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Im Jahr 2058 leben die Menschen unter widrigsten klimatischen Bedingungen. Der ehemalige Elitesoldat Red Caine lebt zurückgezogen in seiner Heimat Montana. Doch abrupt wird alles anders: Er erhält Kenntnis von einer rätselhaften Viruserkrankung, und seine verlorene Tochter steht wie aus dem Nichts im öffentlichen Fokus. Caine bleibt nichts anderes übrig, sich alten und neuen Dämonen zu stellen und nicht nur seine geliebte Tochter zu finden.
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Seitenzahl: 270
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Im Jahr 2058 leben die Menschen unter widrigsten klimatischen Bedingungen. Der ehemalige Elitesoldat Red Caine lebt zurückgezogen in seiner Heimat Montana. Doch abrupt wird alles anders: Er erhält Kenntnis von einer rätselhaften Viruserkrankung, und seine verlorene Tochter steht wie aus dem Nichts im öffentlichen Fokus. Caine bleibt nichts anderes übrig, sich alten und neuen Dämonen zu stellen und nicht nur seine geliebte Tochter zu finden…
R. M. Herfurth wurde 1958 in Magdeburg geboren. Nach Schulabschluss und einer Lehrausbildung zum Schlosser absolvierte er ein Studium an der Ingenieurschule in Altenburg, mit Abschluss - Diplombetriebswirt (FH). Seit 2015 ist er freiberuflicher Dozent. Schon in frühster Jugend beschäftigte ihn die Literatur. Wenn andere Witze zum Besten gaben, schuf er daraus kleine Geschichten. Oft fragten sich die Zuhörer, war das jetzt aus dem wahren Leben oder eine ausgedachte Story. Beeinflusst durch einen engen Freund (Maler aus Leipzig) widmete er sich ab 2009 dem Schreiben, vorwiegend im Genre Thriller und Krimi.
Prolog
In Montana
Reise in die Vergangenheit
Zurück in Deutschland
Das Erwachen alter Dämonen
Ein Ende ist auch ein Anfang
2058 waren die Weissagungen der Klimaveränderungen bittere Realität. Vor dreißig Jahren klangen diese, wie die Geschichte aus einem Science-Fiction-Roman.
Widrige Lebensumstände prägten das tägliche Leben. Gluthitze und unvorhergesehene Wetterkapriolen, eine Folge der höheren Erdtemperatur. Zusätzlich stieg der Meeresspiegel um drei Meter, ein Ergebnis schmelzender Eiskappen. Die vorausgesagte Schmelze der Polkappen im Jahr 2040, wurde ein Jahrzehnt später bittere Realität. Die Folge, ein Ungleichgewicht der klimatischen Bedingungen auf der gesamten Erde. Eisfreie Pole führten zur Zunahme der Erdrotation. Dadurch verkürzte sich die Tageszeit und in dessen Folge litten Mensch und Tier. Der beschleunigte Kreislauf beeinflusste zunehmend die Gesundheit. Stress und ständiger Durst befeuerten eine steigende Aggressivität.
Forscher läuteten die Alarmglocken. Das Artensterben wirkte sich nachteilig auf das natürliche Gleichgewicht aus. Müll verschmutzte Meere und ständige Überfischung führten zum Bersten der Ökosysteme. Die Temperatur der Ozeane, eine gefährliche Stellschraube für das Klima, kletterte ungebremst. In vielen Regionen auf der Welt, gehörten Wirbelstürme und Starkregen, zum Alltag. Die Dimensionen der Wetterkapriolen stiegen jedes Jahr auf ein Neues. Die Lebensmittelindustrie griff zu allerlei Tricks. Ersatzstoffe für schwindende Ressourcen, galt es zu finden. Uneingeschränkt boomte die industrielle Nahrungsmittelproduktion.
Schwieriger, die tägliche Versorgung mit Trinkwasser.
Aufgrund knapper Finanzen hatten die Kommunen ihr Tafelsilber an private Anbieter verscherbelt. Dadurch kam das lebensnotwendige Nass, den Menschen teuer zu stehen. Der Glanz einstiger Metropolen, vielerorts lange verblasst. Unübersehbar, der Gegensatz von Licht und Schatten. Ein in Vergessenheit geratener Begriff hatte Hochkonjunktur - Unterschicht.
Private Security-Dienste sprossen wie Pilze aus dem Boden. Neben solvente Auftraggeber übernahmen sie vielenorts die Polizeiarbeit. Geldmangel und gedeihende Gewalttätigkeit auf der Straße ließen die Bewerberzahlen an Ordnungshütern im Staatsdienst drastisch sinken. Die privaten Sicherheitsfirmen zahlten weit mehr und boten neben den üppigen Gehältern, eine Vielzahl zusätzlicher Sozialleistungen.
Zwei Währungsunionen verdammten das Bargeld. Elektronische Bezahlsysteme dominierten. Der Wert der Währung, die Geldeinheiten, abgekürzt mit GE, lag allein in den Händen finanzstarker Banken. Beliebter waren Edelmetalle und Kryptowährungen. Wer diese nicht besaß, dem blieb der Tauschhandel. Das setzte voraus, dass Objekte zum Tauschen vorhanden waren und der Andere gewillt war, bei diesen Deals mitzumachen.
