111 Orte in Prag, die man gesehen habe muss - Matěj Černý - E-Book

111 Orte in Prag, die man gesehen habe muss E-Book

Matěj Černý

2,2

Beschreibung

Prag – das sind zahllose Kunstschätze, der Prager Frühling und die Samtene Revolution, Helden wie der einäugige Jan Žižka und Václav Havel. Doch Prag ist viel mehr als seine Legenden und Geschichten. Wer einmal in Prag war, der sieht sich einem magischen Sog ausgesetzt. Dieses Buch entführt Sie 111‑mal in versteckte Ecken und Winkel der Stadt. Die Autoren erzählen Ihnen Unerhörtes und Erstaunliches, bringen Sie zum Schmunzeln und machen Sie zum Insider, damit Sie später bei einem Glas Gambrinus mit echten Pragern mitreden können. Blicken Sie hinter die Fassaden einer faszinierenden Stadt. Denn Prag, das sind Genius Loci, Mythos und – die Stadt der Liebe.

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111 Orte in Prag, die man gesehen haben muss

Matěj Černý und Marie Peřinová

emons: Verlag

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Emons Verlag GmbH // 2016 Alle Rechte vorbehalten Texte: Matěj Černý und Marie Peřinová © der Fotografien: Matěj Černý, Marie Peřinová, außer BoysPlayNice (Ort 64); Česká spořitelna, a. s. (Ort 90); Michal Čížek (Orte 4, 5, 7, 16, 19, 27, 36, 37, 40, 42, 49, 52, 56, 58, 61, 63, 66, 67, 69, 73, 74, 76, 77, 79, 85, 95, 97, 106, 108, 110); Jan Hrdý, Corrupt Tour (Ort 14), Pragulic (Ort 80); Tomáš Souček, MeetFactory (Ort 62) Gestaltung: Emons Verlag Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL ISBN 978-3-96041-166-6 E-Book der gleichnamigen Originalausgabe erschienen im Emons Verlag

Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über Neues von emons: Kostenlos bestellen unter www.emons-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1_Das Atelier Josef Sudeks | Vernebelt, vereist, verregnet

2_Die Bahnhofskneipe | Wo die Demokratie säuft

3_Die Barrandov-Terrassen | Prager Funktionalismus im Dornröschenschlaf

4_Berthas Gedenktafel | Die Waffen nieder!

5_Die Bethlehemskapelle in Žižkov | Kubistisches Kleinod im Hinterhof

6_Bio Oko | Das Kino, das es nicht hätte geben sollen

7_Blanka | Heute schon tunneliert?

8_Das Blockhaus | Bergromantik mitten in der Stadt

9_Böhmische Dörfer | Romantische Relikte einer anderen Zeit

10_Die Brücke der Intelligenz | Das Märchen vom Feldweg

11_Der Brunnen Terezka | Die beinahe reichste Statue der Welt

12_Das Café in der Mühle | Polit-Hotspot auf der Moldauinsel Kampa

13_Die Chlebíčky | Eine Delikatesse für sich

14_Die Corrupt Tour | Das Beste vom Schlimmsten

15_Das Denkmal der Stille | Gleis in den Tod

16_Drei »Vierer« im Zentrum | Kneipen wie in alten Zeiten

17_Das Emmaus-Kloster | Türme auferstanden aus Ruinen

18_Die Exil-Maria | Göttliche Ruhe, göttliche Aussicht

19_Das Expo 58 | Der Traum der Genossen

20_Die Fähren | Öffentlich romantisch unterwegs

21_Der Fahrradweg | Ein Ausflug zum sozialistischen Experiment

22_Der Flohmarkt U Elektry | Börse des wilden Ostens

23_Die Forscherstation | Kostenloser Minizoo mitten in der Stadt

24_Der Friedhof | Horror in Bohnice

25_Der Fünfkirchenplatz | … den es eigentlich gar nicht gibt

26_Garden Café Taussig | Mehr als nur ein Café …

27_Der Garten im Šternberg-Palais | Perfekt versteckt am Hradschiner Platz

28_Gedenkstätte des Grauens | Die glorreichen Sieben der »Heydrichiade«

29_Die geheime Passage | Ein perfekt verstecktes Café

30_Der Geheimspielplatz | Kinder im Wunderland

31_Die Gourmetpassage Dlouhá | Künstler hört mit!

32_Das Grab der Westonia | Die vergessene Zehnte Muse

33_Der Güterbahnhof | Von Žižkov nach nirgendwo

34_Das Haus Langhans | Aus negativ mach positiv

35_Die Hauszeichen | Bilder des alten Prag

36_Das Havel-Haus | Wo der Präsident hinter Gitterstäben schlief

37_Havlíčkovy sady | Erkennen Sie die Ideologie?

