111 Orte in Luzern und am Vierwaldstättersee, die man gesehen haben muss - Marcus X. Schmid - E-Book

111 Orte in Luzern und am Vierwaldstättersee, die man gesehen haben muss E-Book

Marcus X. Schmid

4,8

Beschreibung

Queen Victoria und der Märchenkönig Ludwig II., Goethe und Tolstoi, Audrey Hepburn und andere Berühmtheiten suchten einst die Gegend um den Vierwaldstättersee auf, heute stürmen chinesische Reisegruppen die Souvenirläden Luzerns. Zwischen Geschichte und Gegenwart gibt es aber auch Orte, die weder eine englische Königin noch ein chinesischer Tourist je gesehen haben – und vielleicht auch die Luzerner nicht.

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111 Orte in Luzern und am Vierwaldstättersee, die man gesehen haben muss

Marcus X. Schmid und Michel Riethmann

emons: Verlag

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Emons Verlag GmbH // 2016 Alle Rechte vorbehalten Texte: Marcus X. Schmid © der Fotografien: Michel Riethmann Gestaltung: Emons Verlag Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL ISBN 978-3-96041-093-5 E-Book der gleichnamigen Originalausgabe erschienen im Emons Verlag

Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über Neues von emons: Kostenlos bestellen unter www.emons-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1_Das Alpineum | LuzernWo der Zuschauer zum Bergsteiger wird

2_Das Atelier Treger | LuzernDie ultimative Lösung der Kleiderfrage

3_Die Baselstrasse | LuzernFarben und Grautöne im Melting Pot

4_Beat Studer | LuzernWohnen mit Stil

5_Der Bellerive-Park | LuzernEin Relikt herrschaftlicher Wohnkultur

6_Das Berner Bataillon | LuzernFerdinand Hodlers Gesellenstück

7_Die Bruder-Klaus-Kapelle | LuzernProbleme mit der Kleiderordnung eines Heiligen

8_Die Buvette | LuzernWo das Dolcefarniente gepflegt wird

9_Die Cafébar Salü | LuzernUn air de Paris à Lucerne

10_Die Casa Tessuti | LuzernWo die Luzerner Altstadt am hellsten ist

11_Chocolat Schönenberger | LuzernVon der Werbe- zur Markenschokolade

12_Chronoswiss | LuzernPräzisionsarbeiter zeigen ihr Handwerk

13_Claudia Krebser | LuzernAnsprüche an die zweite Haut

14_Die Cysat Apotheke | LuzernReverenz an einen vielseitigen Apotheker

15_Die Dampfschiffflotte | LuzernDie schmucken «alten Damen» der Seeschifffahrt

16_Der Drachenstein | LuzernWenn Drachen einen fallen lassen

17_Der Dreilindenpark | LuzernEine Oase für die Musik

18_Das Echowerk | LuzernHimmlisches Donnerwetter

19_Edizioni Periferia | LuzernEin Scharnier zwischen Kunst und Leben

20_Der Fasnachts-Bazar | LuzernVorbereitung auf den Ausnahmezustand

21_Das Fluhmattschulhaus | LuzernEin Pole macht sich für den Frieden stark

22_Das Foyer im Kunstmuseum | LuzernSinn, Ordnung und Schönheit im Chaos der Welt

23_Der Friedhof Friedental | LuzernChristen, Juden, Muslime und ein Nobelpreisträger

24_Das Grottino 1313 | LuzernL’arte di mangiar bene

25_Die Guillotine | LuzernEine erfrischende Kühle im Nacken – und Kopf ab!

26_Die Gütschbahn | LuzernDie Probe aufs Exempel

27_hässig & hässig | LuzernKaffeerösten als Handwerk verstanden

28_Hinter Musegg | LuzernWo der Hahn an der Stadtmauer kräht

29_Das Hotel Montana | LuzernDaiquiri bei Hemingway oder gleich an die Beach

30_Das Jailhotel | LuzernStatt lebenslänglich eine Nacht

31_Die Jazzkantine | LuzernJamsessions im Keller des Szene-Cafés

32_Das Kleinkraftwerk | LuzernEin Pinkelstrahl als Energieanzeiger

33_Löwengraben 4 und 9 | LuzernDer renitente Rentner

34_Die Max-Waibel-Gedenktafel | LuzernSpäte Ehrung – dort, wo niemand hinschaut

35_Das Nadelwehr | LuzernEin Eisenbahningenieur staut Wasser

36_Die Piffaretti-Manufaktur | LuzernWo das Handwerk goldenen Boden hat

37_René’s Quartierladen | LuzernEin Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität

