1795 - Niklas Natt och Dag - E-Book
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Niklas Natt och Dag

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  • Herausgeber: Piper ebooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

1795: In Stockholm öffnen sich die Tore zur Hölle Im dritten Teil von Niklas Natt och Dags großer Trilogie folgt Emil Winge zusammen mit Jean Michael Cardell ein letztes Mal dem Ruf nach Gerechtigkeit im verruchten Stockholm des späten 18. Jahrhunderts. Nach einer Feuersbrunst, die viele Leben gekostet hat, liegt der beißende Geruch von Verzweiflung in der Luft. Wie ein hungriges Tier schleicht das Böse in Gestalt des zwielichtigen Tycho Ceton durch die verwinkelten Gassen. Niemand weiß, was für ein widerliches Komplott er als Nächstes plant. Zeitgleich beginnt das Königshaus eine unerbittliche Jagd auf alle Gegner der Regentschaft. Ein Brief mit den Namen der Verschwörer soll im Umlauf sein – und ausgerechnet die vermisste Anna Stina Knapp wurde damit gesehen. Zwei begnadete Ermittler stellen sich der Dunkelheit entgegen und wollen nicht nur Ceton fassen, sondern auch Anna Stina beschützen: Emil Winge und der einarmige Veteran Jean Michael Cardell. Doch während sie noch versuchen, für das Gute einzustehen, bahnt sich unaufhaltsam ein Inferno an … »Es ist dieser Kontrast zwischen den Idealen dieser Zeit und der Gewalt, die Natt och Dag eindringlich aufeinander prallen lässt.« – Süddeutsche Zeitung über 1794

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Seitenzahl: 633

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S. 5: Donatien Alphonse François Marquis de Sade, Aline und Valcour oder Der philosophische Roman. Geschrieben in der Bastille, ein Jahr vor der Französischen Revolution. Deutsch von Hannelore Wichmann. Merlin Verlag, 2. Auflage, Gifkendorf 1990, S. 28.

S. 311: Klaus-Rüdiger Utschick, »Bellman über sich und in eigener Sache«, In: Beiträge zu Bellman, Heft I, S. 14. Anacreon Verlag, München 2001. S. 385: Ebd.

 

© Niklas Natt och Dag 2021

Titel der schwedischen Originalausgabe:

»1795«, Bokförlaget Forum, Stockholm 2021

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Published by agreement with Salomonsson Agency

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Johan Sevenbom, Aussicht von den Röda Bodarna über das Rathaus (Bondesches Palais), das Riddarhuset und Riddarholmen, 1768 (Gemälde); shutterstock.com

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

 

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Zitat

Personen, die in 1795 Erwähnung finden

Prolog

Herbst 1794

1

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Teil 1

Frühling und Sommer 1795

Jagdhunde

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Teil 2

Frühling und Sommer 1795

Cetons Maskerade

1

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19

Teil 3

Frühling und Sommer 1795

Säuberung

1

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Teil 4

Herbst und Winter 1795

Weile an dieser Quelle

1

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32

Epilog

Frühling 1796

Epilog

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Wer hält in dem dunklen Labyrinth, in das uns unsere Leidenschaften ziehen, den Faden in der Hand?

Donatien Alphonse François de Sade, 1795

Personen, die in 1795 Erwähnung finden

Tycho Ceton, ehemals Mitglied des Eumeniderordens und Sklavenhalter in Schwedisch-Westindien. Nach seiner Heimkehr Mäzen eines Kinderheims, um seine Untaten durch Wohltätigkeit zu verschleiern. Auftraggeber des Mordes an der Braut von Erik Drei Rosen und Konstrukteur von dessen Unglück. Seit dem Brand im Kinderheim Hornsberget mittel- und schutzlos auf der Flucht.

 

Jean Michael Cardell, genannt Mickel. Ehemaliger Obersappeur, hat den linken Arm im Svensksund eingebüßt, seither bei der Stadtwache tätig. Durch seine Unachtsamkeit kam es zum Brand im Hornsberget, bei dem die Zwillinge von Anna Stina Knapp ums Leben kamen, weshalb er sich für deren Tod verantwortlich fühlt. Vom Feuer gezeichnet, auch wenn das Gewissen schlimmer schmerzt als die Brandnarben.

 

Cecil Winge, Jurist, im Dienst der Polizeikammer für besondere Fälle zuständig und ein Paradebeispiel für Rationalität. Tot und begraben.

 

Emil Winge,Cecils jüngerer Bruder. In Auflehnung gegen die Ansprüche und Erwartungen seines Vaters Langzeitstudent an der Universität Uppsala. Von Cardell in die Rolle des toten Bruders gedrängt – mit schicksalsschweren Folgen. Einst Gewohnheitssäufer, um seine Wahnvorstellungen in Schach zu halten, inzwischen trocken.

 

Anna Stina Knapp,flüchtige Spinnhäuslerin und Witwe, hat zudem jüngst beide Kinder verloren. Wurde vom Menschenhändler Dülitz beauftragt, die wegen Hochverrats verurteilte Magdalena Rudenschöld im Spinnhaus auf Långholmen aufzusuchen und eine Liste mit den Namen sämtlicher Kollaborateure des Verschwörers Armfelt hinauszuschmuggeln.

 

Maja und Karl,Anna Stina Knapps Zwillinge, die noch vor ihrem ersten Namenstag beim Brand im Hornsberget zu Tode kamen.

 

Erik Drei Rosen,junger Adeliger, Patient im Tollhaus in Danviken, wo er einer folgenschweren Behandlung unterzogen wurde. Von Ceton hinters Licht geführt, hat er aus Rache das Kinderheim niedergebrannt. Noch im Widerschein des tödlichen Feuers vom wutentbrannten Cardell umgebracht.

 

Lisa Einsam,Landstreicherin mit Sommerquartier im Stora Skuggan; hat Anna Stina in einer misslichen Lage ausgeholfen; ist im Herbst vor der Verantwortung gen Süden geflohen, um ihrem Namen treu zu bleiben.

 

Petter Pettersson, Wachtmeister im Spinnhaus auf Långholmen. Hat mit dem Brief der Rudenschöld als Pfand Anna Stina unter einer – nicht eingelösten – Bedingung laufen lassen.

 

Meister Erik, Petter Petterssons Kosename für die Karbatsche, mit der er die Spinnhäuslerinnen auf Långholmen misshandelt.

 

Isak Reinhold Blom, Sekretär im Dienst der Stockholmer Polizeikammer, Dichter mit mäßigem Talent. Einst Cecil Winges Kollege, inzwischen Emil Winges Mentor.

 

Dülitz, aus Polen geflüchtet, handelt mit Menschenleben.

 

Miranda Ceton,Tychos Ehefrau, gelähmt und bettlägerig, gegen ihren Willen von ihrem Gatten am Leben erhalten. Hat Emil Winge und Mickel Cardell bei deren Jagd auf Tycho – wenn auch aus eigenen Beweggründen – auf die richtige Spur gebracht.

 

Gustav III., König der Schweden, Goten und Wenden von Gottes Gnaden; im März 1792 in der Stockholmer Oper niedergeschossen und seiner Verletzung erlegen.

 

Gustaf Adolf Reuterholm, Steuermann des Vormundschaftsregimes, genannt Großwesir; de facto Herrscher über die praktischen Dinge im Königreich; empfindlich, eitel und fest entschlossen, auch den letzten gustavianischen Loyalisten im Lande den Garaus zu machen.

 

Herzog Karl, jüngerer Bruder des verstorbenen Königs Gustav III. und formal Regent des Reiches bis zur Volljährigkeit des Thronfolgers. Gänzlich uninteressiert an Politik; Reuterholms Hündchen.

 

Herzog Fredrik Adolf, jüngster Bruder Gustavs III. und hinsichtlich der Thronfolge irrelevant; Lebemann.

 

Gustav Adolf, einziger Sohn Gustavs III. und dem Titel nach König von Schweden, allerdings noch nicht volljährig und daher unter Vormundschaft.

 

Gustaf Mauritz Armfelt, Günstling des verstorbenen Königs, außer Landes geflüchtet, nachdem er als Hauptverschwörer gegen die Vormundschaftsregierung enttarnt worden war.

 

Magdalena Rudenschöld, weiland Hofdame, Armfelts Geliebte und Mitverschwörerin; vorübergehend auf Långholmen in Gefängnishaft.

 

Johan Erik Edman, Amtssekretär in der Justizkanzlei; verlängerter Arm des Barons Reuterholm; geschäftig und skrupellos; den Gustavianern auf den Fersen.

 

Magnus Ullholm, Direktor der Stockholmer Polizeikammer, Veruntreuer der Geistlichen Witwenkasse, ein elender Schuft.

 

Eumeniden, eine Ordensgesellschaft, in der mächtige Männer unter Vortäuschung von Wohltätigkeit gewissen Vergnügungen nachgehen.