38_Hinter Klostermauern | Nächtigen im Kapuzinerkloster auf der Burg

39_Das historische Wasserwerk | Das etwas verstecktere Museum

40_Das Hotel International | Verrückter Zuckerbäcker

41_Die Hrabal-Mauer | Wilde Hochzeiten, räudige Straßen

42_Das Idiom | Physik der Sprache

43_Die Invalidovna | Bedrohtes Barockjuwel

44_Das Jan-Palach-Denkmal | Flammen aus Stahl

45_Die Jeep Bar | Stichwort Strandhaubitze

46_Johannes Nepomuk | Eine traurige Statue

47_Die Kalkbrennerei | Steinriese am Rande der Stadt

48_Das Karel-Zeman-Museum | Traumrolle im Trickfilm gefällig?

49_Karlín | Das Viertel über dem Wasser

50_Der Kinderfriedhof | Spuren der Monstrosität

51_Der Kiosk | Das Prager Knusperhäuschen

52_Die Kirche im Karlshof | Unübersehbar und doch vergessen

53_Klamovka | Die verwunschene Kneipe

54_Die Kläranlage | Einmal abseilen, bitte!

55_Der Kleinseitner Friedhof | Von den Toten auferstanden

56_Die kubistischen Häuser | Geometrische Visionen am Fuß des Vyšehrad

57_Der Lehrpfad | Neun Kilometer Kontraste

58_Letná | Boheme am Prager Montmartre

59_Libri Prohibiti | Das Haus der verbotenen Bücher

60_Die Luxusvillen | Aus Schlamm werde Luxus

61_Malvazinky | Liebling, ich habe die Häuser geschrumpft!

62_Die MeetFactory | Fleischgewordenes Kulturzentrum

63_Die Metrostation Anděl | Der Kommunismus ist unterirdisch

64_Die Moldau-Sauna | Abkühlung bei den Schwänen

65_Die »Molkerei« | Wechselnde Aussichten

66_Der Musikclub 007 | Die Underground-Legende von Strahov

67_Das Na kopci | Koch, Kellner und Michelin

68_Die Náplavka | Die Szene trifft sich an der Moldau

69_Das One Room Hotel | Luxusschlauch in den Wolken

70_Die orthodoxe Kirche | Exotik der Karpatenukraine

71_Das Palais Lucerna | Die erste Prager Passage

72_Paralelní polis | Atombombe in den News

73_Der Park Ztracenka | Vergessen unterhalb der Burgmauer

74_Die Paternoster | Diener aus einer anderen Zeit

75_Pečkárna | Das Haus des Grauens

76_Der Pilzkasten | Ode an das tschechische Golf

77_Das Polizeimuseum | Tim Burtons Gruselkabinett

78_Požáry | Ein geologisch-romantisches Naturdenkmal

79_Die Prager Kreuzung | Havel, Kirche und Kultur

80_Pragulic | Die andere Seite der Stadt

81_Der Přístav 186 00 | Hafen der Ruhe

82_Die Reklame des Befreiten Theaters | Bellende Esel und andere Politiker

83_Der Rikatádo | Take me home, country roads

84_Die Rothmayer-Villa | Auf den Spuren Josef Sudeks

85_Die schlimmen Finger | Der andere Blick

86_Die Seilbahn | Mit James Bond unterwegs

87_Die Semmeringbahn | Romantik auf Prager Eisenbahnschienen

88_Sir Wintons Bahnsteig | Der Hölle von Auschwitz entkommen

89_Smíchov | Zeugen alter Zeiten

90_Die Sparkasse | Es ist doch alles Gold, was glänzt

91_Sputnik | Wetzstein für Kinderhosen

92_St. Adalbert | 100 Jahre Provisorium

93_Stínadla | Die geheimnisvollen Vonts

94_Das Strahov-Stadion | Betonmonstrum über der Stadt

95_Die Straßenlaterne | Kubistische Kunst am Jungmann-Platz

96_Der Strudel | Eine dufte Geschichte aus dem Plattenbau

97_Die Terrasse U Prince | Blick der Blicke

98_Toulcův dvůr | Ökohof zwischen Plattenbauten

99_Das Trojanische Pferd in Troja | Kein Witz!

100_Der Tunnel | Mutprobe zwischen Žižkov und Karlín

101_U Apolináře | Geburtsklinik im Gothic Look

102_U Budyho | Vermächtnis der Langhaarigen

103_Das Velodrom | Nostalgie pur in Třebešín

104_Der Větrník | Die einzige erhaltene Windmühle in Prag

105_Der Vietnam-Markt Sapa | Duft des grünen Korianders

106_Die Villa Štvanice | Mimen von der traurigen Insel

107_Die Volkskantine | Willkommen in den 1980ern

108_Das Vorzeige-Bergwerk | Ein Spaziergang unter Tage

109_Der VýLetná | Mehr als Tennis

110_Der Wassertunnel | Back to the Roots

111_Das Wasserwerk in Vršovice | Wasser, Technik und Eleganz

Bildteil

Übersichtskarten

Vorwort

Die Stadt der 100 Türme, die goldene Stadt, die magische Stadt, die Mutter aller Städte, das Mütterchen, das Krallen hat: Seit Jahrhunderten versuchen verschiedenste Beinamen, den Charakter der tschechischen Hauptstadt zu beschreiben. Ihre Schönheit, ihre Geschichte, ihre unverwechselbare Atmosphäre ziehen seit jeher Massen an.