38_Das Richard-Wagner-Museum | LuzernIdyll mit Fidi-Vogelsang und Orange-Sonnenaufgang

39_Richemont | LuzernKnuspriges Brot und süsse Versuchungen

40_Die Sankt-Karli-Kirche | LuzernAls der Sichtbeton in Mode kam

41_Die Schmuckwerkstatt Schedler | LuzernHochkarätig handgefertigt

42_Soul Chicken | LuzernWo die Hühner eine Seele haben

43_Das Stadtarchiv | LuzernEin Neubau für das Gedächtnis der Stadt

44_Das Stadtrelief | LuzernKleinstadt im Grossformat

45_Die Steinenstrasse | LuzernMalerlehrlinge zeigen Street-Art

46_Die Suidter’sche Apotheke | LuzernVom Kugelfisch zu Otto’s Nasensalbe

47_The Hotel | LuzernGefährliche Liebschaften an der Zimmerdecke

48_Die Tolstoi-Gedenktafel | LuzernDer russische Graf und die englischen Snobs

49_Der Totentanz | LuzernWenn das Beinhausorchester aufspielt

50_Uhrenfournituren Süess | LuzernDer Uhrmacher der Uhrmacher und seine Preziosen

51_Vom Fass | LuzernRegionale Produkte aus anderen Regionen

52_Die Westfassade des Bahnhofs | LuzernGerettete Bahnhofskunst

53_Willisegger | LuzernWeihnachten das ganze Jahr

54_Das Wirtshaus Galliker | LuzernDie gute Dorfbeiz in der Stadt

55_Das Wohnhochhaus Schönbühl | LuzernEin finnisches Lehrstück

56_Die Zapfleitung | Luzern30 Zentimeter vom Tank ins Glas

57_Die Zuckerbäckerin | LuzernSüsse Träume auf Bestellung

58_Das Telldenkmal | AltdorfFreiheitsstolz und Kunstfreiheit

59_Das Kloster Sankt Avgin | ArthEin Refugium für die Sprache Christi

60_Das Bergsturzmuseum | Arth-GoldauErinnerungen an eine Naturkatastrophe

61_Das Zwyssig-Denkmal | BauenMorgenrot, Strahlenmeer und streitlustige Söhne

62_Rudolf Blättlers «Ubinas» | BeckenriedEin geschlechtsloses Geschöpf gibt zu denken

63_Das Victorinox Visitor Center | BrunnenEin nützliches Produkt für den Hosensack

64_Die Tellskapelle | Bürglen… und schoss dem Kindt den Oepfel ab dem Houpt

65_Der Luzerner Garten | EbikonEin Steinmetz denkt über die Welt nach

66_Die Kunstplattform akku | Emmen-EmmenbrückeMehr als nur eine Galerie

67_Das Museum Rainmühle | Emmen-EmmenbrückeIndustriekultur in ländlicher Idylle

68_Der Sedel | Emmen-EmmenbrückeSelbstverwaltung im Gefängnis

69_Der Tierfriedhof | Emmen-EmmenbrückeAbschied in Würde

70_Holzen Fleisch | EnnetbürgenWo nur das Beste gut genug ist

71_Die Villa Honegg | EnnetbürgenPetrodollars in den Alpen

72_Die Schifflände Flüelen | FlüelenDer Sturm nimmt überhand. Gehabt euch wohl …

73_Die alte Axenstrasse | Flüelen/SisikonFrüher gefährlich, heute romantisch … und morgen?

74_Das Historische Museum | GersauGersau bleibt so oder so Gersau

75_Der Kaffeeladen Hosennen | GersauWo der Kaffeeduft die Nase kitzelt

76_Die Kindlimord-Kapelle | GersauWas der Volksmund erzählt

77_Die Tellswerkstatt | GersauWilhelm Tells fliegende Bohrmaschinen

78_Die Glasi | HergiswilKunst und Handwerk als Gesamtkunstwerk

79_Die Eawag | Horw-KastanienbaumDas Labor der Wasserdoktoren

80_Weinbau Ottiger | Horw-KastanienbaumEin Quereinsteiger mit Erfolg

81_Das «Museum im Bellpark» | KriensÜberzeugende Wohnraumzweckentfremdung

82_Die Sonnenbergbahn | KriensEin Geächze wie vor 100 Jahren

83_Die Wallfahrtskirche Hergiswald | Kriens-ObernauBarocke Rätsel an der Kirchendecke