Prolog

Herbst 1794

1

Mit der seelenvollen Melodie von Bogen und Saite, die bis vor Kurzem seine Welt erfüllt und alles andere vergessen gemacht hat, ist es nun vorbei. Durch die Herbstnacht dröhnen stattdessen die Glocken der Kirchtürme, und ihr Läuten gleicht nahenden Schritten, die ihn und niemand anderen verfolgen; sie künden von seinem Ausgeliefertsein, auf dass alle es hören. Tycho Ceton zieht die Schultern hoch und den Kopf ein, als er aus dem Schutz der Gassen und auf das Tosen an der Polhemschleuse zuläuft. Die Schnalle seines linken Schuhs verbiegt sich in einem Schlagloch, wo ein Pflasterstein zerbrochen ist, doch er kann deswegen nicht stehen bleiben, sondern passt lediglich seine Schritte an, um seinen Schuh nicht zu verlieren. Er ist allein, Jarrick ist nicht mehr bei ihm; mit der Münze, die er für seinen letzten Botengang bekommen hat, ist er ohne ein Wort des Abschieds in die nächstbeste Gasse verschwunden. Ceton ist nicht weiter überrascht. Nichts anderes hat er erwartet. Er ist entlarvt worden. Sobald der Preis für sein Leben aufgerufen wird, werden die Käufer Schlange stehen. Besser, er geht gleich, als dass er mitansehen muss, wie die Bande, die einst die Gier geknüpft hat, vor die Zerreißprobe gestellt werden. Sein allerletztes bisschen Zuversicht würde sich doch nur als Trugschluss erweisen.

So weit das Auge im Sternenlicht reicht, brodelt auf den Wellen des Saltsjön die Gischt. Er muss sich am Geländer der Zugbrücke festhalten, um auf den rutschigen Planken den Halt nicht zu verlieren. Der Wind presst das Mälarwasser mit gewaltiger Kraft zwischen die Pfeiler, die Gischt dringt durch jede Ritze im Holz, und wo sie über die Mauer leckt, erklingt ein schadenfrohes Flüstern: Die Hunde sind dir auf den Fersen. Jetzt werden die Schulden eingetrieben, und das Blut in deinen Adern ist die einzige Währung, die zur Tilgung taugt. Am anderen Ufer entdeckt er eine Kutsche. Der Fuhrmann hat sich die Hände unter die Achseln geschoben und schläft mit dem Kinn auf der Brust. Tycho Ceton geht hinter dem schmutzigen, gesprungenen Fenster in Deckung, während die Hufe allmählich ihren Rhythmus finden.

Entlang der Mauern versammeln sich die Rosenblätter und wirbeln auf, sobald eine Bö sie aufpeitscht. Er klopft an, zischt seinen Namen und entreißt der Magd, die ihm aufmacht, den Kerzenleuchter. Sie ist geistesgegenwärtig genug, ihm sofort Platz zu machen. Bereits im Eingangsbereich nimmt er den Geruch aus dem Zimmer wahr und das, was kein Parfüm je überdecken könnte. Vor ihrer Tür hält er sich sein parfümiertes Seidentuch unter die Nase, überlegt es sich dann jedoch anders und steckt es wieder ein, weil er durch nichts in der Welt andeuten will, dass ihm irgendetwas an ihr eine Reaktion entlockt, und sei es Ekel. Das Messing fühlt sich kühl an, als seine Hand kurz am Türknauf zaudert. Dann dreht er ihn, öffnet und betritt das dunkle Schlafgemach.

Der Gestank, der ihm auf der Schwelle entgegenschlägt, verleiht der Dunkelheit regelrecht Gestalt, als wäre er eine Art Nebel oder Qualm. Die Kerze in seiner Hand blendet ihn eher, als dass sie den Raum erhellt. Er stellt sie auf einen Tisch an der Wand und bleibt für einen Augenblick vor dem breiten Schatten des Himmelbetts stehen. Tuchbahnen verbergen die Besitzerin. Tycho lauscht seinem eigenen Herzschlag, und erst als der sich verlangsamt, hört er sie atmen – eher bedächtig und wachsam als mit den leisen Schnarchlauten einer Schlafenden. Unmut macht sich in ihm breit. Schon jetzt ist er ihr unterlegen. Dort liegt sie, wie ein Lindwurm in seiner Höhle, und beobachtet ihn mit der Geduld, die all die Jahre sie gelehrt haben und mit der seine eigene sich nie wird messen können.

»Geliebter Tycho. Genau wie ich es mir gedacht habe.«

Beim Klang ihrer Stimme erschaudert er. Er weiß genau, wie sehr der Klang täuscht. Seit ihrer Lähmung ist sie vollkommen aus dem Leim gegangen, die Stimme jedoch ist noch immer dieselbe, die einst der zarten Brust eines Mädchens entsprungen ist. Ihr Leid muss fürchterlich sein, doch sobald sie spricht, hört man eine Befriedigung, als würde sie die Qualen wie süßen Wein genießen. Ihm bricht der Schweiß aus, während er sich zu einer Erwiderung zwingt.

»Miranda …«

Sie bricht in Gelächter aus. Tycho spürt, wie seine Zunge im Mund anschwillt, wie seine Gedanken urplötzlich träge und widerwillig werden, und ihm bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten, dass sie die Initiative ergreift, die er aus der Hand gegeben hat.

»Oh, Tycho. Deine Stimme – sie zittert ja! Und das beim Anblick deiner Ehefrau! Aber die Ehre deiner Scheu gebührt sicherlich nicht mir allein. Die Kirchenglocken läuten ja schon seit Stunden. Ich habe die kleine Gustava auf den Hügel geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. Kungsholmen stehe in Flammen, sagt sie, und prompt tauchst du hier auf – und in welchem Zustand! Hemd und Rock sind völlig verschwitzt, und der Gestank deiner Angst stellt sogar den meines offenen Beins in den Schatten. Also, was fehlt meinem Liebsten?«

Ihre Zunge ist seit jeher die Peitsche, die seine empfindlichsten Stellen trifft – was sie letztlich auch ins Verderben gestürzt hat. Häme brennt in jedem Wort. Der Verdruss macht jeglichen Anspruch an Wortgewandtheit zunichte, und wütend faucht er sie an: »Wie viel von alldem ist dein Werk, Miranda?«

»Ach, Tycho, das ist für jemanden, der nicht mal eine Fingerspitze vom Laken heben kann, schwer zu sagen. Aber ich hoffe sehr, dass dieses Unheil nicht ohne mein Zutun über dich hereingebrochen ist. Immerhin habe ich mein Bestes getan, um dazu beizutragen.«

Sie dreht den Kopf auf dem Kissen, und das Glöckchen schlägt an.

»Ich hatte Besuch, Tycho, und zwar solchen, auf den ich lange vergebens gehofft hatte. Ich muss zugeben, dass er anfangs die Erwartungen, die meinen Tagträumen entstiegen waren, kein bisschen erfüllte. Zwei Männer, ein großer und ein kleinerer. Ersterer dermaßen verbraucht und verlebt, dass er kaum noch als Mensch zu erkennen war, obendrein eines Armes verlustig. Und der Kleine … Bei dem stimmte etwas nicht, so viel war klar zu erkennen. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass ihr Ansinnen zum Scheitern verurteilt war. Wer bitte schön würde derlei Pack Gehör schenken, selbst wenn es Geständnisse und Beweise vorzuweisen hätte? Aber dieser Einarmige … In ihm loderte eine solche Wut, eine solche Raserei, dass sich die Tapeten fast von den Wänden gerollt haben. Ich frage mich wirklich, welche Lügen du ihm aufgetischt und wie sehr du mit deinen Schandtaten geprahlt hast. Je nun. In der Hoffnung, er werde dich in seinem Zorn auf der Stelle umbringen, habe ich ihn in den Anatomiesaal geschickt. Aber ich muss die Selbstbeherrschung des Kerls unterschätzt haben.«

»Ist das alles?«

»Ein bisschen was habe ich ihm von dir erzählt, lieber Tycho, und von deinen zahlreichen Verirrungen. Aber nicht alles.«

»Und warum nicht?«

»Die Angst vernebelt dir den Verstand. Du weißt, warum. Was die beiden betrifft, habe ich ihnen nicht allzu viel zugetraut. Aber wenn nicht das ungleiche Paar zurückkehrt, um mehr zu erfahren, kommen dafür bald andere, und da erzähle ich alles, sofern du mir nicht endlich gibst, was ich mir schon lange wünsche.«

Er wartet darauf, dass sie fortfährt, während sein Puls immer lauter in den Schläfen rauscht.