Mit Nachdruck hatte die Kellnerin, von den meisten Gästen Kitty genannt, Red Caine genötigt, den Artikel in einer deutschen Zeitung zu lesen. Obwohl dieser schon etliche Tage alt war, schienen die Zeilen den langjährigen Freund zu berühren. Ihn zog es jeden letzten Freitag zu seinem angestammten Platz, um bei einem saftigen Steak und schwarzen Kaffee, die Seele baumeln zu lassen. Fernab hektischer Großstädte hatte sich Caine seiner Vorfahren besonnen und vor ein paar Jahren auf eine Hütte in den Rocky Mountains zurückgezogen. Weder auf Landkarten, in Navigationssystemen oder öffentlichen Registern vermerkt, bewahrten sich die Menschen hier ein üppiges Stück Natur. Die meisten Bewohner dieser Region, waren indianischer Abstammung.
Hohe Berge, und zerklüftete Schluchten, schützten diese Gegend vor unliebsamen Fremden. Seit Jahren wohnten alle friedlich und in Eintracht miteinander. Eine Straße, die einst bessere Zeiten gesehen hatte, schlängelte sich durch den Ort. Überwiegend lebten die Bewohner in Hütten, oben in den Bergen. Die Häuser hier unten im Tal waren von der Anzahl her übersichtlich und an einer Hand abzuzählen. Neben dem Bürgermeister sorgte ein Sheriff für Recht und Ordnung. Ein Kolonialladen bot Waren für den Alltag. Ebenso gab es einen, schon in die Jahre gekommenen Arzt, der bei kleineren Wehwehchen half. Behandlungen darüber hinaus bedurften einer Fahrt in die Stadt. Das waren an die fünfzig Meilen. Mitten im Ort, eine wahre Oase gastronomischer Schlemmereien. Der einzige kulturelle Mittelpunkt dieser Gegend.
Sein Besitzer, war nicht nur ein ausgezeichneter Koch, obendrein ein humorvoller Zeitgenosse. Davon zeugte der Name des Restaurants. Dieser, mit von weither ins Auge springenden Lettern, thronte oben auf dem Gebäude: Charley’s Louis Food.
Kitty hatte den Laden voll im Griff, vor allem die Kundschaft, die hauptsächlich ihretwegen kam. Sie war beliebt und Caine kannte sie seit Kinderzeiten. Die Jüngste war sie schon lange nicht mehr. Niemand vermochte ihr richtiges Alter bestimmen. Bevorzugt trug sie ein kariertes Hemd und Bluejeans. Beide hegten eine langjährige Freundschaft. Dadurch gelang es ihr jederzeit wieder auf ein Neues, mit ihm offen zu reden und zu streiten. Aus Gewohnheit hob Kitty die Tageszeitungen für ihren speziellen Stammgast auf. Ein Artikel, den andere Leser eher uninteressant empfanden, drängte sich ihm förmlich auf. Für Caine voller Brisanz, da der Bericht ihn ungewollt mit seinem alten Leben konfrontierte.
Langsam kroch das Aroma frisch gebrühten Kaffees in seinen Nasenflügeln empor. Die Zeitung zur Seite gelegt, gönnte er sich einen kräftigen Schluck, bis wohltuende Wärme im Magen ein kribbelndes Gefühl hinterließ. Kitty trat mit einem breiten Grinsen auf seinen Tisch zu. Dieses Grienen kannte Caine.
„Was macht mein Steak?“
„Lenk nicht ab!“
Die Kellnerin erahnte sein taktisches Manöver voraus, darum überhörte sie seinen Einwand gelassen.
„Wenn das alles ist! Fünf Minuten!“
Kitty wandte sich ab, andere Gäste riefen begierig nach ihren Bestellungen.
Der Abend verstrich und der Gastraum leerte sich zunehmend. Das Personal hatte Zeit für sich. Mit einem Glas Wasser und zwei belegten Broten setzte sie sich zu Caine. Sie saßen, minutenlang beieinander, ohne ein Wort zu wechseln. Stumm starrten sie sich an. Die Luft schien aufgeladen und nur ein klitzekleiner Funken, brächte alles zum Explodieren. In seiner leeren Tasse herumstochernd stierte der Indio die Kellnerin an. Da platzte es aus ihr heraus: „Es ist deine Tochter! Was wirst du unternehmen?“
Stille. Nur monotones Trommeln der Wassertropfen, die in das leere Edelstahlbecken herunterfielen.
„Früher hast du zumindest geantwortet“, stichelte sie weiter.
„Ja! Ich habe es kapiert Miss Kitty!“
Alarmsignale heulten Knall auf Fall in ihrem Kopf auf. Wenn er sie genauso betitelte, hieß es, Ruhe zu bewahren und nicht weiter zu bohren. Anderseits bedeute es, dass Caine die Sache enorm beschäftigte. Er signalisierte ihr damit, dass sie Recht hatte und er Zeit zum Nachdenken benötigte. Eine unausgesprochene Bitte, da er nie offen zugeben würde, dass eine Angelegenheit ihn beträchtlich menschlich berührte.
„Entschuldige, nimm es bitte nicht persönlich. Es ist ziemlich spät. Gönne mir eine Mütze Schlaf und ich überlege es mir.“
Eine Antwort blieb Kitty schuldig, da Caine ihr ins Wort fiel.
„Der frühe Tag bringt neue Ideen.“
„Egal wie, sie ist dein Fleisch und Blut. Du wirst der Alten nicht das Feld überlassen und abermals nachgeben. Den Kopf reißt dir das Mädel nicht sofort herunter.
Kämpfe, hast ihre Mutter einst geliebt.“
„Gleich um die Ecke wohnt sie nicht!“
Kitty lächelte gedrungen.
„Eierst du herum oder ist das ein Trick, vom Thema abzulenken“, schrillte es in ihrem Kopf.
