamen noch verbürgt ist.

Noch bis zum Bau der Alten Averserstrasse 1895 ins Rheintal im Norden wurden die von aussen benötigten Güter von Süden, vom italienischen Chiavenna her über den hochalpinen Forcellinapass oder den Madrisberg importiert.

Trotz der idealen Bedingungen für Wintersport ist das ganze Tal vom grossen Andrang verschont geblieben. Gerade einmal drei Skilifte gibt es im Ortsteil «Am Bach». In Juf warten eine Pension und einige Ferienwohnungen auf Gäste, die auf Après-Ski-Gaudi gerne verzichten. Wenn man die unzersiedelte Landschaft und die funkelnden Sterne in klarer Winternacht geniesst, wünscht man, dass hier alles noch eine Weile so bleiben möge.

In der Nähe

Der Murmeltierpfad (2.22 km)

Der Seelabalgga (5.95 km)

Die Viel-Sprachen-Gemeinde (5.95 km)

Der Pass Lunghin (7.41 km)

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Avers-Juppa
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6_Der Murmeltierpfad

Hör' mal, wer da pfeift!

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Ein Vogel ist das nicht, der klingt anders. Ausserdem kommt es immer wieder von derselben Stelle am Hang. Na, dann muss das wohl ein Murmeltier sein – oder Mungga, wie es in der Schweiz heisst –, das vermeintliche Pfeifen ist tatsächlich auch mehr ein Schreien, das aus dem Kehlkopf kommt. Sind die nicht als besonders scheu bekannt? Allen Grund dazu hätten sie. Früher landeten sie regelmässig im Kochtopf. Ihrem Fett sagte man eine heilende Wirkung nach, Kinder führten sie auf Jahrmärkten vor. Weil auch ihre Pelze ziemlich beliebt waren, schränkte sich ihr Lebensraum auf hochalpine Standorte ein.

Im Val Bregalga haben die sympathischen Nager wenig Scheu vor dem Menschen. Man bleibt zwar auf Distanz, lässt sich aber auch nicht in seinem Tagewerk stören. Und das mutet recht entspannt an. Fressen, in der Sonne dösen, fressen, ein Schwätzchen mit dem Nachbarn halten, fressen, Fremdlinge schreiend grüssen oder beschimpfen – wie man es nehmen mag –, fressen, Nasen aneinanderreiben, fressen. Die Nahrungsaufnahme beschäftigt die Tiere einen grossen Teil des Tages. Schliesslich haben sie im Sommer nur begrenzt Zeit, um sich – bei vollständig vegetarischem Speiseplan – Fettreserven für den langen Winterschlaf anzufressen. Der dauert bis zu neun Monate, dabei sind die Munggen auch Meister im Energie-Haushalten: Der Verbrauch sinkt auf ein Zehntel, zwei Atemzüge pro Minute genügen ihnen. Beim Fitmachen für den Winterschlaf sollte man sie also nicht stören, höchstens einmal freundlich zurückpfeifen, äh ... -schreien.

Info

Adresse Loretzhaus, 7447 Avers-Juppa | Anfahrt A13, Chur–San Bernardino, Ausfahrt Rofla/Avers, links auf Rofla Richtung Avers-Juf, nach 21,5 Kilometern in Juppa rechts auf Loretzhaus, nach 400 Metern parken | Tipp Gute regionale Küche gibt es im Hotel Bergalga, dazu hin und wieder Konzerte und Lesungen mit Werken zur Kulturgeschichte des Avers (zwischen Juppa und Podestatenhaus, Infos unter www.bergalga.ch).

Der Murmeltierpfad vom Loretzhaus bei Juppa zur Alp Bregalga führt in ein Gebiet mit einer der höchsten Populationen in den Alpen. Auf den drei Kilometern erzählen zwölf Schautafeln Wissenswertes über die Tiere. Zwischen 11 und 15 Uhr halten sie übrigens Siesta, und auch bei Regen ist es im Bau gemütlicher. Dann ist nur der hölzerne Kamerad am Start des Weges zu sehen.

In der Nähe

Das höchstgelegene Dorf (2.22 km)

Der Seelabalgga (3.95 km)

Die Alp Sovrana (6.94 km)

Die Viel-Sprachen-Gemeinde (7.86 km)

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Bergün/Bravuogn
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7_Heidis Zöpfe

Haariges Relikt eines Mythos

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Diese Haare sind echt Heidi. Sie schmückten das Haupt des Mädchens, das das Bild der Welt von der Romanfigur «Heidi» prägte. Ein guter Grund, das Ortsmuseum Bergün, in dem dieses wichtige Requisit aufbewahrt wird, in die 111-Orte-Liste aufzunehmen.

Die Zöpfe gehörten Elsbeth Sigmund, Hauptdarstellerin im ersten deutschsprachigen Heidi-Film von 1952 sowie in der Fortsetzung «Heidi und Peter» von 1954, dem ersten Schweizer Farbfilm. Dass die Zöpfe hier liegen, kommt nicht von ungefähr. Beide Filme wurden in und rund um Bergün gedreht, besonders in Latsch, einem kleinen Almdorf oberhalb des Ortes sowie auf der Alp Falein bei Filisur. Beide Drehorte boten das unverfälscht historische Bild, das für die Darstellung der idyllischen, heilen Heidiwelt benötigt wurde. Das eigentliche Heidiland ist natürlich Maienfeld, wo die weltbekannte Geschichte von Johanna Spyri verortet ist und wo das weltberühmte Kinderbuch entsprechend vermarktet wird. Doch Maienfeld war in den 1950er Jahren bereits baulich so stark modernisiert, dass es als Darsteller nicht recht taugte.