»Du lässt mich jetzt frei, Tycho. Etwas anderes bleibt dir nicht übrig. Ich weiß, dass du lieber zusiehst, wenn andere es tun – und nein, schau dich gar nicht erst nach Gustava um! Sie ist nicht mehr da. Ich habe ihr dringend geraten, das Weite zu suchen und keinen Blick mehr zurückzuwerfen, sobald sie dich eingelassen hat. Heute Nacht legst du zur Abwechslung selbst Hand an. Und noch während du das tust und für den ganzen Rest deines erbärmlichen, wertlosen Lebens wirst du diesen einen Gedanken haben: Ich habe gewonnen, Tycho. Die entscheidende Partie zwischen uns habe ich für mich entschieden, und all die Jahre, die ich in diesem Bett verbracht habe, jede Stunde, jede Minute hat sich voll ausgezahlt, wenn ich dich so in deinem Elend sehe. Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du mich zum Altar geführt hast? Damals, ehe ich es besser wusste, fand ich dich schön. Doch so verängstigt und erniedrigt wie heute bist du mir noch tausendmal schöner. Also, beeile dich, Liebster. Sie wissen, wo du dich verkriechst, und deine Feinde lechzen bereits nach Vergeltung. Und diese Niederlage dürfte nicht deine letzte sein. Wer kommt wohl als Erstes – der einarmige Häscher und der dürre Irre? Deine einstigen Ordensbrüder? Oder einer der feinen Herren, deren Gunst du dir erzwungen hast? Wer von ihnen würde dir das schlimmste Ende bereiten? Sofern es einen Gott gibt, kann er mir einen flüchtigen Blick darauf wohl kaum verwehren – selbst nicht aus den Tiefen der Hölle, in der ich bald schmore. Aber nun soll das nicht mehr meine Sorge sein. Tu du endlich wie geheißen, bevor dir die Zeit davonläuft.«

Er weiß, dass sie recht hat. Trotzdem zögert er, versucht vergebens, die Sache irgendwie zu drehen, zu wenden, wie der Verlierer, der argwöhnisch das Brett umrundet, weil er nicht glauben will, dass er schachmatt ist. Wie in einem Albtraum setzt er einen Fuß vor den anderen, nähert sich dem Bett, bis sich ihre aufgedunsene Gestalt unter der Decke abzeichnet und sich der Abscheu in ihm rührt. Seine Lunge füllt sich mit fauliger Luft, und er muss schlucken, um zu verhindern, dass sich sein Magen entleert. Vergnügt kichert sie in sich hinein.

»Mein Tycho. Du siehst aus wie ein verzagter Schuljunge vor dem ersten Beischlaf.«

Er zerrt das Kissen unter ihrem Kopf hervor und legt es ihr mit zitternden Händen übers Gesicht. Mit ausgestreckten Armen presst er es nach unten, doch seine Kraft reicht nicht aus, und mit einem Mal fühlt sich die Zeit in seinem Stundenglas zäh wie Melasse an. Er muss sich auf sie legen, sich wie im Zerrbild einer Umarmung mit der Brust und seinem vollen Gewicht auf sie legen, und er windet sich vor Widerwillen, während ihr weiches Fleisch unter ihm wogt. Noch lange, sehr lange hört er durch Federbett und Seide ihr triumphierendes Lachen und den gedämpften Klang des Glöckchens.

 

Auf dem Weg nach draußen muss Tycho Ceton sich an der Wand abstützen. Er besitzt noch ein paar wenige Wertsachen und Münzen, die ihm von seinem Vermögen geblieben sind, doch nicht einmal davon hat er alles mitnehmen können, weil er sich in der Panik, die seinen Verstand blockiert, an viele Verstecke nicht mehr erinnert. Sie liegt tot in ihrem Zimmer, immer noch mit weit offenen Augen, und ihr Hohnblick folgt ihm sogar durch die Wände. Eine kleine Stofftasche hat er gepackt, das ist alles. Draußen im Hof ist es nach wie vor Nacht, doch es ist eine andere Nacht als zuvor, und sie nötigt ihn, am Tor stehen zu bleiben, als stünde er vor einem Gewölbebogen mit herabgelassenem Gitter. Es ist die Furcht – dieselbe, die er insgeheim schon immer im Herzen getragen hat; eine Kugel, die sich ihm sauber ins Fleisch gebohrt hat, dort stecken geblieben und wenngleich nicht vergessen, so doch vor dem Blick der Welt verborgen ist. Jetzt hat sie ihre Fesseln gesprengt und die Welt in Besitz genommen. Sie ist überall um ihn herum. Er schluckt einen gequälten Laut hinunter und flieht wie ein Hase vor dem Wind, der die Jagdhunde auf seine Fährte führt.

2

Als es klopft, wittert Dülitz augenblicklich Unrat. Er ist von seinen Bittstellern ein demütiges Auftreten gewöhnt, eine Entschuldigung für das Ungemach, das ihr Kratzen an seiner Tür mit sich bringt. Doch dieses harte Klopfen stammt von einem Stock, es ist die rhythmische Salve einer Person, die sich sicher sein kann, für die Schrammen, die der Silberknauf im Holz hinterlässt, nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Es ist schon spät, trotzdem kann Dülitz durch die Vorhänge am Fenster im Obergeschoss immer noch genügend sehen, auch wenn er selbst achtgibt, dass sein Schatten nicht über die Fensterscheibe huscht. Draußen stehen zwei Männer, die nicht erkannt werden wollen – die Schlapphüte tief im Gesicht. So weit, so gewöhnlich. Nur wenige prahlen damit, dass sie ihn aufsuchen wollen. Hinter den beiden am Hang Richtung Ormsaltaregränd warten zwei Begleiter, die angewiesen sind, Abstand zu halten. Sie ducken sich, um den Hals vor dem Nieselregen zu schützen, zwei kräftige Männer, deren Überröcke Uniformstoff verbergen. Und über den Dachfirsten jenseits der Polhemschleuse schimmern die Laternen in den Gassen und die erhellten Fenster der Stadt zwischen den Brücken, über die Regenschauer niedergehen – ein vieläugiges Ungeheuer, das ihn halb desinteressiert, halb boshaft zu mustern scheint. Unzählige Male hat Dülitz den Blick über Stockholm schweifen lassen, jene Stadt, die ihm trotz all der Jahre immer noch fremd ist, und er hat immer geahnt, dass sie ihm eines Tages das Grab aufzeigen wird, das er sich selbst geschaufelt hat.

Und plötzlich weiß Dülitz, was der Besuch von ihm will; er hat es insgeheim erwartet und nur verdrängt. Trotzdem kann er in diesem Moment nicht umhin, die Entscheidungen infrage zu stellen, die ihn in diese Sackgasse geführt haben. Womöglich kommt für jeden Mann eines Tages der Augenblick, da der Trott der Gewohnheit ihn zu Risiken anspornt. Denn wenn sich das Gewicht des Lebens zusehends aus der Waagschale der Zukunft in jene der Vergangenheit verlagert, hat er nur noch die Möglichkeit, die Jugend rückwirkend als eine Zeit der Tollkühnheit zu betrachten. Er hätte den Auftrag ablehnen müssen, doch er hat der Stimme der Vernunft nicht gehorcht, die ihm abgeraten hat. Es war dieses Mädchen, diese Anna Stina Knapp. Ohne sie hätte an einem Abend wie diesem die Gefahr nie an seine Tür geklopft. Sie kam ihm überaus gelegen, und sie hatte, was er benötigte – ein selten glücklicher Umstand. Möglicherweise war Mitleid im Spiel, vielleicht auch Schwärmerei. Er schiebt den Gedanken beiseite, weil es nun wirklich keine Rolle mehr spielt. Seine Tür wird abermals zur Trommel umfunktioniert. Ottoson ist schwer verkatert erwacht und sieht ihn vom Flur aus ratlos und besorgt an, doch Dülitz scheucht seinen Handlanger bloß zur Seite und zieht den Riegel an der Tür selbst zurück, wohl wissend, dass alsbald ein Würfel geworfen wird. Die Augenzahl wird über sein Schicksal entscheiden.

 

Der Ofen ist eben erst eingefeuert worden, noch hat die Wärme sich nicht in den Kacheln verteilt, und Kammerdirektor Ullholm beschließt, die Handschuhe anzubehalten, als er das Weinglas entgegennimmt, das Ottoson ihm zittrig hinhält. Den beiden Gästen sind Stühle angeboten worden.

»Sie kennen meinen Begleiter möglicherweise vom Sehen?«

Dülitz zündet eine Leuchterkerze nach der anderen an und nickt. Er ist froh, dass seine Hände seine Gefühlslage nicht so deutlich preisgeben wie die seines Handlangers.

»Dem Amtssekretär Edman eilt sein Ruf voraus.«

Johan Erik Edman ist sicher fünfzehn Jahre jünger als der Kammerdirektor, hat einen unsteten Blick und eine geschwollene Nase, die in einem fort läuft und die er sich ein ums andere Mal putzen muss. Ullholm nippt an seinem Wein.

»Nun, in Ihrer Branche ist man gut beraten, sich zu informieren. Dann wissen Sie ja, dass Herr Edman unsere Spinne im Netz aus Kundschaftern der Krone ist, unser Löwe, der Jagd auf die Gustavianer macht. Dank seiner Anstrengungen ist Armfelt, dieser Verräter, mit eingekniffenem Schwanz außer Landes geflohen.«

Dülitz nickt beifällig.

»Selbst in eher lichtscheuen Kreisen wird Herr Edman für seine unversöhnliche Art und die geistreichen Methoden geachtet, mit denen er sogar jenen Geständnisse entlockt, die ihre Schuld so raffiniert vertuscht haben, dass sie sich selbst nicht mehr daran erinnern.«

Edman entfleucht ein pfeifender Laut, möglicherweise ein Lachen, das jedoch sofort in Husten umschlägt, der wiederum immer heftiger wird, bis er sich schließlich hinter seinem Taschentuch verstecken muss; Ullholm klopft ihm so respektvoll wie nur irgend möglich den Rücken, was aber wenig nützt.