Caine verabschiedete sich mit den Worten: „Sage dir in den nächsten Tagen, wie ich mich entscheide.“
Der brummende Motor quälte sich den steinigen Weg bergauf. Die Scheinwerfer warfen ihr kärgliches gelbes Licht in die Düsterheit. Diesen Weg war Caine zigmal gefahren, sodass der Wagen, ohne Eingreifen des Fahrers, den Weg zur Hütte in eigener Regie fand. Das Herz hämmerte in seiner Brust. Seit langem hatte er, so wie heute, dieses Gefühl der inneren Ruhelosigkeit nicht erlebt.
Schweißgebadet wachte er früh auf. Es war eine kurze Nacht. Der letzte Abend verstrich nicht spurlos, der ihn mental aufwühlte und den Schlaf raubte. Mit seiner Hand strich er durch sein schwarzes volles Haar. Die Finger blieben dezent gespreizt, das sparte den Kamm. Viele Indianer dieser Gegend trugen den Vokuhila Schnitt. Das Deckhaar, mit Pony mittellang gehalten und das Haar am Hinterkopf gebunden. Der Zopf fiel bis auf die Schultern. Ein Kerl wie ein Baum, hochgewachsen und kräftig, war er, wie der Volksmund sprach, im besten Mannesalter. Trotz indianischer Abstammung standen ihm alle Türen für Bildung und persönliches Fortkommen offen. Seine Eltern verfügten zu ihren Lebzeiten über keine größeren Reichtümer. Sie lebten überwiegend unbekümmert. Der Vater betrieb einen Kolonialwarenladen. Damit bestritten sie ihren Lebensunterhalt. Und nicht nur davon.
In einer verborgenen Mine schürfte er Gold. Ein wohlbehütetes Geheimnis seiner Familie. Diese lag auf Indianerland, sein heutiges Eigentum. Zwar ergab der Ertrag keine nennenswerten Mengen, mehr ein Zubrot.
Im frühen Erwachsenenalter landete Caine beim Militär. Wie viele Jungspunde seines Alters erlag er dem Reiz diverser Action-Filme. Später begründete er seine Entscheidung mit Abenteuerlust. Für zwölf Jahre war das Korps der Marine seine neue Familie. Schmerzlich erlebte er, was es bedeutete, einem verhassten Gegner entgegenzutreten. Viele Kameraden kamen nicht zurück. Am Ende seiner Militärzeit erkannte er, dass die Soldaten regelrecht verheizt wurden. Die weltweit schwindenden Rohstoffvorkommen führten zu Kämpfen, an die knapper werdenden Ressourcen zu gelangen. Die Interessen zahlungskräftiger Multikonzerne standen im Fokus ihrer Einsätze. Nach regulärem Ende seiner Dienstzeit heuerte Caine bei einer Elite-Security-Firma in Deutschland an. Die Auftraggeber waren vordergründig Firmen oder Banken. Jahre später erkannte er die eigentlichen Ziele. Sie sorgten für den Schutz angehäufter Reichtümer der Industriellen und Bankiers. Ohne Skrupel und jedes Mittel recht galt es, die Wünsche der Klienten effizient zu erledigen. Auf der Strecke blieben die Menschen, die ausschließlich, zu den normalen Bürgern zählten. Das Streben nach Festanstellungen, die nur begrenzt zur Verfügung standen, blieb wenigen vergönnt. Verlierer waren diejenigen, die offen gegen bestehendes Unrecht rebellierten. Für die Einsatzkräfte bedeutete es, ohne jegliche Rücksicht, diesem Aufbegehren ein Ende zu setzen. Der daraus resultierende Stress, zehrte an den Kräften vieler Security-Mitarbeiter.
Späte Erkenntnis bei Caine führte zu dem Entschluß, derartige Befehle nicht mehr so hinzunehmen. Vor den Einsätzen hinterfragte er deren Sinn und stellte, für seine Vorgesetzten, unangenehme Fragen. Im Ergebnis dessen, entwickelte sich Caine bei seinem Brötchengeber zum unliebsamen Angestellten und Sicherheitsrisiko. Die Folge, der aufsässige Indianer erfuhr schmerzlich, was es bedeutete, sich mit der Obrigkeit anzulegen, ja deren Handeln, in Frage zu stellen. Nach seiner Suspendierung plagte ihn eine längere Krankheit. Caine entschied sich, seinem Arbeitgeber adieu zu sagen. Obendrein beäugte dieser seine Freundin, aufgrund ihrer aktiven Mitarbeit in einer Studentenbewegung, kritisch. Unternehmen, die im Fokus dieser Bewegung standen, unterstellten ihr Querulantentum und Aufmüpfigkeit.
Nachdem Caine sich wieder erholt hatte, zog es ihn zurück, zu den Wurzeln seiner Kindheit, in die Berge von Montana, wo er zurückgezogen lebte. Alles was er zum Leben benötigte, fand er im Land seiner Vorfahren. Die dauerhaften Auseinandersetzungen mit seinem Chef waren nicht alleiniger Grund. Vielmehr warf ihn der Verlust seiner einstigen Liebe, aus der Bahn, was ihn zu Boden riss, sodass er kurz davor stand, dem Wahnsinn zu verfallen. Hier oben in den Bergen, am Fuße der Rocky Mountains, lebte Caine auf eigenem Land. Mit dem Erbe seiner Eltern ließ es sich aushalten. Obendrein verfügte er über eine Pension nach seinem Dienst beim Marinekorps. In der Höhe nicht üppig, ausreichend genug, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Unweit vor dem Haus weideten zwei Pferde und ein paar Kühe. Etwas Kleinvieh und für sein leibliches Wohlbefinden war gesorgt.