In der Stadtbibliothek gibt es eine eigene »Pragensia«-Abteilung. Tausende von Buch- oder Blogseiten wurden über Prag geschrieben, und eine ganze Reihe von Fremdenführern und Agenturen spezialisieren sich auf konkrete Gesichter der Stadt – von der funktionalistischen Architektur bis hin zu Orten, die mit Korruption verbunden sind.

Möchte man diesem Mosaik ein weiteres Steinchen hinzufügen, muss man sich fragen, warum gerade der eigene Beitrag einzigartig sein sollte. Unsere Antwort: Einerseits möchten wir auf Orte aufmerksam machen, die von den meisten Fremdenführern wie auch von vielen Pragern vergessen wurden, andererseits soll es so abwechslungsreich wie nur möglich zugehen. Darum schicken wir Sie sowohl zu einem Strudelverkauf als auch in ein Polizeimuseum, zu einem kleinen kubistischen Dach über einer Statue genauso wie auf eine Fahrradtour zwischen Plattenbauten, in eine Ausstellung in einem ehemaligen Nazi-Folterkeller gleichermaßen wie in eine Kneipe inmitten von Schrebergärten.

Die Orte sind so gewählt, dass vom wissbegierigen Ersterkunder bis zum beschlagenen Kenner jeder auf seine Kosten kommt. Erstere werden etwas Neues, Letztere ein interessantes Detail oder eine ungewohnte Perspektive entdecken. Klar: Die Auswahl der Orte ist subjektiv, und Orte, die man unbedingt gesehen haben muss, gibt es in Prag nicht nur 111, sondern viele, viele mehr. Wenn Sie dieses Buch also nicht nur zum Besuch jener Ecken, Winkel und Gegenden inspiriert, zu denen wir Sie einladen, sondern auch zur Entdeckung weiterer, so ist dies für uns die größte Ehre.

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1_Das Atelier Josef Sudeks

Vernebelt, vereist, verregnet

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Das Atelier von Josef Sudek wird auch diejenigen begeistern, die noch nie von dem renommierten tschechischen Fotografen gehört haben sollten. Es liegt in einem der charmanten Hinterhöfe auf der Prager Kleinseite, die sonst nicht für Touristen zugänglich sind: Es genügt, eine Türklingel neben dem Hauseingang Nr. 28/30/32 in der Straße Na Újezdě zu drücken. Warum dort gleich drei Hausnummern angebracht sind, versteht man, sobald man via Durchgang in den kleinen Hof gelangt ist, aus dem gleich mehrere Türen in die Wohnungen führen. Ein Mieter hat hier sogar einen kleinen Privathof, Sie aber gehen geradeaus: Hinter dem Blechtor und einem weiteren Durchgang erwartet Sie ein viel größerer und hellerer Hof.

Inmitten der Stadt und dennoch ruhig liegt eine der originellsten Prager Galerien, in der weniger bekannte, dafür aber umso interessantere Künstler ausstellen. Folgen Sie einfach der Wandaufschrift »Fotograf v zahradě« – zu Deutsch »Fotograf im Garten«. Sie gelangen zum Holzbungalow. Hier zog der einarmige Meister seine Bilder aus dem Fixierbad, die den Genius Loci des Veitsdoms, der Prager Vorstädte, der magischen Gärten in Střešovice oder der Beskyder Wälder einfangen. Hier blicken Sie aus jenem Fenster, das der Fotograf jahrelang dokumentierte und dessen Glas ihm als Blende zwischen der inneren und der äußeren Welt diente – manchmal vernebelt, manchmal vereist, manchmal verregnet.

Info

Adresse Újezd 30, 118 00 Prag 1, www.atelierjosefasudka.cz | ÖPNV Tram 12, 15, 20, 22, Haltestelle Újezd, dann etwa 100 Meter zu Fuß; vom Nationaltheater kommend: Tram 9, Haltestelle Újezd, die sich um die Ecke, in der Vítězná befindet | Öffnungszeiten Di–So 12–18 Uhr | Tipp In Josef Sudeks ehemaliger Wohnung in der Úvoz 24 befindet sich eine Galerie, die neben Sudeks auch die Werke anderer Künstler zeigt.