»Dem Herrn Sekretär hat es zu Ehren dieses Tages leider die Sprache verschlagen. Die Gesundheit ist seit jeher seine Achillesferse und erste Verbündete seiner Feinde. Die zahlreichen anstrengenden Gerichtsverfahren in diesem Herbst und die anhaltende Nässe haben ihm vollends die Stimme geraubt – hoffen wir mal, dass es nur vorübergehend ist. Sein Ehrgeiz jedoch erlaubt ihm nicht, sich auszuruhen, daher hat er mir die Aufgabe anvertraut, an seiner Stelle mit Ihnen zu sprechen.«

Dülitz antwortet nicht; soll doch die Stille den Kammerdirektor zum Weitersprechen nötigen.

»Also … Wie Sie sicher wissen, stand vor ein paar Wochen auf dem Nytorget Ehrenström am Pranger. Nach Überzeugung des Appellationsgerichts war er Teil der Armfelt’schen Verschwörung – was ihm dank Edmans Nachforschungen nachgewiesen werden konnte. Ehrenström blieb – mit der Kehle am Hackstock – das Schwert letztlich erspart. Stattdessen wurde er in die Feste Carlsten verbracht, wo er verschmachten sollte. Dort hatte er kaum einen Blick auf die Holzpritsche und die Steinwände seines neuen Zuhauses geworfen, als die Sehnsucht nach Daunenkissen und Ledertapeten überhandnahm und sich der Wunsch nach Kooperation, von dem bei Gericht keine Rede war, wie von Geisterhand wieder einstellte.«

Ullholm bildet mit Daumen und Zeigefinger ein enges Rund und lässt den Stock darin kreisen.

»Ehrenström war Diplomat, müssen Sie wissen, und am Petersburger Hof gern gesehen. Ein kluger Kopf, der genau weiß, dass man besser nicht alles auf eine Karte setzt. Er ahnt bereits, dass sein Urteil auf Lebenszeit in zwei Jahren, wenn der König mündig und Reuterholm nur noch eine Erinnerung ist, in Ehrenbezeugungen umgeschrieben werden dürfte. Doch auf diese Gnade mag er nicht in Gott weiß welchen Verhältnissen warten. Um den Preis gewisser Annehmlichkeiten hat er nun Zugeständnisse gemacht, allerdings ohne damit mehr als nötig Verrat an seinen Mitverschwörern zu begehen.«

Edmans Augen blitzen schadenfroh. Sie scheinen sich dem entscheidenden Punkt zu nähern. Ullholm beugt sich vor.

»Das Liedchen, das Ehrenström gesungen hat, ging folgendermaßen: Eine Mittelsperson, deren Namen wir fürs Erste nicht nennen möchten, hat im Herbst hier an Ihre Tür geklopft. Geld wechselte den Besitzer, und für diese Summe erklärten Sie sich bereit, Magdalena Rudenschöld irgendwie zu ermöglichen, mit ihren vormaligen Mitverschwörern zu kommunizieren. Sie sollte ein Register ihrer Verbündeten erstellen, die sich nicht einmal untereinander beim Namen kannten, auf dass die Verschwörer zusammenfänden und es wieder Hoffnung für die gustavianische Revolte gäbe.«

Ullholm, dessen Kehle nach der langen Rede ganz trocken ist, füllt sein Glas nach und nimmt einen Schluck. Als er den Wein wieder abstellt, muss er nach dem Faden tasten, den er verloren hat, und kratzt sich verdrießlich am Rand der Perücke. Edman macht durch ein Räuspern auf sich aufmerksam, und einen Augenblick lang starrt der Kammerdirektor ihn bloß verwirrt an, weil Edman mehrmals rhythmisch den Fuß aufsetzt und einen imaginären Gegenstand in beide Hände nimmt. Dann endlich kann sich Ullholm einen Reim auf die Scharade machen.

»Die Rudenschöld saß bei den Huren auf Långholmen in einer eigenen Kammer, weil man für eine geeignetere Unterkunft erst Fenstergitter schmieden musste. Nun ist das Spinnhaus in derart schlechtem Zustand, dass es Ihnen als besonders geeignet erschienen ist, um Ihren Auftrag zu erfüllen. Wir haben uns unter ein paar Stadtknechten umgehört und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es genau so gewesen sein muss. Allerdings sind diese Leute ein versoffenes Pack: Diejenigen, die ihre Sinne noch insoweit beisammenhaben, um lügen zu können, sind kaum den anderen vorzuziehen, die zu dumm oder zu betrunken sind, um verlässlich wiederzugeben, was vor der eigenen Nase geschieht.«

Johan Erik Edman beugt sich vor und rückt den Kerzenleuchter zurecht, damit er Dülitz’ Gesicht besser erkennt, ehe Ullholm die entscheidende Frage stellt.

»So, Dülitz. Der Brief der Rudenschöld mit den Namen der Verschwörer – wo ist er?«

Jetzt ist Dülitz an der Reihe, sein Glas nachzufüllen und einen Schluck zu trinken, im Grunde nur, um Zeit zu schinden, doch aus dem Nebel seiner Gedanken will ihm keine rettende List entgegentreten, und den Wein schmeckt er nicht einmal mehr.

»Alles, was Sie sagen, entspricht den Tatsachen. Ich habe darüber hinaus keinen Grund, die Vorkommnisse zu leugnen. Nur ist etwas schiefgegangen …«

Ullholm und Edman wechseln einen Blick, dann gibt Edman Dülitz mit einer Geste zu verstehen, dass er fortfahren soll.

»Ich hatte rein zufällig eine junge Frau namens Anna Stina Knapp aufgetan – soweit ich weiß, die Einzige, die einen Geheimgang ins Spinnhaus auf Långholmen kannte. Es gibt einen Tunnel unter den Mauern hindurch, der ursprünglich zur Trockenlegung der Fundamente dienen sollte, dann aber in Vergessenheit geriet und zudem so eng ist, dass kaum jemand dort hindurchpasst. Auf genau diesem Wege war sie im vorigen Sommer ihrer eigenen Strafe entgangen. Ich habe sie damit beauftragt, denselben Weg zurückzugehen. Seither warte ich vergebens auf Nachricht.«

»Was macht Sie so sicher, dass sie dem Auftrag nachgekommen ist?«

Dieselbe Frage hat Dülitz sich schon oft gestellt.

»Sie hat mir ihr Wort gegeben. Ich habe tagtäglich mit Lügnern zu tun, aber ihr habe ich geglaubt. Sie steckte in Schwierigkeiten, und mein Angebot schien ihr einziger Ausweg zu sein. Das Mädchen befindet sich nicht mehr auf Långholmen, so viel weiß ich immerhin. Sofern tatsächlich ein Brief geschrieben worden sein sollte, weiß ich nicht, wo er abgeblieben ist.«

Edman sucht Dülitz’ Blick. Er weiß den Schatten der Unwahrheit aufzuspüren, wenn er jemanden verhört. Ullholm indes trommelt ungehalten mit den Fingern auf die Tischplatte.

»Ihr eigener Lebenswandel weckt in mir nicht gerade großes Vertrauen.«

Dülitz, der noch immer Edmans Blick erwidert, beugt sich über den Tisch.

»Wenn dieser Brief tatsächlich in meiner Obhut wäre, hätte ich längst begonnen, mit Ihnen einen Preis auszuhandeln – und wenn schon keinen höheren, als er mir ursprünglich angeboten wurde, dann doch einen Freundschaftspreis, der mit dem Wohlwollen der Kammer einhergegangen wäre. Und hätte ich meinen Teil des Händels erfüllt und den Brief bereits an jene Mittelsperson übergeben – deren Namen ich im Übrigen nicht kenne –, hätten die Kundschafter des Herrn Edman doch wohl längst Bewegung in den Verschwörerreihen registriert.«

Edman denkt kurz darüber nach, ehe er sich auf seinem Stuhl zurücklehnt. Er verzieht den Mund, wie um Dülitz’ Schlussfolgerung zu bekräftigen, und nickt Ullholm knapp zu. Mit einem Seufzer steht der Kammerdirektor auf und klopft sich den Rock ab, als hätte er sich in Asche gesetzt.

»Na dann. Anscheinend vergeuden wir hier unsere Zeit. Finden Sie das Mädchen, Dülitz. Sie ist der Schlüssel. Der Brief, von dessen Verbleib nur sie zu wissen scheint, ist derzeit das wichtigste Dokument im ganzen Reich.«

»Sie dürfen mir glauben, dass meine Anstrengungen diesbezüglich jetzt schon beträchtlich waren – aber vergeblich.«

Wie ein römischer Kaiser, der sein Urteil über einen unterlegenen Gladiator fällt, streckt Edman die linke Hand aus und formt die rechte zu einer Zange, mit der er sich in den abgespreizten Daumen kneift. Ullholm gähnt hinter vorgehaltenem Handschuhrücken.