Fußläufig mühelos zu erreichen, sorgte er sich täglich um seine Tiere. Zerklüftete Berge und beschwerliche Wege, ein Garant, um Fremde fernzuhalten. Ruhe und Abgeschiedenheit, das war es, was Caine nach seinem Fortgang aus Deutschland suchte und fand. Die Hütte bot alles, was er benötigte. Der hölzerne Schaukelstuhl, an dem der Zahn der Zeit sich schadlos gehalten hatte, bot manch bequemen Sitzkomfort. Ein Relikt früherer Generationen, zu schade wegzuwerfen. Caine ließ sich behutsam nieder. Das antike Weichholz antwortete mit einem stöhnenden Quietschen. Zwei Beugungen seines Oberkörpers versetzten den Shaker in Schwingungen. Der fehlende Schlaf letzter Nacht zollte seinen Tribut. Schlaftrunken lehnte sich Caine zurück, schlief zufrieden ein und träumte.
Unter feuerroter Sonne tanzten die Indianer im Takt monotoner Klänge der Trommel des Schamanen. Bum, bum, bum und wieder bum, bum, bum erklang sein Tambourin. Das Instrument, ein unverzichtbares Utensil des Medizinmannes, bei Ritualen und Feierlichkeiten der Prärieindianer. Tanzend bis zur Ekstase, huldigten sie ihren Gottheiten oder traten in spiritueller Verbindung zu allerlei Geistern und den Seelen der Verstorbenen. Diese Riten dienten fernerhin Trost zu spenden, speziell zu leiderfüllten Anlässen. Ennuyant schlug der Schamane sein Tamburin, begleitet vom Gesang und Tanze seiner Stammesbrüder. Mit skurrilen Posen umkreisten die Indianer die lodernde Feuerstelle. Die Körper buntbemalt und spärlicher Federschmuck, Ausdruck ihrer Lebensart. Unbekleidete Oberkörper schillerten im Glanz der Sonne. Lederlappen, die mühevoll aneinandergenäht wurden, schmückten die Beine.
Mühselig zerlegten die Männer, zuvor erlegte Bisons. Mit den Sehnen flickten die Squaws die Beinbekleidung zusammen. Verschwendung, fehl am Platz. Alles fand eine Verwendung. Um das Feuer tanzend und sich um ihre eigene Achse drehend, stimmten die Krieger ihren Gesang an. Das Tempo legte zu und die Stimmen dröhnten aus voller Kehle. Ihr Kreistanz steigerte sich, bis alle in Ekstase verfielen. Die Oberkörper erschienen statisch und ihr Hüpfen eher planlos. Sie drehten sich, hüpften auf einem Bein, um im Schlusssprung nahe der Feuerstelle den Boden zu berühren. Der Höhepunkt ihres Rituals war erreicht. Die Köpfe zum Himmel gerichtet, mit den Händen Bogen und Tomahawk fest umklammert, sprangen sie gleichzeitig empor, begleitet von einem schrillen Aufschrei aus voller Kehle, um kurz darauf kniend am Boden zu verharren. Abrupte Stille, kein Laut war zu hören. Das Bild verblasste und vor Caine baute sich eine tiefschwarze Wand auf. Dunkelheit ohne Ende verwehrte die Sicht.
Aus der Tiefe dieser Finsternis, nebulös, schwebten zwei Augen dem Träumenden entgegen. Desto mehr er sich mühte, hielt die Düsternis die Gestalt verborgen. Er wähnte eine Stimme, einen Ruf vernommen zu haben. Ein leichter Windzug, eine Brise streichelte sein Gesicht. Aus der schwarzen Tiefe trat ihm ein Wesen entgegen, im ersten Augenblick erkannte er ein weißes Gewand, das wehend einen Körper umschlang. Egal wie er sich mühte, erkennbar blieb ausschließlich die Silhouette. Aus dem Nichts, zwei kastanienbraune Augen, die ihm wie ein Pfeil trafen. Diese stechenden Blicke bohrten sich tief in seine Seele. Urplötzlich schien Caine sich zu erinnern und alles kam ihn wohlbekannt vor.
Die flüsternde Stimme, die immer klarer zu ihm sprach, erwärmte sein Herz. Mit weit geöffneten Augen stierte er auf die in weißem Samt gekleidete Schönheit. Sein Körper bebte, wie er ihren Namen rief: „Maria!“
In seinem Traum sah er sich um Jahre zurückversetzt.
An diesen Teil seines Jobs fand Caine keinen Gefallen. Sicherungseinsätze an Demonstrationen waren ihm ein Gräuel. Er erachtete es für legitim, dass die Bürger eines Landes für ihre Rechte kämpften. Seine Hauptbetätigung nach seiner Anstellung, galt dem Personenschutz. Caines Einwand blieb ungehört und der Boss ignorierte sein Veto. Für die Zugführerposition wäre er bestens geeignet. Man setzte auf ihn, so die Rechtfertigung seines Chefs. Da standen sie sich gegenüber. Auf der einen Seite die Security-Mitarbeiter und drüben, die Demonstranten. Sie hatten die Zustände satt, in denen sie lebten, ja dahinvegetierten. Phrasen der Politiker zerredeten akute Probleme und trieben dadurch viele Bürger auf die Straße, überwiegend Studenten. Sie forderten öffentlich ein Umdenken und Handeln der Staatsführung und Wirtschaft. Der Raubbau an der Natur war nicht wegzureden. Die negativen Auswirkungen zeigten sich mehr denn je. In diesem Gedränge trafen sich zwei Augenpaare. Gewollt, Zufall oder gar Schicksal. Ihre Blicke verfingen sich, um nimmer voneinander wieder loszulassen. Ein klitzekleiner Moment, ja nur eine hundertstel Sekunde, entschied über Antipathie und Sympathie zweier Menschen. So resolut wie die junge Frau auftrat, schien sie die Anführerin zu sein. Mit ihrem Megaphon disziplinierte sie ihre Mitstreiter zur Ruhe und Besonnenheit.