Sie dürfen sich nur nicht daran stören, dass es sich nur um eine genaue Kopie des ursprünglichen Gebäudes handelt, das 1985 abbrannte. Deshalb steht hier von Sudek außer einigen Möbelstücken und einem alten Ofen nichts, und deshalb gibt es auch kein Museum – auch wenn dem Fotografen einmal im Jahr eine Ausstellung gewidmet wird. Der Fotograf ist hier eher implizit zugegen. Als ob auch für das Atelier Sudeks Motto gelten würde: »Fotografie soll nicht alles zeigen, Fotografie soll ahnen lassen.«

In der Nähe

Das Café in der Mühle (0.14 km)

Der Pilzkasten (0.39 km)

Das Karel-Zeman-Museum (0.5 km)

St. Adalbert (0.65 km)

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2_Die Bahnhofskneipe

Wo die Demokratie säuft

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Einst beschrieb Bohumil Hrabal, wie ein französischer Premier die tschechische Demokratie bewunderte, die er aus der Zusammensetzung der Gäste im Wirtshaus »U Zlatého tygra« herauslas: Neben Richtern und Politikern saßen hier Lackierer und Herrenfriseure. Die berühmte Kneipe in der Altstadt ist heute leider etwas zu bekannt.

Falls Sie eine solche Kneipendemokratie ohne Platzreservierung erleben möchten, besuchen Sie doch das Bahnhofsrestaurant »Dejvické Nádraží«, das alle nur als Nádražka kennen. Wo sonst kommen die verschiedensten Menschen zusammen, wenn nicht am Bahnhof? Neben Reisenden, die auf einen Zug warten, begegnet man älteren Stammgästen, Studenten, Fans des Fußballvereins Sparta Prag, Businessmen bei ihrem Feierabendbier, jungen Frauen an Notebooks und Bücher lesenden Männern.

Info

Adresse Restaurace Dejvické Nádraží, Václavkova 1, 160 00 Prag 6, www.nadrazka.cz | ÖPNV Metro A, Haltestelle Hradčanská, dann ein Stück durch die Dejvická und Václavkova | Öffnungszeiten täglich 9–24 Uhr | Tipp Falls Sie noch nicht genug von solchen originellen Orten haben, setzen Sie sich in den Zug, und in neun Minuten sind Sie am Masarykovo nádraží, wo Sie an der Tramhaltestelle das »Bistro Flip« erwartet. Es ist von 7 bis 20 Uhr geöffnet und verkauft nur Flaschenbier. Sollten Sie sich an einen der schmuddeligen Tische setzen wollen, kostet das zwei Kronen extra. Nur für Freunde extremer Erlebnisse.

Im Biergarten kann man auch unter stattlichen Kastanienbäumen sitzen; einige kleine Tische stehen direkt am überdachten Bahnsteig. Im Bahnhofsgebäude von 1871 treten ab und zu unkonventionelle Bands auf. Die Räume unter den hohen Neorenaissancedecken ziert eine Art Punk-Surrealismus, allen voran das Antlitz des legendären Fernsehsprechers Miloš Frýba. Sein seriöses Lächeln sieht allgegenwärtig auf alle herab, die es mit dem Alkohol wirklich ernst meinen. Man kann hier zwar auch etwas essen oder gefärbtes Wasser für acht Kronen trinken – die Hauptattraktion sind jedoch die niedrigen Preise ganz anderer Getränke. Shots gibt es ab zehn Kronen, und eine ähnlich zuvorkommende Preispolitik gilt auch für Bier. Dessen Qualität ist diskutabel, mit dem Oberkellner sollte man Diskussionen darüber aber lieber vermeiden. Wie es sich für eine solche Schenke gehört, ist er nicht gerade die Liebenswürdigkeit in Person.

Es scheint nahezu ironisch, dass auf dem Gleis gegenüber für gewöhnlich ein silberfarbener Zug steht, in dem sich Kinder eine interaktive Anti-Drogen-Ausstellung ansehen können.

In der Nähe

Der Garten im Šternberg-Palais (0.79 km)

Der Fünfkirchenplatz (0.85 km)

Der Geheimspielplatz (0.92 km)

Die Hauszeichen (0.97 km)

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3_Die Barrandov-Terrassen

Prager Funktionalismus im Dornröschenschlaf

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Kein Autor möchte, dass sein Text bald veraltet sein wird. Bei den Terrassen am Barrandov jedoch kann man sich nichts sehnlicher wünschen. Das heutige Paradies der Urbexer, die überwiegend verfallene, öffentlich nicht zugängliche Bauobjekte erkunden, war in der Zwischenkriegszeit sehr beliebt: Tausende Prager kamen bei schönem Wetter hierher. Nicht nur wegen des Essens im französischen Restaurant und der einzigartigen Aussicht über Prag, sondern auch, um einen Blick auf Filmstars zu erhaschen, die in den nahen Filmateliers drehten und hier auf einen Sprung vorbeikamen.

