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Über Wien, sollte man meinen, ist alles gesagt. Doch in der schönsten Stadt Osteuropas eröffnen sich immer wieder neue Blickwinkel. Wiens Geschichte ist überall sichtbar und schafft die fulminante Kulisse für eine bedingungslos aufregende Gegenwart. 111 Einblicke und Einsichten in ungewöhnliche Orte, überraschend, verstörend, amüsant und schön: hinter den diskret versteckten Tapetentüren der alten Monarchie ebenso wie in den schrill erleuchteten Entrees des New Vienna, in postmodernen Kaffeehäusern, musealen Beisln, politischen Waschsalons und längst vergessenen Hinterhöfen. Wo lassen sich Schriftsteller heimlich bestatten? Wo sind Design-Visionäre und Architektur- Rebellen zu Hause? Wo ist Wien richtig böse, und wo ist es richtig gemütlich? Wo ist das schönste Stundenhotel der Stadt? Und wo liegt der Kopf eines Mörders hinter Glas?
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Seitenzahl: 208
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111 Orte in Wien, die man gesehen haben muss
Peter Eickhoff
emons: Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Emons Verlag GmbH // 2016 Alle Rechte vorbehalten Texte: Peter Eickhoff © alle Fotografien: Karl Haimel Gestaltung: Emons Verlag Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL ISBN 978-3-86358-479-5 E-Book der gleichnamigen Originalausgabe erschienen im Emons Verlag
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Vorwort
1_Das Alt Wien | Ein Fest fürs Leben
2_Der Altan der Kirche am Hof | Gelöste Bande
3_Das Amalienbad | Rote Wellen
4_Das Anzengruber | Die Kunst zu trinken
5_Die Arena | Alle für eine
6_Der Augarten | Picknickpark
7_Das Auto von Sarajewo | Ein Weltproblem
8_Die Ballgasse | Wie Wien war
9_Das Blauensteiner | Dämonen mit Kalbsherz
10_Der Böhmische Prater | Zurück in die Kindheit
11_Das Bonbons | Für ein paar Zuckerl mehr
12_Der Botanische Garten | Pflanzen bildet!
13_Das Bräunerhof | Warten auf Bernhard
14_Die Breitenseer Lichtspiele | Letzte Helden
15_Die Büchertreppe | Leben, um darin zu lesen
16_Der Busbahnhof Erdberg | Kalter Wind
17_Das Chelsea | Rock ’n’ Roll Hearts
18_Der Crupi | Italienischer Neorealismus
19_Der DC Tower 1 | Wien, ganz oben
20_Der Dessousladen im Erzbischöflichen Palais | Viel drunter
21_Das Domenighaus | Mit vollem Mund
22_Die Donaucity-Kirche | Die Suche nach Engeln
23_Die Edi-Finger-Straße | Da kommt Krankl ...
24_Die Eisenwarenhandlung | Keine Schraube locker
25_Das Engländer | Charmanter Ruhm
26_Das Espresso Hobby | Und abends der kleine Schwarze
27_Das Falco-Grab | Coming Home (Falco Part II)
28_Die Fillgraderstiege | Filmreif
29_Das Filmmuseum | Die Mythen des Alltags
30_Das Flo Vintage | Kleider, Leute, Stars
31_Das Fluc | Oben ist unten
32_Die Förstergasse 7 | Am letzten Tag
33_Der Friedhof der Namenlosen | Sterben macht einsam
34_Die Friedhofstribüne | Party am Abgrund
35_Der Fünfer | Die Weltausstellungslinie
36_Die Galerie der Literaturzeitschriften | Nichts als Worte
37_Die Galerien in der Schleifmühlgasse | Im Labyrinth der Kunst
38_Die Galopprennbahn | Kaiserlos und ohne Pferde
39_Das Gänsehäufel | Bei den Donauinselsandsonnenmenschen
40_Der Garten Trotzkis | Auf euer Wohl, Genossen!