»Was mein Kollege Ihnen sagen will, Dülitz: Womöglich möchten Sie jetzt, da sich die Einsätze verändert haben, umso hartnäckiger suchen. Unsere Daumenschrauben mögen altertümlich daherkommen, aber sie funktionieren noch, und mit einem Tropfen Öl in den Scharnieren sind sie wieder wie neu. Wenn der Knochen erst knackt, singt selbst der Abgebrühteste seine Arie molto vivace, um die Geißel so schnell wie nur möglich wieder loszuwerden. Natürlich lockern wir die Eisen gern, um der Schreierei ein Ende zu setzen. Doch was ist mit Ihnen? Sie würde unser Herr Edman in den Gemäuern sitzen lassen und erst zur Jahrhundertwende vorbeikommen, um herauszufinden, ob Sie immer noch schreien.«

3

Sobald die Glut verblasst, verdichten sich die Schatten in der Senke, und erst bei Sonnenaufgang verziehen sie sich wieder. An der verkohlten Ruine des Hornsberget sind noch immer die Rufe der erschöpften, verrußten Männer zu hören, inzwischen jedoch ohne den verzweifelten Unterton, weil sie wissen, dass ihre Mühen sich ausgezahlt haben. Das Feuer ist unter Kontrolle. Auf den qualmenden Wiesen lösen die Wasserspritzen einander ab, und mit jedem Gaul, der seine Last so nah heranbringt, dass die Lederschläuche hinreichen, schrumpft das Areal, das eben noch von Flammen beherrscht war. Dort, wo die Lebenden der Verheerung Einhalt gebieten, raucht es nur mehr, und die letzten Flämmchen leisten vergebens fauchend Widerstand. Das Grab von hundert Kindern. Noch verstellen Bäume und Rauchschwaden den Blick auf die zwei Gestalten, die wie versteinert ein Stück oberhalb an einer Tränke stehen, aus der zwei nackte Beine aus rotem Wasser ragen. Die Sonne erobert bereits den Horizont, wenn auch noch hinter Nebel.

 

Emil Winge hat Cardells Hand genommen und spürt, wie sie zittert, wenn mit jedem heiseren Atemzug die Qualen wieder erstarken. Wenigstens lassen sie an Heftigkeit nach, und es sind keine Tränen mehr übrig, die seine versengten Wangen benetzen könnten. Die zurückweichende Finsternis hat auch den Stierkopf mitgenommen, und der Häscher sieht wieder aus wie er selbst – wenngleich Hitze und Feuer ihn neu gezeichnet haben. Die Haare sind weg, er hat überall Blasen, und Blut vermischt sich mit Ruß.

»Komm jetzt mit, Jean Michael.«

Der eben erst verhärtete Schorf platzt auf, als Cardell den Kopf dreht, um ihn anzusehen. Unter den geschwollenen Lidern sind seine Augen kaum zu erkennen. Dem Schmerz entsteigt eine Frage, die Emil nicht hören muss, um sie zu beantworten.

»Stütz dich auf meine Schulter. Hier können wir jedenfalls nicht bleiben. Wenn sie uns erwischen, wird es nur noch schlimmer.«

Cardell hebt seine verbliebene Hand und scheint erst jetzt zu bemerken, dass darin die Hand eines anderen liegt. Er schüttelt den Kopf.

»Ich habe noch nie jemanden ermordet – nicht so. Auf Befehl habe ich Kugeln und Pulver geladen und, so gut ich konnte, auf Stellen gezielt, wo der schlimmste Schaden zu erwarten war. Ich habe Prügeleien für mich entschieden und jeden Hieb, den ich einstecken musste, mit gleicher Münze heimgezahlt, bis die Schuld mit Zins und Zinseszins beglichen war. Doch noch nie habe ich jemanden auf diese Weise umgebracht. Drei Rosen hatte mir nichts entgegenzusetzen. Für diesen einen Moment war er vollkommen unschuldig. Ich bleibe hier und stelle mich dem Recht und der Gerechtigkeit.«

Emil wirft einen Blick über die Schulter. Noch kann er nirgends die Erkennungsmarke eines Polizeikonstablers in der Morgensonne aufblitzen sehen. Es sind nur die Männer hier, die das Feuer bekämpft haben, und die herbeigeeilten Bauern der Insel, die sofort mit anpacken wollten, um ihr eigenes Land zu beschützen und einen Teil der Ehre einzuheimsen, die mittlerweile ohne hohes Risiko zu haben ist. Aber lange dürfte es nicht mehr dauern, ehe sich die Mannen der Polizeikammer aus ihren Betten quälen, um der Verwüstung auf den Grund zu gehen.

»Gerechtigkeit? Ich fürchte, da wartest du lange und vergebens. Das weißt du besser als jeder andere. Wenn wir für Gerechtigkeit sorgen wollen, müssen wir ihr schon selbst auf die Sprünge helfen.«

Emil blickt auf den Toten hinab. Das Wasser ist rot und trüb. Lediglich Drei Rosens dünne Waden kennzeichnen sein Grab.

»Sein Tod ist nur einer von vielen, die wir nach dieser Nacht auf dem Gewissen haben. Erik Drei Rosen mag die Flamme entzündet haben, aber wir haben ihm das Zündholz gereicht – und Tycho Ceton hat die Kerze beigesteuert. Du hast Erik nur geholfen zu vollenden, was er sich vorgenommen hatte. Sein Tod war da bereits gewiss – und je eher er eintrat, umso besser für ihn. Erik Drei Rosen hat Ceton den Deckmantel entrissen, um uns seine Schwachstelle zu offenbaren. Wenn du dich schuldig fühlst, dann sorgst du am besten dafür, dass du ihm den letzten Wunsch erfüllst. Andernfalls wäre all dies umsonst gewesen.«

»Nach alledem ist kein Kampf es mehr wert, ausgefochten zu werden.«

»Vielleicht ist noch nicht alles verloren. Wir müssen zumindest versuchen, einen allerletzten Sieg zu erringen.«

Emil packt ihn am Arm, doch ebenso gut hätte er an einer Menschengestalt aus Stein zerren können. Cardell hustet und spricht leise weiter.

»Warum willst ausgerechnet du mir noch helfen? Ich hatte die Wahl zwischen dir und jemand anderem und habe die andere gewählt.«

»Ich weiß. Und ich weiß auch, warum.«

»Ihre Kinder wurden durch mein Zutun zu Tode gekocht. Ihre Kinder und fast hundert andere.«

Emils Blick wandert über die Senke, wo er die junge Frau keine Stunde zuvor gesehen hat. Jetzt ist sie weg.

»Du trügest nur die halbe Verantwortung; die andere Hälfte wäre meine. Aber ich kann diese Entscheidung nicht für dich treffen. Erinnerst du dich noch an meinen ersten nüchternen Tag? Damals hast du mich vor eine Wahl gestellt. Die gleiche Möglichkeit will ich dir geben. Aber wenn du dich für meinen Weg entscheiden solltest, will ich, dass du mir dein Wort darauf gibst. Schwöre es mir. Für diesen letzten Sieg, den es zu erringen gilt.«

Eine Weile herrscht Stille, und Emil Winge hält den Atem an, bis Cardell endlich antwortet.

»Ja. Du hast mein Wort. Für diesen letzten Sieg.«

»Was immer er uns kosten mag.«

»Einverstanden.«

Er packt Cardell erneut am Arm.

»Dann komm jetzt mit.«

Ein Ruck, und der versengte Steinklotz setzt sich in Bewegung – ein strauchelnder Schritt, dann der nächste. Emil fasst Cardell am Ellbogen und nimmt Kurs den Hügel hinauf. Jenseits der Kuppe führt der Weg in die Stadt zwischen den Brücken. Oben bleibt Cardell noch kurz stehen, und der bis eben noch kraftlose Arm ist plötzlich so angespannt, dass er Emil vorkommt wie ein Eichenbalken.

»Dieser Weg führt in die Hölle. Das ist dir klar, oder? Willst du ihn wirklich mit einem Krüppel gehen, der dich schon einmal im Stich gelassen hat?«

Emil stößt einen Laut aus, der weder als Lachen noch als Klage zu deuten ist.

»Bist nicht eher du zu bedauern, Jean Michael? Du stützt dich auf einen, der mit den Toten beratschlagt und Dichtung und Wahrheit nicht unterscheiden kann. Aber was wäre die Alternative? Wenn dies schon nicht unser Wunsch ist, dann lass es unsere Strafe sein. Nicht mehr die Hoffnung bindet uns an unser Leben: Jetzt ist es die Schuld.«

»Und sind wir in unserer gemeinsamen Zeit Freunde?«

Emil schüttelt den Kopf, weil er nicht lügen kann, und die Verbitterung ist ihm deutlich anzuhören.

»Nein, Jean Michael. Freunde werden wir keine mehr. Aber einen Wunsch hätte ich noch: Kläre zunächst, was mit diesem Mädchen, mit Anna Stina, zu klären ist. Solange das nicht geschehen ist, kannst du mir keine Hilfe sein. Melde dich, wenn du so weit bist.«

»Und du? Was machst du in der Zwischenzeit?«

»Ich suche Isak Blom in der Polizeikammer auf und tue, was in meiner Macht steht, um unser Mandat zu erneuern. Wenn man bedenkt, wie wir auseinandergegangen sind, dürfte das nicht ganz leicht werden. Anschließend will ich versuchen, Witterung aufzunehmen. Halte dich bereit, wenn die Jagd beginnt.«

Cardell versucht, ohne Hilfe zu gehen. Bei jedem Schritt stöhnt er auf.