Die Terrassen ließ 1926 Václav M. Havel, Vater des späteren Präsidenten, auf dem Felsen über der Moldau bauen. Mittelpunkt der Anlage war das funktionalistische Restaurant mit einem Aussichtsturm, dessen Silhouette sich über den Tischen mit Sonnenschirmen erhob, die im Sommer mehrere Ebenen füllten. Auch ein Schwimmbad etwas tiefer bei der Moldau gehörte dazu – heute heruntergekommen wie der Rest.

Info

Adresse Barrandovská 165/1, 152 00 Prag 1 | ÖPNV Metro B, Haltestelle Smíchovské nádraží, dann mit dem Bus 105, Haltestelle Terasy, gegenüber der Haltestelle in die Barrandovská, nach ein paar Metern links einen Weg durch das Gebüsch nehmen | Öffnungszeiten offiziell nicht zugänglich; Betreten ausdrücklich auf eigene Gefahr | Tipp Ein Spaziergang von etwa einem Kilometer Länge durch das ehemals berühmte Villenviertel führt Sie zum Kříženeckého náměstí, wo das Hauptgebäude der Filmateliers steht. Am Wochenende können Sie sich dort die Ausstellung »Filmpoint« ansehen, die sich den Filmklassikern »Drei Nüsse für Aschenbrödel« und »Amadeus« widmet.

1948 wurden die Terrassen verstaatlicht; damit begann ihr Verfall. Ohne die nötige Instandhaltung verkamen sie und wurden 1989 der Havel-Familie in trostlosem Zustand zurückgegeben. Den ehemaligen Präsidenten grämte ihr Schicksal angeblich sehr, doch es gelang ihm nicht, einen Investor zu finden. Die Renovierung der beiden Gartenrestaurants war vor allem wegen des permanenten Lärmpegels gleich mehrerer Prager Ausfallstraßen nicht rentabel. Havels Familie verkaufte die Terrassen 2003.

Der neue Besitzer plante zwar, das denkmalgeschützte Areal zu renovieren und zu einem Hotel umzubauen, doch lange waren nur das wuchernde Unkraut und einige Obdachlose dort aktiv. Im Frühling 2016 jedoch erschienen endlich Arbeiter auf der Bildfläche, die Gehölz wegräumten. Vielleicht werden also die Terrassen mit der Zeit originalgetreu wieder aufgebaut. Bis es soweit ist: Haben Sie eigentlich schon mal über Urbex nachgedacht?

In der Nähe

Die Brücke der Intelligenz (1.25 km)

Die MeetFactory (1.79 km)

Das Na kopci (2.12 km)

Das historische Wasserwerk (2.53 km)

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4_Berthas Gedenktafel

Die Waffen nieder!

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Wie viele tschechische Nobelpreisträger kennen Sie? Den Autor Jaroslav Seifert? Den Physikochemiker Jaroslav Heyrovský? Manch einer wird noch Václav Havel oder den Erfinder der Kontaktlinse, Otto Wichterle, nennen, obwohl diese beiden den Preis nicht bekamen. In einer Nische im Palais Kinský am Altstädter Ring hängt eine Gedenktafel mit einem Relief und einem Namen, der in Tschechien praktisch vergessen ist. Ihre frühe Kindheit verbrachte hier die Initiatorin der Friedensbewegung Bertha von Suttner, die 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt.

Das weitläufige Palais gehörte seit dem 18. Jahrhundert der Familie Kinský, einem böhmischen Uradelsgeschlecht. Lange wohnte die kleine Bertha hier jedoch nicht. Vater Franz Kinský starb noch vor ihrer Geburt, und weil die Mutter von niedrigerem Stand war, blickte die sonstige Sippe auf beide herab. Bald zog Bertha nach Brünn, dann nach Wien und schließlich mit ihrem Ehemann Arthur von Suttner nach Georgien. Hier half sie während des Russisch-Türkischen Krieges in Militärlazaretten aus und wurde Pazifistin. Das Ergebnis war der vielleicht berühmteste Anti-Kriegs-Roman »Die Waffen nieder!«.

Info

Adresse Staroměstské náměstí 12, 110 15 Prag 1 | ÖPNV Metro A, B, Haltestelle Můstek, zu Fuß durch die Na Můstku und Melantrichova bis zum Staroměstské náměstí | Tipp Im Februar 1948 entstand auf dem Balkon des Palais Kinský die berühmte Aufnahme von Präsident Klement Gottwald, der vom Balkon mit dem Volk spricht. Auf dem Originalfoto steht der spätere Außenminister Vladimír Clementis neben ihm, auf später veröffentlichten Aufnahmen aber fehlt er. Er wurde wegretuschiert, nachdem er im Kampf gegen den »inneren Feind« verhaftet und hingerichtet worden war.