41_Das Gartenbaukino | Licht und Spiele
42_Die Gasometer City | Erinnerungen an die Zukunft
43_Die Gentzgasse 7 | Der Sprung ins Freie
44_Der geografische Mittelpunkt | Neue Mitte
45_Die Glasfabrik | Die Möbel der anderen
46_Das Goldegg | Monarchie und Alltag
47_Der goldene Che | Ohne Knarre
48_Beim Gurkerl-Leo | Sauer und doch lustig
49_Die Harry-Lime-Unfallstelle | Der war gleich tot, mein lieber Herr
50_Der Himmel | Ganz zerstreut
51_Das Hofmobiliendepot | Wohnen wie von Sinnen
52_Das Hohe-Warte-Stadion | Erinnerungen an die Jausengegner
53_Der Horváth-Balkon | In unseren Tagen
54_Das Hotel Orient | Schöne Stunden
55_Der Joe-Zawinul-Park | Blumen für Joe Vienna
56_Das Jüngste Gericht | Brennende Seelen
57_Das Kabarett Niedermair | Wenn man trotzdem lacht
58_Das Kafka | Verrückt nach Franz
59_Der Karmelitermarkt | Nur wer im Wohlstand lebt ...
60_Die Kirche der letzten Ritter | Immer noch cool
61_Die Kirchweger-Stelle | Mit Rechtsausleger
62_Das Krebsenwasser | Welcome to the Jungle!
63_Das Kriminalmuseum | Und alle seine Toten
64_Der Kubus EXPORT | Hinter Glas
65_Die Kunstzelle im WUK | Kreativer Minimalismus
66_Das Längenfeld | Wie sie lernen, die Bombe zu lieben
67_Die Lobau | Gemma schwimmen, meine Damen?
68_Die Loos-Bar | Die Mutter aller Bars
69_Der Löwe von Aspern | Traurige Verlierer
70_Der Narrenturm | Dunkle Seelen
71_Das Neu-Brasilien | Die Gasthausgartenkolonie
72_Das Neuwaldegger Bad | Wie es früher war
73_Der Nullpunkt | Absolut vermessen
74_Das Odeon Theater | Arm und reich
75_Der Perinetkeller | Das Schreien der Lämmer
76_Peter’s Operncafé | Der Glanz der Diven
77_Das Pfandl in Favoriten | Mit Geld-zurück-Garantie
78_Das Phil | Der Zukunftsentwurf
79_Das Porgy & Bess | Dieses ganze Jazzding!
80_Das Prückel | Am Ring
81_Das quartier21 | Rebirth of the cool
82_Das Quell | So wirst oid
83_Die Rote Bar | Oben geht’s weiter
84_Das Sammellager | Der dunkle Ort
85_Das Schlüsselsymbol | Verschlossene Türen
86_Das Schutzhaus Zukunft | Wiener Wahnsinn
87_Das Sperl | Mit Goldrand
88_Das Sperlhof | Es spielt der Mensch, solang er lebt
89_Die Steh-Bar im Schwarzen Kameel | Das leise Lächeln am Ohr eines anderen
90_Der Szazi | Die Hutlegende
91_Das Tanzcafé Jenseits | Die ganze Nacht
92_Das Tegetthoff-Denkmal | Austria rules the Sea!
93_Das Thomas-Bernhard-Grab | Gut sichtbar versteckt
94_Der Toboggan | Die alte Teufels Rutsch
95_Die Totengräber-Gräber | Doppelte Witwe
96_Das Ubl | Nostalgie auf Weanerisch
97_Das Ungargassenland | Zeit heute, Ort Wien
98_Das Vergaserschild | Ein anderes Mahnmal
99_Der Viktor-Adler-Markt | Die Stimmen von Wien
100_Der Volkswohnpalast | Ein Platz an der Sonne
101_Der Waschsalon im Karl-Marx-Hof | Vorwärts, Brüder!
102_Das Weisse Haus | Die Nomaden des Glücks
103_Das WestLicht | Die Freiheit des Sehens
104_Das Wien Museum | Alles, was man wissen muss
105_Die Wildkräuterwerkstatt | Für eine neue Tischgesellschaft!