 

Emil kehrt den Rauchsäulen den Rücken. An diesem Ort sind nicht nur ein Haus und zahlreiche Leben verloren gegangen; auch er ist nicht mehr derselbe. Solange er denken kann, hat er seinen Zorn in sich hineingefressen und genährt, doch was bislang ein einsames Flämmchen war, hat sich zu einer Feuersbrunst ausgewachsen, die angesichts seiner Hilflosigkeit umso heftiger lodert. Er ist gefangen wie das Rotauge im Netz, wie eine Motte in einem Glas. Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ungeschehen machen, trotzdem verspürt er eine Verpflichtung: Zuvor hat er aus freien Stücken geholfen – inzwischen bleibt ihm keine andere Wahl mehr. Er muss es tun, so gut er kann, und bis es so weit ist, wird die Stadt zwischen den Brücken sein Gefängnis sein.

Sein Zorn war immer auch von Angst begleitet. Vergebens versucht er, sich gut zuzureden: Er hat dem Minotaurus von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, sich bis in das finstere Herz des Labyrinths gewagt, er hat die Kinder in der Todesstunde ihre Angst hinausschreien hören. Er hat das Schlimmste schon gesehen. Oder kann er sich etwas noch Schlimmeres nur nicht vorstellen?

Teil 1

Frühling und Sommer 1795

Jagdhunde

Alles leuchtete, da alles brannte. Was geschah dann? Die Flamme ward gelöscht; und beide hielten nur mehr Asche in den Händen.

Carl Gustaf af Leopold, 1795

1

Aus Herbst wird Winter, ein neues Jahr, auf den Winter folgt der Frühling, und in der Stadt zwischen den Brücken geht eine Geschichte um, begleitet von erhobenen Zeigefingern, doch nicht unter Kindern verbreitet sie Angst und Schrecken, sondern unter gestandenen Männern: Nachts wandere ein Ungeheuer durch die Gassen, und wenn eine bestimmte Art von Sündern ihm begegne, gehe es übel aus. Soweit es sein Äußeres betrifft, gehen die Aussagen auseinander: Es sei groß – darin sind sich alle einig – und hässlich, der Kopf nicht der eines Menschen, der Schädel vernarbt und kahl, abgesehen von vereinzelten Haarbüscheln. Einige meinen mehr zu wissen, und sie erzählen, dass die eine Hand eine schwarze Klaue sei, und wer sich in deren Reichweite wage, habe alle Hoffnung verspielt. Um die Herkunft des Ungeheuers ranken sich nebulöse Gerüchte und Mutmaßungen. Es heißt, die Kreatur habe das Kinderheim Hornsberget niedergebrannt und sei selbst in die Flammen geraten; dann habe die Hölle ihr den Zutritt verweigert, und nun suche sie seelenlos den einstigen Wirkungskreis heim. Sie sei dazu verdammt, ihr Verbrechen zu sühnen und Mahnung für die Elenden zu sein.

 

Der Hofplatz ist abschüssig, was Frans Gry in nüchternem Zustand nie gestört hat, aber betrunken hält ihn das Gefälle zum Narren. Ganz gleich, wie oft er versucht, von der Haustür schnurgerade auf den Abtritt zuzuhalten – jedes Mal kommt er hangabwärts vom Weg ab, und die verdammten Brennnesseln finden zielsicher die bloße Haut und die Löcher in seinen Strümpfen, als wären sie einzig dafür geschaffen. Seine Rache sieht immer gleich aus: einen Schritt zurück, Hose runter, hoch mit dem Hemd, draufgepisst. Zur Hölle mit dem fliegenverseuchten, finsteren Abort. Der Rausch schützt ihn schließlich vor der Abendkälte. Er grunzt in sich hinein, übt Druck auf die Blase aus. Mit jedem Jahr, das vergeht, muss er häufiger raus, gleichzeitig fällt ihm das Wasserlassen immer schwerer. Tatsächlich sind die Nesseln noch von seinem vorigen Besuch tropfnass. Doch anderen ergeht es ja nicht anders. Frans schüttelt ab, richtet die Kleidung und bleibt noch kurz stehen, um sich umzusehen. Die gemauerten Häuser rundherum sehen betagt aus – kaum zu glauben, dass sie gerade erst ein paar Jahrzehnte alt sind. Sie stehen auf der Anhöhe, die der Brand in Marien gerodet hat. Irgendwo vor ihm, hinter den untersten Gebäuden, liegt der Gullfjärden, und dort im Wasser dümpelt Stadsholmen. Er wollte, die komplette Insel würde unter dem Gewicht der herrschaftlichen Paläste untergehen. Dort scharwenzeln sie tagaus, tagein umher und flöten einander in höfischem Französisch sinnloses Zeug zu, während er selbst sich kaum seinen Wein leisten kann, der so sauer ist, dass sich seine Mundwinkel bei jedem Schluck verkrampfen. Vor seinem inneren Auge steigt das Schmutzwasser am Fuß der reich verzierten Treppen an; aus den Latrinen, die in den Mälarsee geleert werden, segelt eine braune Flotte vor dem Wind, um den Pomp zu besudeln. Aufgedonnerte Weiber mit Perücken kentern und landen im Wasser, und im Geäst der Kristalllüster kreischen ihre Kavaliere dazu in näselndem Sopran. Und die Sintflut müsste nicht mal dort haltmachen, wenn er es recht bedenkt: Das Wasser dürfte gern noch ein Stück seinen eigenen Hang heraufsteigen, solange es vor seiner Schwelle innehielte. Lebt wohl, ihr Nichtsnutze, Huren und Bettler. Er stößt einen Seufzer aus, der wohlig beginnt und in Resignation ausklingt, weil dieser Traum ebenso schön wie flüchtig ist. Die Mühlen mahlen noch immer, dieses verdammte Getöse, es knarzt und dröhnt in einem fort. Aber immer noch besser als der Radau im Haus, wo überall Kinder herumlaufen, die er gar nicht mehr auseinanderhalten kann. Will man sich eins davon packen, muss es bloß um die nächste Ecke huschen, schon weiß man nicht mehr, wer wer ist, und packt das nächstbeste am Kragen, um ihm den anderen zur Warnung eine Maulschelle zu verpassen. Er wünscht alles zum Teufel und torkelt zurück in seine Kammer; die Alte treibt sich irgendwo herum, und obwohl sie bei ihrer Rückkehr sicherheitshalber ohnehin eine Tracht Prügel bekommt, ist er insgeheim froh, dass er ungestört weitersaufen kann, ohne Nickligkeiten und Genörgel über die Ausgaben für Miete und Essen.

Er wiegt die Flasche in der Hand und hängt seinen Erinnerungen nach. Mit der Trägheit des Suffs legt er sich Wort für Wort eine Verteidigungsrede zurecht, um die Widrigkeiten zu erklären, die ihm das Leben beschert hat, so wie er es seit Jahren tut – beflissen wie ein Pfarrerssohn, dem eine Gardinenpredigt droht. Als er fürs Erste zufrieden ist, widmet er sich anderen, angenehmeren Themen: seinem Leben, wie es hätte sein können, wenn man seine Verdienste gebührend wertgeschätzt hätte, Trinksprüchen zu seinen Ehren, Rheinwein aus Kristallpokalen, Austern, Rosinen und Waffeln, einer bildschönen Frau in seinen Armen. Und schließlich malt er sich die Rache an all jenen aus, die ihn benachteiligt haben, und an seinen Verleumdern – sie gehören samt und sonders gerädert, die Gliedmaßen an Wagenräder geflochten, und das alles in Sichtweite seines Festmahls.

Es klopft an der Tür. Der Teufel soll sie alle holen. Was hätte ein Klopfen je Gutes gebracht? Er reagiert nicht, hängt lieber seinen Gedanken nach. Mit einem Mal kracht die Tür aus dem Rahmen, splittert unter einem Tritt, und irgendwer packt ihn im Nacken, schleift ihn die Stufen hinab, und allein der vom Suff erschlaffte Leib erspart ihm gebrochene Arme, Beine und ein gebrochenes Kreuz obendrein. Tritt um Tritt in Hintern und Schenkel, er versucht, dem Angreifer zu entkommen, schlägt sich die Stirn an der Schwelle, dann hinaus in den Frühlingsabend, in den peitschenden Wind und zwischen nassen Nesseln in Deckung. Dort bleibt er verwirrt liegen, hofft für einen Augenblick, dass dieses Unglück ebenso schnell verschwinden möge, wie es ihn heimgesucht hat, doch dann hallt ein Geräusch von den Mauern wider, das er kennt wie seine eigene Stimme: Der Korken wird aus der Flasche gezogen, aus der er eben noch getrunken hat. Man kann so manches ertragen – aber irgendwann ist das Maß voll. Frans kommt auf die Beine, schwankt und hört ein Zischen in der Luft, als die Flasche um Haaresbreite an seinem Ohr vorbeisegelt und sich mit einem Klirren an der Wand hinter ihm von der Grausamkeit der Welt verabschiedet. Im nächsten Augenblick spürt er die Faust in seinem Haar und einen derart harten Griff, dass es ihn von den Füßen holt und auf die blanke Erde schleudert, wo er japsend liegen bleibt – jeder Atemzug eine Erinnerung an aufblühende blaue Flecken. Jemand geht vor ihm auf und ab, im Dämmerlicht kann er nur Schemen sehen, einen Hals über breiten Schultern und grobschlächtige, krumme Arme. Es ist nicht so, als hätte Frans Gry kein Gespür für drohende Gefahr, im Gegenteil, er ahnt, dass es noch schlimmer für ihn kommen wird. Aufgestaute Wut liegt in der Luft wie ein Gewitter, und die Gestalt vor ihm wirkt angespannt wie die Ankertrossen auf der Reeperbahn. Panisch sucht Frans nach einer Erklärung – und ihm fallen zu viele davon ein, als dass er sich entscheiden könnte. Er fängt mit der unverfänglichsten an und hofft, billig davonzukommen.