Bertha von Suttner war für kurze Zeit Sekretärin Alfred Nobels, mit dem sie seitdem eine lebenslange Freundschaft verband. Sie gründete die Österreichische Friedensgesellschaft und setzte sich für die Gründung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag ein. Sie warnte, der nächste Krieg werde viel schlimmer als alle vorherigen, zu ihrem Glück erlebte sie ihn aber nicht mehr. Sie starb am 21. Juni 1914, eine Woche vor dem Attentat auf den österreich-ungarischen Thronfolger. Bertha von Suttner hatte seinerzeit viele Kritiker, manche bezeichneten sie als »Dicke Bertha«. Den gleichen Spitznamen bekam – wenn auch nicht nach ihr, sondern nach der Inhaberin der Krupp-Werke – paradoxerweise eine der zerstörerischsten Kanonen des Ersten Weltkriegs.

In der Nähe

Die Terrasse U Prince (0.2 km)

Das Idiom (0.31 km)

Der Brunnen Terezka (0.32 km)

Die Sparkasse (0.33 km)

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5_Die Bethlehemskapelle in Žižkov

Kubistisches Kleinod im Hinterhof

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Bei »Bethlehemskapelle« denken die meisten an Jan Hus und seine Predigten in der Altstadt. Doch nur wenige wissen, dass es in Prag zwei Kapellen dieses Namens gibt. Die weniger bekannte ist nicht nur älter, sondern vor allem aufgrund der erhaltenen kubistischen Inneneinrichtung etwas ganz Besonderes. Sie versteckt sich im Hof eines Pawlatschenhauses in Žižkov, oft kennen sie daher noch nicht einmal ihre Nachbarn.

Als die evangelische Gemeinde im Viertel Žižkov wuchs, entschied sie 1914, ein Reihenhaus an der viel befahrenen Prokopova zu kaufen und im geräumigen Innenhof ein Bethaus zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt war es die einzige Bethlehemskapelle in der Stadt, denn die Kirche, in der Hus gepredigt hatte, wurde im 18. Jahrhundert abgerissen und erst 1950–52 durch die Kommunisten als Denkmal des Hussitismus erneuert.

Info

Adresse Prokopova 216/4, 130 00 Prag 3 | ÖPNV Metro B, C, Haltestelle Florenc, anschließend mit dem Bus 133, 175, 207, Haltestelle Tachovské náměstí | Öffnungszeiten ohne feste Öffnungszeiten, aber für die Öffentlichkeit zugänglich; falls geschlossen, bitte direkt an der Kapelle klingeln; vorherige Vereinbarung eines Besuches beim Pfarrer möglich: zizkov1.evangnet.cz | Tipp Auf dem Prokopovo náměstí befindet sich das Original der Reiterstatue von Jaroslav Hašek, dem Autor des legendären »Soldaten Schwejk«. Geschaffen wurde sie vom bekannten Bildhauer Karel Nepraš und seiner Tochter Karolína, die das Werk nach dem Tod ihres Vaters vollendete.

Auch der Kapelle in Žižkov drohte der Abriss, als man die umfangreiche Sanierung und den Umbau Žižkovs zu einer sozialistischen Siedlung beschloss. Dank des damaligen Pfarrers wurde die Kapelle 1975 unter Denkmalschutz gestellt und somit gerettet. Ihr Innenraum ist erstaunlich: Das graue Gebäude des Architekten Emil Králíček kombiniert Elemente des Kubismus und Jugendstils, auf der Kanzel und unter der Orgel befindet sich das typische kubistische Sternenmotiv. Die bunte Wand haben 1992 Studenten der Kunstakademie gestaltet. Neu sind auch die markanten Deckenleuchten, die ursprünglich für das Vyšehrader Domkapitel vorgesehen waren.

Die Kapelle wird von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder verwaltet. Für Musikliebhaber wartet der Ort nicht nur mit Orgelkonzerten auf: Es geht die Legende um, die Kapelle diente den »Plastic People of the Universe« als Übungsraum. Richtig ist, dass die Band hier ihren Schlagzeuger Jiří Šula kennengelernt hat.

In der Nähe

Der Tunnel (0.36 km)

Der Strudel (0.37 km)

Das One Room Hotel (0.6 km)

Karlín (0.97 km)

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6_Bio Oko

Das Kino, das es nicht hätte geben sollen

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Für Liebhaber pädagogisch wertvoller Kinematografie hat Prag eine vorzeigbare Auswahl an Kunstkinos zu bieten. Bio Oko ist zwar nicht das älteste Kino wie Ponrepo, es liegt auch nicht praktisch im Zentrum wie Světozor, es ist auch nicht so berühmt wie das Aero in Žižkov. Dennoch ist schon allein das Kinogebäude unbedingt sehenswert.