84_Die Distillerie Räber | KüssnachtKonfitüre, Kirsch und Kafi Luz

85_Die Hohle Gasse | Küssnacht-Immensee«Wilhelm Tell», 4. Aufzug, 3. Szene recycelt

86_Die Ruine Schwanau | LauerzEin böser Vogt, Eremiten und eine gute Küche

87_Der Englische Friedhof | MeggenWhere British people rest in peace

88_Die Fischerei Gottfried Hofer | MeggenWo der See am besten schmeckt

89_Die Piuskirche | MeggenKeine Fenster und viel Licht

90_Das Rolf-Brem-Atelier | MeggenOder was dereinst ein Skulpturenweg werden könnte

91_Der Getränkehandel Schürch | RothenburgWo regionales Obst gemostet und gebrannt wird

92_Toni’s Zoo | RothenburgAffen turnen, Echsen dösen, Pinguine diskutieren

93_Das Weisse Kreuz | SchwarzenbergFamilie Bachmann lädt zu Tisch

94_Das Café Haug | SchwyzWo mittags halb Schwyz zusammenkommt

95_Das Forum Schweizer Geschichte Schwyz | SchwyzEin anderer Blick auf die Ursprünge der Schweiz

96_Felchlin | Schwyz-IbachDer zarte Duft der Grand Cru Couverturen

97_Das Ex-Grand-Hotel | SeelisbergEin Bergdorf im Zeitalter der Erleuchtung

98_Das Rathaus Sempach | SempachEin Rapper ersetzt Lanzen durch Gewehrläufe

99_Die Vogelwarte | SempachSingen, fliegen, fressen und gefressen werden

100_Das Glockenspiel | SisikonWo Musik nach Schokolade duftet

101_Das Beinhaus | StansSchädelordnung muss sein

102_Das Charbel-Makhlouf-Bild | StansDer Bruder Klaus aus dem Libanon

103_Geissäheimet Meierskählen | StansVon der Geiss der Ricotta, vom Gitzi der Braten

104_Das Winkelrieddenkmal | StansNoch länger als Tote leben, die nie gelebt haben

105_Die Rotzschlucht | StansstadAuf dem Wasserweg über der Industriezone

106_Die Taverne 1879 | Stansstad-ObbürgenHeimelig-alpiner Stil mit iPod-Docking-Station

107_Das Felsentor | VitznauWo Buddha und Schwester Theresia zu Hause sind

108_Das Museum Vitznau-Rigi | VitznauVon Rigibahnen und aufdringlichen Schuhputzern

109_Die Wissifluh | VitznauWollschweine auf der Kanzel

110_Der Haldihof | WeggisLandluft statt Laptop

111_Die Halbinsel Hertenstein | Weggis-HertensteinIllustre Gäste und eine begehrte Villa

Bildteil

Übersichtskarten

Vorwort

Mitten in der Schweiz liegt die sogenannte Innerschweiz und mitten in ihr der vielarmige Vierwaldstättersee. Wirtschaftliches Zentrum der Gegend ist Luzern mit rund 80.000 Einwohnern. Mit ihren Gassen, Plätzen und Brücken, mit ihren berühmten Museen zieht die Stadt Touristen scharenweise an, aber was wäre Luzern ohne den See? Die stolzen Hotelpaläste der Belle Époque am Ufer würden ihre Wirkung ebenso einbüssen wie die kühne Architektur von Jean Nouvels Kultur- und Kongresszentrum (KKL).

Der Vierwaldstättersee und die umliegenden Berge waren im 19. Jahrhundert eine erstrangige Destination des internationalen Tourismus. Der Amerikaner Mark Twain bestieg den Rigi, der Russe Tolstoi schimpfte über die englischen Snobs, Queen Victoria liess sich über den See fahren. In einer stattlichen Landvilla residierte Richard Wagner und empfing seinen Mäzen Ludwig II., der vor allem die Originalschauplätze von Schillers «Wilhelm Tell» aufsuchen wollte.

Wilhelm Tell ist der berühmteste Innerschweizer überhaupt. Den historischen Nachweis seiner Existenz ersetzen drei Tellskapellen, ein Denkmal in Altdorf und zahlreiche Gemälde. Wer denkt, Tell hätte nie gelebt, irrt. Er lebt, hier und heute – in Gersau, der «fryesten», weil rebellischsten aller Seegemeinden. Dort baut er in seiner Werkstatt gerade eine neue Armbrust.