106_Das Wlaschek-Mausoleum | Der Mann am Klavier
107_Der Wortschatz | Zum Mitnehmen
108_Der Würstlstand Hoher Markt | Mordswürste
109_Der Yppenplatz | Sommerquartiere
110_Das Zauberkastenmuseum | Die Machbarkeit der Illusion
111_Zum G’schupften Ferdl | Frische Socken
Bildteil
Übersichtskarten
In Wien sind selbst die Sehenswürdigkeiten sehenswert. Insofern ist es nicht falsch, den großen historischen und architektonischen Fixsternen zu folgen, die als hell erleuchtete Stimmungskulissen die bekannten Wienbilder dekorieren, ständig frisch gestrichen und perfekt restauriert. Es ist zugegeben ein großartiges Repertoire an alten Bildern und Gebäuden und selbstverständlich auch an Geschichten, mit dem Wien und seine Bewohner verschwenderisch umgehen, immer urwienerisch gemütlich, durchaus kritisant und manchmal doppeldeutig,voller menschlicher Nachsicht, wienerischem Schmäh und deshalb gelegentlich gnadenlos charmant. Die Stadt als kaiserlicher Walzertraum gibt sich nach wie vor goldglänzend wie die Johann-Strauss-Figur im Stadtpark, romantisch beseelt von unsterblichen Melodien und Mehlspeisen, ein wenig aus der Zeit gerutscht und dennoch so unzeitgemäß nostalgisch wie eine Fiakerfahrt zur Rush Hour: In Wien hat noch jede Vergangenheit ihre unaufhaltsame Gegenwart erlebt.
Aber Wien schreibt neue Geschichten. Wien ist anders, wie die Stadtwerbung beschwört, und erkennt sich selbst kaum wieder. Wiens neue Wirklichkeiten sind bunt, manchmal schrill, polyglott und vielsprachig und viel schneller getaktet als die alten Walzerträume. Die Stadt fordert zunehmend dazu heraus, sich lustvoll auf Gegensätze und ihre lebensbejahende Vielfalt einzulassen. Nach wie vor ist Wien eine Stadt voller Mittelpunkte, die unmittelbar Nähe schaffen. Wien als exemplarischer Ort einer modernen Gesellschaft: An 111 ausnahmslos interessanten Orten können Sie den Stimmen folgen, die Wiens neue Geschichten erzählen.
Ein Fest fürs Leben
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Gegründet wurde dieses Café, das mit einem klassischen Kaffeehaus allenfalls den Kaffee gemeinsam hat, 1936 als »Kaffee Alt Wien«. Leopold Hawelka, der zum bekanntesten Cafetier von Wien avancierte, und seine Frau Josefine, die so etwas wie die mitternächtliche Buchtelkönigin der Inneren Stadt wurde, führten es drei kurze Jahre lang, bis sie in der Dorotheergasse das bis heute fest zum Wiener Inventar gehörende »Hawelka« eröffneten. Diese durchgesessene und abgewetzte Institution, die alten Bohemiens nicht nur den Hintern, sondern auch das Herz wärmt, liegt heute im Zielgebiet kunstinteressierter Touristen, die ihre unvermeidlichen Digitalkameras auf je- den halten, der sich zwei Tage lang nicht rasiert hat.
Was aber das »Hawelka« einmal in seinen besten Jahren war, ist das »Alt Wien« noch immer. Es ist laut, lärmig, voller Zukunftsentwürfe und Neurosen, schnelllebig, blitzgescheit, zynisch, überdreht, versoffen, exhibitionistisch und irgendwie kreativ. Es mangelt ein bisschen an allgemein erkennbarer A-Prominenz, aber wenn die auf- taucht, ist es eh vorbei mit der Glückseligkeit. Im »Alt Wien« sind die Künstler und Schriftsteller meistens noch etwas jung, aber Hel- mut Qualtinger, zeitweilig eine der angegafften touristischen Attraktionen im »Hawelka« (bevor er ins »Alt Wien« und ins »Café Gutruf« flüchtete), wusste in seiner Paraderolle als Herr Karl: »I woar auch amoal a junger Mensch.«
Info
Adresse 1. Bezirk, Bäckerstraße 9 | ÖPNV Bus 1A, Haltestelle Riemergasse; Bus 2A, Haltestelle Rotenturmstraße | Öffnungszeiten täglich 10–2 Uhr | Tipp Ganz in der Nähe, Rotenturmstraße 14, gibt es beim jüngst eröffneten »Eis-Greissler« absolut delikates Bioeis.
Und das ändert sich bekanntlich schneller, als man glaubt. Dann hat man rückblickend eine Menge zu erzählen: Zum Bespiel wie toll das Leben und Feiern damals im »Alt Wien« war. Um Mitternacht war’s immer am schönsten, im historischen »2012er Jahr«, als man noch alles vor sich hatte, auf das man nun mit Wehmut zurückblickt: Auf die geschenkte Anarchie, die man mit Anfang 20 einfach leben muss, und auf das an manchen Tagen phantastische kleine Gulasch und auf die vielen Ausstellungs- und Filmplakate, mit denen die Wände tapeziert waren.