Caine führte den Trupp der Sicherheitsleute, indem er direkt an vorderster Front frontal zu den Studenten stand. Nachdem die Lage sich zu einer unübersichtlichen Hauerei steigerte, griff obendrein zum Nachteil der Demonstranten die Polizei in die Fehde ein. Caine brüllte in sein Megaphon. Vergebene Mühe, seine Leuten zurückzupfeifen. Wutentbrannt riss er seinen Helm vom Kopf und schlug ihn vor seinen Mitarbeiter auf den Asphalt. Fassungslos stierten sie, zu ihren vor Wut schäumenden Zugführer. Einige erkannten ihren Fauxpas und zogen sich zurück. Die Stimme der Studentin mit ihrem Megaphon verstummte. Hilflos stand sie wie angewurzelt am Bürgersteig. Caine flitzte auf sie zu, packte sie an den Schultern, zog sie zur Seite und wies in Richtung einer naheliegenden Gasse.
„Geh, lauf dahin. Dahinten ist niemand von uns. Das hier ist voll aus dem Ruder gelaufen. Bring dich in Sicherheit!“
Kaum ausgesprochen wandte er sich um, lief dem Tohuwabohu entgegen und unternahm den Versuch zu schlichten.
In der oberen Etage des Bürohauses huldigten die Zuschauer dem Geschehen.
„Meine Herren“, rief ein Manager den Anwesenden zu: „Bestens verehrter Justiziar. Lassen sie uns darum, mit einem edlen Tropfen anstoßen.“
Ziel erreicht und unbeschadet zogen die ehrenwerten Herren ihrer Wege. Keine Negativschlagzeilen und weiter auf ertragreichen Pfaden wandeln. Nach einer Stunde war alles vorbei. Die Straße zuvor leergefegt, füllte sich langsam mit Passanten, die ihrer Wege zogen.
Caine lief suchend durch die kleine Gasse.
Fünfzehn Minuten später fand er sie, hinter einem Pfeiler kauernd. Zitternd und ohne Worte schaute sie zu dem Fremden. Die Situation reell einschätzend, kniete der sich vor ihr nieder. Mit einer Hand streichelte er ihr Gesicht. Völlig überrascht und diese Reaktion nicht erwartend, lauschte sie seinen Worten.
„Es tut mir leid, dass die Sache derart ausgeufert ist. Vor der Demo habe ich meine Leute eindringlich darauf hingewiesen, sich zurückzuhalten. Anscheinend haben Einzelne sich kaufen lassen.“
„Ich verstehe die nicht. Es geht doch uns alle an. Ihr braucht eine heile Natur, wie jeder andere auch“, schluchzte sie.
„Ja“, stimmte er ihr zu.
„Komm ich bringe dich ein Stück des Weges. Dann kommst du unbeschadet deinem Ziel näher.“
Caine reichte ihr die Hand und zog sie sanft nach oben. Sie liefen kreuz und quer durch die Straßen. Für Außenstehende wirkte es eher planlos. Fünf Minuten später, hakte sie sich bei ihrem Beschützer ein. Er ließ sie gewähren. Dennoch bemerkte er, wie sein Herz pochte. Zwei Stunden nach ihrer Begegnung saß Caine in der Umkleidekabine seiner Firma. Nur mit einem Handtuch bedeckt, hörte er die Prahler unter der Dusche. Stinkwut überkam ihm und augenblicklich war er drauf und dran, ihnen die Leviten zu lesen. In Gedanken verprügelte er allesamt ordentlich. Ein harter Griff an seiner Schulter hielt ihn zurück. Seinen Kopf umgewandt, grinste er in das kantige Gesicht des Franzosen.
„Lass es. Die haben ihre Seele Diabolus verkauft. Du ziehst nur den Kürzeren. Ziehe für dich die richtigen Schlüsse. Alles andere ist Schwachsinn.“
Caine überlegte die Worte seines Mitstreiters. Jahre später verband beide eine tiefe Freundschaft. Die Tage vergingen wie im Flug und der Sicherheitsmann hatte den Vorfall abgetan. An einem freien Tag zog es ihn in ein typisches schwäbisches Restaurant. Das beliebte Lokal entstand nach dem Umbau einer historischen Brauerei. Hier gab es allerlei Speisen, so wie es die Deutschen von ihrer Großmutter her kannten. Ambitionierte Küche mit internationalen Genüssen, für Ausländer, insbesondere aus den USA, beliebt, da es in ihrer Heimat derartige lukullische Spezialitäten nicht gab. Ein unvergesslicher Gaumenschmaus für jeden Besucher. In seiner Zeitung vertieft, überhörte Caine die Frage der Besucherin. Tief, in seiner Lektüre versunken, schrak er, nach einem Stupser an seinem Oberarm, auf. Verblüfft starrte er in das freundlich lächelnde Gesicht mit den tiefbraunen Augen.