Dieses Buch geht Geschichten rund um den See nach, ohne die Gegenwart zu vergessen: schräge Bars und andere Überraschungen, Handwerker vom Hosenträgerfabrikanten bis zur Zuckerbäckerin. Wo in der Gegend findet man den besten Käse, wo die beste Wurst, wo den besten Kaffee, wo den besten Schnaps? Über vieles stolperte ich auf meinen zahlreichen Streifzügen, auf vieles wurde ich von anderen gestossen. Mit ihren Hinweisen haben insbesondere Godi Amstutz, Adrian Balmer, Dominik Flammer, Bruno und Heidi Schmid-Kraner meine Arbeit befruchtet. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Luzern
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1_Das Alpineum

Wo der Zuschauer zum Bergsteiger wird

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Der Vergleich mit dem nahen Bourbaki-Panorama (siehe Ort 6) drängt sich auf, schliesslich spielt auch das kleinere, nur zwölf Jahre später eröffnete Alpineum mit der Trompe-l’Œil-Malerei. Beide sind Zeugen einer Epoche, in der Panoramen und Dioramen den Zuschauer mit einem Bühnenbild entzückten, das von der Zwei- in die Dreidimensionalität überging. Das Bourbaki-Panorama zählt heute zu den grossen Attraktionen der Stadt, das Alpineum hingegen dämmert vor sich hin.

Der Bau wurde 1885 als Museum zum gegenüberliegenden Löwendenkmal eröffnet, das an die königstreuen, beim Sturm auf die Pariser Tuilerien getöteten Schweizer Gardisten erinnert. Doch stiess eine Vertiefung des Themas auf wenig Interesse, und nach knapp zehn Jahren schloss das Museum seine Pforten. Der Maler Ernst Hodel kaufte darauf das Gebäude und realisierte hier, unterstützt von seinem Sohn, Ernst Hodel junior, fünf grossformatige Alpenpanoramen: Montblanc, Rigi, Jungfrau, Pilatus, Gornergrat. Die «Swiss Alps» waren, als das Alpineum 1901 eröffnete, ein touristisches Topziel, der Bau von Bergbahnen und Hotelpalästen war in vollem Gange. Das seit über 100 Jahren kaum veränderte Alpineum spiegelt ungebrochen den damaligen Zeitgeist wider. Heute wirkt es etwas angestaubt, der Besucherandrang ist etwa so gross wie derjenige des Vorgängermuseums vor seiner Schliessung. Die Engländer sind weg, dafür schauen gelegentlich Touristen aus dem Reich der Mitte vorbei. Die Rezeption trägt der neuen Kundschaft Rechnung, sie ist chinesisch.

Info

Adresse Denkmalstrasse 11, 6006 Luzern | ÖV Bus 1, 19, 22, 23, Haltestelle Löwenplatz | Öffnungszeiten April–Okt. täglich 9.30–12.30 und 13.30–18 Uhr | Tipp Das Kaffeehaus Alpineum, gleich daneben und bei Schülern und Studenten beliebt, ist eindeutig besser besucht als das Alpineum.

In den Schaukästen gegenüber den Dioramen sind Modelle von Schiffen, Bahnen und alten Holzhäusern sowie Unmengen von Bergsteigerutensilien zu sehen – all dies und alte Apparate aus der Geschichte der Stereofotografie sind ergänzende Beiträge des heutigen Besitzers, eines Urenkels von Ernst Hodel senior, der an derselben Adresse ein Atelier für Werbefotografie unterhält.

In der Nähe

Das Stadtrelief (0.08 km)

Das Berner Bataillon (0.12 km)

Die Steinenstrasse (0.15 km)

Chronoswiss (0.19 km)

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Luzern
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2_Das Atelier Treger

Die ultimative Lösung der Kleiderfrage

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Als sich der Elektromonteur Markus Elmiger und die Damenschneiderin Anna de Weerdt kennenlernten, kam es schon bald zur Stilfrage. Der Mann schätzte Hosenträger und hatte oft Mühe, für seine stattliche Grösse welche zu finden. Die schon von Berufs wegen modebewusste Frau fand dieses Accessoire – gelinde gesagt – nicht gerade schön. Die Lösung, die beide zufriedenstellte, hiess «Hosenträger mit Stil». Das war die Geburtsstunde des Atelier Treger.

In der gemeinsamen Wohnung brachte die Schneiderin dem Elektromonteur den Umgang mit der Nähmaschine bei, die ersten selbst entworfenen und selbst hergestellten Hosenträger entstanden. Freunde fanden das schick, die beiden produzierten in der Heimwerkstatt weitere Exemplare und merkten bald, dass sie eine Nische entdeckt hatten. Sie priesen ihre Produkte auf Wochenmärkten an, mit steigendem Erfolg, ein Atelier mit Verkaufsladen drängte sich auf.