In der Nähe
Die Galerie der Literaturzeitschriften (0.11 km)
Der Dessousladen im Erzbischöflichen Palais (0.16 km)
Das Engländer (0.22 km)
Der Nullpunkt (0.24 km)
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Gelöste Bande
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Nichts erinnert heute daran – keine Tafel, kein Gedenkstein, und die lichte barocke Fassade sieht aus, als sei sie von historischen Ereignissen ganz unberührt. Am 6. August 1806 trat der Herold des Kai- sers auf den Altan der »Kirche zu den neun Chören der Engel« und verkündete das Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Es hatte 1.000 Jahre existiert und in Europa die Machtkämpfe bestimmt. Sein Anfang datiert auf den Weihnachtstag im Jahr 800, als Karl der Große von Papst Leo III. zum römischen Kaiser ge- krönt wurde und zum ersten Mal so etwas wie eine europäische Idee Gestalt annahm. In den Jahrzehnten der ottonischen Kaiser zwi- schen 936 und 1024 wurde sein Reich reorganisiert und erweitert, und erst ab dem späten 15. Jahrhundert führte es den Zusatz »Deutscher Nation«. In den letzten 500 Jahren seiner Existenz hatten mit einer einzigen, dreijährigen Ausnahme durch den Wittelsbacher Karl VII. die Herrscher des Hauses Habsburg den Kaiser dieses eu- ropäischen Superreichs gestellt. Jetzt ließ Kaiser Franz I. durch seinen Herold erklären, dass er »das Band, welches Uns bis jetzt an das Deutsche Reich gebunden hat, als gelöst« ansehe. Andernfalls, hatte Napoleon Bonaparte gedroht, werde er Österreich annektieren.
Politisch war das Heilige Römische Reich bei seiner Auflösung bedeutungslos. Die nationalen Grenzen wurden auf dem Wiener Kongress neun Jahre später neu gezogen, als die etwa 200 europäischen (Klein-)Staaten unter der Leitung des österreichischen Au- ßenministers Metternich das Erbe Napoleons und ihr neues Natio- nalbewusstsein verhandelten.
Info
Adresse 1. Bezirk, Am Hof | ÖPNV Bus 2A, 3A, Haltestelle Bognergasse; U1, Haltestelle Stephansplatz; U3, Haltestelle Herrengasse | Öffnungszeiten täglich von 7–12 und 16–18 Uhr | Tipp Rechts, wenn man aus der Kirche kommt, geht es durch die Drahtgasse direkt zum historischen Judenplatz.
Nur abends, wenn der Altan von der gegenüberstehenden Mariensäule aus angestrahlt wird, hat er etwas Erhabenes und Theatrales. Dann sieht er aus wie eine großartige stolze Bühne. Ihr vorerst letzter Akteur war Papst Benedikt XVI. im September 2007.
In der Nähe
Die Steh-Bar im Schwarzen Kameel (0.11 km)
Das Hotel Orient (0.23 km)
Das Wlaschek-Mausoleum (0.31 km)
Der Würstlstand Hoher Markt (0.31 km)
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Rote Wellen
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Von außen sieht es aus wie die weiß übertünchte Burg von Favoriten, eher abweisend und verschlossen, als müssten sich das Bad und seine Einrichtungen grundsätzlich gegen Übergriffe aus einer feindlichen Welt zur Wehr setzen. Das Amalienbad steht in diesem eigenartig trockenen und stabilen Pathos der Arbeiterarchitektur da, der auch die meisten historischen Gemeindebauten des »roten Wien« auszeichnet. Erst in der großen Schwimmhalle offenbart es die optimistische, leichte und lichtdurchflutete Vision, die die Arbeiterklasse in den 1920er Jahren noch von sich hatte. Damals ging es um eine eigene, antibürgerliche Kultur, und so ist das Amalienbad, das 1926 mit einem großen Volksfest eröffnet wurde, ein Gesellschafts- und Lebensentwurf der arbeitenden Klasse geworden. Benannt wurde es deshalb auch nicht nach einer antiken Göttin oder einer Repräsentantin des Hauses Habsburg, sondern nach der Näherin Amalie Pölzer (übrigens eine geborene Baron), die damals eine allseits beliebte Frauenrechtlerin und Mitglied des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs war.