„Sorry, war beim Lesen“, redete er sich heraus. Sein Herz schlug abrupt höher.
„Bitte setz dich“, stotterte er verlegen.
„Lies doch weiter. Stört mich nicht.“
„Nein das ist unhöflich.“
Beide versanken in eine längere Plauderei. Anfänglich die üblichen Floskeln mit Fragen, wie: „Wo kommst du her? Was hat dich hierher verschlagen?“
Der Tag verging wie im Flug. Nachdem die Kellner alle Tische säuberten, bemerkten sie, dass es Mitternacht schlug. Der Samen der Sympathie lag wohlgebettet im Boden und aus einem zarten Trieb der Zuneigung erwuchs ein monumentaler Baum der innigen Liebe. Wochen später stand fest, dass beide ein Paar waren.
Da gestand er seiner Angebeteten, dass er am Tag der Demonstration, sein Herz an sie verloren hatte. Caine war einerseits von Maria begeistert und andererseits zollte er ihr Respekt. Dieses zierliche Wesen, die mit vollem Einsatz für ihre Sache eintrat. Ihre Energie schien schier endlos. In der Presse verleumdet, zogen ihre Kontrahenten alle Register, die Studentin allerorts zu diffamieren. Sie war ausgestattet, mit einem evidenten Rechtsbewusstsein und jederzeit bereit, für ihre Ideale einzustehen. Ein kleines zartes Wesen, mit schier unendlicher Energie. Und sie war es, die Caine zum Nachdenken bewegte. Geschickt stellte sie Fragen und gab ebenso plausible Antworten. Ihre Rechtfertigungen kaum vom Tisch zu wischen. Ethik und Moral contra Profitgier und Verschwendung der Ressourcen. Ein Leben im harmonischen Einklang mit der Natur. Mit unumgänglichen Argumenten verwies sie auf das Wichtigste, was den Alltag ausmachte. Ohne Nahrung übersteht ein Mensch etwa zwei Wochen. Doch bei Mangel an Trinkwasser ist nach drei Tagen Schluss. Die bedeutendste Ressource ist Luft zum Atmen. Fehlt sie, ist das der sichere Tod für ein jedes Lebewesen. Beide zogen zusammen und ihre künftige Lebensplanung galt einer gemeinsamen Zukunft. Tage vergingen und ein Jahr später krönte die Geburt ihrer Tochter Fiona ihr Glück. Ihre Hochzeit planten sie zeitnah. Caine blieb verborgen, dass sein Brötchengeber das verliebte Paar mit Missmut beobachte. Nicht nur dieser, verfolgte diese Verbindung argwöhnisch. Langjährige Auftraggeber drohten mit Vertragskündigungen, solange ein Mitarbeiter mit einer stadtbekannten Revoluzzerin zusammenlebte.
Im Endeffekt führte das zu Disharmonien im Job und in dessen Folge zum Verlust seines Arbeitsverhältnisses. Caine nahm es hin. Doch ein bis dahin unberechenbarer Schicksalsschlag stellte das Leben der jungen Liebe komplett auf den Kopf. Sprichwörtlich: „Wie gewonnen, so verronnen“, schlug das Schicksal erbarmungslos zu.
Maria litt unter extremen Kopfschmerzen. Auf der Suche nach den Ursachen scheiterten die Ärzte auf breiter Front. Sie fanden kein geeignetes Medikament, das Linderung versprach. Die Mediziner empfahlen eine stationäre Behandlung. Im Krankenhaus wären die Behandlungsmethoden ausgereifter gegenüber denen in einer Arztpraxis. Einige Tage später die erschreckende Nachricht vom Tod seiner geliebten Maria. Ursache, ein geplatztes Aneurysma im Kopf. Die Ärzte redeten sich mit üblichen Floskeln heraus. Caine warf das komplett aus der Bahn. Von Anbeginn ihrer Beziehung stand Marias Mutter der Verbindung ablehnend gegenüber. Nach dem Tod ihrer geliebten Tochter unternahm sie alles, das Erziehungsrecht für Fiona, zu erhalten. Den ungeliebten Fremdling diffamierte sie allseits und schreckte nicht davor zurück, zur Durchsetzung ihrer Ziele Denunzianten zu kaufen. Ihm allein, hielt sie die Verantwortung für den Tod Marias vor. Das Vormundschaftsgericht entsprach der Klägerin und gab das Kind, zu seinem eigenen Wohle so das Urteil, in die Hände der deutschen Großmutter. Caine verwehrte das Gericht jegliche Möglichkeiten, der Kontaktaufnahme. Das reichte dem Gescholtenen, um in eine tiefe emotionale Betrübtheit zu sinken. Für den Gebeutelten kam es härter. Eine besorgniserregende Krankheit warf ihn komplett aus der Bahn. Seine Firma und jeden den er kannte, wandten sich von ihm ab.