Info

Adresse Bruchstrasse 45, 6003 Luzern | ÖV Bus 2, 9, 10, 12, 18, Haltestelle Hirzenhof | Öffnungszeiten Mi–Fr 10–12 und 13.30–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr | Tipp Gleich nebenan findet man das vegane «Crazy Cup Cake Café» – Wohnzimmeratmosphäre mit Hinterstübchen.

In der Bruchstrasse wurden die beiden fündig, bauten erst einmal kräftig um: Vorne entstand ein Verkaufsladen, hinten ein Atelier, wo heute zwei Angestellte und ein Lehrling arbeiten. Hier geht Anna de Weerdt auch ihrem ursprünglichen Metier nach, entwirft nebst Damen- auch Herrenbekleidung, vornehmlich im Stil der 50er Jahre. Fliegen und Einstecktücher (auf Schweizerdeutsch «Poschettli») ergänzen das Angebot. Das Hauptgeschäft aber sind immer noch «Treger»-Hosenträger. Die gibt es mittlerweile in rund 50 verschiedenen modischen Ausführungen, Classic und Deluxe, sowie Modelle für Kinder – je nach Wunsch mit Clips oder Lederlasche. Ein Y-Hosenträger besteht aus zwölf Einzelteilen. Da wird geschnitten, gestanzt, genäht und genietet, bevor das zentrale Verbindungsstück aus Lammleder den Treger-Stempel bekommt und das Produkt in eine elegante Schachtel gelegt wird. Wer etwas auf sich hält, greift gleich zur «Stilbox» – mit Fliege, Einstecktuch und Hosenträger.

In der Nähe

hässig & hässig (0.04 km)

Vom Fass (0.16 km)

Die Suidter’sche Apotheke (0.18 km)

Das Wirtshaus Galliker (0.22 km)

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3_Die Baselstrasse

Farben und Grautöne im Melting Pot

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Jede grössere Stadt in der Schweiz hat ihr Ausländerquartier, in Luzern ist es die Baselstrasse. Bei den einen ist sie wegen Drogen und Prostitution in Verruf, andere schätzen sie wegen ihrer Multikulturalität. Die Realität sieht dann noch einmal anders aus, vor allem für die Bewohner des sogenannten Problemquartiers.

Die Mietpreise sind billiger als anderswo, weil die Wohnungen oft heruntergekommen sind. Die stark befahrene Strasse trägt auch nicht zur Erhöhung der Lebensqualität bei. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen italienische Einwanderer hier ein, damals noch «Fremdarbeiter» genannt. An sie erinnert noch die Colonia Libera Italiana im Haus Nummer 21. Heute ist dort auch der Sentitreff zu Hause, der sich für die Belange des Quartiers einsetzt. Die Italiener reüssierten wirtschaftlich und suchten bessere Wohnlagen. Ihnen folgten in der Baselstrasse Immigranten aus Exjugoslawien, Kurden, Brasilianer, Afrikaner – heute sind rund 75 Nationen vertreten. Mit der Einwanderung kamen zahlreiche Läden, die der grauen Strasse tagsüber Farbtupfer verleihen: türkische, asiatische, afrikanische Lebensmittelgeschäfte, ein äthiopischer Schmuckladen, eine afrikanische Hairstylistin, ein mexikanischer Take-away – das nur als Auswahl aus dem Jahr 2016. Im nächsten Jahr kann es wieder anders aussehen. Läden machen dicht, neue eröffnen, farbig wird es bleiben – und nachts eher grau. Die wenigen Dealer und Prostituierten haben einen Blick für potenzielle Kunden. Wer nicht sucht, bleibt in der Regel unbehelligt.

Info

Adresse Baselstrasse, 6003 Luzern | ÖV Bus 2, 12, 18, Haltestellen Gütsch oder Kreuzstutz | Tipp Wohnanlage Sentihof: ein riesiger rechteckiger Blockbau aus dem Jahr 1953/54 mit 296 Wohnungen um einen Innenhof. So stellte man sich damals modernes Wohnen vor. Zugänge: Baselstrasse, Gütschstrasse, Militärstrasse.

Man kann einen Spaziergang an der Baselstrasse durchaus geniessen und exotische Lebensmittel einkaufen, die man in Luzern nur hier findet, oder einfach seine Schuhe oder seinen Videorecorder reparieren lassen. Zudem wird man feststellen, dass man in den Geschäften stets freundlich bedient wird, dass die Ausländer den Inländern gegenüber weniger Vorurteile haben als umgekehrt. Auch das lehrt die Baselstrasse.