Es war einer der größten und modernsten Prestigebauten der Wiener Stadtregierung. Das ursprüngliche, im letzten Krieg beschädigte, aber größtenteils wieder original restaurierte Bad war so konzipiert, dass an Wettkampftagen Zuschauertribünen der Arbeitersportvereine installiert und das Glasdach zurückgefahren werden konnten. Für die arbeitende Bevölkerung gab es Sauna- und Dampfbad, Frisiersalons und geradezu großbürgerlich anmutende Wellness-Studios.
Info
Adresse 10. Bezirk, Reumannplatz 23 | ÖPNV U1, Bus 66A, 67A, 70A, Haltestelle Reumannplatz | Öffnungszeiten Mo 12.30–15 Uhr (nur Seniorenschwimmen), Di 9–18 Uhr, Mi 9–21.30 Uhr, Do 7–21.30 Uhr, Fr 9–21.30 Uhr, Sa 7–20 Uhr, So 7–18 Uhr | Tipp Nicht ganz so opulent, aber auch in voller Schönheit erhalten, ist das Jörgerbad, Wiens ältestes Hallenbad, in Hernals, Jörgerstraße 42–44.
Damals beeindruckten fesche Arbeiter und Arbeiterinnen nicht nur mit Kopfsprüngen vom 10-Meter-Turm; sie kraulten auch die 33,3 Meter lange Bahn gleich ein Dutzend Mal. Heute wird in der historischen Halle eher quer geschwommen (12,5 Meter), was mangels Kondition und festen Regeln immer wieder zu polyglotten Rempeleien und ethnischen Missverständnissen führt.
In der Nähe
Der Viktor-Adler-Markt (0.3 km)
Das Pfandl in Favoriten (0.31 km)
Das Domenighaus (0.36 km)
Das Auto von Sarajewo (1.34 km)
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Die Kunst zu trinken
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Es ist wie immer eine Sache des Standpunktes. Oder des Sitzplatzes. Man kann das »Café Anzengruber« als bestes und intelligentestes Wiener Fußballbeisl betrachten. Besonders dann, wenn Österreich und seine nachgeborenen Wundertütenteams gegen Kroatien spielen, oder noch besser, wenn die Deutschen mal wieder bekommen, was ihnen nach dem legendären Wunder von Córdoba 1978 doch alle wünschen: den eleganten oder auch ganz unverstellten Knockout. Egal von wem.
Man kann das »Anzengruber« aber auch als literatenlastige Absturzkammer sehen, in der man berühmten Schriftstellern beim Trinken zuschauen kann. Feuilletonisten und die dazugehörigen Hausdichter schlucken hier ganz ungeniert um die Wette und legen ihr wundes oder kritisantes Herz ebenso hemmungslos laut auf den Tresen wie ihre großen Erfolge. Und außerdem ist das »Anzengruber« auch Treffpunkt nachtschwärmerischer Komödianten, die noch kurz vor der Bettruhe ein lauwarmes Dampfbad in der Restmenge nehmen und neue Gags ausprobieren wollen. Es ist immer ein lustiges Café.
Info
Adresse 4. Bezirk, Schleifmühlgasse 19 | ÖPNV Bus 59A, Haltestelle Schleifmühlgasse | Öffnungszeiten Mo–Sa 16–2 Uhr | Tipp In der »Silver Bar« des Hotels »Das Triest«, Wiedner Hauptstraße 12, findet man gelegentlich auch international bekannte Trinker (außerhalb der Wiener Boheme).
Und es ist Künstlerbeisl, die Galerien sind gleich ums Eck, voller Geschichten und Bohemiens, die unentwegt zwischen Lebenslust und Lebensekel schwanken. Fast alle alten Neuen Wilden aus Deutschland und Österreich, die Wiener Avantgarde sowieso, haben sich hier irgendwann festgetrunken und das »Anzengruber« zu ihrer Homebase gemacht.