»Ich weiß, dass die Wände hier dünn sind, und ich hab schon öfter gehört, dass ich schlimm schnarche …«

»Schweig!«

Gry geht im Kopf seine Widersacher durch und pickt willkürlich einen heraus.

»Das Geld, das ich Jan Trolös aus dem Letzten Styver schulde, hätte ich längst zurückgezahlt, wenn ich nicht umständehalber in eine missliche Lage geraten wäre. Als er mir das Geld geliehen hat, war er so besoffen – ich hab ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass er sich überhaupt noch daran erinnert.«

»Halt’s Maul!«

Die Stimme ist tief und heiser, als käme sie aus einer Kehle, die für die menschliche Sprache nicht gemacht ist. Erst in diesem Augenblick fallen Gry die Gerüchte ein, die er aufgeschnappt hat, und er zählt eins und eins zusammen. Vor ihm steht das Ungeheuer, und er ist die Beute. Er tut wie geheißen.

»Die Frau, mit der du das Bett teilst, hat eine Tochter aus einer vorigen Verbindung. Lotta Erika. Dreizehn Jahre alt.«

Widerwillig nickt er.

»Du hast dich in ihre Schlafstatt geschlichen. Sie hat dir das Gesicht zerkratzt. Du hast sie aus dem Haus gejagt.«

Frans Gry klappt die Kinnlade herunter, doch inzwischen ist er hinreichend ausgenüchtert, dass er sich die Verteidigungsrede verkneift.

»Morgen kommt sie wieder nach Hause. Den nächsten Finger, den du nach ihr ausstreckst, werfe ich den Schweinen zum Fraß vor.«

Das Ungeheuer nähert sich, geht auf Armeslänge entfernt vor ihm in die Hocke, und Frans Gry richtet den Blick auf sein eigenes verdrecktes Knie, um angesichts von so viel Hässlichkeit keine Albträume zu bekommen. Ein Hieb vors Schienbein, und er kreischt auf, weil die Faust, die ihn getroffen hat, hart ist wie ein Knüppel.

»Am liebsten würde ich dich ein für alle Mal unschädlich machen. Dir Arme und Beine brechen. Es gibt nur einen Grund, warum ich es sein lasse: Du sorgst dafür, dass das Mädchen ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen bekommt. Zum Wochenende kriegt sie von dir einen Styver zur eigenen Verfügung. Als wäre sie deine leibliche Tochter. Als würdest du nur das Beste für sie wollen. Nur ihretwegen kommst du mir auf eigenen Beinen davon. Sie findet mich – und wenn mir irgendetwas zu Ohren kommt, dann sehen wir uns wieder. Verstanden?«

»Aber ich …«

»Es gibt Arbeit dort draußen, aber dafür bist du dir vielleicht zu fein. Roheisen zur Waage tragen. Ställe ausmisten. Misthaufen wenden. Anständige Männer finden eine Beschäftigung. Früher warst du nicht so armselig.«

Bei diesen Worten regt sich etwas, was selbst die letzte Glut der Trunkenheit erstickt. Frans Gry kramt in seinem Gedächtnis, sucht nach der Erinnerung, bei der alles zusammenpasst: die Stimme, die ganze Erscheinung. Noch während er dakauert, richtet sich das Ungeheuer wortlos auf, macht auf dem Absatz kehrt und hält auf die Straße zu, die zur Polhemschleuse führt. Gry hält den Atem an, bis der Mann außer Sichtweite ist, und da endlich, in der Leere zwischen zwei Gedanken, steht ihm mit einem Mal das gesuchte Bild vor Augen, das Gesicht und ein Name.

»Cardell! Mickel Cardell! Du warst auf der Ingeborg, ich auf der Alexander! Wir lagen vor Kråkskär vor Anker, als Stedingk das Feuer eröffnet hat und der Prinz Nassau dagegenhielt, so gut er eben konnte. Ich hab dich brennen und untergehen sehen!«

Mit diesem Bild vor Augen fügt sich auch der Rest zusammen. Er runzelt die Stirn, damit sein Gehirn endlich pariert, und verzieht angewidert das Gesicht. Seine Erinnerungen liefern ihm Munition.

»Es heißt, du warst dabei, als Hornsberget abgebrannt ist. Und du trägst die Schuld daran. Man schimpft dich einen Kindermörder.«

Selten hat er so klar denken können. Von Hass und Erniedrigung befeuert zieht er seine Schlüsse.

»Du bist nur hier, weil dich dein Gewissen quält – nicht wegen Lotta, sondern aus verdammtem Eigennutz!«

Inzwischen ist er auf den Beinen, wankt ein Stück hinter Cardell her und setzt zu röchelndem Krakeel an.

»Sie soll von mir ihr Brot bekommen – aber das macht die Kinder auch nicht wieder lebendig! Du glaubst, du bist besser als ich, Cardell? Bist du nicht. Du bist schlimmer. Schlimmer! Verglichen mit dir bin ich ein Heiliger! An meinen Händen klebt kein Blut!«

Dann bekommt er Angst vor der eigenen Courage, eilt über den Hof und die Stufen hinauf, ächzt gequält, als er die Tür sieht, die nur noch Kleinholz ist und keinen Schutz mehr bietet. Er tut sein Möglichstes, um die größeren Stücke zusammenzufügen, kauert sich dahinter auf den Boden und lehnt sich dagegen. Nun ist er wieder allein und zittert – vor Erleichterung, vor Angst und voller Triumph.

 

Eine Straßenecke weiter ist Cardell stehen geblieben und wartet, bis sein Keuchen sich beruhigt hat. Er wollte, er wäre außer Hörweite gewesen, doch jedes Wort hat wie ein Peitschenhieb gebrannt. Er bleibt noch eine ganze Weile stehen, versucht, sich einzureden, dass er zumindest Lotta Erika helfen konnte. Sie war zwar nicht diejenige, nach der er gesucht hat, aber immerhin. Er stößt überall auf sie, auf die in Not Geratenen, auch wenn es die Falschen sind, und er hilft, wo er kann. Manchmal helfen sie ihm dann im Gegenzug. Obdachlose Mädchen gibt es hier zuhauf, sie hören mehr, sie haben den schärferen Blick. Und harmlos, wie sie sind, haben sie Zutritt zu Orten, die ihm selbst verwehrt sind.

2

Es klopft an seiner Tür. Cardell blinzelt den Schlaf aus den Augen und richtet sich vollständig bekleidet auf. Sein Atem bildet eine Nebelwolke vor seinem Gesicht. Er versucht, die Kälte abzuschütteln, dreht den Schlüssel in der Tür herum und sieht vor sich ein bleiches, halb von einem Schal verdecktes Gesicht. Eins von so vielen, eins, dem er wohl seine Fäuste geliehen hat, auch wenn er sich nicht mehr daran erinnern kann. Sie knickst und schlägt den Blick nieder – in Scheu gehüllte Dankbarkeit. Er hat sich daran gewöhnt, dass sie ihm nur ein einziges Mal ins Gesicht sehen und dann nie wieder, vielleicht weil sie Rücksicht nehmen wollen, doch für Cardell ist es nur die Erinnerung daran, wie schlimm seine Verbrennungen aussehen.

»Die Mälarleute sind wieder am Klara sjö. Man sieht die Feuer am Ufer rauchen. Sie hatten mich darum gebeten, nach ihnen Ausschau zu halten, falls Sie sich noch daran erinnern …«

Auf den Namen des Mädchens kommt er nicht mehr, aber nach und nach fallen ihm die Umstände ein: Sie steht im Dienst eines Kaufmanns drüben am Ryssgården, der sich früher am Zahltag gern mal verrechnet und ihr zum Trost für den entgangenen Lohn seine Bettwärme angeboten hat. Cardell nickt.

»Danke.«

Sie knickst erneut, hat gelernt, dass Unterwürfigkeit in jeder Lebenslage wichtig ist.