In der Nähe

Die Sankt-Karli-Kirche (0.19 km)

Die Gütschbahn (0.39 km)

Der Friedhof Friedental (0.48 km)

Der Drachenstein (0.65 km)

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Luzern
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4_Beat Studer

Wohnen mit Stil

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Das Schild «BS» wirkt ebenso bescheiden wie gediegen. Das Schaufenster zeigt in gedämpftem Licht Polstermöbel und schwere Vorhänge. In einem Regal stehen alte Walzen, am Boden liegt ein Löwenfell mit Kopf, das an den Silvesterklassiker «Dinner for One» erinnert. Eine Antiquitätenhandlung? Falsch geraten, einen besseren Hinweis geben die Walzen. Sie drückten einst den berühmten Rixheimer Tapeten das Dekor auf – Beat Studer ist Innendekorateur und pflegt als solcher auch die Tapisserie. Er ist einer stilvollen Wohnkultur verpflichtet.

Der Empfangsraum hinter dem Schaufenster ist nur ein bruchstückhafter Auszug des Angebots. Hier berät Studer die Kunden, zeigt Stoffe, die er aus den besten und teuersten Manufakturen Europas bezieht. Die Auswahl ist exquisit, und wer Studers Ausführungen zuhört, staunt erst einmal über sein aussergewöhnliches Fachwissen. Spätestens wenn der Dekorateur dann zart mit der Hand über den Stoff streicht und von dessen Beschaffenheit schwärmt, ahnt man, dass hier noch viel mehr im Spiel ist – Liebe zum Material und zum Metier. Hohe Qualität heisst hohe Preise. Seine Kundschaft sei eher begütert, gibt Studer freimütig zu. Wenn der Kunde auch noch Geschmack beweist, freut er sich. Das sind ihm dann die willkommensten Aufträge. Realisiert werden die Wünsche in der eigenen Werkstatt, wo sechs Mitarbeiter zugange sind, im Vorhangatelier oder in der Polsterei.

Info

Adresse Theaterstrasse 3, 6003 Luzern | ÖV Haltestelle Bahnhof | Öffnungszeiten Mo–Fr 7.30–12 und 13.30–17.30 Uhr | Tipp Die Theaterstrasse bis zum Ende gehen: Die Sammlung Rosengart zeigt hochkarätige Kunst: Modigliani, Klee, Picasso … Pilatusstrasse 10.

Was Wohnkultur sein kann, beweist Beat Studers eigene Wohnung, die im selben Haus liegt und auf Verabredung besichtigt werden kann. «Luzerns royalste Adresse», titelte eine Zeitung und traf damit den Nagel auf den Kopf. Himmelbett und Panoramatapeten, Kronleuchter und Deckengemälde, ein Empire-Sofa, ein Stuhl aus dem Mobiliar von Napoleon Bonaparte … exquisit und oft auch extravagant, aber stets stimmig. Qualität passe eben immer, meint Beat Studer bescheiden.

In der Nähe

Die Bruder-Klaus-Kapelle (0.11 km)

Die Zapfleitung (0.16 km)

Die Casa Tessuti (0.18 km)

Der Totentanz (0.18 km)

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Luzern
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5_Der Bellerive-Park

Ein Relikt herrschaftlicher Wohnkultur

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Auch Reiche brauchen ab und zu Erholung. Zu diesem Zweck liess sich der Zürcher Seidenbaron Martin Bodmer von Muralt 1887 bis 1890 in bester Luzerner Wohnlage als Sommersitz eine Villa im Stil der italienischen Neorenaissance erbauen. Vielleicht hatte er Ähnliches in Oberitalien gesehen, wo er oft Geschäfte tätigte. Von der Villa Bellerive – den Namen hatte er von einem Vorgängerbau übernommen – zog sich ein englischer Landschaftsgarten mit Orangerie, Kamelienhaus, Entengarten, Brunnen, Grotten und Teichen bis zum See hinunter, dort endete das Anwesen bei einer Badehütte mit Schiffsanlegestelle.

Nachdem die Besitzerfamilie ausgestorben war, wurde das Gelände 1938 parzelliert und stückweise verkauft. Als der Kanton die Villa 1964 erwarb, um in ihr ein Kindergärtnerinnenseminar einzurichten, war vom einstigen Park nur noch ein Bruchteil übrig. Unterhalb der Bellerivestrasse wurde bis zum See hinunter alles zugebaut. Das Anwesen selbst war schon so weit heruntergekommen, dass der Kanton 2000 eine umfassende Restauration von Gebäude und Rest-Park beschloss.