Das Café gibt es schon seit Ende der 1940er Jahre, und seitdem ist es im Besitz derselben kroatischen Familie, denen das schnelle Servieren im Blut liegt. Alles geht wie am Schnürchen, und besonders die zahlreichen bierlastigen Gäste schätzen es, wenn, kaum angetrunken, schon das nächste Seidl auf dem Tisch landet. Diese Turbodröhnung funktioniert natürlich nur, weil die exzellenten Speisen eine wunderbar stabile Grundlage schaffen, die kaum erschüttert werden kann.
In der Nähe
Das Flo Vintage (0.05 km)
Die Galerien in der Schleifmühlgasse (0.11 km)
Der Crupi (0.18 km)
Beim Gurkerl-Leo (0.21 km)
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Alle für eine
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Die sie noch kannten, erinnern sich an die alte Arena mit Wehmut. Man war selbst jung, was rückblickend immer ein Anlass für alle möglichen warmen Nostalgien ist, und im Sommer 1976, als der Auslandsschlachthof in Erdberg besetzt wurde, schien das Leben noch die Möglichkeit in sich zu tragen, dass alles einmal ganz anders und viel besser werden würde. Die Arena war zumindest für einen kurzen anarchischen Sommer der Spielort für die eigenen gesellschaftlichen Utopien, die aus den »Alternativ-Festwochen« damals entstanden waren – solidarisch und basisdemokratisch, mit endlosen Debatten, an deren Ende allerdings niemand mehr so genau zu sagen wusste, was man in Erdberg eigentlich machen sollte.
Leonard Cohen, eine Folk-Ikone der Späthippies, hatte sich mit den Besetzern solidarisch erklärt und für sie gesungen, ebenso wie die blutjungen Ambros und Danzer und die austropop-politische Band Misthaufen, bei deren letzten aufmunterndem Konzert im Schlachthof die Idee die Runde machte, nie mehr fortzugehen.
Info
Adresse 3. Bezirk, Baumgasse 80 | ÖPNV U3, Bus 80A, Haltestelle Schlachthausgasse; Straßenbahn 18, Haltestelle Baumgasse; Bus N75, Haltestelle Arena | Öffnungszeiten Büro (Ticketvorverkauf ) Mo–Fr 11–17 Uhr; Einlass zu den Veranstaltungen gewöhnlich ab 16 Uhr | Tipp Wer’s lieber literarisch mag, sollte die Veranstaltungen des Rabenhof-Theaters im gleichnamigen Gemeindebau besuchen, Rabengasse 3.
Die alte Halle wurde dennoch bereits im Oktober abgerissen, da niemand in letzter Konsequenz bereit war, sich vor die Abrissbirne zu werfen. Seit Juli 1977 ist die heutige Arena durch sozialdemokratisches Konfliktlösungsgeschick im benachbarten Inlandsschlachthof untergebracht und zum größten alternativen Kulturzentrum Österreichs mutiert.
Für die einen ist die Arena der museale Wiener Mythos, ohne den die gesamte spätere alternative Kultur in Wien nicht möglich gewesen wäre. Für andere ist sie das stark ramponierte, nur noch dekorativ politische und in die Jahre gekommene Veranstaltungsplatzl, in dem aber nach wie vor die besten Acts gespielt werden, die nicht Mainstream sind. 450 Events gibt es im Jahr, und so unterschiedliche Leute wie Katy Perry, Manic Street Preachers, Ringo Starr, Clueso und die Arctic Monkeys spielen in der großen und kleinen Halle, Open Air und notfalls auch im Beisl.
In der Nähe
Der Busbahnhof Erdberg (0.42 km)
Die Gasometer City (0.5 km)
Die Totengräber-Gräber (1 km)
Der Joe-Zawinul-Park (1.24 km)
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Picknickpark
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Die Sommertage im Augarten sind manchmal so perfekt, dass sie einem noch lange nachgehen und man sie im Herbst, wenn die Tage wieder kürzer werden, wie eine Melodie vor sich hin summt. Alles stimmt. Die Boulespieler tragen Strohhüte und trinken Weißwein wie in einer alten Gauloises-Werbung; die Leute in den Hängematten lassen ein Bein seitwärts herunterbaumeln, als seien sie auf Robinson Island zu Hause; Schachspieler spielen Nimzowitsch-Indisch; junge Väter wiegen ihre Kinder so zart, als hätten sie sie selbst geboren, und die Mütter auf Picknickdecken sehen so anmutig aus wie die nackte Frau auf Manets berühmtem Bild »Frühstück im Grünen«. Es gibt Veltliner und Weißburgunder, aufs Grad genau gekühlt, und Brötchen und Tramezzini, wie sie sonst nur im »Schwarzen Kameel« (Bognergasse) und bei »Trzesniewski« (Dorotheergasse) zu haben sind. Man ist bestens ausgestattet mit Picknickkoffer und Sektkübel oder improvisiert echt wienerisch aus dem nächsten Billa-Laden heraus.