Info

Adresse Veja Megstra 113A, 7482 Bergün/Bravuogn | Anfahrt H3, Chur–St. Moritz, in Tiefencastel links auf Julierstrasse, nach 800 Metern im Kreisverkehr 2. Ausfahrt auf Pro Mulegn, nach 4 Kilometern rechts auf Albulastrasse, nach 12 Kilometern in Bergün rechts auf Veja Megstra, nach 150 Metern links auf Veja Megstra | Öffnungszeiten Mitte Juni–Ende Okt. und Ende Dez.–Ostern Mi 14–17.30 und 19–21 Uhr, Do und So 14–17.30 Uhr| Tipp Das Dreh-Dorf Latsch, hoch auf einer Terrasse über Bergün gelegen, vermittelt bis heute den pittoresken Eindruck eines Ortes, an dem die Zeit stehen geblieben ist (über Les-Cha-Sur, am Bahnhof vorbei).

Bei den Dreharbeiten musste improvisiert werden: Schminken und Umziehen erledigten die Schauspieler im Stall von Geissen, die sich dafür mit Überfällen auf die Lunchpakete rächten. Um echten Bergwind zu erzeugen, musste extra ein Flugzeugmotor auf die Alp gebracht werden. So wurde der Film für damalige Verhältnisse mit 600.000 Franken reichlich teuer.

Neben den Zöpfen der Hauptdarstellerin sind im Bergüner Ortsmuseum weitere Requisiten aus den Heidi-Filmen zu sehen, so der Rollstuhl von Clara. Ob Elsbeth Sigmund sich ihrer alten Zöpfe nach Ende der Dreharbeiten entledigte, um damit auch etwas im übertragenen Sinn abzuschneiden respektive hinter sich zu lassen – «Heidi» zum Beispiel –, ist nicht weiter verbürgt. Jedenfalls blieben die Heidi-Verfilmungen die einzigen Leinwand-Werke der damals 13-Jährigen.

In der Nähe

Der Landwasserviadukt (8 km)

Die BierVision (9.5 km)

Der Antifaschist auf dem Dorf (14.11 km)

St. Peter in Mistail (14.91 km)

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Bivio
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8_Die Viel-Sprachen-Gemeinde

Dolmetscher am Dorfstammtisch?

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Wenn die babylonische Sprachverwirrung Strafe für menschlichen Hochmut ist, dann taten sich die Bündner in dieser Sünde offenbar besonders hervor. Eine Sprachen-Karte des Kantons sieht aus wie ein Flickenteppich, viele Gegenden sind zweisprachig. Bleibt zu fragen: Verstehen sich da alle? Und beeinflussen sich die Sprachen gegenseitig?

Die Antworten lautet jeweils «Ja». Immer mehr deutsche Begriffe schleichen sich ins Romanische ein.

Info

Adresse (zum Beispiel) Restaurant «Solaria», Julierstrasse 43, 7457 Bivio; Casa Comunale und Schulhaus, Vea Jerts 229, 7457 Bivio | Anfahrt H3, Chur–St. Moritz, nach 56 Kilometern rechts | Tipp Im Surses (Oberhalbstein) kann man im Sommer die romanische Sprache in Ferienkursen ein wenig erlernen (Infos unter www.savognin.ch/DE/Sommer/Ort/Kultur/Raetoromanisch.html).

Verständlicherweise fürchtet man um das Überleben der Minderheitensprache. So wurde in Behörden und Schulen das «Rumantsch Grischun» eingeführt – eine künstliche Einheitssprache mit neuen Begriffen. Doch die wird – im Gegensatz zum Hannoveraner Hochdeutsch im deutschen Sprachraum – in dieser Form nirgends gesprochen, denn im Romanischen hat sich in jeder Region ein eigener Dialekt ausgebildet. So ist die Akzeptanz der Einheitssprache nicht sehr gross – vertgilen lassen, wie sie selbst es, die Sprache mixend, ausdrücken würden, wollen sich die Romanischsprachigen schliesslich nicht – «tgil» bedeutet übrigens «Arsch».

Wer sehen will, wie die Sprachen auf engstem Raum koexistieren, muss nach Bivio gehen. Die «mehrsprachigste Gemeinde der Schweiz» hat gerade einmal 200 Einwohner. Als einziger Ort nördlich der alpinen Wasserscheide spricht Bivio traditionell italienisch, wobei das Deutsche sich stark verbreitet hat. In der Gemeindeversammlung wird seit Längerem auf Deutsch konferiert, das Protokoll wurde zugleich noch lange auf Italienisch verfasst. Bündnerromanisch sprechen ebenso einige Bewohner. Zählt man penibel die verschiedenen Dialekte hinzu, bringt der Ort es auf sage und schreibe sieben Sprachen, Dialekte und Mundarten. Sicher ein Grund, in Bivio einmal Stammtischgesprächen zu lauschen.

In der Nähe

Das höchstgelegene Dorf (5.95 km)

Der Julier (6.04 km)

Der Pass Lunghin (6.29 km)

Das Posthotel Löwen (6.5 km)

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Bivio/Silvaplana
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9_Der Julier

Alter Weg über die Alpen

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Mal geht es ein kurzes Stück steil in Serpentinen bergauf, dann wieder unmerklich über weite Hochebenen. Mehrfach meint man, doch endlich bald oben sein zu müssen. Diese stufenweise Auffahrt geht auf Bergstürze in prähistorischen Zeiten zurück. Nach einem letzten steilen Stück hinter Bivio sieht man aber doch die Baumgrenze endlich unter sich, und dann ist man auf einmal oben. Für den Strassenverkehr wird der Julierpass das ganze Jahr über offen gehalten. Die unspektakuläre Topografie hat ihn seit jeher für einen Übergang über den Alpenhauptkamm prädestiniert.