Info

Adresse Bellerivestrasse 19, 6006 Luzern | ÖV Bus 6, 8, Haltestelle Dietschiberg | Tipp Ganz in der Nähe fuhr noch bis 1978 die Dietschiberg-Standseilbahn. Die denkmalgeschützte Talstation, Felsental 4, wurde 2016 zu einer Top-Wohnadresse umgebaut.

Heute ist die Villa Bellerive Teil der Pädagogischen Hochschule Luzern, und vielleicht erfreuen sich die Studenten, die hier Bildnerisches, Textiles und Technisches Gestalten lernen, an den antikisierenden Gemälden im Treppenhaus und am Dekor der Fassade. Die Villa erstrahlt tatsächlich wieder im alten Glanz. Anders der Park: Er scheint seit der Restaurierung kaum mehr Pflege bekommen zu haben. Der Spaziergang führt an uralten Bäumen und Kopien von antiken Statuen vorbei und endet unten bei einem verwahrlosten Tümpel. Von einer Pergola ist noch das Eisengestell erhalten, die Hauptgrotte lässt ihre frühere Pracht noch erahnen, der Springbrunnen ist auf ein flaches, kreisrundes, leeres Becken reduziert, und auf der Balustrade darüber grillen vor den Überresten eines Pavillons die Studenten über Mittag Bratwürste.

In der Nähe

Das Hotel Montana (0.69 km)

Die Tolstoi-Gedenktafel (0.75 km)

Der Dreilindenpark (0.8 km)

Das Echowerk (1.13 km)

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6_Das Berner Bataillon

Ferdinand Hodlers Gesellenstück

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Der Besucher, der vor dem berühmten Bourbaki-Panorama steht, ist überwältigt. Dazu tragen einerseits die Monumentalität des Gemäldes und die Trompe-l’Œil-Technik beim Übergang von der zweidimensionalen Darstellung in die dreidimensionale bei, andererseits das dramatische Geschehen selbst: der Übertritt der eingekesselten französischen Armee unter General Bourbaki in die Schweiz während des Deutsch-Französischen Krieges im eiskalten Winter 1870/71.

Edouard Castres (1838–1902), der den Auftrag erhielt, stellte rund ein Dutzend meist unbekannter Maler an, die ihm 1881 bei der Realisierung seines Entwurfs helfen sollten, unter anderem Ferdinand Hodler (1853–1918). Der erst achtundzwanzig Lenze zählende Künstler hielt sich schon damals für ein Genie. Das war der Kunstwelt allerdings bisher entgangen. So nahm er Castres' Angebot an – widerwillig, als Brotjob. Heute spricht in der Kunstwelt kaum einer mehr von Castres, während Hodlers Gemälde bei Auktionen zweistellige Millionenbeträge erzielen.

Info

Adresse Bourbaki-Panorama, Löwenplatz 11, 6004 Luzern | ÖV Bus 1, 19, 22, 23, Haltestelle Löwenplatz | Öffnungszeiten April–Okt. 9–18 Uhr, Nov.–März 10–17 Uhr | Tipp Ganz in der Nähe befindet sich das berühmte Löwendenkmal, ebenfalls sehr ergreifend.

Kunsthistoriker sind sich einig, dass Hodlers Beitrag zum Bourbaki-Panorama die Darstellung der «Ankunft des Berner Bataillons» war, das an toten Pferden vorbeimarschiert. Zwar stammt die Komposition von Castres, aber der junge Hodler hat den vier Männern in der vordersten Reihe seinen Stempel aufgedrückt. Das Berner Quartett gilt als frühes Beispiel des Hodler'schen «Parallelismus», einer Choreografie, in der der Einzelne verschwindet. «Meine Eigenart besteht darin, dass ich Monumentalität und Realismus miteinander verbinde. Parallelismus der Formen, Parallelismus der Figuren, Parallelismus ihrer Bewegungen», notierte der Künstler, der später dieses Verfahren auch in seinen berühmten Gebirgslandschaften anwandte. Das Berner Bataillon kann als sein Gesellenstück betrachtet werden. Signiert hat Hodler seinen Beitrag diskret, als Selbstporträt – der Zweite von rechts im Quartett.