Erst Jahre später, in seiner Heimat Montana, wurde ihm klar, welchen perfiden Machenschaften er zum Opfer fiel. Seinem Freund Maurice verdankte er vor den Toren der Stadt die Unterkunft in einem Wochenendhaus. Vor ihm lagen Wochen voller Schmerzen, Entbehrungen und Ungewissheit. Gliederschmerzen und Hitzewallungen lösten sich wiederkehrend ab. Sein Körper brannte förmlich aus. Die Knochen zerrten an den Gelenken, um im selben Moment aus den Kapseln zu springen. Dazu unaufhörliche beißende Kopfschmerzen. Das Atmen fiel ihm schwer und Ängste sowie Beklemmungsgefühle belasteten ihn mental. Caine stand davor, komplett durchzudrehen. Im Taumel zwischen Wachzeiten und eine Art von Koma, erinnerte er sich an ein Geschenk des Schamanen. Aus den Kräutern seiner Heimat bereitete sich der Todkranke einen Tee zu. Ein Hydrolate-Sud, um zur Beruhigung seiner Seele. Mit Aufkommen erster Symptome ließ er sein Blut analysieren. Ihm wurde eine, bis zu diesem Tag, unbekannte bakterielle Erkrankung attestiert. Das fremde Bakterium stellte die Ärzte vor ein unlösbares Problem, ein wirksames Gegenmittel zu finden. In letzter Not erinnerte sich Caine an einem Sani der Marines. Er schenkte ihm ein Medikalpack mit einem Serum. Eine Spritze mit einem Serumfläschchen. Phagen eine Art Viren, die sich auf Bakterien stürzten und diese zerstörten. Seine letzte Hoffnung. Mit gefüllter Kanüle rammte er die Nadel in den Oberschenkel und schrie dabei vor Schmerzen auf. Ein Wechsel von kalt und heiß schindeten seinen Köper. Caine riss sich die Kleider vom Körper und rannte vor den Bungalow. Es war Winter und meterhoch türmte sich der Schnee im Vorgarten. In einer Wehe warf er sich vornweg in die kühlende weiße Pracht.
Stöhnend genoss sein Köper die wohltuende Kühle. Ein angenehmes Gefühl. Sein Rücken übersäten Pusteln. Aus dem Rest der Kräuter richtete er ein Wannenbad und lag eine Stunde darin.
Weit entfernt über den Großen Teich hoch oben in den Bergen von Montana saß der Schamane in seiner Hütte und schlug sein Tambourin. Den Boden zierte ein runder Teppich. Im Schneidersitz verharrte der Alte mit steifer Pose. Singend beschwor er die finsteren Dämonen, von seinem Stammesangehörigen zu lassen. Letztendlich siegte im Kampf um sein Leben, der Assiniboine.
Wochen nach seiner Gesundung raffte sich Caine auf und brach seine Zelte in Deutschland ab. Blutenden Herzens verließ er das ihm verhasste Land, um zu Haus in Montana, von vorn neu durchzustarten. Hier oben in den Bergen, wo einst seine Urahnen im Einklang mit der Natur lebten, gelang es ihm, neue Kraft zu schöpfen.
Abrupt riss es Caine aus seinen Träumen. Mit einem Satz sprang er auf, hustete und rang nach Luft. Speichel hatte sich in seiner Luftröhre verirrt. Mit einer Hand stütze er sich an der Veranda ab. Den Oberkörper vorn über gebeugt, versuchte er normal zu atmen. Ein eigentümliches Surren ließ ihn aufhorchen und eiligst reagieren. Mit einem Satz rannte er in den Keller. Hier unten im Geheimen, schlummerte manch technische Kostbarkeit. Flink und geschickt flogen seine Finger über die Computerkonsole. Augenblicklich erkannte er den Verursacher dieses für ihn typischen Geräusches auf dem Monitor, eine Drohne. Diese künstlichen Miststücke gefielen ihm nicht, eher im Gegenteil. Bisher holte er drei dieser ferngesteuerten Flugobjekte vom Himmel.
Der Sheriff mahnte ihn, künftig derartige Aktionen, zu unterlassen. Caine zoomte mit dem Transfokator das Bild näher heran.
„Plumper Vorwand, das Land zu vermessen. Langsam kennt ihr hier oben jeden Stein“, knurrte er.
Fünfzehn Minute später war alles vorbei. Caine begab sich nach oben und in seinem Kopf pochte es. In der Küche griff er eine Flasche Wasser aus der Kühlbox und lehrte sie in einem Zug. Dürstend rann das kühle Getränk von der Speiseröhre bis in den Magen. Sein überhastetes Trinken hatte zur Folge, dass seitlich aus seinen Mundwinkeln, Reste des Erfrischungsgetränkes flossen und sein Hemd benetzten. Kurz darauf verließ Caine die Hütte, erledigte aufgeschobener Arbeiten und kümmerte sich um seine Pferde.
„Das Wohlergehen der Tiere ist unsere Herzenssache“, mahnte sein Vater.
Am späten Nachmittag säuberte er sein Haus. Das zog sich bis zum frühen Abend hin. Mit einer Flasche Bier in der Hand saß Caine vor dem Fernsehapparat. Seine Träumereien beschäftigten ihn. Eine Entscheidung war zu treffen. Alles passte. Ihr Name und das augenfällige Feuermal am Hals. Es stand für ihm außer Zweifel, dass es sich um seine Tochter handelte. Er haderte mit sich. Mit offenen Armen würde sie ihn nach der langen Zeit kaum empfangen. Wie tritt man seinem Kind gegenüber, das den leiblichen Vater bis dahin nicht kannte.
„Hallo, ich bin dein Dad!“, ulkte er herum.
Zum Lachen war es ihm auf keinen Fall zumute. Im Gegenteil, mit jedem Gedanken daran, pochte sein Herz und das Blut schoss durch alle Adern. Das Bier war leer und die Flasche brannte in seiner Hand.
Ihm gelang es nicht, die richtigen Worte zu finden. Ein dicker Kloß schien in seinem Unterleib zu wachsen. Schlagartig wandte er sich dem Nachrichtensprecher zu. Der Sender berichtete über Neuigkeiten aus aller Welt.