Bereits die imposante Markise mit der Neonaufschrift »Bio Oko« lässt ahnen, dass dieses Kino ein paar Jährchen auf dem Buckel hat. Auch die Inneneinrichtung verweist auf eine Zeit, in der man noch nicht in Multiplexen mit Popcorn raschelte, sondern in ein Lichtspielhaus mit nur einem Kinosaal ging. Bio Oko ist aber kein konservierter Raum, kein generalüberholtes Altertümchen – ganz im Gegenteil: In den ersten zwei Zuschauerreihen stehen statt Kinosesseln Strandliegen und Polstersessel aus den 1970ern. Im Trabant-Cabrio kann man aus technischen Gründen leider nicht mehr Platz nehmen, doch die Kinoleitung versprach, das Angebot an alternativen Sitzplätzen bald zu erweitern. Gerüchte um einen gynäkologischen Stuhl gehen um …

Info

Adresse Františka Křížka 15, 170 00 Prag 7, www.biooko.net | ÖPNV Tram 1, 8, 12, 25, 26, Haltestelle Kamenická, ein Stück die Milady Horákové entlang, dann links in die Františka Křížka | Öffnungszeiten siehe Kinoprogramm | Tipp Wenn Sie ein weiteres berühmtes Café in Letná kennenlernen wollen, besuchen Sie doch das »Bistro 8« in der Veverkova 8. Sie werden dann mitdiskutieren können, ob die Qualität der Küche dem tollen Design der Inneneinrichtung entspricht.

Neben einem reichen Kinoprogramm finden im Kino Ausstellungen und diverse weniger traditionsreiche Aktionen statt wie etwa der Sonntagsbrunch mit Film. Das ganze obere Foyer verwandelt sich dann in eine Bar, in der sich auch die Nachbarschaft gerne trifft.

Das Haus, in dem das Kino untergebracht ist, gehört übrigens zu einem funktionalistischen Gebäudeblock, der Ende der 1930er Jahre gebaut wurde. Die Baupläne der beiden jungen Architekten sahen ursprünglich zwei separate Gebäude vor, die Mitte sollte frei bleiben. Ein offener Gebäudekomplex war der Stadt jedoch zu revolutionär. Also wurde das Haus in der Straße Františka Křížka, das jetzige Bio Oko, dazwischengebaut, sodass ein geschlossener Block entstand. Allein die Existenz des Kinos ist also das Produkt einer erfolglosen Auflehnung gegen die damaligen Baukonventionen.

In der Nähe

Das Expo 58 (0.4 km)

Das Vorzeige-Bergwerk (0.47 km)

Letná (0.59 km)

Der VýLetná (0.63 km)

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7_Blanka

Heute schon tunneliert?

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Ein Tunnel ist nur ein Loch im Boden, werden Sie sagen. Recht haben Sie. Und doch hebt sich Blanka gleich mehrfach von anderen Tunneln ab.

Mit seinen 5,5 Kilometern ist der imposante Bau Europas längster innerstädtischer Straßentunnel und geht auf einer Seite direkt in ein weiteres Tunnelsystem über, sodass man das Stadtzentrum auf einer 8,5 Kilometer langen Straße unterfahren kann.

Info

Adresse Tunnel-Komplex Blanka, Prag, www.tunelblanka.info | Anfahrt mit dem Auto über das Kreuz Malovanka oder Pelc-Tyrolka, in beiden Fällen geradeaus und unter die Erde | Tipp Falls Sie nicht genug von großen Verkehrsbauten bekommen können, dann achten Sie bei der nördlichen Einfahrt in den Tunnel Blanka auf die neue Moldaubrücke in Troja.

Gleich mehrere Oberbürgermeister mussten die Probleme beim Bau des zeitintensiven Großprojektes erläutern. Als 2008 im Park Stromovka das Erdreich einsackte und ein gewaltiger Krater, 20 Meter breit, 15 Meter tief, entstand, war OB Pavel Bém der Meinung, »so was könne passieren«. Bloß passierte »so was« fünf Monate später an der gleichen Stelle und 2010 in der Nähe noch einmal. Wie durch ein Wunder gab es nie Verletzte. OB Tomáš Hudeček wiederum erklärte nach Durchsicht der von seinem Vorgänger geschlossenen Verträge den Tunnel für einen Schwarzbau, was die Arbeiten erst einmal zum Erliegen brachte. Nachfolgerin Adriana Krnáčová sagte anlässlich weiterer Komplikationen, der Bau sei wohl von einem »Vollidioten« konzipiert worden. Tatsache ist, dass der Tunnel vier Jahre später als geplant eröffnet wurde und die Gesamtkosten auf stolze 43 Milliarden Kronen stiegen.