»Ansonsten alles in Ordnung? Hast du heute schon etwas gegessen?«

Er ist froh, dass sie nickt, weil der Brotkanten, der noch in seinem Brotkasten liegt, inzwischen so hart ist, dass er selbst für seine Kiefer eine Herausforderung und es ihm peinlich wäre, ihn einem Gast vorzusetzen. Er nickt ihr hölzern zu, und mit einem dritten Knicks verabschiedet sie sich und huscht auf lautlosen Sohlen davon. Er selbst versucht sich nach Kräften an seinem Stück Brot, ehe er sich den Rock überstreift, den er jüngst erst auf links gedreht hat, um auch die Innenseite zu verschleißen. An den Ellbogen ist er schon fadenscheinig. Cardell brummt missmutig ob der Umsicht, die er an den Tag legen muss, um den Stoff mit der Holzhand nicht zu zerreißen. Hätten sie ihm den linken Arm nur ein Stück höher abgenommen. Da hätte er nur eine Seite abgenutzt.

 

Das Eis auf dem Mälarsee ist getaut. Vom Schmelzwasser angeschwollen hat sich der Strömmen in einen zornigen Muskel verwandelt, der weiße Schollen vor sich hertreibt, die teils so groß sind, dass sie sich zwischen den Pfeilern der Norrbron verkeilen. Davor sammelt sich weiteres Eis, das sich an den steinernen Pfeilern zu einer weißen Wand auftürmt und wie vor einer Schlägerei alle Kraft zusammennimmt. Aufgrund seines Gewichts wird es immer bedrohlicher, sodass selbst diejenigen, die sich über die Brücke trauen, schleunigst an Land eilen; denn auch wenn sie selbst sich nicht mehr daran erinnern, wie das Frühlingshochwasser fünfzehn Jahre zuvor die Pfeiler eingerissen hat, gibt es genug Leute, die nur zu gern davon erzählen: wie die Fundamente mit einem lauten Knall brachen und das Eis unter der Brücke hindurchrumpelte, um die vertäuten Schiffsrümpfe im Saltsjön zu geißeln.

Eilig überquert Cardell die Brücke, läuft an den Röda Bodarna vorbei, wo sich so viele Leute drängeln, wie nur die Kälte sie zusammenbringen kann. Der Frühling naht, die Dunkelheit zieht sich zurück, und nun steht der Frühjahrsputz bevor, denn für die wichtigste Jahreszeit des Handels soll alles bestmöglich vorbereitet sein. Dort, wo die Landzunge endet, führt ein Steg über den Klara sjö, der länger ist als die Brücke über den Strömmen und somit deutlich größeren Wassermengen ausgesetzt, abseits der Stromschnellen aber auch wesentlich besser geschützt ist. Trotzdem hangelt Cardell sich mit der intakten Hand lieber an dem Tau entlang, das als Geländer dient. Schon von dort sieht er, dass seine Botin recht gehabt hat: Die Fischersleute vom oberen Ende des Sees sind wieder da und haben ihre Boote ans Ufer gezogen. Über ihrem Strandlager steht Rauch.

Der Uferweg indes ist keineswegs sicher. Der Bodenfrost ist hinterhältig, kann sekündlich aufbrechen, sodass ein Stiefel bis zum Schaft in kaltem Schlamm versinkt, und die Steine, die das Eis vor sich hergeschoben hat, sitzen nicht mehr fest im Boden und verhindern einen sicheren Tritt. Immer wieder rutscht Cardell darauf aus – selten ohne einen Fluch auf den Lippen. Doch ohne dass Schlimmeres passiert wäre, erreicht er das Lager. Zwischen hohen Holzstangen sind Netze gespannt, Frauen und Kinder sitzen davor und flicken die Löcher. Die Männer kümmern sich derweil um die Boote und sind mit allerlei Dingen beschäftigt, die Cardell über den Verstand gehen. Niemand beachtet ihn, und unschlüssig bleibt er stehen, bis er einen Blick auffängt und auf den bärtigen Mann mit Zottelhaaren zusteuert. Er sitzt auf einem Schemel vor einer Reihe von Räuchergestellen, und Cardell könnte nicht sagen, ob sein weißes Haar verrußt ist oder ob er einfach nur dunklere und ausgebleichte Strähnen hat. Der Mann bewacht das Feuer, wohl kraft seines Alters. Cardell spürt, wie er aus einem zusammengekniffenen Auge gemustert wird, wie die Uniformstiefel und die weiße Bauchbinde unter seinem Rock in Augenschein genommen werden und der Blick an seinem vernarbten Gesicht verharrt. Missmutig räuspert er sich.

»Guten Fang gemacht?«

Der Mann zuckt mit den Schultern, will sich zu keiner Aussage durchringen, deutet dann aber mit dem Kopf auf Cardells Körpermitte.

»Gibt’s Tobak?«

Die Stimme ist hell wie die einer Frau, so dünn und brüchig wie bei vielen alten Männern, als brächte die Lunge die nötige Kraft nicht mehr auf, weshalb der Stimme als Resonanzraum nur noch die Mundhöhle bleibt. Der Beutel, der von Cardells Gürtel hängt, spricht eine klare Sprache. Er bindet ihn los und reicht ihn dem Alten. Mit einem Messerchen, das so schnell in seiner Hand auftaucht, als hätte der Mann es längst parat gehabt, schneidet er sich ein Stück vom Priem ab, fängt an zu kauen und spuckt aus, als der Tabaksaft den Mund füllt. Cardell, der seinen Preis entrichtet hat, lässt sich halb in der Hocke auf einem flachen Stein nieder und wartet ab. Der Mann kaut ausgiebig, ehe er nickt.

»Also?«

»Ich suche jemanden, schon seit dem letzten Winter. Ich habe mit Leuten oben auf Kungsholmen gesprochen, aber hier am Klara sjö verläuft sich die Spur. Ich war eine Weile krank und habe es nicht mehr hierhergeschafft, bevor alles zugefroren war. Seither habe ich darauf gewartet, dass Sie wiederkommen.«

Der Mann nickt erneut, wie um ihm zu verstehen zu geben, dass er nicht überrascht ist, spricht aber nicht, und Cardell hat keine andere Wahl, als fortzufahren.

»Ein blondes Mädchen in rußigen Kleidern – Ruß vom großen Brand drüben im Hornsberget im vergangenen Herbst. Anna Stina heißt sie.«

Der Mann spuckt aus und hustet sich die Kehle frei.

»Ich bin alt geworden – weiß der Teufel, wie es so weit kommen konnte. Der See hat mir den Vater und das Wechselfieber meine Mutter geraubt. Ich bin älter, als sie je geworden sind, und tauge kaum noch zu etwas anderem, als unsere Feuer zu bewachen. Aber Zeit und Muße zum Grübeln habe ich mehr als genug.«

Zum ersten Mal dreht der Mann sich zu Cardell um, schlägt das Auge auf, das hinter dem Lid verborgen war, und dort, wo die Pupille sein sollte, sieht Cardell einen weißen Fleck, der an eine Marmorkugel erinnert.

»In meinem schlechten Auge sitzt ein schwarzer Fleck, der immer größer wird. Wenn ich beide Augen öffne, sehe ich ihn – inmitten von Bäumen oder Leuten, in den Wellen, auf unseren Segeln. Ich ahne schon, dass es der Schatten des Todes ist, und er rückt täglich näher. Darüber denke ich oft nach. Er holt sich jeden, und es lässt sich nicht vorhersagen, wann es so weit ist.«

Er nickt in Richtung der Kinder, die die Netze flicken.

»Er kommt zu Jung und Alt. Ein falscher Schritt an der Bootskante, und es ist vorbei. Ein Teil von uns darf ihn immerhin wie einen Reisenden willkommen heißen: an einem reich gedeckten Tisch und an der eingeheizten Feuerstelle. Ich selbst habe nicht übermäßig Angst; was nach dem Leben kommt, weiß man nun mal nicht. Auf dem Wasser wird kein Gottesdienst gehalten, und das Evangelium hab ich schon lange nicht mehr gehört, aber ich hab in meinem Leben über so viele Tote schlecht geredet, dass ich zu dem Schluss gekommen bin, dass niemand seine Schulden mit ins Grab nehmen sollte. Also denke ich viel darüber nach, wie ich meine Geschäfte rechtzeitig regeln kann. Wenn es so weit ist, soll alles seine Ordnung haben.«

Der Wind aus der Bucht frischt auf, und der Mann zieht sich seine Decke enger um die Schultern.

»Ich kann mir alle möglichen Gründe denken, warum ein Mann nach einem Mädchen sucht. Nicht alle davon sind gut.«

Die Röte, die Cardell ins Gesicht steigt, lodert wie Feuer.

»Ich will ihr nichts Böses.«

Er spürt, wie sein Herz hämmert, wie sich die Kehle verengt und sein Blick schwarz wird. Er streckt den Arm aus, nimmt sich eine Handvoll nassen Schnee, der in letzten kümmerlichen Häuflein auf der Erde liegt, und kühlt sich damit Stirn und Hals. Erst als er das Gefühl hat, dass sein Atem wieder ruhiger geht und seine Stimme trägt, dreht er sich nach dem Mann um, der ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hat.

»Wenn Sie noch Schulden begleichen müssen, dann sind Sie nicht der Einzige.«

Der Alte schweigt. Dann nickt er knapp und nimmt den Faden wieder auf.