„Deutschland: In Baden-Württemberg gab es Fälle einer bisher unbekannten Viruserkrankung. Die Ärzte rätseln und stehen vor einem Phänomen.“
Caine schaltete den Fernseher aus. Er stand auf und grübelte. Viele Gedanken schossen kreuz und quer durch seinen Kopf.
„Ist die Zeit reif. Der Alte“, damit meinte er seinen ehemaligen Chef der Security-Firma aus Deutschland.
„Er hat sich gewiss nicht hinreißen lassen“, Stille.
Caine schreckte dieser Gedanke und in ihm schien sich Leere auszubreiten. Eines stand fest, durch untätiges Herumsitzen löste sich sein Problem kaum und es galt, zu handeln. Tief in ihm keimten schmerzliche Erinnerungen auf. Später im Bett liegend, fand er keine Antwort auf die Frage: „Wie packe ich das mit Fiona an!“
Eine seiner bisher größten Herausforderung stand ihm bevor. Das mulmige Rumoren in seinem Magen schien unendlich.
Kitty sah verwundert zu dem Eintretenden. Sie nickte mit ihrem Kopf zur Begrüßung und wandte sich den Gästen zu, deren Bestellungen zu servieren. Caine lief schnurstracks zum Sheriff, der ausgiebig frühstückte. Die Menschen lebten hier in Eintracht miteinander und niemand hatte Grund, zu streiten. Sie kämen fernerhin ohne Ordnungshüter aus.
„Ein spionierendes Miststück düste gestern in den Bergen!“
„Hast du es ziehen lassen und ...“
Caine fiel dem Gesetzeshüter ins Wort.
„Keine Bange, der Drohne ist nichts passiert. Langsam ist die Gegend komplett vermessen, oder was suchen die sonst?“
„Ein Institut misst Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation. Die Politiker schwenken um. Ziehen ja genug Ökos mit ihren Parolen herum.“
Caine winkte ab, wandte sich um und setzte sich auf seinem Stammplatz. Charley quälte sich mit dem Kopf durch die winzige Luke am Tresen. Mit seiner rechten Hand balancierte er einen Teller.
„Hier ist das Ei!“
Spöttisches Gelächter hallte ihm entgegen.
„Das sehen wir“, frotzelten die Gäste.
Unter ihnen schien ein Witzbold zu sein. Charley wandte sich ab und zog sich in die Küche zurück, biss sich auf seine Unterlippe und erkannte mit Verdruss, eigens Auslöser der Belustigung über sich zu sein.
„Okay das war es“, mahnte die Kellnerin zur Ordnung. Kitty hatte die Besucher kurz darauf im Griff und der Scherz war flink vergessen. Ohne Bestellung servierte sie Caine einen Pott Kaffee, schwarz keinen Zucker, wie er ihn gern trank.
„Und, was gedenkt der Herr zu speisen“, flachste die Kellnerin.
Ihre Frage zielte darauf ab, seine Entscheidung aus ihm herauszukitzeln.
„Zwei Spiegeleier mit Schinken. Pass auf, dass sich Charley nicht nochmal selbst ein Ei legt.“
Kitty grinste. Caine trank den zweiten Kaffee. Sein Snack war verspeist. Die Kellnerin setzte sich zu ihm.
„Und, was gibt es Neues?“
„Kannst du dich für die kommenden Tage, um meine Sachen kümmern?“
„Wow, der Kerl hat sich durchgerungen“, platzte es aus Kitty heraus.
„Ja“, murmelte Caine.
„Und, was ist. Pferde und Hütte übernimmst du?“
Daumen und Zeigefinger rieb er provokant vor Kittys Nase. Diese typische Geste kannte jedermann.
„Was fällt an Tantiemen an?“
Die Kellnerin hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Sie stupste mit ihrem Handballen gegen Caines Stirn.
„Bisweilen frage ich mich, was in deinem Kopf für Gedanken herumgeisterten. Sind wir Freunde!?“
Stummes Nicken. Seine Gesprächspartnerin beugte sich vor.
Mit zwei Finger ihrer rechten Hand, fasste sie ihre Ohrmuschel.
„Wie bitte! Habe nichts gehört, allerlei Krach hier!“
„Es ist okay! Besten Dank im Voraus. Der Kredit bei dir, wächst und wächst!“
„Wann startest du?“
„In ein paar Tagen. Ohne Vorbereitungen bringt es nichts. Habe kein Bedarf, einen Reinfall zu erleben.“
„Deine beiden Pferde bringst du zu mir.
Jeden Tag den weiten Weg nach oben, darauf verzichte ich liebend gern.“
Caine erhob sich. Eine herzliche Umarmung von Kitty und ein Kuss auf seine Wange gab es zum Abschied. Dabei flüsterte sie dezent in sein Ohr: „Komm gesund zurück und sprich dich mit ihr aus. Das Beste ist, du bringst sie mit.“
Wieder das flaue Gefühl in seiner Magengegend. Er ließ sich nichts anmerken, fuhr zu seiner Hütte und legte sich früh ins Bett. Sein Wohlbefinden war weit besser, wie Tage zuvor. Das hing damit zusammen, dass er trotz innerer Anspannung, ohne Probleme durchschlief.
Der einstige Armeerucksack enthielt sein Equipment, mit dem, was er für unverzichtbar hielt. Mit Bedacht packte er ausschließlich das Notwendigste ein. Unnützen Ballast vermied er, der wäre für sein Vorhaben rein hinderlich. Ein substanzielles Detail galt es nicht zu vergessen. Dabei handelte es sich um Spezialtechnik für die Legitimation.