Das Tschechische hat seit 1989 ein neues Wort: »tunelovat« – »tunnelieren«. Damit sind dunkle Finanzmachenschaften nach der Wende gemeint, bei denen Firmen finanziell von innen ausgehöhlt wurden. In den Prager Kneipen wird schon länger gemunkelt, Blanka sei der perfekte »Tunnel« – im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich gehe auch aus der Analyse einer internationalen Anwaltskanzlei hervor, dass es sich bei Blanka um die Verbindung von Politik und Business par excellence handelt. Und so hingen kurz vor der Eröffnung des Tunnels, 2015, in Prag Plakate der hier leitenden Baufirma Metroslav mit dem Slogan: »Blanka ist kein Tunnel!«

In der Nähe

Böhmische Dörfer (0.66 km)

Hinter Klostermauern (0.69 km)

Der Geheimspielplatz (0.74 km)

Die Exil-Maria (0.77 km)

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8_Das Blockhaus

Bergromantik mitten in der Stadt

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Im Riesengebirge oder in den Alpen würde sich niemand wundern. Aber es ist schon ungewöhnlich, dass ausgerechnet ein Blockhaus praktisch im Stadtzentrum, im unteren Teil von Vinohrady, steht. Alpenflair zwischen den Mietshäusern und Neubauten – wie kam es?

Schon 1921–22, als der Direktor der Bergwerke in Kladno, Josef Janeček, das Haus für sich bauen ließ, hielt man den Alpenstil für kurios. Zu der Zeit war »Královské Vinohrady« die viertgrößte Stadt in Böhmen und gerade dabei, mit Prag zusammenzuwachsen. Was Janeček zum Bau inspirierte, weiß man nicht mehr, aber gleich nach der Fertigstellung verkaufte er es dem Industriellen Richard Dubský, Großonkel des heutigen Besitzers.

Info

Adresse Pod Zvonařkou 1746/7 oder Pod Nuselskými schody 1746/7, 120 00 Prag 2 | ÖPNV Tram 6, 11, 13, Haltestelle Nuselské schody | Tipp Auf der anderen Seite der Nusle-Treppe steht eine winzige barocke Kapelle der Heiligen Familie aus dem Jahr 1755. Im 20. Jahrhundert verkam sie dermaßen, dass sie abgerissen werden sollte. Mit Hilfe Freiwilliger wurde sie gerettet und von der altkatholischen Kirche renoviert. Heilige Messen finden jeden Donnerstag um 18 Uhr statt.

Selbstverständlich geht es um keine bescheidene Hütte. Der dreistöckige Holzbau mit den roten Fensterrahmen hat etwa 20 Räume und ein Souterrain mit Haustechnik. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Unterkunft für die Hitlerjugend, danach als Wohnheim der Karls-Universität für prominente Studenten aus Saudi-Arabien und Afrika. Später befanden sich hier Büroräume des Prognostischen Instituts der Akademie der Wissenschaften und der Wirtschaftshochschule. Heute ist die Villa wieder in privater Hand; so kann die Öffentlichkeit leider weder die geschnitzten Herzchen, die das Geländer zieren, noch die Heizkörperabdeckungen aus Holz bewundern.

Fraglich ist auch, ob man in Zukunft die Villa von der Straße aus wird sehen können. Heute prägt sie die romantische Atmosphäre der Nusle-Treppe mit, die von grünem Geländer, Bäumen und einem kleinen Platz gesäumt wird, von dem aus Trainspotter den Verkehr bei den Vinohrader Tunneln beobachten. Der Besitzer möchte nämlich den verwilderten Gartenteil oberhalb der Villa für den Bau eines großen Wohnhauses nutzen. Das würde ihm zwar Geld für die Renovierung einbringen, die das heruntergekommene Gebäude benötigt, der Genius Loci wäre aber unwiederbringlich dahin.

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9_Böhmische Dörfer

Romantische Relikte einer anderen Zeit

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Wie viele andere europäische Metropolen machte auch Prag seit der industriellen Revolution eine rasante Entwicklung durch. Obwohl die umliegenden Dörfer meist schnell eingemeindet wurden, hat sich jenseits des Stadtzentrums stellenweise der ursprüngliche Dorfcharakter erhalten. Meist geht es nur um ein paar Straßenabschnitte mit unverwechselbarer Atmosphäre.

Das vielleicht schönste Beispiel sind die Häuser rund um die Straße Na Kocourkách in Střešovice. Ihre Entstehung hängt angeblich mit der Blütezeit des Strahov-Klosters an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zusammen. Die Mönche wiesen ihren Angestellten die Grundstücke an den Sandsteinfelsen zu, an denen die Häuser oft buchstäblich kleben. Schießen Sie auf der Parkbank ein Selfie: Jeder wird Ihnen glauben, Sie machten Urlaub am Meer. Ursprünglich war das Gebiet viel größer, leider mussten viele Häuser Neubauten weichen. Unternehmen Sie einen kleinen Spaziergang durch die pittoresken Gässchen Na Zástřelu und K Bateriím und blenden Sie die drei Plattenbauten in der Ve Střešovičkách am besten aus.

Info

Adresse Ausgangspunkte: Na Kocourkách und Nad Tejnkou, 169 00 Prag 6, weiter siehe Text | ÖPNV Metro A, Haltestelle Hradčanská, dann Bus 184, Haltestelle Kajetánka, weiter die Straßen Radimova, Na Zástřelu und Ve Střešovičkách den Berg hoch | Tipp