In der Nähe

Chronoswiss (0.08 km)

Das Alpineum (0.12 km)

Das Stadtrelief (0.19 km)

Das Fluhmattschulhaus (0.26 km)

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7_Die Bruder-Klaus-Kapelle

Probleme mit der Kleiderordnung eines Heiligen

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Der Einsiedler in der einfachen braunen Kutte kontrastiert hart mit dem üppigen, leicht rosa-zuckrigen Barock der Jesuitenkirche. Die zweite Seitenkapelle rechts hebt sich schon dadurch von den anderen ab, dass hier anstelle eines Altarbilds eine Statue steht, neben der stets ein paar Kerzen brennen. Gute Schweizer Katholiken kennen den Mann, es ist ihr «Bruder Klaus».

Niklaus von Flüe (1417–1487) war Bauer und Vater von zehn Kindern, als er mit 50 Jahren seine Familie verliess, um ein Leben als Einsiedler zu fristen. Dass er fortan ausser Hostien weder Nahrung noch Wasser zu sich nahm, dürfte Teil der katholischen Legendenbildung sein. Erwiesen ist jedoch, dass Niklaus als politischer Ratgeber gefragt war. Seine diplomatische Meisterleistung lieferte er 1481 an der Tagsatzung zu Stans, als er in einem Konflikt zwischen Stadt- und Landorten, an dem die noch unfertige Eidgenossenschaft zu zerbrechen drohte, eine Lösung aufzeigte, die von den Streithähnen beider Seiten akzeptiert wurde.

Info

Adresse Jesuitenkirche, Bahnhofstrasse 11a, 6003 Luzern | ÖV Haltestelle Bahnhof | Öffnungszeiten Di, Mi und Fr–So 6.30–18.30 Uhr, Mo, Do 9.30–18.30 Uhr | Tipp Links neben der Jesuitenkirche steht das Luzerner Theater: Programm studieren oder einfach nur einen Blick auf die Skulptur vor dem Eingang werfen: «Hirt und Herde» von Rolf Brem.

Der schon bald nach seinem Tod verehrte Niklaus musste noch ein paar hundert Jahre warten, bis er 1947 offiziell heiliggesprochen wurde. Zahlreiche Kapellen und Kirchen in der Schweiz tragen seither seinen Namen. Er ist sozusagen der Nationalheilige der Schweizer Katholiken und amtet nebenbei auch als Schutzpatron der Schweizergarde im Vatikan.

Ein hübsches Detail verrät das Informationsblatt bei der Kapelle: Die hellbraune Kutte, eine den Jesuiten von Patriziern geschenkte Reliquie, und die dunkelbraune Bekleidung darüber, auch diese original, waren früher vertauscht. Der dunklere Stoff wurde damals als Unterkleidung interpretiert. Erst 1994 entschied man, dass es sich um einen Mantel handelt. Bruder Klaus musste sich also umziehen, beziehungsweise er wurde umgezogen, und steht seither so da, wie wir ihn uns nach dem Willen der Restauratoren vorzustellen haben.

In der Nähe

Der Totentanz (0.07 km)

Beat Studer (0.11 km)

Uhrenfournituren Süess (0.16 km)

Die Suidter’sche Apotheke (0.17 km)

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Luzern
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8_Die Buvette

Wo das Dolcefarniente gepflegt wird

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In den meisten Städten ist die unmittelbare Umgebung des Bahnhofs laut, verkehrsreich und eher trist. Nicht so in Luzern: Der Reisende steigt aus dem Zug, überquert den wenig befahrenen Bahnhofplatz und ist schon am See, wo gleich hinter dem kühnen Bau des Kultur- und Kongresszentrums (KKL) das Inseli liegt, ein kleiner, schmaler Park. Hier steht im Sommer die Buvette.

An schönen Tagen sitzen Schüler auf dem Steinmäuerchen und lassen die Beine über dem See baumeln. Stadtflaneure entspannen beim Drink an den Alu-Tischchen, und wer einen der wenigen Liegestühle ergattert hat, gibt ihn nicht so schnell wieder frei. Die kleine Buvette, mit der Konrad Weber und seine fröhliche Equipe den Durst der Gäste bekämpfen, ist seit ihrer Gründung 2008 der Sommerhit. Die Post steht gegenüber, aber ab geht sie hier.

Info

Adresse Inseliquai 7, 6005 Luzern | ÖV Haltestelle Bahnhof | Öffnungszeiten April–Mitte Sept. bei trockenem Wetter 11.30–24 Uhr | Tipp Auf der Wiese daneben steht eine Schwingerskulptur von Hugo Siegwart. So viel Männerfleisch wollten die 2.492 Luzernerinnen nicht sehen, die 1909 mit einer Petition protestierten.