Der ehemalige französische Lustgarten in den alten Donauauen war der Lieblingspark des Kaisers Joseph II. (1741–1790), der als eine der romantischsten Seelen, die das Habsburger Kaiserhaus je hervorbrachte, hier jedes Jahr Nachtigallen aussetzen ließ. Seit dem 30. April 1775 ist der Park auch für die nichtadelige Öffentlichkeit zugänglich.
Info
Adresse 2. Bezirk | ÖPNV Straßenbahn 2, 5, Haltestelle Am Tabor; Bus 5A, Straßenbahn 31, Haltestelle Obere Augartenstraße | Öffnungszeiten Die Parktore werden von Nov.–März um 6.30 Uhr, von April– Okt. um 6 Uhr geöffnet; die Schließzeiten richten sich nach der einbrechenden Dunkelheit. | Tipp »Kino unter Sternen« ist das sommerliche Filmfestival, das in den Monaten Juli und August im Augartenspitz veranstaltet wird.
Das erste Augarten-Konzert wurde am 26. Mai 1782 von Wolfgang Amadeus Mozart dirigiert, und seitdem gehören die Augarten-Events zu den sommerlichen Höhepunkten in Wien. Neuerdings, und vorerst auf drei Jahre befristet, hat die Kunstsammlerin und Mäzenin Francesca von Habsburg das Ausstellungszentrum »TBA 21« eröffnet (Thyssen-Bornemisza Art Contemporary), im ehemaligen Atelier von Gustinus Ambrosi, Eingang Scherzergasse. Echt wienerisch sind im Augarten allerdings auch die unübersehbaren Brüche: Über allem Lustempfinden ragen noch die Flaktürme der ehemaligen »Festung Wien« in den knallblauen Picknick-Himmel.
In der Nähe
Die Förstergasse 7 (0.4 km)
Der Perinetkeller (0.42 km)
Der geografische Mittelpunkt (0.6 km)
Das Sperlhof (0.61 km)
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Ein Weltproblem
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Das Einschussloch auf der rechten Seite ist auch heute noch gut zu erkennen. Rings um das Loch ist der Lack abgeplatzt. Es spricht nicht für den Schützen, aber doch für die Durchschlagskraft der 9mm-Browning-Pistole. Dieser erste Schuss, den der 19-jährige serbische Nationalist Gavrilo Princip abfeuerte, durchschlug das Blech der Phaeton-Karosserie der Firma Gräf & Stift und tötete Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg, die Gattin des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand.
Der zweite Schuss traf den Erzherzog und zerriss ihm die Halsschlagader. Er verblutete. Im sogenannten »Sarajewo-Saa« des Heeresgeschichtlichen Museums ist auch die Uniform des Thronfolgers ausgestellt, in einer schwarz abgesetzten Vitrine. Es ist ein eigenartiger Umstand der Geschichte, dass der Chauffeur des sechssitzigen Cabriolets, Leopold Lojka, als Einziger nicht über eine Routenänderung informiert worden war. Er bog an der Lateinerbrücke in Sarajewo in den ursprünglich geplanten Weg rechts ab, wurde korrigiert, musste anhalten, den Retourgang einlegen und kam so für einen Moment vor Gavrilo Princip zum Stehen, der am Straßenrand wartete.
Info
Adresse Heeresgeschichtliches Museum, 3. Bezirk, Arsenal | ÖPNV Bus 69A, Haltestelle Arsenal | Öffnungszeiten täglich von 9–17 Uhr | Tipp Nicht nur der dunklen, vor allem der glorreichen Momente österreichischer Militärs wird in eigenen Sälen gedacht: den Siegen über die Türken, Preußen und Franzosen.
Zunächst war Kaiser Franz Joseph über den Tod seines Neffen nicht besonders erschüttert: »Wieder ein Problem weniger«, soll er gesagt haben, und als Franz von Harrach, der Besitzer des Cabriolets, in Wien Bericht erstattete, fragte der betagte Monarch, dem nach eigenen Angaben im Leben nichts erspart geblieben war: »Und? Wie hat sich der Erzherzog gehalten?« Einen Monat nach dem Attentat, am 23. Juli 1914, stellte Österreich ein auf 48 Stunden befristetes Ultimatum an Serbien, das von den Serben, selbst wenn sie gewollt hätten, nicht erfüllt werden konnte: »Das übelste Schriftstück, das mir jemals in die Hände gekommen ist«, kommentierte der britische Außenminister Earl Edward Grey. Der Krieg, der später der Erste Weltkrieg heißen sollte, begann am 28. Juli mit einer Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien.
In der Nähe
Die Totengräber-Gräber (0.96 km)
Der Botanische Garten (1.02 km)
Das Pfandl in Favoriten (1.11 km)
Das Goldegg (1.13 km)
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Wie Wien war
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Es gab einmal ein anderes Wien. Klein, verschlungen und unorthodox in seiner Anlage. Als die Türken 1683 vor den Mauern Wiens standen, standen sie längst schon auf dem heutigen Stadtgebiet. Die Stadt folgte damals nicht ihren effektiven und letztlich profitablen Linien, die sie im 19. Jahrhundert ausbaute und kultivierte, sondern ganz den damals noch eigenwilligen menschlichen Linien. Die Bedürfnisse waren einfach, und der Straßenverlauf richtete sich meistens nach den natürlichen Gegebenheiten und Gefällen, die in den Abwasserrinnsalen fortführen konnten, was man notdürftig nicht mehr brauchte. Die Straßen waren krumm wie das Leben, langsam und einspurig, da ein irgendwie bedeutsamer Gegenverkehr nicht vorstellbar war. Diese Zeit, als die Straßen noch gebogen waren, hatte etwas Märchenhaftes und verschroben Gemütliches wie in den Bildern des Biedermeiermalers Carl Spitzweg oder den unbeschwerten Ausblicken des Aquarellisten Rudolf von Alt.
Mit der beginnenden Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts veränderten sich die Städte und ihre verkehrstechnischen Lebensadern. Der kürzeste Weg zwischen A und B definierte die Formel, die sich effektiv bilanzieren ließ. Die Straßen wurden rücksichtslos gerade. In Wien machte man die großen Bahnhöfe zu unübersehbaren Fluchtpunkten der neu angelegten Boulevards.
Info
Adresse 1. Bezirk, Ballgasse | ÖPNV U1, U3, Haltestelle Stephansplatz | Tipp Das »Kleine Café« (legendärer Szeneklassiker) des Schauspielers Hanno Pöschl und das noble Wein-Bar-Restaurant »Artner« findet man am Franziskanerplatz.
Die Ballgasse in der Inneren Stadt ist eine der letzten in ihrem Verlauf noch ganz mittelalterlich geprägten Straßen, auch wenn ihre heute sichtbare Bebauung hauptsächlich auf das 18. Jahrhundert datiert. Mit etwas Phantasie führt sie direkt in die Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Das Vergnügen, ein paar Schritte durch die (autofreie) Vergangenheit zu gehen, ist allerdings recht kurz, dafür mit einem Höhepunkt: Am Ende, wenn man von der Rauhensteingasse kommt, tritt man durch eine Toreinfahrt hinaus auf den Franziskanerplatz, der einer der schönsten und romantischsten Plätze von Wien ist.
In der Nähe
Die Kirche der letzten Ritter (0.14 km)
Die Loos-Bar (0.2 km)
Der Nullpunkt (0.23 km)
Das Porgy & Bess (0.24 km)
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Dämonen mit Kalbsherz
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Wien ist Literatur! Die Stadt erzählt überall ihre phantasievollen Geschichten, und einige hundert Gedenktafeln an ihren Häusern erinnern an die vielen Dichter und Schriftsteller, die in ihr arbeiteten. An Heimito von Doderer (1896–1966), den Autor der »Strudelhofstiege«, erinnern allein vier. Eine hängt neben der »Stadt Paris«, Doderers Lieblings-Beisl, und nennt auch die Namen der damaligen Wirtsleute Franz und Elly Blauensteiner.